FOZZY: Interview mit Chris Jericho

22.04.2010 | 16:55

Wrestling-Ikone "Y2J" Chris Jericho tritt nicht nur im WWE-Ring ordentlich Arsch, sondern auch mit seiner Band FOZZY. Let's Get Ready To Rumble - Ring frei!

Enrico:
Hallo Chris, wo bist du im Moment und wie fit bist du?

Chris:
Hi Enrico. Ich bin gerade in Zürich, wo wir heute noch eine Show haben. Es war wegen des Vulkannebels ein extrem stressiger Tag, da wir nicht fliegen konnten.

Enrico:
Lass uns zunächst zu einer traurigen Nachricht kommen. Du hast sicherlich vom Tode Peter Steeles gehört. Was kannst du dazu sagen?

Chris:
Ich war niemals ein großer TYPE O'NEGATIVE-Fan, aber ich weiß, dass mein FOZZY-Kollege Rich Ward mit STUCK MOJO mal zusammen mit TYPE O'NEGATIVE auf Tour war. Rich hat immer von Peter geschwärmt, dass er einfach ein super netter und sehr zuvorkommender Mensch war. Daher ist es immer traurig, wenn solch ein Mensch stirbt. TYPE O'NEGATIVE waren auf ihre Art echte Pioniere, obwohl mir ihre Musik meist zu langsam war. Es ist traurig für den Heavy Metal, dass ein Mensch wie Peter Steele gegangen ist.

Enrico:
In den vergangenen Tagen warst du mit der WWE in Deutschland unterwegs. An was denkst du bei Deutschland zu erst? Musik, Bratwurst oder sogar Bier?

Chris:
Ich denke immer zuerst an Metal, wenn es um Deutschland geht. Das liegt vor allem an HELLOWEEN, die zu meinen Lieblingsbands gehören. Genauso denke ich an die SCORPIONS und an die Zeit, als ich 1993 in Hamburg lebte. Ich habe damals in Hamburg als Wrestler gearbeitet und viele tolle Metal-Konzerte besucht. Ich bekomme immer ein richtiges Metal-Feeling, wenn ich in Deutschland bin.

Enrico:
Kommen wir zu eurem aktuellen Album "Chasing The Grail". Welche Attribute beschreiben es am besten?

Chris:
Heavy, melodisch und anders. Das trifft es wohl am besten.

Enrico:
Was macht "Chasing The Grail" zu einem besonderen Album?

Chris:
Es ist das erste Album, welches Rich und ich von Beginn an zusammen geschrieben haben. Sonst hat Rich sich um die Riffs und in Auszügen um die Lyrics gekümmert, während ich dann erst dazu gestoßen bin und die Lyrics hinzugefügt und angepasst habe. Diesmal war es anders. Ich kam mit 14 Texten und wir haben danach die Musik für die Texte geschrieben. Dadurch wirkt die Platte eher wie eine Einheit. Bei diesem Album waren wir beide also für die Musik und die Texte verantwortlich, während beim Vorgänger “All That Remains” noch einige Songs dabei waren, die aus Richs Vergangenheit stammten. Diese angesprochene Teamarbeit hört man dem Album an und ist ein Grund, warum es so gut klingt.

Enrico:
Einer meiner Lieblingssong ist 'New Day's Dawn' – wohl der ungewöhnlichste Track des gesamten Albums. Wie waren bisher die Reaktionen? Als normalen FOZZY-Song kann man dieses Lied wohl nicht bezeichnen?

Chris:
Das stimmt – ein normaler FOZZY-Song ist er wohl wirklich nicht. Als Rich ihn mir erstmalig vorspielte, wusste ich nicht, ob ich den Song wirklich mögen sollte. Ich hatte für meinen Text sicherlich einen anderen Song im Kopf, der mehr in die klassische Rock-Richtung gehen sollte. Deswegen war ich schon sehr irritiert und konnte mich nur schwer damit anfreunden. Aber mittlerweile hat er sich zu einem meiner Lieblingssongs entwickelt. Wir wussten jedoch vorher schon, dass der Song gerade in Europa und speziell in Deutschland sehr gut ankommen würde – 'New Day's Dawn' klingt einfach sehr europäisch. Das zeigen auch die anderen Interviews, die ich gegeben habe. Jeder spricht mich darauf an.

Enrico:
Als ich den Track zum ersten Mal hörte, war ich wegen der hohen Stimme sehr verblüfft und dachte mir: "Das kann doch niemals Chris Jericho sein".

Chris:
(lacht) Ja genau, es ist Richs Stimme. Ursprünglich wollte er eine weibliche Sängerin in den Song integrieren. Aber als ich das Demo mit seiner Stimme hörte, fühlten sich gerade diese Parts sehr geheimnisvoll an und erinnerten mich ein wenig an DREAM THEATER. Daher haben wir uns entschieden, dass Rich die Vocals auch in der endgültigen Version übernimmt.

Enrico:
War Jillian Hall (eine weibliche Wrestlerin, welche die Rolle einer schlechten Sängerin verkörpert) eine Option?

Chris:
Wir versuchen, nur gute Musiker in unsere Band zu integrieren (lacht). Daher kann die Antwort nur mit Nein ausfallen.

Enrico:
In den Linernotes zu 'Martyr No More' erwähnst du Dimebag. Bist du ein großer PANTERA-Fan?

Chris:
Ich liebe PANTERA. Ich mochte auch alle anderen musikalischen Projekte von Dimebag, sei es DAMAGEPLAN oder REBEL MEETS REBEL. Rich ist zu STUCK MOJO-Zeiten zusammen mit PANTERA getourt, sodass beide zu guten Freunden wurden. Natürlich hat er seinen Stil auch ein Stück weit geprägt. Wenn du mit anderen Künstlern unterwegs bist, beeinflusst man sich immer gegenseitig. Und Dimebag ist sicher einer der einflussreichsten Gitarristen gewesen und versprüht seine Kraft auch heute noch.

Enrico:
Mit 'Broken Soul' habt ihr zum ersten Mal eine echte Ballade produziert. Warum so spät und warum gerade jetzt?

Chris:
Das müsstest du wohl Rich fragen (lacht). Er ist dafür verantwortlich gewesen. Ich gab ihm meinen Text und er zauberte diesen Song daraus. Die eröffnenden Zeilen "Standing In The Shadow – Behind A Wall – Made Of Fear" schrieen jedoch schon fast nach einem traurigen und anklagenden Song. Darüber hinaus mag ich den Siebzigerjahre-Rock-Flair des Songs. Dieser Song zeigt auch, warum "Chasing The Grail" unsere bisher beste Platte ist – sie ist sehr abwechslungsreich und, wie vorhin schon beschrieben, einfach anders (lacht). Die ganzen verschiedenen Stile verbinden sich wunderbar zu einer tollen Einheit. Sie haben alle den gleichen Ausgangspunkt, aber breiten sich danach in die verschiedensten Richtungen aus. Dass wir vorher noch nie eine Ballade gemacht haben, lag sicher daran, dass uns bis dato einfach die Inspiration fehlte. Doch diesmal passte es und Rich schrieb unsere erste Ballade.

Enrico:
Jeff Waters hat einen Gastauftritt bei 'God Pound's His Nails'. Wie kam es dazu, seid ihr gute Freunde?

Chris:
Er spielt sogar noch ein weiteres Solo bei 'Martyr No More'. Ja, Jeff und ich sind schon lange Zeit befreundet. Während der Aufnahmen verließ uns unser Gitarrist Mike Martin. Rich ist ein toller Gitarrist, aber wir wollten für einzelne Passagen einen anderen Stil – schneller und irgendwie thrashiger. Wir überlegten kurz, wer die Parts übernehmen könnte, und sofort fiel mir Jeff Waters ein. Er ist einer der besten Gitarristen auf dieser Welt, nicht nur was Thrash angeht. Jeff sagte sofort zu und erledigte einen großartigen Job. Sein Spiel hat den Songs die besondere Note verliehen.


Enrico:
Als letzten Song habt ihr mit 'Wormwood' einen ungewöhnlich langen Song. Wie kamst du auf die Idee, einen 14-minütigen Track über die Offenbarung des Johannes zu schreiben? Bist du religiös?

Chris:
Kann man schon irgendwie sagen. Ich dachte, dass es ein tolles Thema für eine Metal-Band wäre. Ich hatte mir für dieses Album vorgenommen, ein richtig langes Teil auf die Scheibe zu packen - das wollte ich schon immer. Es sagt eine Menge über eine Band aus, wenn sie in der Lage ist, einen starken langen Song schreiben zu können. Ich liebe diese überlangen und epischen Tracks wie 'Keeper Of The Seven Keys' (HELLOWEEN – Anm. d. V.). Da ich seit einer Weile keinen wirklich guten mehr gehört habe, wollte ich das eben selber machen (lacht). Daher habe ich mir die Offenbarung des Johannes zur Hand genommen und mir Ideen für meinen Text geholt. Irgendwann hatte ich zehn Seiten vollgeschrieben – da wusste ich, dass es ein sehr langer Song werden würde. Ich hoffe, dass die Hörer den Song mögen, weil er so was wie das Herzstück des Albums ist.

Enrico:
Weil du gerade HELLOWEEN ansprichst – welche Bands gehören zu deiner persönlichen All-Time-Playlist?

Chris:
Bands wie IRON MAIDEN, METALLICA oder auch DREAM THEATER. Natürlich gehören da auch HELLOWEEN, MEGADETH und KISS rein. Von den "neuen" Bands liebe ich AVANGED SEVENFOLD – sie sind einfach großartig.

Enrico:
Wie sieht es mit euren Live-Aktivitäten aus? Es ist sicherlich schwer, alles unter einen Hut zu bekommen, weil du durch die WWE in viele Wrestlingshows eingespannt bist.

Chris:
Es ist definitiv nicht immer einfach, aber nicht unmöglich. Im Mai spielen wir in Großbritannien eine Tour. Das letzte Mal in Deutschland waren wir 2005, daher haben wir große Lust wiederzukehren. Erst gestern haben wir uns mit einem Promoter in Deutschland über das Thema unterhalten. Ich hoffe, dass sich wirklich was realisieren lässt und wir neben Australien und Kanada auch andere Orte betouren können. Durch "Chasing The Grail" hat sich viel verändert – vor allem die Einstellung zur Band. Die Leute haben in den vergangenen Jahren gesehen, dass wir eine tolle Rock'n'Roll-Band sind, die starke Alben und arschtretende Live-Shows liefert. Die Leute möchten uns sehen und wir hoffen, dass wir zu den Menschen kommen können.

Enrico:
Die letzte Show war auf dem Bang-Your-Head-Festival – wie sieht es aber mit dem Wacken Open Air aus? Ist es dir bekannt?

Chris:
Auf jeden Fall – wir kennen es alle und würden wahnsinnig gerne dort einmal spielen. Das Bang-Your-Head-Festival war eine tolle Erfahrung und hat viel Spaß gemacht. Wir sind glücklich über jedes Festival, welches uns die Möglichkeit gibt, den Leuten einzuheizen.

Enrico:
Wenn du die Wahl hättest, noch einmal Wrestlemania zu headlinen oder als Headliner auf der Wrestlemania des Metals, dem Wacken Open Air, zu spielen – was würdest du wählen?

Chris:
Da ich bei Wrestlemania schon im Main Event stand, würde ich mich für das größte Metal-Festival der Welt entscheiden. Aber auch nur, wenn wir es wirklich verdienen würden. Wenn wir die beste Band wären und wir das Recht hätten, der Headliner zu sein, würde ich mich wirklich dafür entscheiden.  

Enrico:
Wann bist du nervöser – wenn du vor 80.000 Menschen in den Ring steigst oder wenn du vor hunderten oder tausenden Fans die Bühne betrittst?

Chris:
Es gibt viele Gemeinsamkeiten, immerhin ist beides Showbusiness. Deine Aufgabe ist es, eine tolle Show zu liefern und deinen Job zu erledigen. Der Aufwand beim Wrestling liegt dabei mehr auf dem Individuum, da sehr wenige Leute involviert sind. Bei einem Konzert haben mehr Menschen Einfluss auf das Geschehen. Aber ich bin bei beiden Dingen sehr nervös, weil ich immer mein Bestes geben und die Leute unterhalten möchte. Ich möchte immer die bestmögliche Show bieten. Das Gefühl der Nervosität ist hilfreich und Teil der Show.

Enrico:
Was sind die wichtigsten Gemeinsamkeiten zwischen der Wrestling- und der Rock-Show?

Chris:
Sie sind beide eine sehr intensive und energiereiche Form der Unterhaltung. Sehr aggressiv. Es ist immer wieder spannend, welche Reaktion du vom Publikum erhältst. Du erhoffst dir immer begeisterte Fans, weil es dich noch weiter antreibt und du die Show dadurch wiederum verbesserst.


Enrico:
Wenn SLAYER eine Powerbomb wären und LADY GAGA ein Sleeperhold – was für ein Move wären FOZZY?

Chris:
Ich denke eine Kombination aus Codebreaker und den Walls Of Jericho (lacht). (fragt euren kleinen Bruder, er wird es euch vorführen – Anm. d. V.)

Enrico:
Wie hast du es geschafft, dir beide Träume zu erfüllen – ein Wrestler und ein Musiker zu werden?

Chris:
Das weiß ich gar nicht so genau. Ich hatte als Kind genau diese beiden Träume und habe viel dafür getan, sie mir zu realisieren. Darüber bin ich sehr glücklich.

Enrico:
Was würdest du einem Kind oder Jugendlichen raten, der Wrestler oder Rockstar werden möchte?

Chris:
Wenn du wirklich etwas erreichen willst, dann mach es einfach. Gib niemals auf und höre nicht auf die Menschen, die dir einreden wollen, dass du irgendwas nicht kannst. Wenn du die Leidenschaft und das Feuer hast, kannst du dir jeden Traum erfüllen

Enrico:
Wie sieht es im Dressing Room der WWE aus? Wer gehört zu den Metal-Heads unter deinen Kollegen?

Chris:
Triple H gehört dazu, genau wie Edge oder auch Matt Hardy. Es gibt viele Typen, die auf Metal stehen.

Enrico:
Wenn du zurück schaust – was war dein bisher tollster Moment als Musiker?

Chris:
Ich glaube, dass es der Zeitraum der Veröffentlichung von "Chasing The Grai"“ war. Wir bekamen wunderbare Reaktionen. Selbst Bruce Dickinson hat gesagt, dass er die Scheibe toll findet und sie einem die Eingeweide durchschüttelt (lacht). Das hat uns wahnsinnig gefreut. Wenn ein Künstler wie Bruce dir solch ein Kompliment macht, bist du einfach nur stolz. Eine bessere Reaktion kann es auf dieser Welt nicht geben.

Enrico:
Und was war dein tollster Moment als Wrestler? In deiner Rolle als Heel (die Rolle des Bösewichts im Wrestling – Anm. d. V.) sprichst du immer wieder von der Nacht, als du sowohl The Rock als auch "Stone Cold" Steve Austin besiegen konntest.

Chris:
Ich weiß nicht, ob es wirklich dieser Abend war, den ich als besten Moment bezeichnen würde. Ich glaube, dass die vergangenen beiden Jahre in ihrer Gesamtheit ganz große Momente für mich waren. Ich hatte viele tolle Matches und viele herausragende Gegner. Es hat einfach unglaublich viel Spaß gemacht. Wenn ich aber ein einzelnes Match wählen würde, wäre es mein Match mit Shawn Michaels bei Wrestlemania 19. Aber die beste Zeit ist immer Jetzt.

Enrico:
Für alle Wrestlingfans da draußen, muss ich dich natürlich noch fragen, was du von Jack Swagger hältst. Immerhin hat er dir vor wenigen Wochen deinen World Title abgenommen.

Chris:
Ich bin sehr glücklich, dass die WWE auf die jungen Leute setzt und viel Vertrauen in sie setzt. Jack hat unglaubliches Potenzial, er ist außerdem auch sehr groß. Er lernt sehr schnell und er hat die richtige Einstellung. Ich freue mich für ihn und bin auch ein wenig stolz, ihm dabei helfen zu können an der Spitze zu bleiben.

Enrico:
Alle Fans freuen sich wohl jetzt schon auf mögliche Matches zwischen euch beiden.

Chris:
Ich freue mich auch. Wenn er sich weiterhin so entwickelt, wird er ein toller Gegner werden und wir werden viele starke Matches zeigen.

Enrico:
Okay Chris – du hast gleich einen Auftritt im Ring. Daher gebe ich dir die letzten Worte.

Chris:
Ich möchte mich bei allen Fans bedanken, es war mal wieder eine schöne Zeit hier. Deutschland ist ein echtes Heavy-Metal-Country, ein tolles Wrestling-Country und wunderbares Chris-Jericho-Country. Ich hoffe, bald auch mit FOZZY zurückkehren zu können und hoffe, dass sich die Fans bis dahin unsere Platte reinziehen. We Kick Your Ass!!

Redakteur:
Enrico Ahlig
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