Gruppentherapie: MANTAR - "Post Apocalyptic Depression"
28.02.2025 | 23:58Hier wird die unaufgeräumte Wohnung zum nächsten Evolutionsschritt!
Endlich ist die Redaktion mal wieder so richtig gespalten! Therapiebedarf hat sich zwar im Soundcheckergebnis schon angedeutet, bei Platz 10 mit Noten zwischen 5,5 und 9 Punkten, doch die Sitzung leuchtet die Extreme in der Beurteilung des Gehörten noch deutlicher aus. Klar, der Hauptrezensent Björn mochte "Post Apocalyptic Depression" und auch hier finden sich Fanboys. Trotzdem schade, dass der Pommesgabel-Podcast mit Erinc von MANTAR schon vor dieser Therapie aufgenommen wurde...
Ich hatte MANTAR etwas aus den Augen verloren. Daher war "Post Apocalyptic Depression" eine gute Gelegenheit, mich mal wieder auf die Truppe einzulassen. Das Frühwerk war in meinen Ohren durchaus noch im Black Metal verwurzelt. Das merkt man heute kaum noch. Der Grundsound liegt irgendwo zwischen Grunge, Punk, rotzigem Rock und metallischer Härte. Einzig den Vocals nimmt man teilweise noch eine Nähe zum Black Metal ab. MANTAR klingt 2025 jedenfalls schon deutlich anders als beim großen Durchbruch "Ode To The Flame" vor neun Jahren. Wer also - wie ich - jetzt wieder den Neueinstieg wagt, der sollte sich auf einen ganz anderen Sound einstellen.
Ich denke an Truppen wie MELVINS, SOUNDGARDEN, VENOM und an Hardcore aus der New Yorker Schule. Die noisig-fuzzigen Gitarrengerüste sind für den traditionalistischen Metalfan vielleicht zu viel des Guten. Für mich ist dieser rohe Monolith aber ein Faszinosum, das mir seit Tagen den CD-Schacht völlig blockiert. Meine bisher meist gehörte Scheibe in einem ziemlich starken Jahr, ergo: Pflichtprogramm.
Note: 9,0/10
[Jonathan Walzer]
Wo der eine ein Pflichtprogramm sieht, sieht der andere die Pflicht, vor einem großen Missverständnis zu warnen: MANTAR mit "Post Apocalyptic Depression" in eine Reihe mit VENOM zu stellen ist nicht nur falsch, sondern fast eine Beleidigung! Und da widerspreche ich weniger Jhonny, der in seiner Analyse ein Fazit zieht, dem ich mich anschließen kann: MANTAR ist mit dem letzten Output in etwas angekommen, das ich als bösartigen Skater Punk bezeichnen würde. Ganz eigenständig, aber auf eine Art und Weise, die mich nicht abholt. Die Band ist ein Meister der Effekte, überall liegen Schichten über Schichten, die die Musik trotz ihrer Rotzigkeit seltsam entrückt und am Ende, ja, effektLOS macht. Die zurückgenommene Besetzung hat ihren Reiz, aber wenn die Stimme Song für Song null variiert, ist das zu wenig, um mich zum Wiederhören zu bewegen.
Was da ist: Punch und Groove. Aber damit hinkt der Vergleich mit VENOM endgültig, denn diese Band ist zu Recht berühmt geworden, weil sie eben ATMOSPHÄRE, Bösartigkeit und Rock 'n' Roll auf eine nie dagewesene Art und Weise zu verbinden wusste. Dazu kommen Songwriter-Entscheidungen, die sich wie ein schlecht passendes Puzzle anfühlen ('Morbid Vocation'). In der Summe erzeugt das nicht nur großes Gähnen, sondern auch eine gehörige Portion Abneigung. Das Beste an dem Album ist, dass die einzelnen Songs relativ kurz sind, so dass für manche der Mangel an Abwechslung aufgrund der Kompaktheit wahrscheinlich nicht so sehr ins Gewicht fällt. Ich halte es hier wie bei EREB ALTOR: Ich greife auf die Originale zurück.
Note: 4,5/10
[Julian Rohrer]
Uff, also Julians Ausführungen zu "Post Apocalyptic Depression" bürsten mein metallisches Fell in vielerlei Hinsicht komplett gegen den Strich. Einerseits kann ich die Jubelarie zu VENOM nicht nachvollziehen, die ich bei allem Respekt immer für etwas überbewertet gehalten habe, andererseits weiß ich nicht, wo einem MANTAR auf dem neuen Langspieler Zeit zum Gähnen lässt. Mein Kopf jedenfalls ist angesichts des gewohnt unwiderstehlichen Grooves in ständiger und unablässiger Nickbewegung, die wir ja auch gerne als Headbangen bezeichnen.
Im Gegensatz zu Kollege Jonathan überrascht mich der nächste Evolutionsschritt im Kosmos des Duos dabei allerdings nicht so sehr, da ich die Geschichte konsequent seit "Ode To The Flame" mitverfolgt habe. Und während das Debüt seinen ganz eigenen rohen und ungeschliffenen Charme hatte, gefällt mir die etwas vielschichtigere Herangehensweise von "Post Apocalyptic Depression" nochmal deutlich besser, auch weil ich wirklich - wie mein Kollege Jonathan auch - hier eine gute Portion MELVINS heraushöre, was mir neben einer präsenteren Prise Melodie wirklich gut gefällt.
Gleichzeitig geht aber die herrlich ungehobelt-wuchtige DNA von MANTAR nicht verloren, weswegen das Duo aus Bremen weiterhin meine Lieblingsband bleibt, wenn ich mir von kompakten, wild groovenden und herrlich noisig veranlagten Songs einmal so richtig die Gehörgänge durchblasen lassen möchte. Und weil diese Art von Musik in Zeiten, in denen unnötig aufpolierter Metal auf dem Vormarsch scheint, besonders unterhaltsam ist, korrigiere ich mit meiner Note einmal Julians Rechenfehler, denn ich glaube, mein Kollege hat versehentlich die Punktzahl, die er hätte geben sollen, durch zwei geteilt.
Note: 9,0/10
[Tobias Dahs]
Joar – das war räudig. Ich war bisher immer ein ganz großer Befürworter der Band und lege insbesondere die ersten zwei Scheiben immer mal wieder gerne auf. Mit "Post Apocalyptic Depression" habe ich aber durchaus meine Probleme. Das Album klingt wie eine unaufgeräumte Wohnung, die einen damit konfrontiert, ob es, statt aufzuräumen nicht sinnvoller wäre auch die restlichen Möbel jetzt einfach zu zerkloppen. Oder wie bei einem Parkscheinautomat, der zum wiederholten Male nicht den verdammten Euro akzeptieren will.
Die Intention ist klar, aber nach Frustration kommt nicht zwingend Aggression, sondern eben auch Resignation. Ich erkenne die Band und es gibt auch eine Reihe von prägnanten Teilen und interessanten Kniffen, aber die Rahmenbedingungen machen so wenig Spaß, dass ich keine Lust habe mich damit auseinanderzusetzen. Und das, obwohl die Scheibe nur lächerliche 35 Minuten lang ist. Ob das nun, wie von meinen Kollegen angerissen, am amerikanisch geprägten Songwriting liegt (wo ist der hanseatische Charme hin?), oder dem, in meinen Ohren, entsetzlichen Gitarrensound, ist schlussendlich dann auch egal. Trotz guter Einzelsongs wie 'Halsgericht' kann ich diese Kurskorrekturen nicht mitgehen und wünsche mir herzlichst eine aufgeräumtere Bude im Sinne von "Pain Is Forever And This Is The End" zurück.
Note: 6,5/10
[Stefan Rosenthal]
"Post Apocalyptic Depression" ist laut, dreckig und trieft vor Energie. Wo der Vorgänger noch epische und für MANTAR-Verhältnisse doch recht saubere und ausufernde Momente hatte, drückt das neue Album von vorn bis hinten und auf Teufel komm raus. Nein, auf Schönspielen kommt es Erinc und Hanno erneut nicht an, doch diesmal besinnt sich das explodierende Duo auf seine Anfangstage, was sich auch im Artwork - doch recht ähnlich zum Debüt, nicht wahr? - widerspiegelt.
Und genau deshalb ist die neue Platte ein Muss für jeden MANTAR-Fan. Sie befördert die Jungs wieder auf die Landkarte der Crust-Punk-meets-Sludge-Fans, die eventuell Angst hatten, dass die epischen Ausmaße in MANTARs Musik noch extremer werden würden. Wie schon angedeutet, ist aber das Gegenteil der Fall, versprüht doch die Kunst der Jungs in gewisser Weise eine hohe Faszination und Ästhetik, welche ich immer bei MANTAR geschätzt habe. Und wer schon einmal in den Genuss einer Live-Show der Beiden gekommen ist, kann sich ausmalen, wie geil die neuen "Post Apocalyptic Depression"-Stücke drücken werden.
Note: 8,5/10
[Marcel Rapp]
Puh! Also direkt vorneweg: Ich kannte MANTAR bis vor 35 Minuten nicht und jetzt hätte ich einfach nur gerne diese 35 Minuten zurück. Das war leider absolut gar nichts für mich. Während ich beim ersten Song 'Absolute Ghost' noch kurz dachte, dass dieser sich vor 31 Jahren sehr gut auf dem Soundtrack zum grandiosen "The Crow"-Film gemacht hätte, habe ich bei 'Rex Perverso' schon genervt geschaut, wie lang das noch geht.
Dieses Album ist eine Kakophonie von Klangschichten, die gleichzeitig in alle Richtungen rennen wollen und dabei doch immer wieder mit dem Kopf aneinander rennen. Eine Mischung aus Moshpit und Blinde Kuh. Ich kann verstehen, worauf man hier hinaus wollte, aber es ist definitiv nichts, worin ich mich wohlfühle oder was ich mir gerne anhören mag. Ich liebe rotzige Garagen-Mucke, aber dann doch bitte zumindest im Ansatz mit Melodie, Anspruch oder zumindest Charakter.
Marcel, ich glaube dir gerne, dass hier live eine gute Stimmung aufkommen kann, aber dieses Album lockt mich leider nicht auf irgendeine Show. Ich gönne MANTAR jedem, der diese Musik mag, bei mir bleibt aber die Angst, dass der YouTube-Algorithmus jetzt denkt, ich wolle sowas öfters hören - also ganz schnell mit NIRVANA, ROB ZOMBIE und NINE INCH NAILS nachspülen! Von meiner Note gehen übrigens 2,5 Punkte an den Opener und die wohligen Erinnerungen an "The Crow".
Note: 3,0/10
[Chris Schantzen]
Wow, eine Band die polarisiert! Das macht neugierig, also wage ich auch ein Lauscherchen. Hätte ich es mal nicht getan! Ich fühle hier mit Kollege Schantzen, teile seine Ängste, fühle mit seinen Ohren und wünsche mir auch die Zeit zurück. Ich finde zwar VENOM auch nicht viel besser als das eben Gehörte, lieber Julian, und bin damit voll bei Tobi, ansonsten höre ich aber gar nichts von dem, das dort in Kollege Dahs' Ohren kitzelt. Vielschichtig? Groovig?
Bei der "Prise Melodie" muss ich sogar lachen, jedoch denke ich, dass diese wohl nachträglich noch homöopathisch verdünnt wurde. Und dann Marcel. Auch auf die Gefahr hin, dass ich zum Rapport muss, aber wo trieft denn hier die Energie? Welcher Song, aber welcher Spielzeit? Und dann sogar "Kunst". "Ästhetik"?
Oh la la.
Ich muss jetzt tatsächlich auch nach Aspekten suchen, die Punkte bringen, aber ich finde auch den Sound nicht gut, der Bass killt mich, ich höre kein Solo oder Break oder irgendwas, das mich reizen würde, und der "Gesang" geht mir voll auf den Senkel. Bei VENOM vernehme ich zumindest einen gewissen Rumpelcharme, den man theoretisch anziehend finden könnte, was für mich aber nicht gilt. Fragt mich deshalb also bitte nicht, wo diese drei Zähler letztendlich herkommen.
Note: 3,0/10
[Thomas Becker]
Fotocredits: Sonja Schuringa
- Redakteur:
- Thomas Becker