Gruppentherapie: FLOTSAM & JETSAM - "The Cold"

19.12.2010 | 15:01

Selten war sich die Redaktion von POWERMETAL.de auch über das Soundcheck-Team hinweg so einig wie bei "The Cold" von FLOTSAM & JETSAM: Das hier ist ein echter Hammer.


Ein abwechslungsreiches und durchaus progressiv ausfallendes Power-Thrash-Feuerwerk, was die Jungs aus Arizona hier vom Stapel lassen. Auf FLOTSAM & JETSAM kann man sich auch im Jahre 2010 verlassen. Etwas düsterer als die Vorgänger, überzeugt "The Cold" aber in Punkto Atmosphäre und Gesamtkonzept und verbreitet von der ersten bis zur letzten Sekunde eine wohlige Gänsehaut. Das insgesamt zehnte Werk der Jungs um Ausnahmesänger Eric "A.K." Knutson vereint alle erdenklichen Stärken der Band. Seien es astreine Thrash-Walzen ('Hypocrite', ' K.Y.A') oder facettenreiche Übernummern wie 'Falling Short' und 'Black Cloud'. Mit der Halbballade 'Better Off Dead' erreicht das Album ein Niveau, was ich den Jungs zwar gegönnt, aber niemals so erwartet hätte. Besonderes Hauptaugenmerk gebührt jedoch 'Secret Life' und dem Titeltrack, die zumindest mich in eine komplett andere Welt eintauchen lassen. Ganz großes, variables Kino, bei dem jedem anspruchsvolleren Hörer warm ums Herz wird. "The Cold" erreicht bei Fans einen guten dritten Platz in der Gesamthistorie. Eine Schande, wenn auch dieses fulminante Werk einmal mehr nicht seine verdiente Beachtung in der hiesigen Metal-Gemeinschaft findet. Leute, ihr verpasst was!

Note: 9,0/10
[Marcel Rapp]

Die Jungs sind ewiger Untergrund, galten mal als ganz große Hoffnung, aber dann ging Jason Newsted zu METALLICA und der Thrashstil den Bach runter. Schlechte Produktionen wie auf "When The Storm Comes Down", großartige aber unerwartete Kompositionen wie auf "Quattro" und "Drift", und fertig waren die verkannten Genies. Dass ich fleißig weiterkaufte und immer wieder großen Spaß an den Alben hatte, immerhin mit "The Cold" zehn an der Zahl, dürfte mich zum Außenseiter stempeln. Nur einmal habe ich die Stirn gerunzelt, nämlich als es hieß, man ginge zurück zu den Wurzeln. Ging ja dann auch, für FLOTSAM & JETSAM-Verhältnisse zumindest, in Form von "Dreams Of Death" mächtig ins Beinkleid. Jetzt ist das aber Geschichte, auf dem neuen Werk wird wieder gerockt, gethrasht, gesäuselt, gedichtet, gelitten und geflucht. Das ganze Spektrum hinter einer nur vorgeschobenen Thrash-Metal-Wand, verborgen nur dem flüchtigen Ohr, die Abwechslung und Vielfalt, die für den Aufmerksamen aber voller Verve nach vorne drängen, schnippsend "Hörer, Hörer, wir sind auch noch da" rufen. Eines ihrer besten Alben. Vielleicht sogar das zweitbeste. Nach "Drift". (Ja, ich kenne auch die ersten beiden und schätze sie sehr, aber wir sind beide reifer geworden, FLOTSAM & JETSAM und ich).

Note: 9,0/10
[Frank Jaeger]


Hossa! Die Überraschung des Monats hört auf den Namen "The Cold" und kommt aus dem Hause FLOTSAM & JETSAM. Ich muss zugeben, dass ich die Band nach "Cuatro" anno 1992 irgendwie aus den Augen und Ohren verloren habe. Erst das letzte Album "Dreams Of Death" landete vor fünf Jahren wieder auf meinem Tisch und konnte keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. "The Cold" hingegen glänzt vom ersten Augenblick an mit knackigem Metal, der vor allem in den getragenen Momenten mehr als einmal an METAL CHURCH zu "Hanging In The Balance"-Zeiten erinnert. Bestes Beispiel dafür sind die Power-Ballade 'Better Off Dead' und das eher melodische 'Take', die gleichzeitig die Höhepunkte dieses Albums darstellen. Eric A. K. singt sich grandios durch die zehn Songs, die Produktion ist druckvoll, transparent und sehr heavy und dazu kommt eine enorme Abwechslung vom harten Thrasher über den eher modernen Groover bis hin zu den bereits benannten ruhigeren Tönen. Eine höhere Wertung verhindern lediglich der etwas zu lang geratene Titelsong und das mir zu sehr auf hart getrimmte 'K.Y.A.'. Dennoch ist "The Cold" unterm Strich ein absolut überzeugendes Werk zwischen Power & Thrash Metal geworden. Kaufen.

Note: 8,5/10
[Peter Kubaschk]

Von FLOTSAM & JETSAM war mir bekannt, dass ich die in Erinnerungsstücken in die Thrash-Ecke stellen müsste und das Jason Newsted als Bassist von den Gieros von METALLICA wahrscheinlich weggecastet wurde. Ab und zu segelte dann mal ein kleiner Meldungsblitz an mir vorbei, dass die Album auf Album veröffentlichten. Umso mehr überraschte mich der stilistische Ansatz des Quartetts anno 2010! Die wollen schon noch das Pathos mit Ballergitarren verbinden und wissen dabei trotzdem Spannendes und Feingliedriges zu erbauen.'The Cold' als Exempel ist ein Juwel, technisch ausgefeilt, liedschreiberisch perfekt ausbalanciert - da sind Profis im Studio gewesen. Traditionell wird eben auch einer der tragenden und gelungendsten Songs zum Titel der gesamten Veröffentlichung. Dass das Handwerk hier stimmt, dürfte nach zwanzig Jahren aber auch niemanden überraschen. Eher schon die Modernität, die FLOTSAM & JETSAM da hinbekommen haben. Wenn sich Nachgeborene ganze Alben lang daran abmühen, die knarzenden Riffs ihrer Songs wenn möglich voneinander abzuheben, wird auf Platten wie "The Cold" (scheinbar) mühelos Riff auf Riff gesetzt, die den Hörer auch wirklich "im Lied" festhalten. Spannung nennt mann und frau das wohl. Der sagen wir mal "speedige" Ansatz gefällt mir ausnehmend, so dass Traditionalisten und Neu-Wütige gleichzeitig auf ihre Kosten kommen sollten. Der Gesang - naja - muss gemocht werden oder eben nicht - ändert aber nix am rundum gelungenen Auftritt der Veteranen.
Was macht eigentlich Jason Newsted?

Note: 8,0/10
[Mathias Freiesleben]

Ich gehöre ja zu denjenigen, die "Doomsday For The Deceiver" und "No Place For Disgrace" für so ziemlich das Größste seit der Erfindung des Schoko-Croissants halten. Als beinharter FLOTSAM & JETSAM-Anhänger hatte man es in den letzten zwanzig Jahren nicht immer leicht. Mal musste man eine klägliche Produktion verkraften, mal sich halbherzig modernisierte, ziemlich sperrige Songs mühsam erarbeiten. Dennoch: "Cuatro" war großartig, "High" ging ab wie ein geöltes Zäpfchen und "My God" und ich sind schließlich auch noch dicke Freunde geworden. Und jetzt DAS!! Mit gar nicht so hohen Erwartungen habe ich mir "The Cold" vorgenommen, doch vier bis fünf Durchläufe später stand bereits fest: Der alte FLOTSAM-Altar aus "Doomsday..."- und "No Place..."-Zeiten muss abgestaubt und wieder ins Wohnzimmer gestellt werden. Will heißen: etwas so Geniales haben Carlson, Knutson und Konsorten seit zwei Dekaden nicht mehr aufgenommen. So ungestüm auf die Glocke wie in den guten alten Zeiten gibt es natürlich nicht mehr, dafür finden sich auf "The Cold" zehn fantastische, mitreißende und unglaublich raffinierte Kompositionen. Dieses sensationelle Album kennt keine kreativen Pausen und bewegt sich konstant und zielsicher auf schwindelerregend hohem kreativem Niveau. Verliebt Euch, liebe Leser, mit mir in die tonnenschwere und doch hochmelodische Dampfwalze 'Take', den verzweifelt aufbrausenden, mit einem unter die Haut gehenden Killer-Chorus gesegneten Titelsong, das wütende, mit einem wunderbar treffenden Text veredelte 'Black Cloud', die atemberaubend schöne Gänsehaut-Halbballade 'Better Off Dead' und die mächtige Abrißbirne 'K.Y.A.'. Eine so explosive Mischung aus Durchschlagskraft und musikalischem Feingefühl hätte ich FLOTSAM & JETSAM nicht (mehr) zugetraut. "The Cold" ist so anspruchsvoll wie abwechslungsreich, so knackig heavy wie eingängig, so tiefgründig wie emotional und steht in meinen persönlichen Jahrescharts ganz weit oben - Seite an Seite mit "Ironbound" und einen Schritt vor "The Evolution Of Chaos".

Note: 9,5/10
[Martin van der Laan]

Der ruhige Schein zu Beginn des neuen FLOTSAM & JETSAM-Albums trügt: Schon 'Hypocrite' donnert mächtig los. Die Gitarren sind fett produziert und auch die orchestralen Einsprengsel sind gekonnt platziert. Das Tempo auf "The Cold" wechselt ständig, oft auch überraschend. Das Highlight der Scheibe ist das Titelstück, das sich dramaturgisch schön aufbaut, sich auch die Zeit dafür nimmt und zum Ende hin doch mal losschmettert, um dann in einem schönen Gitarrensolo zu münden, das nochmals im Refrain endet. Wundervoll! FLOTSAM & JETSAM geben nicht nur ordentlich Dresche, sondern machen Pausen für fast kuschelige Augenblicke. Zu 'Blackened Eyes Starring' wird der Sound etwas dumpf, aber auch das passt optimal. Auch die Halbballade 'Better Off Dead' ist gelungen und genau richtig platziert. Nach fünf Jahren ohne richtige Veröffentlichung legen FLOTSAM & JETSAM mit "The Cold" zum Jahresende wieder ein ordentliches Brett hin.

Note: 8,0/10
[Pia-Kim Schaper]


Ein abwechslungsreiches Metalalbum haben FLOTSAM & JETSAM mit "The Cold" auf jeden Fall abgeliefert. Von angelegentlichen ruhigeren Passagen über den Kernbereich klassischen Heavy/Power-Metals bis hin zu richtig harten Thrash-Einschlägen reicht das Spektrum, und gleich der Opener 'Hypocrite' ballert artilleriemäßig los. Granatenwurf durch den Zeittunnel - man fühlt sich zwanzig Jahre zurückkatapultiert - kawumm - but our flag was still there. Oder so. Mächtig ziehen und zurren dann die Riffs das Kraftpaket 'Take' zusammen und stempeln ein amtliches "Epic material. Please do shake!" drauf. Es folgt das offizielle Kernstück des Albums: Der bombastische Titeltrack ist ein studioeffektbeladenes Produktionsmonster. Hmm, ob der wohl auch unplugged funktioniert? Als von der Historie dieser Band völlig unbelasteter Hörer fühle ich mich hier jedenfalls an JON OLIVA'S PAIN "Global Warning" erinnert. Vielleicht fällt 'The Cold' schon etwas zu refrainlastig aus, und dahinter dann so ein rauh-aggressives aber irgendwie stumpfes Non-stop-Geballer wie 'Black Cloud' zu stellen, ist für Schöngeister wie meinereiner auch etwas ermüdend. 'Blackened Eyes Staring' rollt ebenfalls als gewaltige Walze heran, aber sein Walzenfahrer hat Melodie im Blut. Hier finden sich allerdings auch moderne Einflüsse, was sich in einem Groove äußert, der dem letzten MACHINE HEAD-Output "The Blackening" nicht gänzlich unähnlich ist. Fein! 'Better Off Dead' hingegen sollte auch ob des vorangegangenen Satzes skeptisch gewordenen Traditionalisten gut reinlaufen, und für die ganz harten Gniedelfetischisten gibt es 'Falling Short'. Für meinereiner gilt im letzten Fall allerdings nomen est omen, denn das Stück bleibt mir charakterlich zu blass. Auch das gepresste 'Always' ist nicht ganz mein Fall, sodass "The Cold" in meinen Ohren nach hinten heraus ein wenig abfällt. Der markige Riffrotor-Thrasher 'K.Y.A.' zieht die Nase dann zwar nochmal etwas hoch, und auch das düster-verhangene 'Secret Life' ist keineswegs schlecht, doch scheint mir dessen postgrungiger Stil zu FLOTSAM & JETSAM nicht so recht passen zu wollen. Ein abschließendes Urteil mag ich über "The Cold" noch nicht sprechen, dafür habe ich dem Werk schlichtweg noch nicht genug Muße gewidmet. Bislang oszilliert das gesamtgewichtete Hörvergnügen bei mir eher um den gehobenen Durchschnitt. Die Tendenz jedoch bleibt vorerst offen.

Note: - / -
[Eike Schmitz]

Tendenz bleibt offen? Eike, das ist Metal, da geht es stark bergauf - so einfach funktioniert die Welt des flüssigen Stahls manchmal. Und so einfach kommen alte Helden wie aus dem nichts, um einfach alles um sich herum wegzupusten. Ich kann die Freude der Fans der ersten Stunde verstehen, die mit offenem Mund vor "The Cold" sitzen und sich fragen, woher zumindest FLOTSAM & JETSAM das Wasser ewiger Jugend geholt haben, während sie selber dem Verfall frönen. Nein im Ernst: FLOTSAM & JETSAM 2010 klingt derart frisch und cool, dass es eine wahre Freude ist. Fast schon spielend verwischen die Jungs die Grenzen zwischen Modernität und ihren eigenen Wurzeln, denn die schwingen in jeder Minute, jeder Sekunde, jeder angespielten Saite mit. Und das ist gut so. Aus deutschen Landen gibt es eine Band, die das ganz ähnlich schafft: BRAINSTORM. Die Mannen um Andy B. Franck veröffentlichen in regelmäßigen Abständen ebenso kraftvolle Alben und verdienen Respekt für ihre jugendliche, dabei dennoch erfahrene Herangehensweise. Ebenso wie die Amerikaner passiert das aber ohne Kalkül, sondern einfach mit Spaß an der Sache. Und wer sich diesen Spaß über fast 30 Jahre aufrecht erhalten kann, darf völlig zurecht bewundert werden. Und ist das Hören von diesem Kraftbatzen "The Cold" nicht auch eine Art Verjüngungskur?

Note: 8,0/10

[Julian Rohrer]

Ich bin zwar kein "Fan der ersten Stunde", aber sicherlich der zweiten oder dritten Stunde, und deswegen stelle ich mir 2010 schon die Frage: Was kann ich von FLOTSAM & JETSAM heutzutage noch erwarten - immerhin gibt es die Band nun mehr seit knapp 30 Jahren, und das (großartige) Debüt "Doomsday For The Deceiver" liegt auch schon fast ein Vierteljahrhundert zurück. Natürlich waren auch die nachfolgenden Alben im Großen und Ganzen gut bis sehr gut, aber zu was sind Eric A.K. & Co. im Jetzt noch fähig? Die Antwort gibt "The Cold" in einer äußerst überzeugenden Art und Weise. Schon der Opener 'Hypocrite' besticht durch eine enorme Abwechslung - nach den anfänglichen ruhigen Tönen fliegen einem plötzlich ordentliche Thrash-Salven um die Ohren, die dann wieder in melodische Passagen münden. Neben dem großartigen Gitarrendoppel Carlson/Simpson gefällt vor allem Sänger Eric A.K., der von zart bis hart die ganze Bandbreite großartig beherrscht. Aber auch sonst zeigen sich FLOTSAM & JETSAM äußerst variabel - neben dem großartigen, fast schon epischen Titelsong 'The Cold' möchte ich nur mal 'Take', 'Always' und 'Blackened Eyes Staring' herausgreifen. Und natürlich auch die tolle (Halb-)Ballade 'Better Off Dead' - ach, hört euch doch einfach "The Cold" selber an, und fragt euch: Ist denn heut schon Weihnachten?!

Note: 9,5/10
[Martin Schaich]

Redakteur:
Peter Kubaschk

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