EXCITER: Interview mit John Ricci
10.01.2011 | 09:08"Ich experimentiere nicht allzu gerne, zumal ich auch Angst habe, dadurch Fans zu verlieren" - John Ricci (EXCITER).
Die kanadische Power/Speed-Legende EXCITER hat vor kurzem mit "Death Machine" eine ordentliche Scheibe veröffentlicht, die in typischer Haudrauf-Manier fernab jeglicher Trends rohen Metal in Reinkultur offeriert. Leider hat die Sache mindestens einen Haken: außer des Umstands, dass "Death Machine" sicherlich nicht zu den stärksten Veröffentlichungen in der Bandgeschichte zählt, klingen leider auch Produktion und Mix mehr als muffig. POWERMETAL.de hakte bei Bandboss John Ricci (Gitarre) ein, der auskunftsfreudig und geduldig unsere Fragen beantwortete. Warum der gute John erwägen sollte, einen HNO-Arzt seines Vertrauens aufzusuchen und weshalb der Gesang auf der neuen Scheibe nicht ganz so kickt wie sonst, erfahrt ihr im nachstehenden Interview. Und los gehts!
Martin:
Hallo John! EXCITER haben vor zwei Monaten das zehnte Studialbum "Death Machine" herausgebracht. Bist du zufrieden mit den Reaktionen, die ihr von euren Fans und von der Presse erhaltet?
John:
Die Kritiken, die wir bislang von Musikmagazinen und auch unseren Fans erhalten haben, sind fantastisch. Die Stücke auf "Death Machine" sind alle sehr simplizistisch angelegt. Sie werden mit viel Energie dargeboten und das ist genau das, wofür der Name EXCITER steht. Ich wollte mit diesem Album Stücke schreiben, die das Publikum schnell mitshouten und headbangen kann. Es ist natürlich noch zu früh, etwas über die Absatzzahlen der neuen Platte zu sagen. Wir verfolgen das Ziel, den Ausverkauf der produzierten CDs von "Thrash Speed Burn" zu erreichen. Es ist heute wegen des Internets (illegale Downloads, Verkauf von MP3s online) viel schwieriger, Platten auf CD-Format zu verkaufen, als in den 1980ern. Ich bin dennoch zuversichtlich, dass unser neues Album "Death Machine" vernünftige Verkaufszahlen erzielen wird.
Martin:
Wohl keiner eurer Fans möchte ein Album, das einen überproduzierten, modernen Sound aufweist, wie ihn beispielsweise Andy Sneap (u.a. (EXODUS, ACCEPT, ARCH ENEMY) oder Andy Classen (LEGION OF THE DAMNED, DEW-SCENTED uvm.) abliefern würde. Aber der Klang von "Death Machine" ist wirklich matschig und lässt jegliche Power vermissen, John! Viele Bands haben qualitativ bessere Demoaufnahmen am Start, als die, die auf dem neuen Album zu finden sind. Bist du denn mit dem Klangbild der Scheibe zufrieden?
John:
Egal, in welchem Studio wir auch aufnehmen: Wir bekommen immer denselben, analogen Garagensound [da hat er irgendwie recht! - Anm. d Redakteurs]. Ich denke, dass es daran liegt, dass ich selbst und unser Bassist Clammy alte Marshall-Amps aus den 1970ern und den 1980ern verwenden. Wir beide verzichten auf jegliche Soundeffekte. Wir verwenden nur unsere Instrumente und unsere Verstärker. Wir hatten vor, die Schlagzeugspuren für "Death Machine" zu triggern, um einen moderneren Sound zu erzielen. Aber wir fanden in unserer Heimatstadt Ottawa keinen Laden, in dem wir Trigger mieten oder kaufen konnten. Unsere Aufnahmekonsole war ein 16-spuriges Roland-Board. Wir haben alle Instrumente einzeln aufgenommen, um einen klareren Sound zu erzielen (was im Endeffekt nicht der Fall war). Wenn du im Aufnahmeraum gestanden hättest, während wir die Scheibe aufgenommen haben, dann hätte der Sound genug Power gehabt, um dich an die Wand zu drücken, glaub mir. Wir haben bei EXCITER leider immer das Problem, unseren Sound im Studio vernünftig einzufangen. Wir sind übrigens zufrieden mit der Produktion. Aber klar: es gibt immer Spielräume für Verbesserungen.
Martin:
Ich vermute, dass ihr ohne weiteres einen wesentlich druckvolleren Sound für "Death Machine" hättet erzielen können, wenn ihr das tatsächlich gewollt hättet. Und das wahrscheinlich, ohne dass ihr mehr Geld für die Produktion und den Mix hättet locker machen müssen. Selbst eurer Klassikeralbum "Long Live The Loud", das mittlerweile 25 Jahre auf dem Buckel hat, hat einen besseren Sound als "Death Machine"!
John:
Wir haben ein vernünftiges Budget für unsere Aufnahmen, aber uns steht natürlich nicht so viel Geld zur Verfügung, wie für andere Bands, die in renommierten Studios in der ganzen Welt aufnehmen können. Wir müssen eben unter Beachtung dieser Restriktionen aufnehmen. Du hast erwähnt, dass unser Album "Long Live The Loud" besser klingen würde, als unser neues Album "Death Machine". Für mich klingt "LLTL" nicht besser, als jede andere EXCITER-Veröffentlichung [schickt den guten John mal zum Ohrenarzt! – Anm. d. Redakteurs]. "LLTL" wurde in den Britannia Row Studios aufgenommen, die Mitgliedern von PINK FLOYD gehören. Unser damaliger Produzent war Guy Midmead, der auch einmal MOTÖRHEAD produzierte ["Rock'n'Roll" von 1987 - Anm. d. Redakteurs]. Das Album hat eine typische EXCITER-Produktion, wie ich finde. Guy Bidmead hat einen großartigen Job gemacht. Er arbeitete mit dem, was er von uns bekam, und das war eben die typische Weise, wie wir unsere Instrumente spielen. Unser Sound klingt immer breiig, weil unsere Riffs schnell angelegt, verzerrt und laut gespielt wären. Wenn EXCITER-Alben eine hochglanzpolierte Produktion hätten, dann würden wir meiner Meinung nach zu nett klingen!
Martin:
Eure neue Scheibe bietet sehr typische EXCITER-Songs im klassischen Stil. Mir persönlich gefallen 'Razor In Your Back', 'Skull Breaker' sowie 'Pray For Pain' mit seinem deutlich an "Long Live The Loud" erinnernden Feeling sehr gut. Welchen Einfluss hatte denn euer Bassist Clammy auf das Songwriting und die Arrangements? Hast du wiederum fast 100 % der Songs im Alleingang komponiert?
John:
Clammy schrieb das Hauptriff von 'Hellfire'. Ich habe den Rest der Stücke sowie alle Liedtexte verfasst. Kenny Winters hat schließlich einige Texte etwas umarrangiert, damit sie besser zu seinem Gesang passen. Der Grund, warum ich das Songwriting fast vollständig übernehme liegt darin, dass ich in besonderem Maße für den EXCITER-Sound verantwortlich bin, zumal ich die Band ja auch gegründet habe. Wenn ich komponiere ist es aber so, dass jeder in der Band Ideen einbringt. Sofern die Idee gut ist, greife ich sie auf, wenn nicht verwerfe ich sie. Ich möchte an unserer EXCITER-Formel festhalten. Ich experimentiere nicht allzu gerne, zumal ich auch Angst habe, dadurch Fans zu verlieren. Und dieses Risiko will ich nicht eingehen.
Martin:
Ich bin froh darüber, dass ihr nicht derart lange gebraucht hat, um das Nachfolgealbum von "Thrash Speed Burn" (2008) aufzunehmen als für den Nachfolger von "Blood Of Tyrants" (2000). Dessen ungeachtet finde ich, dass euer neues Werk alles in allem schwächer ist als "Thrash Speed Burn".
John:
Wenn dir "Thrash Speed Burn" besser gefällt als "Death Machine", dann magst du wohl eher unsere melodischen Songs. Die auf "Thrash Speed Burn" präsentierten Songs komponierte ich so, dass sie auf unseren früheren Sänger Jacques Bélanger zugeschnitten sind. Er verließ dann aber EXCITER. Außerdem ist "Thrash Speed Burn" etwas progressiver als andere EXCITER-Alben - zumindest für unsere Maßstäbe. Ja, die Wartezeit auf das neue Album war nicht so lange wie die Zeit, die ins Land zog, bis wir "Thrash Speed Burn" fertiggestellt hatten. Ich war einfach inspirierteer, neue Stücke zu komponieren, weil - seitdem Jacques nicht mehr in der Band ist - einfach positivere Vibes vorherrschen. Mit unserem aktuellen Sänger Kenny Winters kann man viel leichter auskommen. Jeder von EXCITER war zufrieden mit der Entscheidung, Kenny in die Band aufzunehmen.
Martin:
In deinen Interviews, die du zur Zeit des Erscheinens von "Blood Of Tryants" (2000) gabst, hattest du berichtet, dass die Gesangsaufnahmen mit Jacques Bélanger mehrere Monate in Anspruch nahmen. Dies lag daran, dass du Jacques ständig dazu aufgefordert hattest, aggressiver zu shouten und dass du ihn bis ans Limit gepusht hattest. Ehrlich gesagt hättest du das bei Kenny Winters beim neuen Album genauso machen sollen. Sein Gesang auf "Death Machine" ist nicht überzeugend. Auf "Thrash Speed Burn" hat er meines Erachtens besser und kraftvoller gesungen.
John:
Sowohl Jacques als auch Kenny waren immer widerwillig, hohe Sceams einzusetzen. Dies lag daran, dass sie stets besorgt waren, durch hohe Screams ihres Stimme zu schädigen, was ich durchaus verstehen kann. Ich denke, dass es eine Technik geben muss, um Screams umsetzen zu können, ohne dass die Stimme in Mitleidenschaft gezogen wird. Ich bin jetzt kein Arzt oder so etwas und auch kein Gesangslehrer. Ich weiß auch, dass einige Sänger bei den hohen Screams teilweise tricksen. Aber es muss doch einen Weg geben, ohne dass man die Stimme schädigt. Da Kenny Winters in New York lebt und er wegen der räumlichen Distanz nicht immer abrufbereit ist, mussten wir die Gesangaufnahmen schneller durchziehen, um die Frist für den Veröffentlichungstermin von "Death Machine" einzuhalten. Deshalb stand uns auch nur wenig Zeit zur Verfügung, um an den Gesangaufnahmen weiter zu feilen. Als wir "Thrash Speed Burn" aufnahmen wirkte Kenny entspannter und auch sicherer, wie er die Stücke singen sollte. Bei "Death Machine" mussten wir den Gesang schneller aufnehmen und wir hatten nicht viel Zeit, um vorher entsprechend zu proben.
Martin:
Ich kenne Kenny bislang nicht persönlich. Nichts gegen ihn, aber nach seiner Gesangsleistung auf "Death Machine" zu urteilen, würde ich wetten, dass Jacques Bélanger eine bessere Leistung abgeliefert hätte. Was denkst du denn über die gesanglichen Fähigkeiten von Kenny im Vergleich zum Stimmumfang und zur Power, die die Stimme eures früheren Sängers Jaques Bélanger hatte?
John:
Kenny verfügt über den gleichen Stimmumfang wie Jacques. Der einzige Unterschied zwischen beiden besteht darin, dass die Stimme von Kenny nicht so tief klingt wie die von Jaques. Bei einigen Stellen haben ich und Rik [Charron – Schlagzeuger; Anm. d. Redakteurs] Backing Vocals beigesteuert, damit die Stimme von Kenny voluminöser klingt. Ehrlich gesagt denke ich nicht, dass Jacques die Stücke besser hätte einsingen können, als Kenny. Wie ich bereits sagte hasste es Jacques, Screams einzusetzen. Er bevorzugt einen eher melodischen, softeren Gesangsstil. Das Witzige daran ist, dass sich Jacques in Topform präsentiert, wenn er in typischer EXCITER-Manier singt. Aber er glaubte uns nicht. Wäre Jacques übrigens noch Mitglied von EXCITER, so wären die Studioaufnahmen für uns die Hölle gewesen. Jacques hätte sich bei jedem Song geweigert, hohe Screams zu singen. Aber ich lasse jedem seine Meinung und ich respektiere sie.
Martin:
Hast du mit Jacques seit seinem Ausstieg im Jahr 2006 jemals wieder gesprochen?
John:
Nein, seitdem Jacques die Band verlassen hat, habe ich nicht mehr mit ihm gesprochen. Ich wüsste echt nicht, was ich ihm zu sagen hätte.
Martin:
Ich habe gelesen, dass du in einem Gitarrengeschäft arbeitest und dort die Kunden hinsichtlich der Instrumente und des Equipments berätst. Gibt es da eine witzige Geschichte hinsichtlich seltsamer oder kurioser Kunden, die du uns erzählen möchtest?
John:
Die seltsamste Geschichte, die sich in meinem Alltagsjob im Musikladen ereignet hat war, dass ein Kunde bei uns im Testraum für die Gitarren eingeschlafen ist. Der Mann war in medizinischer Behandlung und musste starke Medikamente einnehmen. Niemand im Geschäft hatte bemerkt, dass er noch in diesem Raum war. Auch nicht, als wir den Laden nach Ladenschluss abschlossen. Nachdem der eingeschlossene Kunde aufwachte und merkte, dass das Personal weg war und der Laden abgeschlossen lief er nervös im stockfinsteren Geschäft herum, um den Ausgang zu finden. Er fand schließlich den Hinterausgang, verließ das Gebäude und erlöste dann den Alarm aus.
Martin:
John, was kannst du uns denn bezüglich des Dokumentarfilms erzählen, der vor etwas einem Jahr angekündigt wurde? Du hattest berichtet, dass die Produktionsfirma "Neuron Mirror" den Film dreht. Tretet ihr mit dieser Doku praktisch in die Fußstapfen von ANVIL? Berichte uns doch mal bitte über die Dokumenation und wann wir mit einer Veröffentlichung derselben rechnen können.
John:
Die Arbeiten an dem Dokumentarfilm gehen leider nur sehr langsam voran, weil "Neuron Mirror" einen vollgepackten Zeitplan haben. Wir haben einiges an Filmmaterial neueren Datums beisammen - beispielsweise unseren Auftritt auf dem "Heavy Metal Maniacs"-Festival in der Niederlande vor einigen Jahren. Außerdem haben wir einige Interviewaufnahmen von uns schon im Kasten. Ich würde sagen, dass der Film frühestens in zwei Jahren fertig werden wird. Wir werden mit dem Streifen definitiv nicht in die Fußstapfen von ANVIL treten, sondern dem Film einen anderen Anstrich verpassen. Ich freue mich sehr, dass ANVIL mit ihrem Film so viel Erfolg haben, aber ich denke, dass unsere Dokumentation eine positivere Wirkung haben wird. Unser Film wurde auch nicht durch "ANVIL - The Story Of Anvil" inspiriert. "Neuron Mirror", die an uns herangetreten sind, dass sie gerne eine Dokumentation über uns filmen möchten, hatten im Übrigen noch nie etwas von ANVIL gehört.
Martin:
Damit sind wir am Ende unseres Interviews angelangt. Danke für deine Zeit, John! Willst du an dieser Stelle noch etwas loswerden?
John:
Wir werden weiterhin mit EXCITER Scheiben in guter alter Tradition aufnehmen.. und das noch lange Zeit! Long Live Metal !!!
http://listen.to/exciter
http://www.myspace.com/exciterofficial
- Redakteur:
- Martin Loga