FAUN: Interview mit Oliver s. Tyr
30.08.2016 | 12:15Kurz vor der Veröffentlichung der neuen Scheibe "Midgard" sprach Oliver s. Tyr im Interview mit uns über das neue Album, alte Bräuche und die Rolle von FAUN als Botschafter für die Mittelalter-Szene.
Hallo, Oliver. Ja, die Veröffentlichung eures neuen Albums "Midgard" steht kurz bevor [inzwischen am 19. August erschienen - d. Red.]. Bist du da trotz aller Erfahrung im Musik-Business immer noch aufgeregt oder entwickelt sich das im Laufe der Jahre irgendwann zur Routine?
Aufgeregt vielleicht nicht wirklich. Aber natürlich ist es immer wieder spannend zu sehen, wie das Album ankommt. Schließlich wissen wir ja vorher nie, ob wir damit den "Zahn der Zeit" getroffen haben.
Ist das überhaupt ein Anspruch von euch als Mittelalter-Band, den "Zahn der Zeit" zu treffen?
Nein, so meinte ich das nicht. Aber wir versuchen natürlich immer wieder, uns selbst als Band neu zu erfinden. Es wäre ja schade, wenn wir auf der Stelle treten würden. "Luna" war ein sehr romantisch veranlagtes Album, auf dem wir auf die Geheimnisse des Mondes eingangen sind. "Von den Elben" hingegen war sehr fröhlich und verspielt. Und jetzt geht die Reise für uns eben hoch in den Norden zu den Wikingern.
Wie kamt ihr überhaupt auf das Thema "Midgard" und die nordischen Sagen? Ihr habt ja fast die halbe Edda in euren Liedern verarbeitet, gerade das Lied 'Odin' hält sich da ja ziemlich genau an die Vorlage.
Die Edda ist sehr lang, da haben wir noch einiges vor uns. Es ist so gewesen, dass ich wahnsinnig viel skandinavische Musik gespielt und das sehr genossen habe. Da interessiert man sich zwangsläufig auch immer mehr für den Hintergrund. Irgendwann kam dann der Moment, an dem wir gesagt haben, dass wir aus diesem Wissen jetzt selbst Musik machen wollen.
Spielen die Sagen und Legenden aus der Edda denn auch privat für dich eine Rolle?
Ich glaube, dass sie uns allen wichtig sind, immerhin sind das die Ursprünge unserer Kultur. Es ist wichtig, dass wir das nicht in Vergessenheit geraten lassen. Früher war das natürlich einfacher, als man noch mehr in Einklang mit der Natur gelebt hat.
Ihr spielt mit eurer Musik oft auch auf mittelalterlichen Veranstaltungen. Bekommt ihr da ein anderes Feedback als z.B. bei Festivals? Gerade in der Mittelalter-Szene spielt ja "Authentizität" immer eine riesige Rolle...
Wir spielen ja mehrere Programme: rein akustische Programme, unsere Kirchenkonzerte mit sehr balladesken Programmen und Festival-Programme, die sehr tanzbar sind. Aber es ist uns auch wichtig, dass wir die Leute dazu einladen, uns auch auf den MPS (Mittelalterlich Phantasie Spektakulum) zu besuchen. Es ist für uns und die Szene wichtig, dass auch neue Leute ihren Weg in diese Welt finden - mit neuen, frischen Ideen.
Mit eurer Musik seid ihr ja wirklich überall zu finden. Sogar Radiosender mit Schwerpunkt Schlager spielen Lieder von FAUN. Für viele Bands wäre das beinahe beleidigend - wie geht ihr damit um?
Wir können natürlich niemandem verbieten, unsere Lieder zu spielen. Wir grenzen uns allerdings davon ab, aber das Problem ist: Es gibt für uns einfach keine Schublade. Klar, wir greifen alte, deutschsprachige Balladen mit romantischem Frauengesang auf. Da trifft der Schlager vielleicht auch zu, aber wir spielen ja nicht NUR solche Musik. Unser 'Odin', den du schon erwähnt hast, hat ja auch einen sehr ernsten, düsteren Grundton und einen sehr ernsten Hintergrund mit dem Thema Naturreligionen. Aber dadurch, dass unsere Lieder auch im Fernsehen gespielt werden, können wir vielen Menschen auch die alten heidnischen Bräuche näher bringen.
Seht ihr euch da vielleicht ein wenig als Botschafter?
Ja, vielleicht so ein wenig sogar als Tür in eine andere Welt. Wir haben für unser neues Album auch mit WARDRUNA aus Norwegen kooperiert. Viele Menschen kennen die Gruppe gar nicht, obwohl sie auch schon die Musik für die Serie "Vikings" komponiert hat. Wir sehen uns da wirklich ein wenig als Tor in eine andere Welt; als eine Art Botschafter für die Szene, durch den der ein oder andere vielleicht auch ein paar neue Gruppen kennenlernt.
Die Kirchenkonzerte hast du eben schon angesprochen. Akustische Konzertreihen gibt es ja wie Sand am Meer - aber was hat euch zu diesem Konzept denn bewegt?
Wir wurden vor Jahren eingeladen, ein Konzert in einer Kirche zu geben. Die Akustik und diese ganz sakrale Stimmung dort ist einfach toll. Ich selbst bin pagan, aber ich respektiere die Kirche - für mich ist das lebendige Geschichte. Daher ist es eine große Ehre für uns, in diesen Räumen spielen zu dürfen. Dann machen wir auch ganz andere Musik mit Harfen und sehr viel Ruhe.
In Kürze stehst du mit FAUN auch beim MERA LUNA auf der Bühne [Am 14. August spielte die Band auf der Main Stage. - d. Red.]. Magst du uns da schon etwas zur Show verraten?
Da haben wir tatsächlich einiges vor: Wir haben ein sehr hübsches Bühnenbild und werden die besten Songs der letzten Jahre spielen. Die holen das Publikum erfahrungsgemäß schnell ab, wir arbeiten mit viel Trommeln, unser Power-Set eben. Das ist natürlich kein Vergleich zu unseren "eigenen" Konzerten. Da hast du den ganzen Tag Zeit zum Dekorieren und kannst viel mehr Instrumente auf die Bühne bringen. Der Spannungsbogen ist auch ganz anders: Wenn du mehr Zeit hast, kannst du auch einmal ruhiger werden.
Wo die Naturreligion in den Liedern von FAUN so eine große Rolle spielt, liegt die Frage eigentlich auf der Hand: Wie bist du eigentlich damals zum Paganismus gekommen?
Größtenteils durch Erfahrungen. Ich habe viel ausprobiert, habe Kirchen besucht, naturreligiöse Menschen kennengelernt, viele Nächte an Lagerfeuern verbracht und habe dann irgendwann festgestellt, dass ich im Paganismus die stärksten und größten Erfahrungen gemacht habe. Letzten Endes finde ich es auch gut, dass es hier keine Machtstruktur um einen allmächtigen Gott gibt, sondern dass dahinter einfach der Gedanke steht: Wir alle sind Natur.
Um noch einmal auf eure Musik zurückzukommen: Was steht bei euch nach "Midgard" an? Habt ihr da jetzt schon Pläne?
Wir haben noch ganz viele Lieder, die wir noch nicht bearbeitet haben. Auch die Motive auf "Midgard" haben wir noch nicht vollkommen ausgeschöpft. Jetzt warten wir aber erst einmal ab, ob wir die Menschen damit abholen. Ich hoffe, dass es sehr gut ankommt.
- Redakteur:
- Leoni Dowidat