Gruppentherapie UNLEASHED - "Odalheim"

29.04.2012 | 13:58

Im April-Soundcheck heimsten die Schwedentöter von UNLEASHED erneut den Spitzenplatz ein (wie schon vor zwei Jahren), dieses Mal ganz knapp vor den Stahlwerkern von ACCEPT.

Zum zweiten Mal in Folge Album des Monats in unserem Soundcheck, wieder mit einem Notendurchschnitt von 8,6 und einer 10,0-Kritik des Kollegen Stehle. UNLEASHED haben es sich offenbar auf hohem Niveau bequem gemacht, könnte man also meinen, auch wenn zwei Gruppentherapeuten den kollektiven Jubel etwas bremsen.

Als erste Band können die schwedischen Death-Metal-Veteranen von UNLEASHED den Titel "Album des Monats" verteidigen. Und das in einem Team, das man nicht unbedingt als genreaffin bezeichnen kann. Doch die Schweden verbinden Melodien, Brutalität und harsche, aber verständliche Vocals eben so, dass man auch als Freund gemäßigter Klänge hier kaum anders kann als die Faust in die Luft und den Kopf zurückzuwerfen. Die Riffs reißen mit, die Texte grölt man spätestens beim zweiten Durchgang und doch wirkt nichts aufgesetzt oder abgenutzt, sondern alles authentisch und frisch, so dass dem ersten Durchlauf ganz zwingend schnell weitere folgen müssen. Und genau deshalb bekommt "Odalheim" auch die Note, die bereits der Vorgänger verdient hatte.

Note: 9,0/10
[Peter Kubaschk]


Es kommt wahrlich nicht häufig vor, dass eine alteingesessene Death-Metal-Kapelle den Thron unseres Soundchecks erklimmt, doch wenn man hier, wie die Schweden von UNLEASHED mit ihrem sage und schreibe elften Studiorundling, solch ein musikalisches Panzerbollwerk an den Mann bringt, muss man ohne Mosern und Meckern seinen imaginären Hut ziehen. "Odalheim" bietet letztendlich alles, was Fanherzen höher schlagen und Kritikerstimmen im Keim ersticken lässt: Aggressive, unverkennbare Gitarrenläufe, spannende und niemals langweilig werdende Songstrukturen, eine beinah makellose und wuchtige Produktion und natürlich ein Todesflaggschiff auf dem Zenit seines abwechslungsreichen und künstlerischen Schaffens. 'Fimbulwinter' und der Titeltrack sind unnachahmlich, leiten das knapp 43-minütige Trommelfeuer gebührend ein, die Hymne 'White Christ' sticht positiv heraus und welch Energieleistung die Burschen mit 'The Hour Of Defeat' ans Tageslicht bringen, lässt meine, von Thrash Metal der alten Schule verwöhnten Ohren im Takt schlackern. UNLEASHED geben noch mal Vollgas, im wahrsten Sinne des Wortes: Es wird gefrickelt, es wird alles in Schutt und Asche gelegt und, meine Herren, es wird verdammt schnell und tödlich. Eine brillante und detailverliebte Todesbleischeibe, ein Statement vor dem Herrn.

Note: 9,0/10
[Marcel Rapp]

Nachdem sich abgezeichnet hat, dass UNLEASHED mit "Odalheim" wohl Soundchecksieger werden, habe ich unseren deathmetallisch auch eher weniger interessierten Holger gefragt, was denn so toll an UNLEASHED sei. "Wenn Du das nicht spürst, dann wird das bei Dir nichts", hat er geantwortet. Fehlt mir da etwas der Sensor?
Nun, ich habe "Odalheim" sieben Punkte gegeben, eine gute Note also. Dies ist aber nicht geschehen, weil ich auf einmal Gefühle für UNLEASHED entwickelt habe, sondern weil ich - wenn auch zähneknirschend - zugeben muss, dass die Band tatsächlich "gut" ist. Ein Faktor, der bei mir natürlich immer zieht, ist Melodie und die ist bei den Gitarren konstant vorhanden. Manchmal sind es eher mittelprächtige AMON AMARTH-Wikinger-Melodien, von denen ich oft schon genug habe, bevor der Song zu Ende ist ('Fimbulwinter'), desöfteren sind sie aber doch ziemlich interessant eingebettet und faustreckungswürdig genug, dass der Metaller in mir hochkommt. Auch einen gewissen stumpfen Groove kann ich der Band nicht absprechen, der vor allem auf den Sommerfestivals für Moshpits sorgen wird, in die ich mich mit genug Alkohol sogar einklinken werde. Das alles hilft aber auch nicht über den Fakt hinweg, dass die Stimme von Johnny Hedlund in etwas so limitiert ist wie der Sturm des 1. FC Kaiserslautern und wo doch alle seine Vocals so loben, empfinde ich diese Growls als fast aufgesetzt und irgendwie unecht. Wo ist denn hier die Evilness, die man im Extremmetal braucht? Ich find das eher, hmm...witzig vielleicht? Oder doch eher nervig? Die sieben ist schon sehr nett gewesen!

Note: 7,0/10
[Thomas Becker]


Eigentlich höre ich in letzter Zeit nicht mehr besonders viel Death Metal. Das mag auch daran liegen, dass die verbliebenen Szene-Protagonisten von wenigen Ausnahmen abgesehen zuletzt eher nicht an frühere Großtaten anknüpfen konnten. Da kommt mir eine ebenso brettharte wie melodisch versierte Abrissbirne wie "Odalheim" natürlich gerade recht. Schlagartig katapultiert mich UNLEASHED in die frühen 1990er zurück, als mich längst in den Klassikerstand erhobene Göttergaben wie "Where No Life Dwells", "Like An Everflowing Stream" oder "Left Hand Path" zu einem glühenden Verehrer des frühen schwedischen Todesstahls machten. Die Jungs um Frontsau Johnny Hedlund verstehen es eben auch anno 2012 noch meisterlich ihren traditionellen IKEA-Sound mit dezentem schwarzmetallischem Feeling und einer knackig-frischen Thrash-Kante anzureichern. Dieser brodelnde, zischende und mitreißende Cocktail wird dann in unwiderstehliche, durchschlagskräftigste Kompositionen gegossen, wie den mächtigen Titeltrack oder das höchst eingängige und mit einem überirdischen Chorus veredelte 'The Hour Of Defeat', das die gängigen UNLEASHED-Trademarks wohl am vorzüglichsten bündelt. Alle zehn Songs explodieren beinahe vor kontrollierter Aggression und Spielfreude und lösen metallische Glücksgefühle im Sekundentakt aus. Größere Überraschungen und sonstige Raffinessen bleiben außen vor, aber das ist auch gut so. Von UNLEASHED will ich einfach nur gepflegt was auf die Zwölf. Und das bekomme ich auf "Odalheim" wieder in Vollendung geboten.

Note: 9,0/10
[Martin van der Laan]

Der Titelsong von "Midvinterblot" (2006), gehört auf einem Sampler, hatte es mir angetan. Also meldete ich mich selbst als Death-Metal-Skeptiker freiwillig für eine Extradosis UNLEASHED in der aktuellen POWERMETAL.de-Gruppentherapie. Gleich der Opener 'Fimbulwinter' blies mir schwärzesten Death Metal der traditionellen Art ins Ohr. Beim ersten Hören blieben in selbigem jedoch bloß der Titelsong 'Odalheim' sowie die finale Schlacht des jüngsten Albums, 'The Battle Of Odalheim' hängen. Gar zu unterholzig kruschten und krauteten die übrigen dornenbesetzten Finstertitel umher. Dabei haben die Schweden mit 'White Christ' sogar ein echtes Groovemonster von der Leine gelassen, dessen Qualitäten sich mir jedoch erst im zweiten Durchlauf offenbaren wollten. Im Gegensatz zu Marcel ist mir Gedresche von der Sorte 'The Hour Of Defeat', 'By Celtic And British Shores' oder 'Germania' allerdings etwas zu trocken und abgeklärt geraten. Auch muss ich Thomas beipflichten, dass Hedlunds Organ für Extremmetal etwas zu limitiert ist. Dafür bin ich aber mit Peter der Meinung, dass das Einflechten von Melodik in die durchaus vorhandene Brutalität der Songs dem Album insgesamt gut tut. Titel wie 'Vinland' schlagen Brücken zum Black Metal, weisen jedoch auch klassische Heavy-Solos mit epischen Zügen auf. Auch 'Gathering The Batallions' und 'Germania' haben nette Gitarrenmomente. Insofern ist der Riffsalat namens "Odalheim" schon auch abwechslungsreich geraten. Brodelnd und zischend - ja, lieber Martin - das ist die Musik schon, aber die von Dir ausgemachte Freude am Spiel auf den Hörer überspringen lassen und mich als solchen vollends mitreißen, kann dieses Album nur äußerst selten. Denn dafür hätte UNLEASHED nach meinen Geschmack noch mehr frische Ideen einbringen müssen, um nicht in der altbekannten Genrekiste stecken zu bleiben. Stattdessen wird hier lediglich neu kombiniert, das Spektrum erweiternde Offenbarungen hingegen bleiben leider aus. 'The Soil Of Our Fathers' etwa vergießt nicht weniger als stilsicheres, großkalibriges Todesblei - allerdings auch keine Unze mehr als zu erwarten stand. Fans der Band werden sich jedoch sicherlich an "Odalheim"s zielgetreuen Geschossen ergötzen können, wofür nicht zuletzt die knapp auf den Punkt kommende Ökonomie des Songwritings verantwortlich sein dürfte, die ein Stück wie 'Rise Of The Maya Kings' trotz aller Traditionalismen kurzweilig hält. Doch auch das albumbeschließende Epos 'The Battle Of Odalheim' bleibt über mehr als fünf Minuten hinweg unterhaltsam.

Note: 6,0/10
[Eike Schmitz]


Ich komme mal direkt zum Punkt: "Odalheim" macht wahnsinnig Laune. Der Opener 'Fimbulwinter' nimmt mich mit seiner starken schwarzen Schlagseite jedes Mal aufs Neue direkt gefangen. Spannend gehaltene Harmonien, die sich wunderschön auflösen, rhythmisch perfekt akzentuierte Riffs sowie ein Solo der ureigenen UNLEASHED-Schule machen diesen flotten Song schon jetzt zu einem meiner persönlichen Jahres-Highlights. Die zehn anschließenden Tracks sind allerdings keinen Deut schwächer. Ich kann nicht genau sagen, ob Johnny Hedlund (dessen Vocals so und nicht anders klingen müssen) und seine Mannen ein spezielles Gen dafür haben, aber auf irgendeine wundersame Art und Weise klingt jede Nummer ihres Schaffens wie eine Hymne. Ganz gleich, ob mit Blastbeats nach vorne ballernd, im Midtempo treibend oder irgendwo dazwischen rumpelnd, spätestens beim Refrain verspürt man das Bedürfnis die Faust in die Luft zu reißen und die kraftvollsten Worte (meist gleichzusetzen mit dem Songtitel) mitzugröhlen. Das war bei UNLEASHED schon immer so und wird vermutlich auch immer so bleiben. Anders ist nur die leichte Tendenz gen Black Metal, welche sich aber vollkommen natürlich in den unverkennnbaren Sound der Band einbettet. Einziger Schwachpunkt ist vielleicht die Gleichförmigkeit der Songs zwei bis zehn; lediglich der Opener 'Fimbulwinter' und der Rausschmeißer 'The Great Battle Of Odalheim' (Hymne zum Quadrat!) weisen für mich wirklich eigenständige Merkmale auf, wodurch man sie von den anderen Tracks unterscheiden kann. Es bleibt unterm Strich ein extrem gutes Album, bei dem ich nach jedem Durchgang eigentlich direkt wieder einen neuen vertragen könnte - und ein besseres Indiz für Kurzweiligkeit gibt es vermutlich nicht.

Note: 8,5/10
[Oliver Paßgang]

Ein neues UNLEASHED-Album. Schon wieder... der Veröffentlichungszyklus der Schweden macht es irgendwie schwer zu glauben, dass da jedes Mal Qualität bei rumkommt, ohne dass sich die Jungs mal für längere Zeit zurückziehen und länger an einem neuen Opus arbeiten. Und doch, schon die ersten Noten der groovenden Schweden-Death-Nummer 'Fimbulwinter' mit seinem sehnsuchtsvollen Lead, das an klare Winternächte in der Tundra erinnert, lassen sofort wieder dieses eine UNLEASHED-Gefühl aufkommen. Die klirrende Atmosphäre dieses Songs macht klar, was die Kollegen mit dem Hang zum Black Metal meinen, der 2012 stärker Einzug gehalten hat. Und wiederum macht das erste Solo des Albums klar, dass wir hier mitnichten eine Neudefinition erleben, sondern vielmehr eine weitere Facette im Sound der Schweden kennenlernen dürfen. Der Beginn von 'White Christ' bestärkt dagegen den Eindruck, dass AMON AMARTH nicht nur viel aus dem Sound der Urväter des (gefühlten) Mid-Tempo-Death entlehnt haben, sondern auch weit hinter ihren Vorbildern zurückstehen. Auch wenn ich mich noch immer mit Gänsehaut vor den Monumenten wie "Across The Open Sea" wiederfinde, nähern sich UNLEASHED immer weiter ihrer eigenen Perfektion, verbessern ihre Trademarks kontinuierlich - seien es der unverwechselbare Groove, die tollen akustischen Stücke oder die grandiose Gitarrenarbeit; alles hat Hand und Fuß. Der Hammer aus Kungsängen schwingt also machtvoll wie eh und je, und ganz ehrlich: Wenn ich mir Thor bildlich vorstelle, so sehe ich nicht den Testosteron-geschwängerten, in rot gehaltenen Mega-Gott vor mir, sondern Johnny Hedlund auf der Bühne des Party.Sans.

Note: 9,0/10
[Julian Rohrer]

Redakteur:
Stephan Voigtländer

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