Gruppentherapie: RUNNING WILD-"Resilient"

20.10.2013 | 13:04

Um einiges besser als "Shadowmaker" aber immer noch kontrovers. Meinungen gibt es in der Gruppentherapie.

Ist das der erhoffte Befreiungsschlag für Kapitän Kasparek und seine meuternde Crew? Jedenfalls schmeißt "Resilient" den schattigen Vorgänger locker vom Deck, lässt auch leere Schatztruhen wie "Rogues En Vogue", "The Brotherhood" oder "Victory" einigermaßen in Vergessenheit geraten und entpuppt sich als bestes Werk seit "Masquerade" von 1995. Da sind sie wieder, die knackigen Ohrwurmriffs, der immense Faustreckfaktor und die Melodien, die sich krakenartig an der Lauschmuschel festsetzen. 2009 eigentlich zu Grabe getragen, gewinnt die alte RUNNING WILD-Fregatte wieder an Fahrt, sodass sich der ganze Trubel der letzten Jahre bzgl. mutiger Nebenprojekte, Farewell-Shows und nicht zündender Comebacktaten erst einmal hinten anstellen kann. Aktuell lassen der galoppierende Opener 'Soldiers Of Fortune', das selbstbewusste Titelstück und 'The Drift' ebenso aufhorchen wie das urtypische 'Bloody Island' oder 'Crystal Gold', die homogene Produktion und ein bissiger Rolf Kasparek geben "Resilient" das entscheidende Extra und ich schnaufe vor Erleichterung erst einmal feste durch. Er kann es also doch noch, die Nostalgie lange vermisster Erfolgsfahrten schimmert wieder allmählich durch. Auch wenn die bandeigenen Klassiker bis dato unerreicht bleiben, so segelt die Piraterie wieder der Sonne entgegen und gewinnt mit "Resilient" nach und nach die verloren geglaubten Schätze zurück. Puh!

Note: 9,0/10

[Marcel Rapp]





Zu Beginn gleich die positive Nachricht: "Resilient" ist besser als sein Vorgänger. Bedeutet dies gleichzeitig, dass Rock'n'Rolf im Jahr 2013 ein gutes Album abgeliefert hat? Eine Frage, die jeder Zuhörer für sich selber beantworten muss. Ich versuche in den nachfolgenden Zeilen meine relativ niedrige Note zu erklären. Dazu muss ich fairer Weise voraus schicken, dass ich mit der Band schon in den 90ern wenig anfangen konnte. Daher mögen die vielen Fans dieser Phase meine Worte aus der entsprechenden Schräglage begutachten. Während ich vom zackigen Opener 'Soldier Of Fortune' noch recht angetan bin, ist schon beim nachfolgenden Titelsong für mich alle Hoffnung über Bord gegangen. Bieder und hüftsteif schippert der Titelsong aus meiner Anlage und der völlig platte Klang nimmt der Chose obendrein noch jegliche Schärfe. Der Gitarrensound ist frei von sämtlichen Ecken und Kanten und schwappt einfach so plitschi-platschi über die Rehling. Da kann Rolf im erneut sehr flinken 'Adventure Highway' noch so viel von den "roots of rock'n'roll" singen.; ohne Schweiß und Emotionen wirkt so etwas nicht besonders authentisch. Schade eigentlich, denn der Song ist an sich gar nicht so übel. Wie übrigens auch die coole Mitsingnummer 'The Drift', der ich mit einem etwas fantasievolleren Drumming und ein paar mehr Widerhaken durchaus das Attribut "gut" an die Brust heften könnte. Damit habe ich die hörbaren Songs aber leider auch schon aufgezählt. Ansonsten gibt es nur noch völlig bieder komponierte Stangenware, die durch die eben erwähnten Komponenten sogar noch abgewertet wird. Das sind Songs, deren Melodien schnell ins Ohr gehen, ohne sich dort zu verankern. Zu allem Übel gibt es dann als Rausschmeißer eine annähernd zehn Minuten lange Nummer, bei der ich auf irgendetwas wie Epik gehofft hatte. Leider ist das Übel gerade in diesem Song am deutlichsten zu hören. Die an selige THIN-LIZZY-Zeiten angelehnte Nummer macht mich beinahe wütend. Würde Philip Paris Lynott 'Bloody Island' hören, er wäre entsetzt. Wie kann man solche Musik nur so leblos darbieten? Schlimm. Ganz schlimm.

Note: 5,5/10
[Holger Andrae]


Es kommt anscheinend ganz besonders darauf an, wie man Rock ‘n‘ Rolf und seine Crew kennengelernt hat. Denn irgendwo haben wir aus der Perspektive unserer Sozialisation mit RUNNING WILD heraus ja alle Recht. Ich für meinen Teil habe die Band durch meine späte Geburt erst zur Zeit der Nachberichte ihres Abschiedskonzerts in Wacken kennengelernt, sodass mir Angelo-Sasso-Witze auch erstmal fremd waren. Doch dann kam 2012 "Shadowmaker" und ich war schwer entsetzt. Andere Künstler setzen sich nach so einer Scheibe zur Ruhe, Rolf macht damit sein Comeback. Ich war also auf alles vorbereitet und rechnete mit dem Schlimmsten, als klar wurde, dass es weitergehen sollte. Da ich praktisch nichts erwartet habe und Rock ‘n‘ Rolf sich zum Großteil auf das konzentriert, was er auch heute noch kann, bin ich recht angetan von "Resilient". Es kommt natürlich darauf an, welchen Maßstab man zur Bewertung anlegt und was man generell heute noch erwartet. Ich sehe mich da tendenziell auf einer Linie mit Rüdigers Hauptreview und habe viel Spaß an der merklichen Steigerung gegenüber den Vorgängern, ohne dass das Album in irgendeiner Art und Weise konkurrenzfähig wäre im Vergleich mit den Klassikern. Denn gerade ein Song wie 'Bloody Island' beißt sich trotz seiner Klasse am Vorbild 'Treasure Island' gnadenlos die Zähne aus. Für mich steckt "Resilient" trotz allem die vier Vorgänger locker in die Tasche und ist damit Rolfs beste Scheibe seit "The Rivalry". Rock ‘n‘ Rolf steht wieder voll im Saft, wenn auch in seinem eigenen.

Note: 7,5/10
[Arne Boewig]


Im Gegensatz zu vielen Kollegen bin ich beim Thema RUNNING WILD wohl recht leidenschaftslos und somit quasi auch recht unvoreingenommen. Einzig "Shadowmaker" habe ich noch in trüber Erinnerung - in der Hoffnung, dass sich dieses Desaster nicht wiederholen möge. Insofern kann ich mich meinem Vorredner uneingeschränkt anschließen und behaupten, dass "Resilient" ein solides Heavy-Metal-Album ist, aber keineswegs mit dem Frühwerk mithalten kann. Widersprechen möchte ich, wenn ich an anderer Stelle lese, dass es hier leblos zuginge. Wenn Songs wie 'Fireheart' oder 'The Drift' leblos sind, dann trifft das auf einen großen Teil der Musik zu, die wir uns jeden Monat reinpfeiffen. Ganz so schlimm ist es dann um den Heavy Metal nicht bestellt und ich habe mich beim Hören von "Resilient" oft beim Kopfnicken erwischt, ja die Platte hat mir sogar Spaß gemacht. Zum großen Fan werde ich mit der Scheibe zwar auch nicht, aber die Unkenrufe einiger Kollegen kann ich auch nicht nachvollziehen.

Note: 7,5/10
[Nils Macher]

Also, auch aus meiner Anlage kommt bei "Resilient" Musik, die ich von Anfang bis Ende eindeutig als lupenreinen teutonischen Heavy Metal identifizieren kann. Steril und lieblos ist hier eigentlich kaum etwas. Die Gitarren knarzen schön im klassischen, schneidenden Sägesound in meine Ohren und die Drums stampfen oder doublebassen gemütlich vor sich hin. Ne Pulle Pils aufmachen, lauter drehen und gut ist es: Old school Metal, der Spaß macht. Dafür bekommt "Resilient" von mir dann auch doppelt so viele Punkte wie damals "Shadowmaker", das ich noch gut als ganz besondere Frechheit meiner Soundchecker-Karriere in Erinnerung habe. Ein wirklich gutes Album ist "Resilient" aber dennoch nicht. Ein paar ganz guten Nackenmassierern (der Opener 'Soldier of fortune' oder 'Fireheart') steht vieles okayes aber eher mittelmässiges Material gegenüber. Auch der Gesang vom Meister ist allenfalls bieder und Longtracks ('Bloody Island') sind echt keine Spielwiese für rockende Rölfe. Mit Pils nummero zwei und drei geht das zwar alles schon, zu einem feinen Rotwein würde ich aber ganz entschieden andere Mucke empfehlen.

Note: 6,0/10
[Thomas Becker]





Wirklich schätzen gelernt habe ich Rock'n'Rolfs One-Man-Seefahrtskommando erst vor einem Jahr und der Auslöser der damaligen Begeisterung war auch nicht der gerade erschienene "Shadowmaker", sondern natürlich die altbekannten Klassiker. Das letzte Album hat so gut wie gar nicht bei mir stattgefunden und meine Vorerwartung an "Resilient" war recht neutral gewesen, da ich bin kein langjähriger und darob enttäuschter Fan bin, die Band aber sicher nicht gerade wegen ihrer neuen Sachen schätze und daran wird sich grob besehen auch nichts ändern. Finde ich den Opener 'Soldiers of Fortune' noch gut gelungen, wird's schon mit dem zweiten Song eher durchschnittlich. Da kann der Main-Riff noch was, dafür nervt der Refrain und diverse andere Versatzstücke von 'Resilient' ziemlich. Generell ziehe ich die "metallischeren" Stücke (wie 'Soldiers Of Fortune' & 'The Drift') auf "Resilient" deutlich den rockigeren ('Desert Rose', 'Adventure Highway') vor, welche trotz cooler Momente hier und da eine unglaublich kurze Halbwertszeit haben. Hinzu kommt, dass ich diverse Stücke auf Dauer einfach ermüdend repetitiv und lahm arrangiert finde (z.B. 'Down To The Wire'), was dem Longtrack 'Bloody Island' abgesehen von der letzten Minute interessanterweise nicht besonders schadet - der demontiert sich, wie Arne ja schon erwähnt hat, durch seine selbsterklärende Referenz auf eine ältere Großtat so schon von selber. "Resilient" mag besser sein als der oder die Vorgänger, ist aber summa sumarum durchaus verzichtbar: Netter, meist rockender Teutonen Metal, nicht mehr und weniger. Im Anbetracht vieler anderer guter Alben, die gehört werden wollen, aber zu wenig.

Note: 6,0/10
[Christian Schwarzer]


Als ich vor etwa 25 Jahren in der Heavy-Metal-Welt laufen lernte, war kaum vorstellbar, dass RUNNING WILD mal eine kontroverse Band werden könnte. Mit "Under Jolly Roger", "Port Royal" und "Death Or Glory" hauten Rock'n'Rolf und seine Mannschaft ein Hammeralbum nach dem anderen raus. Sie galten landläufig als das natürliche Bindeglied zwischen HELLOWEEN und ACCEPT und waren damit Teil des nationalen metallischen Selbstverständnisses. Während es den Kürbisköppen nach einer Schwächephase zu Beginn der 1990er gelungen ist sich bis heute immer wieder neu zu erfinden und die Solinger Stahlschmiede zumindest dauerhaft solide geblieben ist, kenterte der Hamburger Ober-Pirat nach der Jahrtausendwende ziemlich heftig. Spätestens mit der Angelo-Sasso-Affäre machte er sich zum Gespött der Szene. Trauriger Tiefpunkt dieses Abstiegs war im letzten Jahr das völlig vergurkte "Shadowmaker"-Album. Eigentlich konnte es von dort nur noch aufwärts gehen, und das tut es mit "Resilient" tatsächlich auch. Das Schöne an diesem Album ist, dass dieser Schritt in die richtige Richtung deutlich größer ausfällt, als ich erhofft hatte. Schon der Opener 'Soldiers Of Fortune' wirkt auf mich wie ein Versöhnungsangebot an die alten Fans; und auch ein Song 'The Drift' ist klassischer RUNNING WILD-Stoff par excellence, der mir doch ein zufriedenes Lächeln entlockt. Echte Ausfälle gibt es so gut wie gar keine auf "Resilient", wir haben es hier mit einem durchweg starken, sehr hörenswerten traditionellen Heavy-Metal-Album zu tun. Zwar sind mir einige Melodien weiterhin etwas zu platt und die Produktion ist wieder mal arg trocken und steril ausgefallen, aber man kann zum neuen Material jedenfalls wieder entspannt den Kopf schütteln. And that's the thing that matters! Ob das als Kaufargument reicht, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich möchte nur alten und neuen Fans, die sich über "Shadowmaker" genauso geärgert haben wie ich, bitten "Resilient" eine echte Chance zu geben. Bei meiner Note ist mal wieder ein halber Nostalgie/Sympathie-Punkt mit eingepreist. Welcome back on board, Rolf!!

Note: 8,0/10

[Martin van der Laan]





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Soundcheck 10/2013

Redakteur:
Thomas Becker

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