FORBIDDEN - Interview mit Sänger Norman Skinner
18.08.2025 | 10:46Wie im entsprechenden Konzertbericht bereits angekündigt, folgt hier nun das Interview mit Sänger Norman Skinner von FORBIDDEN. Das Gespräch hatten wir kurzerhand ganz spontan und im Stehen im Innenraum des Luxors zu Köln geführt. Wir, das ist neben meiner Wenigkeit noch mein sehr guter Freund Marco Witte, seines Zeichens Sänger und Co-Songwriter der deutschen Prog-Metal-Formation LIFE ARTIST, darüber hinaus zudem aber auch ein ehemaliger und alter schreibender Hase (Visions, diverse Fanzines). Eine bessere und erfahrenere Unterstützung für das Interview hätte ich mir also wahrlich nicht wünschen können. Marco hatte den Termin für das Interview bereits im Vorfeld des Konzerts mit Norman abgesprochen und eingetütet. Vielen Dank dafür, lieber Marco.
Marco: Ich habe Stephan eben schon gesagt, dass es so toll ist, dass FORBIDDEN wieder am Start und auf Tour ist. Da muss ich gleich mal nachfragen, wie es denn eigentlich in Eindhoven gelaufen ist.
Ich liebe Eindhoven. Eine der schönsten Städte, die ich bisher bereist habe. Die Leute da sind sehr offen und herzlich. Vor zwei Jahren war mein offizieller FORBIDDEN-Einstand auf dem Alcatraz-Festival in Belgien. Craig (Locicero) fragte aber bereits 2022 bei mir an, ob ich im Rahmen des Auftritts von THRASH INTERNATIONAL auf dem Dynamo-Festival [Er meint das BAY AREA INTERTHRASHIONAL. - Anm. d. Red.] ein paar Thrash-Klassiker einproben könnte, und hier nimmt die Geschichte meines Einstiegs bei FORBIDDEN quasi ihren Anfang.
Ich wusste ja nicht, was auf mich zukommen würde und wie die Fans mich empfangen würden. Ich war da schon etwas skeptisch, aber offensichtlich hatte ich mich umsonst gesorgt und diesen Test erfolgreich bestanden. Die Fans waren auch super und haben mich toll aufgenommen. Von daher habe ich nur positive Erinnerungen an Eindhoven.
Marco: Ich erinnere mich noch sehr gut an den ersten Auftritt von FORBIDDEN, den ich gesehen habe. Das war nämlich 1989 auf dem Dynamo-Festival, wo auch die "Raw Evil"-EP aufgenommen wurde und FORBIDDEN einen absolut grandiosen Auftritt ablieferte.
Puh, das ist natürlich vor langer, langer Zeit gewesen. Damals hatte ich noch überhaupt keine Ahnung, wer oder was FORBIDDEN ist.
Marco: Dich als neuen Frontmann haben wir dann 2024 das erste Mal auf dem "Rock Hard"-Festival gesehen und waren direkt mehr als überzeugt, dass du die perfekte Besetzung für dieses große, schwere Erbe sein wirst.
Oh, vielen Dank, das ist sehr nett von euch. Nun ja, ich war kein eingefleischter FORBIDDEN-Fan, hatte also auch noch nie FORBIDDEN-Songs gesungen und auch nie gedacht, dass wir ähnlich klingen und ich ein ähnliches Timbre wie Russ haben würde. Als ich dann zu den Proben für das "Thrash International"-Projekt eingeladen wurde und den Song 'Off The Edge' sang, drehten sich die Jungs um und sagten: "WTF, habt ihr den Typen gehört? Der klingt original wie Russ Anderson."
Ich hatte aber immer noch keine richtige Ahnung, mit was und wem ich es hier zu tun hatte. Sie haben sich dann bei mir bedankt, dass ich einige Strapazen auf mich genommen hatte - die Fahrt zu den Proben dauerte jeweils zwei Stunden - und berichteten dann von der Idee, dass sie ein ähnliches Festival-Set gerne in den Staaten, unter anderem in der Bay Area, aufziehen wollten und mich gerne live dabeihaben würden. Ich sollte 'Chalice Of Blood' und eine weitere Nummer singen. Ich bedankte mich, fand das cool und bekundete mein Interesse. Letzten Endes habe ich dann insgesamt neun Stücke gesungen (lacht).
Naja, ungefähr zwei Monate später rief mich Craig an und fragte, ob ich Lust hätte, an einem neuen FORBIDDEN-Song zu arbeiten. Ich habe dann intuitiv direkt zugesagt.
Das war dann auch der Punkt, an dem ich mich intensiv mit FORBIDDEN und der Geschichte der Band auseinandergesetzt habe. Ich habe mir dann die ganzen alten Videos von 1989 und 1990 angeschaut. Dabei habe ich es dann auch ein wenig mit der Angst bekommen und dachte mir: "Oh Shit, das wird hart, der Typ singt ja extraklasse." Mit der Zeit und viel Übung wurde ich aber etwas entspannter und ich merkte, dass meine Stimme gut zu der von Russ passt und ich stimmlich einigermaßen mithalten konnte.
Ich habe mich dann durch die gesamte Diskographie der Band gehört. Ich merkte auch, wie sich Russ' Stimme mit der Zeit etwas veränderte, trotzdem hat er auch später noch spektakuläre Performances abgeliefert. Nur live gab es halt immer wieder Probleme. Insgesamt fand ich es im Grunde sehr schade, dass sich dieses Ausnahmetalent aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme von FORBIDDEN und dem Musik-Business verabschiedet hat.
Stephan: Wo du gerade von Russ sprichst: Wie geht es ihm denn heute, es ist ja immer wieder die Rede von seinen gesundheitlichen Problemen. Ist er okay und steht ihr noch in Kontakt?
Nun ja, Russ hatte immer wieder Probleme, insbesondere, wenn es auf Tour ging. Und mit der Zeit wurde er Alkoholiker. Als es um die Reunion ging und um Auftritte wie den Wacken-Gig, gab er der Band deutlich zu verstehen, dass er das nicht mehr machen könne. Er war früher niemals nüchtern auf der Bühne, da er offensichtlich tiefe Versagensängste hatte. Er wolle und könne inzwischen nicht mehr touren, stundenlang im Flieger oder Tourbus sitzen und so weiter. Naja, und das war es dann auch erst einmal mit der Band FORBIDDEN.
Später dann, als die Einladung zum Alcatraz-Festival kam und die Überlegung im Raum stand, mit mir als Sänger weiterzumachen, wollte sich die Band mit Russ besprechen. Sie riefen ihn wieder und wieder an, aber er hob nie den Hörer ab oder meldete sich zurück. Es gab dann ein Gespräch mit seiner Schwester, die sagte, dass Russ sich deshalb nie zurückgemeldet hatte, weil er Angst davor hatte, dass man ihn fragen würde, ob er wieder Teil der Band sein wolle. Er ist zwar inzwischen glücklicherweise abstinent und nimmt keine Drogen, aber er hatte wohl Angst, dass er in alte Gewohnheiten und Verhaltensweisen zurückfallen würde, wenn er wieder bei FORBIDDEN einsteigen würde.
Russ lebt jetzt in Arizona, erhält mentale und finanzielle Unterstützung, er hat eine Religion für sich gefunden und will mit Metal nichts mehr zu tun haben, weil dieser ihn an dunkle Orte führen würde. Er hat sein komplettes Leben umgekrempelt und will jetzt glücklich und gesund leben und die Vergangenheit hinter sich lassen.
Stephan: Wie stehst du dazu aus heutiger Sicht?
Naja, schwierig. Im Grunde hat er mir indirekt ja auch geholfen, insbesondere mit seinem definitiven Rückzug aus dem Musikgeschäft. Das hat für mich die Möglichkeit des Einstiegs deutlich erleichtert. Wie wäre es wohl gewesen, wenn er noch aktiv Musik machen würde und ich gefragt worden wäre, ob ich der neue Sänger bei FORBIDDEN sein wolle. Ich wäre mir da wahrscheinlich wie ein Notnagel vorgekommen, der nur in der Band ist, weil Russ derzeit nicht verfügbar ist. In der jetzigen Situation gibt es aber klare Verhältnisse und ich bin dafür dankbar, denn das hat meinen Einstieg sicherlich erleichtert.
Marco: Ich finde es toll, dass du keine Russ Anderson-Kopie bist und einen ganz eigenen Stil in die Band gebracht hast. Auf der neuen Single 'Divided By Zero' hört man das bereits deutlich heraus. Neben dem kraftvollen, melodischen Gesang bringst du auch eine dunkle, bedrohliche stimmliche Note herein und growlst auch mal, um die Atmosphäre des Songs zu intensivieren.
Ja, stimmt. Wenn man sich mit meinen anderen Projekten (SKINNER, NIVIANE, IMAGIKA, HELLSCREAM, TRAMONTANE u.a.) beschäftigt, merkt man schnell, dass ich musikalisch und gesanglich ziemlich breit aufgestellt bin. Deshalb hat man mir auch irgendwann den Nickname "The Metal Chameleon" verpasst (lacht). Ich bin tief im amerikanischen Power Metal verwurzelt, ich bin ein "US Power Metal guy".
Stephan: Der sich aber stark vom eher cheesigen europäischen Power Metal unterscheidet, oder?
Sicherlich, aber das ist ja auch eine Definitionsfrage. Käse mag ich höchstens auf meinem Brot. Wenn ich dir ein paar meiner favorisierten Bands nennen soll, dann sind da zum Beispiel BRAINSTORM, MYSTIC PROPHECY, PRIMAL FEAR oder CRIMSON GLORY ganz vorne mit dabei. Das sind Bands, bei denen ich mir das Shirt vom Leib reiße. Bands, die Härte mit tollem Riffing und Gesang verbinden, das ist genau mein Ding. Aber ich mag auch progressive Elemente und diesbezüglich hatte EVERGREY sicherlich auch einen großen Einfluss auf mich. Aber auch andere Bands wie SOIL, IN FLAMES oder MERCENARY. SCAR SYMMETRY finde ich auch klasse. Aber natürlich mag ich auch guten Thrash Metal. Dagegen finde ich Bands wie RHAPSODY, BLIND GUARDIAN, die späteren HAMMERFALL oder SABATON eher, sagen wir mal, schwierig.
Stephan: Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Das ist auch ein guter Übergang zum Wacken-Festival, wo ihr ja auch gespielt habt. Leider hat dieses Jahr das Wetter ja nicht so ganz mitgespielt und wir hätten euch ob des tollen Auftritts auf jeden Fall einige Zuschauer mehr gewünscht.
Eigentlich war das Wetter bei unserem Auftritt gut, die meiste Zeit schien die Sonne. Aber klar, es war verdammt viel Schlamm im Spiel. Ich mag es ja eigentlich, mir Sachen anzusehen, durch die Zuschauermassen zu gehen, mich zu unterhalten und so weiter, aber angesichts des Wetters dachte ich mir dann doch mehr: "Nein, Himmel, das werde ich hier nicht machen." (lacht)
Stephan: Ist es korrekt, dass ihr aktuell noch ohne Plattenvertrag dasteht? Ihr seid dann ja finanziell und organisatorisch schon auch ein kleines Wagnis eingegangen, um eure Europa-Tour quasi in Eigenregie auf die Beine zu stellen.
Ja, das stimmt. Wir hatten bzw. haben zwar drei verschiedene Angebote vorliegen, aber wir wollten erst einmal ein paar mehr Songs schreiben und diese Tour durchziehen, bevor wir bei einem Label unterschreiben. Century Media und ein paar andere Labels sind weiterhin sehr daran interessiert, mit uns zu arbeiten, aber wir wollten erst einmal ein stabiles Fundament schaffen.Marco: Century Media wäre sicherlich nicht die schlechteste Adresse für euch.
Ja, ich habe viel Gutes von ihnen gehört. Aber auch Napalm und Nuclear Blast haben Interesse. Wir werden sehen, ich will hier natürlich auch nicht zu viel sagen, da es noch nicht spruchreif ist, aber ich denke, dass wir bis zum Jahresende unterschreiben werden und dann auch relativ zeitnah das neue Album erscheinen wird.
Marco: Und bis es soweit ist, arbeitet ihr weiter in Eigenregie an dem Album?
Ja, wir machen alles Schritt für Schritt. Nach der 'Divided By Zero'-Single sind wir jetzt im August auf Tour, schneiden einige Liveshows mit und im September geht es dann weiter mit der neuen Single. Und dann haben die Jungs noch eine extrem ambitionierte Idee für eine weitere Single, so was richtig Episches, neun bis zehn Minuten lang, mit Orchester und allem Drum und Dran. Da bin ich selbst sehr gespannt, wie sich das entwickelt. Das wird richtig viel Arbeit. Das sind also drei Songs, die wir jetzt aufgenommen haben. Ich habe jetzt einen vierten Song geschrieben und arbeite aktuell an zwei weiteren Songs.
Bisher war es meistens so, dass Craig die Songs und Russ die Lyrics geschrieben hat, dieses Gefüge hat sich nun geändert. Manchmal hat Craig eine Idee für eine Strophe, die ich dann textlich ausarbeite oder musikalisch erweitere und so geht es dann hin und her.
Marco: Habe ich das nur geträumt oder habe ich tatsächlich bereits eine Werbung gesehen, die eine weitere Tour im Winter 2025/26 ankündigt?
Da musst du wohl geträumt haben (lacht). Aber ich kann es auch nicht 100% ausschließen. Unser Booking Agent ist jetzt aber bei einer großen Booking-Agenturgruppe namens IAG untergekommen und wir sind deswegen sehr, sehr zuversichtlich für 2026. Sicherlich werden wir uns aufgrund unserer Jobs und Chewys Hauptband VOIVOD eher auf Festival-Touren fokussieren, aber ich gehe stark davon aus, dass Europa uns im nächsten Jahr wieder sehen wird.
Marco: Wahnsinn, wie viele verschiedene Dinge ihr aktuell gleichzeitig mit wenigen Leuten schultert. Gibt es auch Momente, wo dir das alles zu viel wird?
Naja, wir haben schon ein Management und Leute, die uns sehr unterstützen, aber manchmal ist es wirklich tricky und anstrengend. Während ich hier gerade durch Europa toure, muss ich mich trotzdem um meinen Job kümmern. Es ging einfach nicht, dass ich mir Urlaub nehmen konnte. Zum Glück arbeite ich aber remote, trotzdem kommt es zu sehr seltsamen Situationen. Die Jungs wollen zum Beispiel Soundcheck machen, ich hänge aber noch in einem Business-Meeting fest. Ich wechsle dann zum Teil auch mehrere Male am Tag meine Klamotten, setze mich im Business-Look vor den Bildschirm und ziehe dann nach den Meetings schnell mein Metal-Shirt und die Kutte an. Heute habe ich zum Beispiel auch um 23:30 Uhr noch ein Meeting. Das ist schon etwas verrückt und ziemlich anstrengend und erschwert es, die Tour in vollen Zügen zu genießen. Aber ich habe nun mal auch keine Lust, meinen Job zu verlieren, ich muss schließlich auch eine Familie ernähren.
Stephan: Letztes Jahr und auch jetzt auf dieser Tour konzentriert ihr euch - verständlicherweise - ausschließlich auf die ersten beiden Alben. Aber ihr habt schließlich auch noch drei andere großartige Alben am Start. Wie hoch ist denn die Wahrscheinlichkeit, dass eure Fans demnächst auch Songs von euren anderen Alben abfeiern können?
Nun, ich denke, dass unsere Strategie für den Re-Start die richtige war. Aber wir werden sicherlich keine "Green Anniversary Tour" oder ähnliche Dinge in der Zukunft mehr machen. Als wir die Christmas-Shows mit DEATH ANGEL gemacht haben, haben wir auch zwei Songs von "Green" performt. 'Adapt Or Die' vom "Omega Wave"-Album haben wir ebenso an beiden Abenden gespielt. Mit dem neuen Album und den ganzen verschiedenen Tunings müssen wir da natürlich clever vorgehen, damit das ganze Geschehen auch live im Fluss bleiben kann. Wir werden da sicherlich ein paar Songs herausfiltern müssen, dafür kommen dann andere und auch die neuen Songs dazu. Das "Distortion"-Album ist sicherlich das Album, welches wir am wenigsten auf dem Radar haben. Das Album hat sich damals nur mäßig verkauft und viele Leute kennen die Songs vom Album gar nicht.
Stephan: Ihr hattet darauf aber auch ein tolles KING CRIMSON-Cover am Start.
Ja, das stimmt. Aber ich würde trotzdem nicht darauf wetten, dass du den Song bald live hören wirst (lacht). Mit dem neuen Album steigt ja auch die Menge an Material weiter an und da müssen halt ein paar Songs Abstriche machen. Wir werden sehen.
Marco: Was FORBIDDEN für mich immer einzigartig gemacht hat, ist diese perfekte Symbiose aus der räudigen Wucht des Thrash Metals und der leichtfüßigen Eleganz und Virtuosität von Progressive Metal. Meiner Meinung nach gibt es da keine Band, die euch diesbezüglich das Wasser reichen kann.
Hey, vielen Dank. Das kommt alles nur zustande wegen diesem Typen hier (zeigt mit dem Finger auf den verschmitzt grinsenden Daniel "Chewy" Mongrain).
Stephan: Den guten Mann solltet ihr so schnell auch nicht wieder ziehen lassen. Wo du gerade auf Chewy verweist: Wie kam die Zusammenarbeit eigentlich zustande? Es matcht ja zu 100%, Craig und Chewy passen zueinander wie die Faust aufs Auge. Letztes Jahr hattet ihr ja noch Steve Smyth als Live-Gitarristen mit an Bord.
Wir sind so froh, Chewy mit an Bord zu haben, er ist sowohl als Mensch als auch als Gitarrist fantastisch. Mit Steve, der ja schon mal länger bei FORBIDDEN aktiv war, hat es zuletzt einfach nicht so gut funktioniert, wie wir uns das vorgestellt hatten. Er wollte sich mehr auf seine Band ONE MACHINE konzentrieren und auch ungern durch die Welt reisen. Also haben wir uns freundschaftlich getrennt und mussten uns Gedanken machen. Daniel und Craig kannten sich vorher schon gut und waren befreundet, also haben wir da mal nachgehakt, wohl wissend, dass er auch festes Mitglied bei VOIVOD ist und noch zig andere Projekte am Laufen hat. Ich selbst kannte VOIVOD ehrlich gesagt gar nicht so wirklich. Wir hatten ihn dann zu einer Probe eingeladen und vom ersten Moment an funktionierte das einfach wahnsinnig gut. Er hatte superschnell die ersten drei Songs drauf und auch menschlich passte es total. Als Musiker ist er einfach fantastisch und scheut sich auch nicht, Verbesserungsvorschläge zu machen, die auch allesamt Hand und Fuß haben. Als wir mal ein Treffen hatten, sagte er mir: "Hey Norman, du singst ziemlich viele fröhliche Akkorde und Vocal Lines, FORBIDDEN ist aber eine Thrash-Band, mach das doch mal so und so" und machte mir sehr konkrete Vorschläge. Also nahm ich den Rat an und versuchte fortan, etwas böser zu klingen.
Marco: Man merkt auf jeden Fall, insbesondere live, dass untereinander eine tolle Chemie herrscht und die Spielfreude auch sofort auf das Publikum überspringt. Ich hoffe auf jeden Fall, dass die aktuelle Besetzung lange bestehen bleibt, denn ihr passt musikalisch wie menschlich offensichtlich perfekt zueinander und habt jede Menge Spaß.
Ja, auf jeden Fall. Darum geht es ja auch in erster Linie. Ich selbst bin ja eher zufällig Musiker geworden. Ich war jung, hatte überhaupt keine Ahnung, und ein paar Kumpel von mir sagten "Hey, Norman, du bist jetzt der Sänger", weil es sonst niemand wollte oder konnte. Also habe ich die Challenge angenommen und habe viel geübt und Sachen ausprobiert. Ich bin auch definitiv nicht der Typ, der irgendwann abhebt und sich wie ein Arschloch verhält. Ich bin ein ganz normaler Typ, der zuhause immer noch den Müll rausbringt und der hin und wieder auf der anderen Seite der Monitore steht. Mir geht es darum, Spaß zu haben, das echte Leben ist doch schon ernst und anstrengend genug.
Marco: Wo du es gerade ansprichst, wie fühlt es sich eigentlich für euch derzeit an, in einem tief gespaltenen Amerika zu leben, das sich offensichtlich dazu entschieden hat, sich von der Realität zu verabschieden und von einem narzisstischen Idioten angeführt wird? Wir in Europa, insbesondere auch in Deutschland, schauen aktuell eher entsetzt bis ungläubig Richtung Amerika. Und FORBIDDEN stand und steht ja eher für eine freiheitliche, politisch eher linksliberale Haltung.
Ja, ich verstehe dich gut. Ich selbst habe mir irgendwann die Regel auferlegt, möglichst nicht öffentlich über religiöse oder auch politische Themen zu sprechen. Ich bin Musiker und Entertainer und kein Politiker. Aber natürlich habe ich auch eine eigene Meinung. Ich sehe mich als unabhängigen Wähler, der je nach Situation dies oder das wählt. Ehrlich gesagt habe ich 2016 auch für Trump gestimmt, weil ich auch genug hatte von "more of the same". Ich merkte dann aber schnell, dass dies keine gute Entscheidung war. Danach habe ich für Biden gestimmt und im letzten Jahr für Kamala Harris. Leider hat Trump aber klar gewonnen. Ich mache mir aber weniger Sorgen um die nationale Entwicklung unter der "America first"-Doktrin, sondern mehr um die internationalen Auswirkungen, die diese rücksichtslose Politik mit sich bringt. Wie unsere alliierten Freunde verprellt werden, die wahnwitzige Zollpolitik und so weiter. Dass es schlimm werden würde, war mir klar, aber dass es so schlimm wie jetzt werden würde, sorgt mich schon. Wenn ich die Zeitung aufschlage, ist es so, als würde ich die Muppets-News lesen. Ich habe aber die Hoffnung, dass diese Regierung über kurz oder lang in sich zusammenbrechen wird.
Stephan: Vor oder nach den Midterms im nächsten Jahr?
Puh, keine Ahnung. Ich persönlich hoffe ja noch im Stillen, dass der Irrsinn so schnell wie möglich vorbei ist. Er veranstaltet einfach so viel Mist, dass langsam auch einige seiner MAGA-Jünger aufwachen. Aber er wird natürlich alles daransetzen, so lange wie möglich an der Macht zu bleiben und seinen Vorteil daraus zu ziehen. Ich komme ja aus Kalifornien und sehe aus nächster Nähe, wie schlimm die Situation ist, wie skrupellos IDE vorgeht und wie wütend und verzweifelt die Menschen sind. Nur einen Steinwurf von dem Haus entfernt, in dem ich lebe, wurden bei einem mexikanisch-stämmigen US-Bürger, berufstätig und bestens integriert, die Scheiben eingeschlagen und er wurde ohne Begründung mitgenommen und deportiert. "Racial Profiling" ist kein Mythos, das passiert wirklich, Tag für Tag. Öffentlich und ungeniert.
Marco: Das sind genau die Dinge, die uns hier an die dunkelsten Kapitel unserer Vergangenheit erinnern. Solche Auswüchse wie das medienwirksame Errichten und Abfeiern von Konzentrationslagern wie "Alligator Alcatraz" sind komplett irre.
Ja, absolut. Zum Glück ist "Alligator Alcatraz" bereits abgesoffen, weil diese Idioten das Camp mitten im Sumpfgebiet errichtet haben. Wieviel Geld dafür verschwendet wird, ebenso für Paraden oder Golfplätze, ist einfach nur verrückt. Aber was sollen wir machen? Wir sind mittendrin, es ist nicht gut, es ist beängstigend.
Als wir eine Warm-up-Show in Los Angeles spielten, hatte Chewy als Kanadier wirklich Angst. Er hat Freunde, die festgenommen und des Landes verwiesen wurden. Es ist wirklich schlimm zurzeit.
Marco: Ist das politische Klima auch ein Thema innerhalb der Metal- und Musikerszene bei euch? Es gibt ja auch immer wieder mal haarsträubende MAGA-Statements von US-Musikern, von denen man es nie erwartet hätte.
Ja, absolut. Einige Leute zeigen nun ihr wahres Gesicht, aber so schockierend es sein mag, weiß man jetzt bei einigen Leuten, wo man eigentlich dran ist. Es sind einige Freundschaften zerbrochen, auch in unserem Umfeld. Die Leute wählen ihre Seite, es gibt nur noch schwarz und weiß. Darum geht es ja auch in unserem neuen Song 'Divided By Zero'. Wie die Menschen durch Medien unerbittlich aufgehetzt werden, wie es nur noch Extreme gibt, zwischen denen man sich ohne Selbstreflektion entscheiden soll. Das gesellschaftliche Miteinander ist mit Vorsatz gelähmt und stark geschwächt worden.
Unser Zwei-Parteien-System ist etwas, was ich überhaupt nicht mag. Es gibt viele gute unabhängige Politiker, aber am Ende müssen wir uns immer zwischen zwei alten, halbtoten Gestalten entscheiden. Das läuft im Sport wesentlich besser. Wenn du gut bist und deine Leistung bringst, wirst du befördert, und wenn nicht, bist du ganz schnell weg vom Fenster.
In der letzten Zeit habe ich mich übrigens ein wenig mit Fußball beschäftigt und finde das Ligen-System, welches insbesondere in Europa etabliert ist, ziemlich cool, viel besser als das in den Staaten.
Marco: Auf der anderen Seite wird bei uns das Gefälle zwischen armen und reichen Teams immer größer. Entweder hast du Geld, einen großen Investor usw., dann kannst du Erfolg haben. Wenn das nicht der Fall ist, hast du quasi keine Chance mehr, Titel zu gewinnen. Da finde ich wiederum das amerikanische Draft-System viel gerechter.
Okay, auf das Draft-System bezogen gebe ich dir Recht. Aber auch da ist bei uns viel Korruption im Spiel. Ich bin auch kein wirklicher Sport-Fachmann. Ich mag American Football. Baseball oder Basketball hingegen finde ich eher langweilig.
Marco: Welches Football-Team feuerst du an?
Die 49ers. Sie sind die besten. Ich war schon 49er-Fan, bevor ich nach Kalifornien gezogen bin. Als ich 1985 das erste Mal den Super Bowl gesehen habe - das waren damals die 49ers gegen die Miami Dolphins - war ich gleich Feuer und Flamme. Sie haben damals klar gewonnen und den Dolphins richtig schön den Hintern versohlt. Es ist ja oft so, dass, wenn du nicht gerade durch deine Familie oder Umfeld geprägt wirst, oder aus der Stadt kommst, das Team für dich wählst, welches du zuerst gesehen hast.
Marco: Wahrscheinlich wirst du dann nicht gerne hören, dass es in meinem Fall die Chiefs sind, weil ich ein großer Bewunderer von Pat Mahomes bin.
Buuh (lacht)! Die Chiefs stehen für mich für viele Dinge, die ich einfach nicht mag. Aus 49er-Sicht bin ich da natürlich auch etwas vorbelastet, wenn ich so an einige fragwürdige Schiedsrichter-Entscheidungen denke.
Stephan: Bei mir waren es übrigens damals die Raiders, die es mir angetan hatten.
Okay, das ist nicht so schlimm (lacht). Matt und Chris halten es auch mit den Raiders, während Craig und ich große 49er-Fans sind. Und Chewy kommt von einem anderen Planeten, er fragte uns mal, was es eigentlich mit dem "Sportsball" auf sich habe (lacht). Er hat also keine Ahnung, aber es kümmert ihn auch nicht.
Stephan: Er kommt ja schließlich auch aus einer Eishockey-Nation.
Ach, da hat er doch auch keine Ahnung von (lacht). "No sports" ist Chewys Motto.
Marco: Er hält es wohl eher mit der Kunst.
Ja, auf jeden Fall. "Give me some Jazz" und so, das ist sein Ding (lacht).
Marco: Okay, Norman. Das wäre es für den Moment. Vielen Dank für deine Zeit und das nette Gespräch, wir entlassen dich nun in dein anstehendes Business-Meeting und hoffen, euch ganz bald wieder hier in Europa zu sehen und ebenso freuen wir uns tierisch auf euer kommendes Album.
Vielen Dank, Jungs. Hat Spaß gemacht!
Stephan: Das können wir nur zurückgeben. Viel Spaß noch bei den anstehenden Gigs. Take care of you.
Interview: Marco Witte und Stephan Lenze
Bearbeitung und Übersetzung: Marco Witte
Fotocredits: FORBIDDEN und Norman Skinner
- Redakteur:
- Stephan Lenze