Gruppentherapie: HAKEN - "The Mountain"

28.08.2013 | 11:45

Am 30.August erscheint eines der Proghighlights des Jahres. Zur Einstimmung unsere Gruppentherapie!

Das "make it or break it" Album, HAKENS Nummero drei "The Mountain" erklimmt fast den Thron des August-Soundchecks (Platz 2), ist "Album des Monats" im ECLIPSED, bekommt fast die Höchstnote von uns Nils und wird auch anderweitig hoch gelobt. Bei so viel Lob kann man ja schnell mal skeptisch werden. Lest, wie unsere kritischen Therapeuten das Album auf Herz und Nieren prüfen, um vielleicht doch noch einen Haken zu finden. Viel Spaß!




Auch wenn mein Beitrag des vergangenen Monats zu KARNIVOOL diesen Eindruck vermittelt haben mag, ist es durchaus nicht so, dass ich bei progressiven oder alternativen Klängen immer gleich die Ohren einklappe und beleidigt in meinen eigenen Vorurteilen gare. Eine Band wie HAKEN ist nämlich absolut in der Lage, meine Ohren zu öffnen und die Scheuklappen zu lüften. Warum ich dann trotzdem nur bei sechs Punkten lande? Nun, das kann ich euch erklären: Leider finde ich das Faible der Band für frickelige, jazzige Instrumentalpassagen und nonverbalen Gesang gelinde gesagt ziemlich nervig. Das ist umso bitterer, als ich das, was die Band in den übrigen Momenten abliefert, nicht nur ziemlich gut, sondern phasenweise sogar grandios finde. Die Band hat es drauf, episch, schwelgerisch, tief emotional zu berühren und mich damit wirklich massiv zu beeindrucken. Der variable Gesang ist hintergründig, emotional und oft regelrecht faszinierend. Der kurze Opener 'The Path' ist schlicht gigantisch und auch das folgende 'Atlas Stone' lässt sich grandios an, bis die Band urplötzlich bei Zählzeit 2'23" anfängt, zu jazzen, zu frickeln, zu blubbern und zu allem Überfluss auch noch "dabadubidaba" zu singen, als wäre sie ein VAN CANTO-Tribut. Wenn die Band auf derlei Dinge steht, ist es ihr natürlich völlig unbenommen, das zu tun, denn dass das alles handwerklich perfekt umgesetzt ist, wird niemand anzweifeln wollen. Aber mir verleidet es den Genuss der Musik nachhaltig, und das tut mir in dem Fall wirklich leid, weil alles andere an der Scheibe sehr gelungen und teils völlig faszinierend ist. Allerdings zieht sich das Gejazze durch die meisten Songs, so dass ich es leider nicht einfach ausblenden und dadurch mit der Scheibe auch nicht dauerhaft warm werden kann. Muss ich ja auch nicht, wird die jazzaffine Zielgruppe sagen. Würde ich aber gerne, sag' ich!

Note: 6,0/10
[Rüdiger Stehle]

 

Im Prinzip hat Nils in seinem Review schon alles gesagt, was es zu "The Mountain" zu sagen gibt, selbst die Note ist identisch zu meiner. Dieses Album kratzt für mich am Klassikerstatus, weil man Progressive Rock/Metal nicht viel besser machen und ich ihn auch selten besser gehört habe. Warum? Es gibt eigentlich alles, was das Progherz begehrt und schlägt dabei gekonnt den musikalischen Bogen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Zu hören sind tolle Gesänge ('Cokroach King', 'Somebody'), komplexe Songstrukturen, verfrickelte Spielereien, in die Ohren gehende Hooklines, aber auch verträumte, mitunter jazzig-psychedelische Parts sowie knallende Metalriffs. HAKEN: "The Mountain" - was will man mehr? Ob DREAM THEATER das nächsten Monat auch schafft?

Note: 9,5/10
[Jakob Ehmke]





Von der gleichen Schublade abgesehen, ist DREAM THEATER nicht wirklich mit HAKEN vergleichbar, von daher, lieber Jakob, stellt sich die Frage im Grunde nicht. Und ich muss gestehen, dass meine Beziehung zu HAKEN nur schwerfällig in Gang gekommen ist. Den Gig beim "Night Of The Prog"-Festival 2011 fand ich vor allem gesanglich eher mäßig und auch den beiden ersten Alben hatte ich echt zu knabbern. "The Mountain" ist aber jetzt tatsächlich das bislang beste Album der Truppe, auch wenn die Jubelarien der Herren Macher & Ehmke vielleicht ein klitzekleines bisschen übertrieben sind. Das liegt in meinen Ohren vor allem an von Rüdiger bereits beschriebenen jazzigen und - ja, was ist es eigentlich? - merkwürdigen Gesangspassagen, wie sie 'Atlas Stone' zu Tage fördern. Mir verleidet das zwar im Gegensatz zum Kollegen Stehle nicht nachhaltig den Genuss des Berges, der einem hier vorgesetzt wird, sorgt aber zumindest für einen faden Beigeschmack bei einem ansonsten tatsächlich erstklassigen Album.

Note: 8,5/10
[Peter Kubaschk]

 

Was ihr hier alle kritisiert, liebe Kollegen, hat mich vom ersten Augenblick aufhorchen lassen. Gerade das kritisierte 'Atlas Stone' ist für mich ein absolutes Highlight des Albums, weil es ausufernd ist, dennoch auf den Punkt kommt und zwischendurch Platz lässt für Spielereien. "Dibidib"? Ja, das ist witzig, ich finde das gut. "The Mountain" ist ein Berg, auf den sich die Band gestellt hat und dann hat sie in alle Richtungen geblickt: Auf das Metal-Gebirge und das Meer des Rock, auf die Ebene des Prog, entlang dem Alternative-Strom bis hin zur Jazz-Metropole. Und bei ihren dortigen Besuchen haben sie Souvenirs eingekauft und auf diesem Album ausgestellt. Lange habe ich kein Album gehört, dass so vollständig scheuklappenlos komponiert worden ist und dennoch musikalisch funktioniert und Spaß macht. Dass man ein paar Anläufe braucht, um sich hier zurechtzufinden, ist für ein Prog-Album ja auch kein echter Vorwurf. Daher: Unbedingt kaufen, nicht nur anchecken. Das wirkt nämlich noch nicht in kleiner Dosis.

Note: 9,0/10
[Frank Jaeger]


Der Berg ruft! Zugegeben, HAKENs "The Mountain" zeigt, wie man progressive Retro-Töne mit Artrock derart vermischen kann, sodass eine homogene, gut klingende Materie daraus entsteht. Anno 2013 hat dieser Neunteiler wahrlich alles zu bieten, was Fans und Anhänger seit Jahren auf dem Zettel haben: Spannende Arrangements, durchaus rockig schwere Riffs, ein schier endloses Abwechslungsreichtum und ein ständiges Auf und Ab der Gemüter. Doch obwohl ich mich so langsam mit epischem Prog-Rock/Metal dieser Art anfreunden kann, fällt es mir nicht leicht, dieser Achterbahnfahrt zu folgen. Hier reihen sich starke, gar grandiose Mammutnummern (beispielsweise 'Cockroach King', 'In Memoriam' und 'Falling Back To Earth') an schwach dahinplätschernde Stücke, bei der die verstaubte Skiptaste zum Zuge kommt ('As Death Embraces', 'Because It's There' und 'Pareidolia'). Summa Sumarum kann HAKEN also das Niveau, das mühsam aber gekonnt aufgebaut wird, nicht über die volle Distanz halten. Das trübt zum einen den tollen Eindruck und macht zum anderen das Album zu einer zwar aufregenden, aber anstrengenden Kletterpartie. Dadurch kann ich persönlich die derart hohe Platzierung dieses Albums nur schwer nachvollziehen, obgleich in den vergangenen Wochen auch bei anderen Hausnummern nicht alles Gold war, was glänzte.

Note: 7,0/10
[Marcel Rapp]




Kennt jemand die Geschichte von dem Rabbiner, der einen Ehekrach zu lösen versucht? Daran erinnert mich jedenfalls diese Gruppentherapie bisher: Ähnliche Wahrnehmungen, aber unterschiedliche Einschätzungen bei den Kollegen - und jeder hat ein bisschen Recht. In der Tat, Kubi, zeigen sich die waghalsigen Prog-Artisten von HAKEN deutlich verbessert gegenüber den Vorgängern "Aquarius" und "Visions". Sie haben es nämlich geschafft, ihrem bunten, lebensfrohen Facettenreichtum und ihrer schwärmerischen Spielfreude, die Marcel teils begeistern, teils verwirren, klare Konturen zu verpassen. Die ausufernden instrumentalen Eskapen und schlitzohrigen Spielereien, die Rüdiger Nerven rauben, werden auf "The Mountain" doch immer wieder an die kompositorischen Zügel genommen. Die Songstrukturen zeichnen sich besonders durch eine in dieser Form wohl einmalige Verbindung von klassisch britischer Prog-Schule mit modernen Querkopfriffs und rhythmischen Extravaganzen aus, womit Jakob im Sturm erobert wurde. Was mich persönlich an HAKEN am meisten fasziniert, ist die liebevolle Leichtigkeit und unverbrauchte, augenzwinkernde Frische der Musik, die auch Frank aufhorchen lässt. Wenn dieses Album ein Tier wäre, dann vermutlich ein Schmetterling. Die damit verbundene Flattrigkeit braucht zunächst etwas Geduld und unbedingt Spaß an klugen und doch unverkopften Klang-Experimenten. Köstlich garniert wird diese eierlegende Wollmilchsau von exzentrischen Gesangsharmonien, wie sie bereits Freddie Mercury mochte und von GENTLE GIANT (Who the fuck is VAN CANTO??) zum Markenzeichen erhoben wurden. Summa summarum bietet "The Mountain" wunderbar entgrenzte Prog-Unterhaltung für Menschen, die morgens mit einem Lächeln auf den Lippen aufwachen können und mal exaltierte, mal verträumte Eleganz für eine völlig unpeinliche ästhetische Bereicherung halten. Diese Welt braucht mehr solche Musik.

Note: 8,5/10
[Martin van der Laan]

Mehr zu diesem Album:
Review von Nils Macher
Soundcheck 08/2013

Redakteur:
Thomas Becker

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