Gruppentherapie: IMPERIAL TRIUMPHANT - "Goldstar"
02.04.2025 | 21:43Leichtes Appetithäppchen oder nur was für verrückte Metzger?
Kommen wir nun zu etwas Speziellem. Große Namen der metallischen Avantgarde werden hier als Vergleich genannt. Das Chaos der Großstadt soll hier vertont werden. Und manche reden gar von einem Mini-Hype, der Avantgarde für Anfänger suggeriert.
Es geht um drei New Yorker namens IMPERIAL TRIUMPHANT und das Album "Goldstar". Kollege Backes war hiervon gar nicht begeistert, ihm stehen wohl immer noch die Fragezeichen im Gesicht (zum Hauptreview). Auch die Soundchecker sind zwiegespalten. Platz 20 mit Noten zwischen 3 und 8,5 Punkten zeigen hier einen klaren Fall für Therapiebedarf an. Wir sammeln Stimmen aus den unterschiedlichsten Ecken mit denkbar abweichenden Eindrücken.
Auch wenn IMPERIAL TRIUMPHANT ungefähr in dem stilistischen Bereich musiziert, der mir durchaus gefällt, so gehörte die Band noch nie wirklich zu jenen, die bei mir in höherer Gunst stehen. "Goldstar" wird daran auch nichts ändern, auch wenn 'Eye Of Mars' in angenehmer Höchstgeschwindigkeit daherkommt und das Schlagzeug angenehm krachig abgemischt ist. Daneben finden auch Bläser sowie ein gesprochenes Sample am Ende des ersten Songs ihren Weg in den Sound. An sich sind das überraschende Elemente, doch sie ziehen sich in der Folge durch das ganze Album, sind also im Bandkontext dann wieder recht gewöhnlich. Weitere solcher Elemente sind die Tribal-Drum-Einlagen oder das Interlude 'Goldstar', das zum filmplakatartigen Albumcover passt.
Immer wieder liest man, dass die Band versuche, ein Großstadtgefühl in die Musik zu übertragen, und das gelingt teilweise auch recht gut, aber für mein Dafürhalten eher durch alles außerhalb des Black/Death-Gemischs. Also beispielsweise die Samples, gesprochenen Passagen und die Geräusche. Damit will ich nicht sagen, dass diese beiden Aspekte nicht gut miteinander vermengt wurden, nur ist der, nennen wir es "Metal-Anteil" des Albums, recht gewöhnlicher, aber dafür schnörkellos umgesetzter, episch angehauchter, etwas dissonanter Black/Death Metal. Das vermiest einem den Hörspaß natürlich nicht, weil "Goldstar" über seine Laufzeit nicht langweilig wird, wobei das Album für mich letztlich in die Kategorie "Avantgarde Black Metal für zwischendurch" fällt, da es nicht verstörend beziehungsweise nicht schockierend genug ist, um einen innerhalb dieses Genres dauerhaft zu packen. 'Hotel Sphinx' ist übrigens das Albumhighlight!
Note: 8,0/10
[Kenneth Thiessen]
Ich befürchte, der kleine Mini-Hype um die maskierten Extrem-Metaller IMPERIAL TRIUMPHANT könnte der Band eher schaden als guttun. Und die Einschätzung von Kollege Kenneth ist da nur Öl ins Feuer. Aktuell werden einfach zu viele Hörer auf die falsche Fährte gelockt. Das "zugänglichste Werk" der Amerikaner soll "Goldstar" sein. Dazu noch prominente Gastauftritte von Tomas Haake und Dave Lombardo und das Verkaufsargument "snackable Avantgarde Metal" hängt im Schaufenster. Klar hat Kenneth irgendwo schon recht – aber halt nur aus der Perspektive einer Person, welche montags morgen schon gutgelaunt zu Bestial War Black Metal in der Dusche tanzt und sich sein Frühstück zu richtig abgefuckten Noise-Experimenten oder Brutal Slam Death Metal zubereitet.
Nee, Freunde, das ist schon weiterhin sehr spezielles Futter. Dabei kann man den Zugang zu dieser Veröffentlichung sogar aus zwei Richtungen erreichen. Entweder wie Kenneth über experimentellen, vertrackten Black Metal mit Hang zum puren Krach oder aber aus der Richtung Jazz-Fusion und künstlerischem Anspruch. Wer also statt Sudoku zu spielen sich lieber auf die Couch legt und sich von Bands wie THINKING PLAGUE, MR. BUNGLE, KING CRIMSON und SLEEPYTIME GORILLA MUSEUM das Hirn verknoten lassen möchte, sollte diese Jungs auf dem Schirm haben. Hier geht es quasi um die Vertonung der Belastung und Stressfaktoren, welche das Leben in einer Großstadt wie NYC mit sich bringt – Flucht in Alltagsdrogen inklusive.
Wunderbare Kippen-Werbung in Form des Artworks und Titeltracks runden diesen Trip kongenial ab. Ich selbst war zwar noch nie in New York, aber dieses sich unfassbar schnell multiplizierende Unwohlsein in der Hektik einer solchen Metropole kann ich als Kleinstadtkind zu jeder Sekunde nachvollziehen. Peking hatte mich damals fast wahnsinnig gemacht und ich war nur für ein paar Tage da. Und IMPERIAL TRIUMPHANT spielt immer so kurz vor dem mentalen Kollaps und pendelt vollkommen frei zwischen Burnout und nackt vor die U-Bahn springen. Maximal anstrengend, aber irgendwie auch wunderbar. Für mich klingt "Goldstar" in vielerlei Hinsicht wie der perverse Bruder von "Anno Domini High Definition" von RIVERSIDE, welches sich auch mit dem Thema Reizüberflutung, Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivität auseinandersetzt. Mit einem anderen Schwerpunkt, aber ebenfalls großartig. Wir brauchen viel mehr von solchen ambitionierten Werken. Und solange euch dieses Album nicht zum Raucher macht, solltet ihr es zumindest mal antesten.
Note: 8,5/10
[Stefan Rosenthal]
IMPERIAL TRIUMPHANT mag für Leute, welche gern Fleisch hacken, es einsalzen oder in irgendwelche Rauchfänge hängen, interessant sein. Das neue Album "Goldstar" mutiert und mäandert relativ zusammenhanglos vor sich hin, ein Thema lässt sich nicht recht erschließen. Gerade wenn man meint, eine Struktur in einem Track zu erkennen, beginnt die Auflösung und seltsame Wendungen brechen sich Bahn. Die Band versucht so kompliziert wie möglich zu klingen, dabei spielt sie gern gegeneinander oder verschachtelt nebeneinander her.
Die Produktion ist beinahe zu glatt für solcherart Darbietung. Das kann für circa fünf Sekunden, wenn mal eine Glocke ertönt, nicht uninteressant klingen, so man gerade dazu aufgelegt ist. Nicht, dass ich momentan meine DEF LEPPARD-Phase erlebe, aber das ist mir zu starker Tobak. 'Hotel Sphinx' scheint mir der eingängigste Track zu sein. Danach setzt es irrsinniges Gebrülle, das Ratlosigkeit hervorruft. So geht das die ganze Zeit: 'Goldstar' könnte von den COMEDIAN HARMONISTS sein, dauert aber auch nur eine Minute, dann scheppert Küchengeschirr. Die nächsten Songs erschließen sich mir überhaupt nicht, sie wirken wie zufällige Klangcollagen. Selbst der Gehörnte is not amused. Wenn schon Vielfalt an Ideen, dann bitte OPETH, TOOL oder KYUSS.
Dass ich den Kram nochmal höre ist ausgeschlossen - so gilt für IMPERIAL TRIUMPHANT das Gleiche wie für APRIL ART, HIETALA, THE GATES OF SLUMBER oder BRAINSTORM: Das war jetzt echte Arbeit, das anhören zu müssen!
Note: 4,0/10
[Matthias Ehlert]
Hui, Stefan, einen Mini-Hype machst du aus? Der muss so klein sein, der Hype, dass er selbst mir als langjährigem Anhänger der Black-Metal-Avantgarde komplett entgangen ist. Allerdings, so selbstkritisch bin ich, hat mein unmittelbarer Nexus zur schwarzmetallischen Progressivität seit den frühen 2000ern doch einen kleinen Knick bekommen, denn so wie dereinst VED BUENS ENDE, IN THE WOODS, FLEURETY, SIGH, DØDHEIMSGARD oder späte MAYHEM konnte mich das spätere Werkeln nachgewachsener Mitanbieter nurmehr selten erreichen, und daran ändert letztlich auch IMPERIAL TRIUMPHANT nichts. Warum?
Nun, das ist schwer an konkreten Punkten festzumachen, denn im Grunde findet sich schon viel von jenem wieder, was die vorgenannten Größen so faszinierend machte. Eine monumentale Schroffheit, vertrackte Rhythmik, sich auftürmende Riffs. Ja, der gelegentliche PRIMUS-Nod an der Bassfront, und immer wieder mal eine aufhorchen lassende instrumentale Facette, wie die von Kenni erwähnten Bläser, oder die vom Wind verwehte Westernzupfgitarre bei 'Lexington Delirium' und der 1980er-Synth bei 'Hotel Sphinx'.
Die Band macht sehr vieles richtig, doch die selbstgewählte Sperrigkeit und Vertracktheit wächst sich in meinen Ohren dann auch wieder zum Hindernis aus, das oft nur schwer und manchmal gar nicht überwindbar ist. Zum einen kann ich mit allzu jazzigen Momenten meist nur wenig bis nichts anfangen, so sie nicht von DØDHEIMSGARD höchstselbst stammen, und auch wenn zu viel auf einmal passiert und das Gesamtbild Gefahr läuft, auf mich kakophonisch zu wirken, steige ich gerne mal aus. Da brauche ich dann einen Sänger als Leuchtturm, der ähnlich charismatisch ist wie ein Aldrahn, ein Mirai oder ein Attila, und mich so durch die neblige See führt. Genau das bekomme ich allerdings von Zachary Ezrin leider nicht geliefert, und so reiht sich IMPERIAL TRIUMPHANT am Ende dann eher bei DEATHSPELL OMEGA oder BLUT AUS NORD ein, als bei meinen vorgenannten alten Lieblingen. Es kann mich technisch, klanglich und konzeptionell zwar beeindrucken, aber emotional nicht richtig abholen. Leider wird es auch mit jedem weiteren Durchlauf nicht besser, weshalb die sieben Zähler die Oberkante meiner Wertungsmöglichkeiten darstellen.
Note: 7,0/10
[Rüdiger Stehle]
Nein, einfache Kost gaben die drei IMPERIAL TRIUMPHANT-Herrschaften noch nie zum Besten. Doch in die Reihe der interessanten und faszinierenden Veröffentlichungen reiht sich auch "Goldstar" ein. Erneut schaffen es die New Yorker ihren pechschwarzen, infernalen Jazz-Höllenritt auf das nächste Level zu hieven, erneut ist es wieder eine Platte, deren düsterer Schleier mich komplett in denn Bann zieht, erneut provoziert IMPERIAL TRIUMPHANT einen akustischen Fiebertraum, an den man sich noch lange zurückerinnern kann. Erwartet das Unerwartete, 'Hotel Sphinx', 'Newyorkcity' oder der 'Industry Of Misery'-Rausschmeißer tragen derart penetrant die Handschrift des Trios und sind dennoch etwas, was man in dieser Form nicht an jeder Straßenecke hört.
Zugegeben, zum nebenbei Hören während des Frühlingsspaziergangs ist "Goldstar" definitiv nicht geeignet, doch wenn es den Hörern nach dunkler, künstlerisch exzentrischer Materie gelüstet, wenn Kirchenglocken, wirre Soundcheck-Fetzen und avantgardistische Raserei gleichermaßen den Soundtrack der eigenen Apokalypse ausmachen sollen, wenn fast schon geisteskrankes Geheule den Verstand betäuben soll, damit der Geist atmen kann, dann ist man wie eh und je bei IMPERIAL TRIUMPHANT und "Goldstar" an der richtigen Adresse. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie... ihr kennt das...
Note: 8,0/10
[Marcel Rapp]
Es ist schon irgendwie demütigend, wenn man sich als alter Sack darauf vorbereitet einen positiven Gruppentherapie-Beitrag über eine total krasse, abgefahrene Modern-Mindfuck-Band zu schreiben, nur um dann zu lesen, dass dies von der ultrakrassen Jugend von heute schon fast wieder ins Classic-Rock-Genre einsortiert wird. Tolle Wurst. Lassen wir also den Coolness-Faktor mal beiseite und hören uns "Goldstar" noch mal konzentriert an. Meine erste Wahrnehmung ist, dass auf dieser Platte verdammt viel passiert und dass mich das erstaunlicherweise gar nicht anstrengt.
Ich tauche ab in die Musik von IMPERIAL TRIUMPHANT und lasse mich berauschen von dieser Wand aus exzentrischen Klanggebilden mit all den zahlreichen Assoziationen, die sie hervorrufen. Ich finde den Zugang definitiv eher über die von Stefan beschriebene Jazz-Schiene und möchte seiner Aufzählung von Brückenbauern in diese Welt noch JOHN ZORN hinzufügen. Die bedrohlich donnernden, komplex gebauten Highspeed-Abfahrten lassen mich manchmal an NILE denken. Und dann wirft Rüdiger auch noch das von mir gottgleich verehrte VED BUENS ENDE-Album in den Ring; spannender war Black Metal für mich nie und nirgends mehr. Auch wenn ich diesen Zusammenhang musikalisch irgendwie schwer nachvollziehen kann, gehe ich atmosphärisch stellenweise schon mit.
Jenseits aller Analysen trifft IMPERIAL TRIUMPHANT am Ende einfach einen empfänglichen Nerv bei mir und reißt mich mit in einen uferlosen Maelstrom der musikalischen Kontraste. Lasst die Kennis dieser Welt weiter rostige Nägel zum Frühstück verspeisen und die Black-Metal-Gemeinde "Goldstar" zwiespältig einordnen; ich freue mich lieber einfach nur über eine prächtige Wundertüte voll von avantgardistischem Extrem-Metal, frickelig-zwielichtigen Geistesgeschöpfen und extravaganten Samples, die mein Leben reicher und schöner machen. Zumindest ist "Goldstar" ein mehr als willkommenes Kontrastprogramm zu den Folk-Schlager-Grausamkeiten, die ich auch schon ertragen musste, nicht zuletzt hier in diesen heiligen Hallen der Metal-Kultur.
Note: 8,0/10
[Martin van der Laan]
Fotocredits: Frank Hameister
- Redakteur:
- Thomas Becker