Gruppentherapie: AXEL RUDI PELL - "Risen Symbol"
07.07.2024 | 22:34Schmeichler für Herz und Seele oder akute Untermetalung?
Beständigkeit ist ein geschätzes Gut unter uns Metallern. So macht es vielen von uns nichts aus, wenn alte Helden alle zwei, drei Jahre mehr oder weniger dasselbe Album aufnehmen. AXEL RUDI PELL landet damit stetig mit nem Siebener-Schnitt im gesicherten Mittelfeld unserer Soundchecks. So auch heuer. Platz 10 mit 7,18 Punkten. Ein Interview mit der "schärfsten Axt von Wattenscheid" haben wir auch schon geführt, also was zur Hölle gibt es hier noch zu therapieren? Nun, während Tobi im Hauptreview zu "Risen Symbol" jubelt, enttäuscht das Album andere, die sogar nicht einmal eine Erwartung an es hatten. Und noch andere fühlen sich gar untermetalt. Nanu?
Es gibt natürlich spannendere Veröffentlichungen als ein neues AXEL RUDI PELL-Album. "Risen Symbol" ist sein zwanzigstes Solo-Studioalbum, dazu kommen zwei Cover-Alben. Der Mann ist also extrem fleißig. Und seit dem Einstieg von HARDLINE-Fronter Johnny Gioeli 1998 hat der Gitarrenhexer letztlich stilistisch nichts mehr Wesentliches verändert. Manche Alben haben vielleicht einen etwas stärkeren AOR-Touch, andere sind ein klein wenig metallischer, aber alles in allem hat Axel seine Nische, und in der fühlt er sich sehr wohl.
Melodischer Metal wird geboten, und Axel ist kein langweiliger Saitenchampion, der so viel frickelt wie möglich, sondern einfach ein hochklassiger Songwriter. Da Johnny am Mikrofon weiter auf höchstem Niveau unterwegs ist und es keine Ausfälle gibt, kann man nur besten Gewissens sagen: Wer an Pells Werken Freude hatte, der kann bei "Risen Symbol" bedenkenlos zugreifen. Wer sagt, dass er nach "The Masquerade Ball" oder meinetwegen "Kings And Queens" keine weiteren Alben braucht, die letztlich sehr ähnlich klingen, den kann ich durchaus verstehen. Ich allerdings brauche diese Alben und habe auch Freude daran - auch dann, wenn mal die ganz großen Hits fehlen. Denn zum Beispiel "Sign Of The Times" oder "Knight's Call" waren noch etwas stärker.
Note: 8,0/10
[Jonathan Walzer]
Bei AXEL RUDI PELL ist es in diesem Monat genauso wie bei ANVIL: Name steht drauf, die Trademarks sind schon von außen sichtbar und man weiß mit hundertprozentiger Sicherheit, was man bekommt. Dass die Überraschungsmomente hierbei ein wenig auf der Strecke bleiben, ist da gut zu verkraften, denn schließlich überwiegt die Gewissheit, dass man sich auf seine Pappenheimer - in diesem Fall aus dem Ruhrgebiet anstatt Kanada - in Gänze verlassen kann. Melodischer Hard Rock der Marke AXEL RUDI PELL eben.
Hier könnte schon mein Beitrag am Ende sein, doch ein paar Highlights - neben dem einmal mehr hervorragenden Gesang eines Johnny Gioeli und der breiten Handschrift des Meisters per se - möchte ich dann doch schon herauspicken: Denn neben der pyramidischen Referenz an die eigene Vergangenheit hat 'Forever Strong' eine nette, kraftmetallische Härte, gehen die ach so typischen Nummern wie 'Guardian Angel' und 'Ankhaia' gleich zu Beginn ins Ohr und dürfte 'Crying In Pain' auf der nächsten Balladen-Compilation definitiv nicht fehlen. Es sind einfach schöne, handwerklich tolle Momente, die weniger überraschen als mehr in dieser unsicheren Zeit uns allen einen festen Anker verpassen. Ein Anker who is called AXEL RUDI PELL. Und eben ANVIL!
Note: 8,0/10
[Marcel Rapp]
Ich glaube, ich habe keine komplette Scheibe von Axel Rudi Pell seit STEELER angehört. Für alle Spätgeborenen sei hier erwähnt, dass es sich bei STEELER um eine rattenscharfe Heavy-Metal-Band aus Wattenscheid handelt, deren erste beide Alben – "Steeler" (1984) und vor allem "Rulin' The Earth" (1985) – bis heute sehr gern ein paar Runden auf meinem Plattenteller drehen. Axel hat dann den Bassisten Volker Krawczak in seine Band geholt und seither veröffentlicht der blonde Flitzefinger, der keinen Hehl aus seiner Vorliebe für Herrn Blackmore macht, regelmäßig und erfolgreich Alben unter seinem Namen.
Marcel vergleicht die Chose mit ANVIL, was von der grundsätzlichen Gleichförmigkeit – Fans werden es Beständigkeit nennen – stimmt. Allerdings hat dieses ARP-Album andere Problemzonen als die aktuelle Scheibe von Lips und seiner Bande, die nämlich einfach nur hüftsteif klingt. Auf "Risen Symbol" ist musikalische vieles ganz in Ordnung, allerdings frage ich mich schon beim ersten Song, ob Bobby Rondinelli in einen halbleeren Eimer Wasser schlägt oder welches andere Geräusch ich da vernehme, wenn er trommelt. Wenn man dann den Gitarren auch noch jegliche Schärfe nimmt und der wirklich versierte Tastendrücker Ferdy Doernberg parallel dazu alle Kanten glatt klimpert, bin ich auf Albumlänge etwas untermetalt.
Für Hard Rock ist mir das Ganze dann auch eine Spur zu sauber und auch Sänger Johnny Gioeli, der hier von meinen Vorrednern so gelobt wird, verschlimmbessert dieses Gesamtpaket für mich leider nur noch. Wäre das eine AOR-Scheibe, würde ich all diese Kritikpunkte nicht anbringen, aber musikalisch ist das Hard Rock. Da möchte ich einen erdigen Klang, der Schweiß und Dreck zum Klingen bringt. Sicherlich ist das nicht die Intuition dieser Band und von daher bin ich auch sicherlich nicht das Zielpublikum, welches "Risen Symbol" offenbar wieder gut findet. Wahrscheinlich spiegelt die nicht anhörbare Saubermann-Version von 'Immigrant Song' all dies in einem Song wider. Möchte ich bitte nicht noch einmal hören.
Note: 5,5/10
[Holger Andrae]
Und auf in die nächste Runde "klingt exakt so wie die letzten fünf Alben". Es fällt mir nicht ein Grund ein, warum man "Risen Symbol" in der Sammlung braucht, wenn man zum Beispiel "Oceans Of Time" oder seinen Vorgänger besitzt. Im Gegensatz zu Holger mag ich zwar die Klangfarbe und Art zu singen von Johnny Gioeli schon ganz gerne, aber sowas wie das erschreckend ungelenke und kitschige 'Guardian Angel' oder die Vollkatastrophe 'Immigrant Song' (warum?) kann er mit Sicherheit auch nicht retten.
Ebenso habe ich kein Problem mit der Tatsache, dass alles nicht so wirklich "Metal" schreit - aber dann dürfen die Songs doch trotzdem Arschtreter sein, oder? Ob nun glattgebügelt oder Peng. Aber dafür müsste man dann die Keys von der Kette lassen oder sich zumindest im Refrain mal trauen, was zu riskieren. Nach dem halbwegs ordentlichen 'Forever Strong' kommt bis zum hörbaren Abschluss 'Taken By Storm' aber nichts, was mich vom Hocker haut. Alles Dienst nach Vorschrift ohne Esprit. Im Gegenteil, selbst die Gitarre darf dieses Mal keine Akzente setzten, so dass ich nicht einmal die Luftgitarre raushole. Ich bin, ohne Erwartungen gehabt zu haben, trotzdem bitter enttäuscht.
Hat "Risen Symbol" somit gar nichts Positives zu bieten? Doch! Ich habe "Oceans Of Time" aus dem Regal geholt und höre seit Ewigkeiten mal wieder 'Pay The Price' und 'Ashes From The Oath'. Ach, sind das schöne Songs.
Note: 4,5/10
[Stefan Rosenthal]
Kennst du ein Album aus dem Hause Pell, kennst du alle. Oder anders: "Never change a running system". Im Prinzip haben meine Vorredner (inklusive Holger und Stefan) schon alles gesagt. Der Saitenhexer hat auch in sein neues Werk keine großen Experimente, keine Überraschungen eingebaut. Es ist wie bei AC/DC: Diese konsequente Beständigkeit ist Öl ins Feuer aller Kritiker, doch ein Segen für alle Fans. Da muss ich also ein bisschen tiefer graben. Die Produktion ist etwas härter als sonst ausgefallen, die Songs sind einen Tick kraftvoller. Die Präsenz von Ferdys Keys/Hammond-Orgel ist heruntergeschraubt worden und mit 'Crying In Pain' nur eine Ballade auf der Scheibe. Reicht das schon, um die Scheibe aus der Masse der eigenen Veröffentlichungen hervorzuheben?
Nein. Im Prinzip stellt sich wie immer nur die Frage: Wie oft ist es Axel und seinen Mitstreitern innerhalb der fast sechzig Minuten gelungen, aus den wohl bekannten Mitteln prägnante und damit nachhaltige Songs zu schreiben? Für mich sind alle zehn Songs auf einem guten gleichbleibenden Niveau, bei dem kein Song so richtig abfällt, aber auch auf den ersten Blick kein richtiger Hit dabei ist. Klar, Stücke wie die kraftvollen 'Forever Strong', 'Darkest Hour' oder 'Taken By Storm' sowie die Ballade könnten definitiv länger im bereits überfüllten Live-Set des Maestros auftauchen, aber so richtig vermissen wird sie in ein paar Jahren wahrscheinlich auch niemand mehr.
Zwar kann ich die grundsätzliche Kritik meiner geschätzten Kollegen durchaus nachvollziehen, muss aber in einem Punkt bei Holger ein vehementes Veto einlegen: Johnny Gioeli veredelt "Risen Symbol" erneut eindrucksvoll. Der gebürtige New Yorker ist wieder einmal der entscheidende Unterschied zwischen Europa und Champions League. Wie jedes PELL-Album geht auch dieses Studioalbum extrem schnell ins Ohr und schmeichelt Herz und Seele. Um jedoch das ganze Ausmaß und seinen Platz in der langen Diskografie zu benennen, benötigt es noch intensivere Umdrehungen und mehrere Wochen. Der erste Eindruck ist zwar positiv, aber halt auch keine Gefühlsexplosion und daher in der Gesamtbetrachtung eher nüchtern.
Note: 7,0/10
[Chris Staubach]
Ach ja, der gute Axel Rudi! Es ist schon so lange her, dass ich mich nicht mehr erinnern kann, welche Veröffentlichung genau mich dazu gebracht hat, dem Herrn meine Aufmerksamkeit zu schenken. Was ich aber noch genau weiß ist, dass es in unserem ortsansässigen Media-Markt immer CD-Aktionen gab. Das war zu den Zeiten, als man sich noch Kopfhörer aufsetzte um an speziellen Anhör-Stellen kurz in CDs reinzuhören, danach mit den ausgesuchten Teilen zu einem netten Verkäufer gelatscht ist, der dann einen CD-Player freigegeben hat, an dem man sich das entsprechende Album anhören konnte. Ja, ich bin alt. Eine dieser Aktionen betraf AXEL RUDI PELL. Ich sag's mal so: Bei der ersten CD habe ich noch quasi mehr oder weniger jeden Track länger angespielt, bei den beiden folgenden nur noch einzelne und letztendlich einfach den Stapel CDs, der verfügbar war, komplett eingesackt. Also natürlich gekauft, nicht dass hier Missverständnisse aufkommen. Habe ich es je bereut?
Definitiv nein! Was sagt das über die Musik von Herrn Pell aus? Nun, ich kann nur für mich sprechen, aber mir gefällt einfach, was er macht. Klar, nicht jeder Song ist der Banger schlechthin, aber ich kann mich auch nicht erinnern, dass ich auf irgendeiner CD je die Skiptaste benutzt hätte. Höchstens die Repeat-Taste, um einen Song noch einmal zu hören. Genauso geht es mir mit "Risen Symbol". Hören, Gänsehaut bei Johnny Gioelis Gesang bekommen, das Gitarrenspiel von Master Pell bewundern und generell die Instrumentalfraktion abfeiern - ich liebe besonders das Drumming!
Um es noch einmal hervorzuheben: Ich bekomme auf "Risen Symbol" das, was ich von AXEL RUDI PELL erwarte und schließe mich da unserem Kollegen Chris Staubach an: "Ein Album, das Herz und Seele schmeichelt". Danke Chris, besser hätte ich es nicht ausdrücken können. Man, also ich, muss nicht immer alles analysieren, beispielsweise welche Platte in seiner Diskografie jetzt "besser" war und warum. Manchmal ist es auch schön, sich einfach mal zurückzulehnen und nur zuzuhören ...und bei 'Crying In Pain' hat dann die Repeat-Taste ihren Einsatz.
Note: 8,0/10
[Hanne Hämmer]
Fotocredits: Kai Hofmann
- Redakteur:
- Thomas Becker