EXCRUCIATION: Interview mit Eugenio Meccariello
14.01.2007 | 21:45Nicht nur ich war von der Reunion der eidgenössischen Doom-Deather EXCRUCIATION angetan, sondern offensichtlich auch Kollege Rüdiger, wie seinem Review zu deren aktuellem Scheibchen "Angels To Some, Demons To Others" zu entnehmen ist.
Aber nicht nur besagtes Album war der Grund sich mit der Band, vertreten durch Sänger Eugenio Meccariello, in Verbindung zu setzen und den aktuellen Stand der Dinge im Lager der Schweizer zu erfragen.
Walter:
Nachträglich nochmals herzlichen Glückwunsch zum Entschluss EXCRUCIATION auferstehen zu lassen! Mit eurem aktuellen Album "Angels To Some – Demons To Others" habt ihr den Fans gezeigt, dass Metal keineswegs eine Frage des Alters ist. Wie fühlt man sich nach so langer Abstinenz wieder in diesem Geschäft?
Eugenio:
Wieder 20 Jahre jünger! Es macht wirklich Spaß mit den Jungs wieder rumzuhängen. Wir sind wieder richtig fette Freunde geworden und zugleich sind die selben Vibes wie zur Anfangszeit wieder entstanden.
Walter:
Was hat eigentlich den Ausschlag dafür gegeben, dass EXCRUCIATION auferstehen?
Eugenio:
Andy, unser Drummer, war daran "Schuld". Er hat uns alle zusammengetrommelt, um eine Art "Klassentreffen" zu veranstalten. Nachdem er uns dann mit reichlich Bier und Wein abgefüllt hatte, fragte er uns, ob wir nicht Lust hätten, wieder etwas zusammen zu machen, ohne großartiges Ziel, sondern einfach nur um es ein bisschen krachen zu lassen. Und somit nahm die Geschichte ihren Lauf.
Walter:
Death Metal mit Doom Metal gepaart existiert zwar nicht erst seit gestern, aber ich denke nicht, dass es zahlreichen Jungspunden in der Szene bewusst ist, dass ihr bereits anno 1985 derlei Klänge fabriziert habt. Fühlt ihr euch denn irgendwie als "Vorreiter"?
Eugenio:
Jein. Im Nachhinein betrachtet, waren wir sicher Vorreiter, vor allem hier in der Schweiz. Es gibt nämlich einige größere Bands, die nach uns kamen und damals noch Fans von uns waren und die wir ihrer eigenen Aussage nach auch beeinflusst haben. Doch die eigentlichen Vorreiter dieser Art von Musik waren unsere Helden, wie VENOM, BATHORY, CIRITH UNGOL, HELLHAMMER oder SLAYER. Es wäre geradezu blasphemisch sich mit diesen Formationen auf eine Stufe stellen zu wollen.
Walter:
Interessant finde ich an euren Veröffentlichungen nicht nur die Musik an sich, sondern sehr wohl auch die lyrische Komponente. Woher kamen (und kommen) denn die Inspirationen für derlei Texte?
Eugenio:
Alles Texte basieren auf meinem Leben, beziehungsweise stellen eine Momentaufnahme von meinen Gedanken und Gefühlen dar, die ich zu dem Zeitpunkt als wir den jeweiligen Song komponierten, gerade empfunden habe. Manchmal ist es aber auch so, dass einer der Band mit seinen Riffs etwas sagen will und mir seine Intention weitergibt. Bei 'My Darkest Hour' war das beispielsweise so. Der Text zu diesem Song ist auf Wunsch von Marcel geschrieben wurde und auch 'Mo(u)rning Again' ist hier zu nennen. José beschrieb mir zunächst, was er mit dieser Nummer aussagen wollte und ich habe dann versucht seine Ideen mit meiner eigenen "Vision" zu verschmelzen.
Walter:
Nicht, dass wir mit "Arise" und "Angels To Some, Demons To Others" unzufrieden wären, aber eine Reunion wäre doch auch ein passender Anlass eine Doppel-CD mit eventuell unveröffentlichten Schätzen zu veröffentlichen, oder sind da etwa Aufnahmen für den 25. Geburtstag der Band, der in zwei Jahre zu feiern sein wird, in der Schublade verblieben?
Eugenio:
Nein, so ist es leider nicht. Wir haben natürlich noch genügend altes Material, das nie veröffentlicht wurde. Doch wir finden es spannender etwas Neues zu schreiben, als alte Songs aufzuwärmen. Dazu kommt, dass alle Songs, die wir letztes Jahr geschrieben haben, auch auf dem Album sind. Jetzt müssen wir eben wieder ran. Es gibt doch nichts Langweiligeres als eine Reunion einer Band, die nichts Neues zu sagen hat.
Walter:
So ist es. Da es aber doch massig unveröffentlichtes Material in den Archiven gibt, könnte man auch einmal über die Veröffentlichung einer DVD nachdenken? Gibt es Pläne diesbezüglich?
Eugenio:
Material hätten wir genug, ich musste für das Schweizer Fernsehen in den letzten Tagen gute acht Stunden Live-Mitschnitte von früher durchschauen. Doch leider hat die Qualität der Bänder in den letzten 20 Jahren gelitten und daher sind die vorhandenen Mitschnitte für eine Veröffentlichung nicht wirklich geeignet. Wir werden aber sicher ein paar Ausschnitte demnächst einmal online stellen.
Walter:
Gute Idee. Zumal man sich zumindest ein Bild von der Band auf der Bühne machen kann. Wird es denn auch eine Tournee zu "Angels To Some, Demons To Others" geben?
Eugenio:
Wohl eher nicht. Da wir alle berufstätig sind, zum Teil Familien zu ernähren haben und dadurch auch auf ein festes Einkommen angewiesen sind, wird so etwas sehr schwierig. Wir konzentrieren uns daher auf Wochenend-Gigs und hoffen, dass auch noch das eine oder andere Festival dazukommt. Außerdem haben wir keine Plattenfirma im Hintergrund, die fähig wäre uns eine Tour zu finanzieren. Wir hatten ein paar Angebote um als Support auf Tournee mitzugehen, aber das war leider vom Finanziellen her nicht machbar. Aber sag niemals nie!
An alle Veranstalter, die nach einer geilen Live-Band suchen, unsere Adresse steht auf unserer Homepage.
Walter:
Sie haben es gelesen, meine Damen und Herren, jetzt liegt es an ihnen. Wo waren und sind denn überhaupt die meisten eurer Fans beheimatet?
Eugenio:
Wo sie jetzt sind, wird sich noch herausstellen. Wir haben aber bislang sehr gute Resonanzen aus dem deutschsprachigen Raum bekommen, was früher nicht der Fall war. Damals waren wir eher in Ländern wie Italien und Frankreich, aber auch in Süd- und Mittelamerika und im Osten angesagt. Jetzt gilt es eben den Rest zu erobern.
Walter:
Wo wir gerade bei "früher" angelangt sind: Weshalb kam es 1991 überhaupt zur Auflösung der Band?
Eugenio:
Jetzt kommt's: "Wegen persönlichen und musikalischen Differenzen"! Im Ernst, wir konnten uns nicht mehr ausstehen. Wir haben unsere ganze Teenie-Zeit miteinander verbracht und irgendwann einmal hatten wir uns einfach auseinander gelebt. Es war so ähnlich wie bei der ersten großen Liebe, bei der man dann, wenn man erwachsen geworden ist, merkt, dass man doch verschiedene Ziele im Leben hat. Wir trafen uns nur noch im Übungsraum und zu den Konzerten. Vielleicht hatten wir uns auch schon alles gesagt, was man sich in diesem Alter zu sagen hat.
Walter:
Was waren denn die Highlights in der Karriere von EXCRUCIATION, wenn wir über Verkaufszahlen und Shows sprechen?
Eugenio:
Puhhh ... schwierige Frage. 1986 bis 1988 war ein einziges Highlight. Wir waren damals voller Enthusiasmus und spielten fast jedes Wochenende irgendwo. Hervorzuheben ist sicherlich, dass wir im Jahre 1987 ein Konzert für THE YOUNG GODS eröffnen durften und zwar vor 1400 Leuten und dieser Gig im Schweizer Radio übertragen wurde. Dabei war das erst unser fünfter Gig überhaupt! Tags darauf spielten wir dann als Headliner in Mailand vor 800 völlig durchgedrehten Italienern. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht mal unsere Mini-LP draußen. Auch die Gigs in der DDR im Jahre 1990, noch vor der Wiedervereinigung, waren Highlights in unserer Karriere. Die Leute da waren "ausgehungert" und gingen bei den Gigs total ab. Die Verkaufszahlen waren zwar für heutige Verhältnisse hoch (15.000 von "Last Judgment", 20.000 von "Anno Domini"), aber dazumal war das nicht viel mehr als guter Durchschnitt. Ansonsten war natürlich das letzte Jahr ein Glanzlicht, denn es tut gut, jetzt die fertige CD in Händen halten zu können.
Walter:
Seid ihr denn in den Jahren der "Ruhe" dennoch als Musiker aktiv gewesen?
Eugenio:
Nicht ünbedingt nur als Musiker, aber zum Teil als Tontechniker, Booker oder A&R, wir sind also doch im Geschäft geblieben. D.D. und ich spielten nach dem Split noch ein paar Monate zusammen bei TOTART, bei denen ich noch gute zwei Jahre danach aktiv war. Ich sang später aushilfsweise bei einigen Death-Metal-Bands und fing dann an, mich immer mehr für elektronische Musik zu interessieren. George spielte auch bei einigen Bands, blieb dem Metal jedoch immer treu. José gründete eine Hardcore-Combo namens CURB DOGS, die hierzulande ziemlich angesagt war.
Walter:
Habt ihr die zahlreichen Veränderungen in der Metal-Szene seit eurem Ende damals mitverfolgt oder hattet ihr einfach die Schnauze voll davon und euch auf andere Aktivitäten konzentriert?
Eugenio:
Ich selber nicht unbedingt. Ich kaufte mir zwar ab und zu in den Ferien Magazine, aber vor allem Mitte der 90er Jahre kam nichts mehr raus, was mich umhaute. Die anderen Jungs verfolgten die Szene aber teilweise mit regem Interesse.
Walter:
Neben der Musik und den Texten scheint auch der optische Aspekt immer ein wesentlicher bei euch zu sein. Auch das aktuelle Album kann sich nicht nur hören, sondern sehr wohl auch sehen lassen. Verfolgt ihr denn eine bestimme Intention eure Alben auch dementsprechend zu gestalten?
Eugenio:
Klar! Ich finde den visuellen Aspekt fast so wichtig wie die Musik selbst. Zudem wollten wir natürlich etwas Schönes und Spezielles für die Leute machen, die sich das Album kaufen und es nicht von irgendwoher gratis runterladen. Es ist so wie bei Büchern. Ein schön aufgemachtes Hardcover-Buch ist mir tausendmal lieber als eine Pdf-Datei, auch wenn der Inhalt der Gleiche ist. Außerdem geht es natürlich auch um uns. Wir hatten die Freiheit zu machen was und wie wir es wollten und das Ziel war dann ein "Gesamt-Werk" herauszubringen, das vor allem uns gefällt und zu 100% EXCRUCIATION ist.
Walter:
Ich denke auch den Fans wird das Album in jeder Weise gefallen... Eure Comeback-Scheibe "Arise" erschien auch als Picture Disc, wird auch von "Angels To Some, Demons To Others" eine solche zu haben sein?
Eugenio:
Das wäre geil!!! Ich sehe das Doppel-Album schon vor mir! Leider würde das aber sehr teuer werden, da die CD nicht auf eine LP passt, außer man nimmt massive Qualitätseinbußen in Kauf. Aber ein Doppel-Album mit Klappcover oder eine Doppel-Picture wäre schon ein Traum. Wir sind halt "old-school" Vinyl-Fetischisten. Im Moment schauen wir, ob wir ein geeignetes Label dafür finden können. Wir sind, glaube ich zumindest, auch die einzige Band, die jemals eine Bonus-Vinyl-5" zur einer CD gepackt hat. Ist eigentlich ziemlich bescheuert, aber ich liebe dieses Teil!
Walter:
Nicht nur du! Besteht denn die Chance eventuell auch eure alten Veröffentlichungen in überarbeiteter Form eines Tages zu erhalten?
Eugenio:
Vorerst sicher nicht. Wir haben zwar im Studio noch einen alten Song, nämlich 'Merciless Destiny', aufgenommen, weil wir Zeit und Lust dazu hatten, aber ich glaube nicht, dass in Bälde noch andere Tracks folgen werden, höchstens ein paar der bislang unveröffentlichten Songs.
Walter:
Immerhin. Lassen wir uns also einfach überraschen. Wenn man die letzten 20 Jahre nochmals Revue passieren lässt, wie könnte man denn die musikalische Entwicklung von EXCRUCIATION beschreiben?
Eugenio:
Am Anfang waren wir Fans, die versucht haben Musik im Stile ihrer Idole zu komponieren. Danach versuchten wir nicht so zu klingen wie alle anderen Bands und jetzt machen wir einfach das, worauf wir Lust haben. Oder anders gesagt, am Anfang waren eher Thrash und Hardcore im Vordergrund, jedoch immer mit langsamen Parts dazwischen. Die doomigen Teile wurden dann aber immer wichtiger und die schnellen Riffs verschwanden immer weiter in den Hintergrund.
Walter:
Als Österreicher blicke ich schon seit Jahren ein wenig neidisch in Richtung Schweiz, denn an Berühmtheiten in der Rockszene, wie es KROKUS oder CELTIC FROST nun einmal sind, mangelt es bei uns seit Jahrzehnten. Noch nicht einmal annähernd das Renommee, welches Truppen wie CORONER erlangen konnten, schafften österreichische Bands im direkten Vergleich. Was ist das Geheimnis des Erfolges von Bands aus der Eidgenossenschaft?
Eugenio:
So ist es ja auch wieder nicht. Momentan sind ja BELPHEGOR ziemlich angesagt und auch PUNGENT STENCH sorgen immer wieder für Furore. Dazu gab es ja auch noch DISHARMONIC ORCHESTRA, die in der Frühzeit des Death Metal bekannt waren. Was an der Schweiz aber wirklich interessant ist, dass es hier immer wieder sehr innovative Bands gab, seien es CELTIC FROST im Metal, oder auch Bands anderer Stilrichtungen wie YELLO, THE YOUNG GODS oder die SWAMP TERRORISTS. Aber neidisch müsst ihr definitiv nicht sein. Okay, ihr habt keine Band wie EXCRUCIATION, aber wir kommen euch gerne mal besuchen.
Walter:
Da nehm ich dich beim Wort und im Idealfall haben sich bis dahin die leider ebenfalls nicht mehr existierende Bands wie POLTERGEIST, XERXES oder MEGORA auch wieder dazu entschlossenen einen Neustart zu wagen. In der Zwischenzeit bedanke ich mich für die Auskunft und wünsche der Band das Beste für die nächsten Jahre! Gibt es noch etwas, dass ihr dringend loswerden wollt?
Walter:
Ich danke dir für das Interview und die Unterstützung und wünsche natürlich allen ein wunderbares Jahr 2007! Supportet auch weiterhin den Untergrund, denn solange Bands eine Plattform haben, wird der Metal für immer weiterleben!! Stay Heavy, Stay Doooooooom!
- Redakteur:
- Walter Scheurer