FARGO: The Early Years (1979 - 1982)

14.03.2024 | 13:27

Ein Stück deutscher Rockgeschichte.

Manche Bands sind nicht vor allem wegen ihrer Musik bekannt. Unsere jüngeren Leser dürften eine Gruppe namens FARGO kaum kennen, und auch bei den älteren kann man das nicht sicher annehmen. Der ein oder andere wird vielleicht denken: "FARGO, da war doch mal was..." Ja, das war jene Band, aus der ein paar Jahre später die international erfolgreiche Formation VICTORY hervorgehen sollte und in der kurzzeitig noch vor ihren Plattenveröffentlichungen Matthias Jabs spielte, der danach bei den SCORPIONS durchstartete.

Die deutsche Rockgruppe FARGO machte um 1980 vier Studioalben, mit denen sie zwar nicht in Superstarsphären aufstieg, aber doch einige Beachtung in der Rockgemeinde erzielte und zu Fernsehauftritten wie zu Tourneen etwa im Vorprogramm von AC/DC kam. Im Februar ist die Box "The Early Years (1979 - 1982)" erschienen, die die genannten vier Alben in remastertem Sound enthält. Um das Remastering hat sich Frontmann Peter Ladwig gekümmert. In einem Schuber befinden sich die vier CDs jeweils in einer Papphülle sowie ein Beiheft, das Erinnerungen des Bassisten Peter Knorn enthält. Neben der hier besprochenen CD-Ausgabe ist das Paket auch auf Vinyl erhältlich. Anders als bei früheren Neuveröffentlichungen gibt es 2024 keine Bonus-Tracks.

Produziert von Klaus Hess (JANE, EPITAPH) und Frank Bornemann (ELOY), entstand 1979 das Debütalbum "Wishing Well" in der Besetzung Peter Ladwig (v, g), Peter "Fargopedda" Knorn (b), Hanno Grossmann (g) und Franky Tolle (d). Ein wiedererkennbarer Sound ist auf dem Erstling nur eingeschränkt auszumachen. Vorherrschend ist natürlich Rock verschiedener Härtegrade, aber auch eine gewisse amerikanische Countrynote ist in einzelnen Stücken festzustellen, und vermutlich sind auch die Bands von Klaus Hess nicht ganz spurlos an FARGO vorbeigegangen. Eingerahmt von den schmissigen Rocknummern 'More Of Your Life' und 'When The Show Is Over' finden sich das ambitioniertere 'Silent Summernight', das akustische Folkstück 'Blue Eyes', der rustikale Countryrock 'What Are You Doing', 'Highway' mit Vocoder-Stimme und das Bass-Solo 'A Kiss In The Rain'. Und auch wenn nicht jede Songidee ganz rund ist, kann man auf dem Album einige starke Soli und Leadbreaks hören.

Im Rückblick ist "Wishing Well" auch als Zeitdokument interessant. Während heute so manche junge Band schon frühzeitig die nicht sehr intelligente Entscheidung trifft, sich auf das Nebenfach einer Unterkategorie einer Stilrichtung festzulegen und unter Aufbietung modernster Hard- und Software erstaunliche Sounds, aber keine echten Melodien aufnimmt, ließ FARGO bei den frühen Aufnahmen Ideen verschiedener Richtungen zu, was vielleicht etwas unentschlossen und - das ist überhaupt nicht abwertend gemeint - naiv wirkt. Aber so ließ die Gruppe mehr Entwicklungsmöglichkeiten zu. Außerdem hat sie fast durchweg gefällige Melodien hingekriegt. "Wishing Well" ist das einzige Album der Box, das nicht nur remastert, sondern auch neu abgemischt wurde.

Beim zweiten Album "No Limit" von 1980 hatte FARGO die Produktion zusammen mit Frank Bornemann übernommen. Immer noch herrscht Rock mit leichter Country-Schlagseite vor. Doch das Material wirkt nun etwas stringenter. Ein wenig scheint die Lässigkeit und Verspieltheit der EAGLES und von WISHBONE ASH durch. 'Just The Music', eine lässige Rocknummer mit heftigem Leadbreak, eröffnet die Scheibe. Es folgen die stimmungsvolle Halbballade 'Soul Survivor', die leicht an die mittlere Phase von BARCLAY JAMES HARVEST erinnert, als jene Band den orchestralen Pomp zurückgefahren hatte, und das lässige 'Get Up'. 'Hot Nights' und besonders 'Take It Easy' mit heavy Riffs weisen schon in Richtung Hardrock. Das zwischen Funk und Pop pendelnde 'Walking In The Moonlight' mit seinem aufgesetzten Gesang und die schlaffe Westcoast-Ballade 'The Last' sind weniger geglückte Experimente. Höhepunkt der Scheibe dürfte dagegen der Boogie 'I'm A Loser' mit Doppel-Leadgitarren und Talkbox sein.

Bis zum dritten Album "Frontpage Lover" (1981) hatte sich eine Umbesetzung ergeben, indem Rudi Kaeding hinter der Schießbude Platz genommen hatte. Die Produktion teilte sich Frank Bornemann bei dieser Scheibe mit Jan Nemec, der bei Musikern für knallharte Kritik gefürchtet, aber für sein präzises Gehör geschätzt war. Die Countryausflüge hatten sich mit dieser Scheibe erledigt. Dennoch hinterlässt sie einen musikalisch zwiespältigen Eindruck, denn eine klare Rocklinie ist immer noch nicht durchweg auszumachen. Nach dem starken Titelstück als Einstieg spielt 'Girl Like A Trigger' einer damals zeitgeistigen Marotte folgend mit Reggaerhythmen. Bei 'Sunmaker' klingen die Gitarren wie Saxophone, und die Nummer wirkt, als ob ein Schauorchester zum Seniorentanztee aufspielt, bevor sich '27 Hours A Day' als müde Ballade erweist. Doch in der zweiten Hälfte folgt eine Kette gelungener, detailreicher Hardrockstücke. Hier ist das eingängige 'Tokyo' ebenso zu nennen wie 'Wheel Of Fortune' mit seinem markanten Bass, vor allem aber 'Arrows In The Wind', 'Angel' und 'Little Miss Mystery' mit ihren starken Leadgitarren.

Beim vierten und vorläufig letzten Album "F" (1982) hatte Tommy Newton Hanno Grossman ersetzt, während die Drums wieder von Rückkehrer Franky Tolle vermöbelt wurden. Auf dem Cover erschien erstmalig das dreieckige F-Logo, das auch die Box ziert. Fargopedda Knorn und Peter Ladwig produzierten die Platte zusammen mit Jan Nemec. Die Heavy-Rock-Ausrichtung ist nun voll ausgeprägt. Satte Riffs sind hier durch die Bank auszumachen. Zudem scheint die Musik etwas einfacher und eingängiger geworden zu sein. Die Verspieltheit der bisherigen Alben hat nachgelassen. Nach dem titelgebenden, dramatischen Intro, das man als Ouvertüre der Platte nehmen darf, brettert der etwas einfach gestrickte Riffrock 'Here We Are' aus den Boxen, dem weitere Kracher wie 'Squeeze Me,' 'Feel Like Dancing' oder 'Aphrodite Woman' folgen. 'No Trouble' und 'The Tide Is Turning' bieten hörenswerte Leadbreaks. Beim phasenweise simpel-plärrigen 'Plastic Chicks' mag man sich fragen, ob es sich - sei es konkurrierend oder parodierend - zur seinerzeit auf dem Erfolgsgipfel befindlichen Neuen Deutschen Welle in Beziehung setzt. Der entspannte, mehrstimmige Mid-Tempo-Rock von 'My Sweet Darling' erinnert ein wenig an LAKE, bevor schließlich das rasante Instrumental 'Hard Attack' das Album beendet.

Einige Zeit nach "F" endete die Geschichte von FARGO erst mal, woraufhin Fargopedda Knorn und Tommy Newton als VICTORY weitermachten. 2016 haben die beiden Peters Ladwig und Knorn FARGO wieder ins Leben gerufen. Seither sind mit "Constellation" und "Strangers D'Amour" zwei weitere Studioalben entstanden.

Redakteur:
Stefan Kayser

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