Gruppentherapie: BLACK COUNTRY COMMUNION - "V"
11.07.2024 | 22:34Rosarote Fanbrillen-Betriebsblindheit oder wirklich schwer zu toppen?
BLACK COUNTRY COMMUNION, das sind wirklich Schwergewichte des Hard Rock. Und wer glaubt, eine solche Supergruppe würde doch heute keinen mehr an den Ohrwatscheln packen, der hat diese Gruppentherapie noch nicht gelesen. Platz sechs im aktuellen Soundcheck und acht Punkte in Stefan Kaysers Hauptreview zu "V" verheißen jetzt auch nichts Schlechtes. Doch nicht bei jedem schlagen die Pendel nach oben aus. Muss man dafür also Fanboy sein?
Wenn sich Glenn Hughes, Jason Bonham, Joe Bonamassa und Derek Sherinian gemeinsam die Ehre geben, dann darf man höchste Klasse erwarten. Die Kombination dieser vier Ausnahmemusiker BLACK COUNTRY COMMUNION ist wieder am Start und hat mit "V" erneut Songs aus dem obersten Rock-Regal zu bieten. Zugegeben, ich vermisse aktuell dieses extravagante, besondere, herausragende Element, das man diesen vier Größen in einem Team vereint durchaus zutrauen darf. Dennoch entpuppt sich "V" als gute, bisweilen auch richtig gute Rock-Scheibe, die mal bluesig, mal hart, mal smooth, mal hundeschnauzenkalt klingt und insgesamt ordentlich Schwung hat.
'Red Sun', 'You're Not Alone' oder 'Restless' sind in puncto Songwriting natürlich genial und in welchen Bands beziehungsweise für welche Großtaten die Musiker auch verantwortlich waren, die Stärken jedes einzelnen kann man sehr gut hören, ohne dass sich jemand wie Hughes oder Bonamassa in den Vordergrund spielt. Vor allem die leichten Funk- und Soulelemente kreuzen sich bestens mit dem klassischen Rock-Fundament. Nein, BLACK COUNTRY COMMUNION ist in jedem Fall eine ausgewogene Symbiose, die aber aktuell auf "V" mit lichterloh brennenden Highlights ein wenig geizt. Schade, aber Meckern auf hohem Niveau darf bei dieser Aufstellung erlaubt sein.
Note: 7,5/10
[Marcel Rapp]
Kollege Marcel hat die Protagonisten bereits aufgezählt. Allein jene schwer zu toppende Bandbesetzung lässt das Herz unweigerlich höherschlagen. Das, was diese vier Herren nach der langen Zeit der Querelen hier an den Start bringen, ist einfach nur zeitlos gute Rockmusik. Wenig Schnörkel, wenig Inspiration, wenig Experimente - soweit richtig. Tatsächlich ist die Erwartung bezüglich irgendwelcher Sperenzien vermutlich ziemlich hochgeschraubt.
Aber es ist eben das Gesamtbild, welches vom ersten bis zum letzten Takt überzeugt. Die Herrenriege weiß, wie man richtig groovt und für mich als kleinem Glenn Hughes-Fan geht in diesem Monat kein Weg an "V" vorbei. Der Opener 'Enlighten' lässt zwar zunächst nur sporadisch Wunderdinge erahnen, aber die starken 'Stay Free', 'Red Sun' und auch 'Skyway' kommen dann locker aus der Hüfte und sorgen für Schwung in derselben. Ein kleines Highlight ist 'Restless', denn hier spielt vornehmlich das Duo Hughes/Bonamassa einen Blues auf, den ich in dieser Klasse lange nicht mehr gehört und gefühlt habe. Ich kann gar nicht anders als 9 Punkte für ein Album zu vergeben, das keine oder nur ganz wenige Stöcke im Allerwertesten hat.
Note: 9,0/10
[Frank Wilkens]
Mein lieber Kollege Marcel muss im bisher doch sehr verregneten Sommer einmal zu oft nass geworden sein, wenn ihn die Highlights auf "V" nicht lichterloh brennen lassen. Ich jedenfalls höre den fünften BLACK COUNTRY COMMUNION-Langdreher komplett anders und erfreue mich einmal mehr an einer Supergroup, die wirklich abliefert und nicht nur mit großen Namen punkten muss. Ich jedenfalls würde 'Red Sun', 'Stay Free' oder auch 'Enlighten' auch maßlos abfeiern, wenn das hier eine No-Name-Kapelle wäre, die gerade aus der heimischen Garage erwachsen ist. Allein das sollte dafür sprechen, wie gut, frisch und zwingend die Kompositionen auf "V" durchweg klingen.
Dass Glenn Hughes mit über siebzig Jahren dabei noch wie ein junger Gott singt und dem Zahn der Zeit problemlos zu widerstehen scheint, ist da nur die Kirsche auf dem geschmackvollen Blues-Rock-Kuchen. Und auch Joe Bonamassa scheint das Werkeln in der Supergroup und vor allem Jason Bonhams wuchtiges Groove-Fundament gut zu tun, denn wo ich auf seinen letzten Soloalben die etwas rockigere Kante oftmals vermisst habe, klingt der amerikanische Saitenhexer teilweise überraschend widerborstig, während natürlich auch die bluesigere Seite im bereits von Frank erwähnten 'Restless' wunderbar zum Zuge kommt. Freunde dieser Art von Musik kommen entsprechend auch nicht an "V" vorbei, denn das Album verdient locker neun Zähler, hält problemlos mit der feinen BCC-Diskografie mit und wird in diesem Sommer sicher noch viele Runden in meinem Player drehen.
Note: 9,0/10
[Tobias Dahs]
Hashtag Supergroup. Leider wird dieser Tag heutzutage inflationär benutzt und löst bei mir oftmals nur noch ein müdes Gähnen aus. Hier kann man aber direkt den Wind aus den Segeln nehmen. Diese Band hat dieses Label auch wirklich verdient und besteht durchgängig aus Musikern der höchsten Güteklasse mit entsprechendem Namen in der Branche. Wenn man schon die einzelnen Mitglieder der TRAVELING WILBURYS googeln muss, dann mag man das hier sicherlich anders sehen, aber ich befürchte, dann ist es eh zu spät.
Fans von gepflegtem Hard Rock mit ordentlicher Blues-Schlagseite bekommen hier genau die Summe der Teile, welche man bei dieser Bandzusammenstellung erwarten könnte. Das mag zwar wenig innovativ oder spannend sein, bietet aber zumindest 100% Fan-Service. Das ist alles auf gutem Niveau umgesetzt und keiner der Beteiligten muss sich auch nur für eine Nuance schämen. Leider schlägt das Pendel, ähnlich wie bei allen Vorgängern, auch bei "V" nicht sonderlich nach oben aus. Oder anders formuliert, die sehr bluesigen Nummern sind auch nicht besser als die Soloveröffentlichungen von Herrn Bonamassa und die straighteren Rocknummern bringen mich nicht zu solch einer Ekstase, wie Herr Hughes sie in der Vergangenheit schon verursachen konnte.
Somit wird BLACK COUNTRY COMMUNION auch mit diesem Album keinen so nachhaltigen Eindruck in der Szene hinterlassen, wie es TRANSATLANTIC im Prog oder BOYGENIUS im Folk gelungen ist. Das ist zwar schade, aber muss ja auch nicht immer sein. Vielleicht fehlt für den Anfang auch einfach nur das eigene 'Handle With Care' – eine solche Übernummer hat die Band bisher nämlich auch noch nicht in petto. Und manchmal fehlt halt einfach noch der letzte Funke.
Note: 7,5/10
[Stefan Rosenthal]
Ach, wie wunderbar, diese Supergroup kredenzt uns nun doch zumindest ein fünftes Album. Auflösung vorerst vom Tisch, Egos wieder im Griff. Ich mag BLACK COUNTRY COMMUNION sehr und bewundere bei aller handwerklichen Qualität vor allem die Lässigkeit und die mitreißenden, blues- und funkgeschwängerten Grooves, die das Quartett scheinbar mühelos aus dem Hut zaubert. Schon bei den ersten Tönen des kraftvollen Eröffnungsstücks 'Enlighten' stellt sich bei mir eine innere Ruhe ein, weil ich weiß, in den nächsten fünfzig Minuten bin ich bei Hughes, Bonamassa, Bonham und Sherinian bestens aufgehoben. Die Produktion von Kevin Shirley ist wieder einmal phänomenal erdig, luftig und trotzdem dick auf den Punkt. Hier hat jedes Instrument, jede Stimme seinen Raum zur Entfaltung.
Ich muss auch sagen, dass die Alben der britisch-amerikanischen Kollaboration mich meist in ihrer Gesamtheit überzeugen. Natürlich sind klassische Hits immer das Salz in der Suppe, aber weder in meiner, noch im Kosmos der Band anscheinend das alles entscheidende Kriterium. Das funkige und stets rollende 'Stay Free', der Rocker 'You're Not Alone' und die Ballade 'Restless' kommen diesem Ideal noch am nächsten. Doch auch beispielsweise 'Red Sun', 'Too Far Gone' oder 'Skyway' haben gehobene Klasse, die das Werk zu einem wirklich starken Rockalbum machen, das sicherlich in den einen oder anderen Jahrescharts auftauchen wird.
An manchen Stellen fühlen sie sich vielleicht dann doch etwas zu wohl in ihrer entspannten Lockerheit und verpassen dadurch die Abfahrt zum zwingenden, magischen Songhöhepunkt. Da versandet dann auch mal ein guter Rocker ohne den wichtigen Anker zu setzen. Und zu Glenn Hughes muss ich nicht wirklich etwas sagen, oder? Der scheinbar stimmlich nie alternde Ausnahmesänger liefert erneut phänomenal ab, auf absolut höchstem Niveau. Mehr Prägnanz und Wiedererkennungswert geht nicht. Mich reißt es mehrfach vom Sitz, wenn Gesang und Musik leichte Lenny Kravitz-Vibes und -Grooves entfachen – dann sprengt der Vortrag meine innere Richterskala. Tolles, völlig unaufgeregtes Album. Willkommen zurück.
Note: 8,5/10
[Chris Staubach]
Ja, ich gebe zu, dass es eine Freude ist, hier vier grandiosen, hoch dekorierten und über alle Maßen geschätzten Hardrock-Schlachtrössern bei der Arbeit (oder sollte ich beim gemeinsamen Spaßhaben sagen) zuhören zu dürfen. Ja, ich würde mich freuen, wenn dieses Album in den nächsten Wochen in den lokalen Classic-Rock-Radiostationen rauf und runter liefe, statt zum vierhundertsechsundsiebzigsten Mal 'Here I Go Again' oder 'I Wanna Rock'. Und ja, handwerklich ist hier alles selbstverständlich über jeden Zweifel erhaben, es rockt und rollt mit viel Blues und Funk in allen Gliedern, so dass man seinen Enkeln anhand der Songs auf "V" schon erklären könnte, wie dieser gute alte Hardrock damals funktionierte.
Aber, meine lieben Kollegen, seid ihr euch wirklich ganz sicher, dass es nicht rosarote Fanbrillen-Betriebsblindheit ist, wenn ihr hier glaubt besonders exzellentes, spannungsvolles und stets frisch geduschtes Songwriting zu hören? Ich bin der Auffassung, dass mehr kompositorisches "Schema F" kaum geht - deswegen ja auch die vermutete Lehrbuchtauglichkeit. Man weiß doch eigentlich immer im Voraus, was als nächstes (und übernächstes) kommt!?
Jetzt darf man natürlich die berechtigte Gegenfrage stellen, was man denn von einer solchen Veteranen-Truppe erwartet hätte, doch sicher nicht, dass sie im Alter auf einmal innovativ wird oder was Neues ausprobiert. Außerdem würden die Fans so etwas gar nicht hören wollen. Das stimmt alles, aber trotzdem macht es zumindest in meinen Ohren das Album nicht automatisch weltbewegend und sensationell interessanter. Die allseits bekannte Musik läuft gut rein, ist gefällig bis ins letzte klagende Blues-Solo hinein, sie tut niemandem weh, und in Zukunft öfter mal 'Restless' statt immer nur 'Still Got The Blues' zu hören, würde mich freuen. That's it for me - no more, no less!
Note: 7,0/10
[Martin van der Laan]
- Redakteur:
- Thomas Becker