Gruppentherapie: AFTER OBLIVION-"Stamina"

23.12.2012 | 16:19

AFTER OBLIVION - eine junge Band aus Bosnien-Herzegowina erobert mit "Stamina" den dritten Platz des Dezember-Soundchecks mit technischem Thrash/Death Metal. Hier die Gruppentherapie!




Diese noch recht unbekannte Gruppe aus Bosnien wirbelt den Soundcheck gehörig durcheinander und hat das einzige Album des Monats im Gepäck, das wirklich allen Soundcheckern mindestens das Prädikat "gut" (> sieben Punkte) entlockt. Doch was für Musik spielen diese eierlegenden Wollmilchsäue eigentlich? Im Vorfeld der Gruppentherapie wurde eifrig diskutiert, ob es sich hier um Thrash oder doch um Death Metal handelt. Auf jeden Fall ist es technisch extrem versierter, schneller und aggressiver Metal, der die Leute, die auf die Glocke wollen, genauso bedient wie die Verköstiger komplexer Rhythmusfiguren. Welche Bands fallen einem bei dieser Beschreibung denn so ein? Ja, klar, DEATH. Ich finde, AFTER OBLIVION klingen schon auch nach DEATH, aber meine ersten Assoziationen waren hier eher VEKTOR, alte THE HAUNTED oder meine jüngste Thrash-Entdeckung TANTARA, bevor mir meine Kollegen die offensichtlichen DEATH-Vergleiche um die Ohren gehauen haben. Aber AFTER OBLIVION sind kein DEATH-Klon und so genial und so melodisch wie diese sind sie auch (noch) nicht. Die Bosnier konzentrieren sich eher aufs Riffing und "Stamina" ist echt ein Sammelsurium an großartigen existierenden und bislang noch nicht existierenden Thrash-Riffs, super untermalt durch einen hohen, keifenden Gesang und eingebettet in jede Menge kniffeliger Breaks. Ja, das macht Spaß und live werde ich da mächtige Nackenschmerzen bekommen, falls ich sie mal sehen sollte. Was eine Note im Top-Bereich verhindert, ist die zumindest scheinbar große Ähnlichkeit der einzelnen Songs. Dazu kommt, dass den Bosniern die ganz große Melodie, das alles zermalmende Riff oder das Ehrfurcht gebietende Break (noch) abgeht im Vergleich zu DEATH oder VEKTOR. Dennoch müssen natürlich alle, die oben genannte Bands gut finden, diese Platte kaufen!

Note: 8,0/10
[Thomas Becker]




SADUS. Mich erinnern AFTER OBLIVION stark an SADUS. Es wird Thrash Metal auf hohem Niveau gespielt, ein Bass, der allgegenwärtig ist, dazu knattert Sänger Adnan Hatic sich die Seele vom Leib. Ob das nun Thrash Metal, Death Metal oder thrashiger Death Metal ist, soll an dieser Stelle nicht festgelegt werden, vermutlich trifft es sich irgendwo dazwischen. Eins ist auf jeden klar: "Stamina" rockt ordentlich! Besonders verzücken können mich die Zweiunddreißigstel-Pattern der Gitarren, die sich wunderbar mit den flinken Händen und Füßen von Marko am Schlagzeug ergänzen. Da muss der Kopf einfach mit! Dabei wird genug Raum gelassen für feine melodiöse Licks, die gerne in irre Solofahrten münden. Was mich auf Dauer aber ermüdet, ist die Tatsache, dass AFTER OBLIVION eigentlich nach einem Song alles gesagt haben. Es gibt keinen Song, der mit großartig anderen Arrangements oder sonstigen neuen Zutaten überrascht, dynamisch wird über neun Tracks der Faden gewoben, der in 'Deliverance' aufgenommen wurde. Das macht über einen gewissen Zeitraum trotzdem ordentlich Laune, da die Herren sehr versierte Musiker sind, aber mich würde es nicht wundern, wenn man die Platte nach ein paar Durchläufen nicht mehr übermäßig viel beachtet.

Note: 7,5/10
[Jakob Ehmke]


"Stamina" ist schlicht und ergreifend ein tolles Debütalbum geworden. Warum? Technisch und spielerisch wissen AFTER OBLIVION ohne Weiteres zu glänzen. Wer nach grüner Farbe hinter den Ohren sucht, wird nicht fündig. Dieser definitiv erhabene Death Metal ist mit all seinen Thrash-Anleihen und Verbindungen zu den großen DEATH eine Bereicherung für die heutige Szene. Die Qualität dieses bosnischen Bollwerkes ist über die gesamte Spielzeit extrem hoch, bietet darüber hinaus mehr als abwechslungsreiches und hörbares Material. Man blickt also über den Tellerrand hinaus, anstatt sich stur an die Todesblei-Kriterien zu halten, dem Todesstoß für viele Bands im heutigen Milieu. Nicht so AFTER OBLIVION, die schon früh eine eigene Note besitzen und somit zurecht auf dem Treppchen unseres Soundchecks landen. 'For The Rebels', 'Vultures' oder auch 'Breeding Perdition' halten die Fahne meterhoch. Warum diese Perle nicht die Höchstpunktzahl erreicht hat, wollt ihr wissen? Nun, AFTER OBLIVION sollen sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen, da ist sicherlich noch Platz nach oben. Für den Anfang jedoch machen die talentierten Deather ungemein vieles richtig. Weiter so!

Note: 8,5/10
[Marcel Rapp]




Sapperlot! Das gibt's doch nicht: Marcel attestiert den Bosniern eine eigene Note, Jakob denkt an SADUS und Thomas hört DEATH erst dann, wenn man sein Ohr gegen den Lautsprecher presst. Und bevor es keiner tut, opfere ich mich und sage: AFTER OBLIVION klingen nach DEATH, DEATH und nochmal DEATH. "Stamina" ist eine einzige Huldigung an das Lebenswerk Chuck Schuldiners. Allerdings werde ich bestimmt nicht derjenige sein, der ihnen daraus einen Vorwurf stricken wird. Denn was die Band hier abliefert, zeugt einfach von einer Unmenge an Herzblut. Das spürt man einfach bei jedem Riff, bei jedem Lead und bei jedem Shout. AFTER OBLIVION wecken bei mir den Eindruck, dass sie die Musik gar nicht schreiben oder gar konstruieren, sondern sich schlichtweg ausleben. Es ist nämlich einfach so authentisch und ehrlich, was man hier präsentiert bekommt. Die Saitenhexer zaubern eine charakteristische Riff-Salve nach der anderen, die man in der Form tatsächlich nur ganz selten zu hören bekommt. Das recht hohe, keifende Geschrei klingt in meinen Ohren wunderschön (und 1:1 nach Chuck). Die Rhythmusfraktion spielt technisch unglaublich versiert und abwechslungsreich. Und aus all dem entsteht diese Atmosphäre, für die wir DEATH so sehr lieben. AFTER OBLIVION kommen zwar nicht ganz an die Taten ihres Vorbildes heran, sind allerdings nicht mehr weit davon entfernt. "Stamina" ist ein wirklich tolles Death/Thrash-Werk und zugleich der beste Kniefall, den eine Band bisher (soweit ich dies beurteilen) vor Schuldiner hingelegt hat.

Note: 8,0/10

[Oliver Paßgang]


Die SADUS-Assoziation von Jakob kann ich sehr gut nachvollziehen, auch wenn ich von selbst wohl nicht drauf gekommen wäre. Eine gewisse Affinität zu den späteren Werken von Chuck Schuldiner können AFTER OBLIVION natürlich auch nicht leugnen; besonders die Gitarrenarbeit erinnert immer wieder an den viel zu früh verstorbenen Großmeister des technisch versierten Todesstahls. Einige Gesangslinien sind zudem ganz bestimmt von Mille Petrozza beeinflusst. Aber letztlich ist das auch alles egal; wichtig ist, was diese jungen Bosnier aus ihren Einflüssen machen. Und das ist aller Ehren Wert. Acht knackig-frische, dynamische Death/Thrash Metal-Kracher mit ordentlich Zug zum Tor lässt das Quartett auf die Hörerschaft los. Dabei bewegen sich die Jungs spielerisch auf allerhöchstem Niveau und beweisen beachtliche kompositorische Qualitäten. Da "Stamina" auch noch wunderbar druckvoll und differenziert produziert ist, kann der Feinschmecker das uhrwerkpräzise und doch leichtfüßige Trommeln von Marko ebenso genießen wie den akzentuierten und doch mannschaftsdienlichen Bass von Haris und das filigrane, messerscharfe Gitarrenspiel von Adnan und Jasenko. Das einzige echte Manko von "Stamina" ist aus meiner Sicht der Mangel an Abwechslung. Die Song-Strukturen sind sich einfach zu ähnlich. Dieses Problem könnte man durch den einen oder anderen markant-eingängigen Chorus wettmachen oder durch eine weiterführende stilistische Entgrenzung. Das würde ich AFTER OBLIVION gerne als Hausaufgabe für den nächsten Longplayer mitgeben. Was gar nichts daran ändert, dass "Stamina" unterm Strich ein tolles Debüt geworden ist, das eure Aufmerksamkeit mehr als verdient.

Note: 8,0/10
[Martin van der Laan]

Redakteur:
Thomas Becker

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