Gruppentherapie: SLEEP TOKEN - "Even In Arcadia"

27.05.2025 | 22:49

Kalte Dusche für heißen Shit?

So, ihr Lieben, jetzt werden wir schick und modern. Endlich nehmen wir uns eines Musikphänomens an, das vor allem die Social-Media-Generationen unheimlich zu bewegen scheint. Es handelt sich um SLEEP TOKEN. Wir geben zu, ein Großteil der Redaktion hat über dem Thema geschlafen, aber ein paar Kollegen am Puls der Zeit haben uns mal dezent angestupst. Und das hat Wellen geschlagen. Nicht nur, dass die Band in puncto Popularität momentan die ganz Großen im Rockbusiness überholt, nein, auch in unserer SLEEP TOKEN-Gruppentherapie drängt sich Stift an Stift. Allerdings gibt es dann auch ganz schön viel Haue, mal eher dezent wie beim Hauptreview zu "Even In Arcadia", mal auch auch ganz schön heftig. Und das nicht nur, weil für manchen der Metalanteil zu gering ist. Doch auch die Fürsprecher haben ein paar wichtige Botschaften für euch bereit. Also, nicht einschlafen!

SLEEP TOKEN sei der heiße Shit, vernehme ich es durch die Flure des Redaktionsgebäudes hallen. Nie gehört, den Namen. Heißer Shit also? So, so... so schlimm? Am Dampfen, und alles drum und dran? Volles Programm? Na dann. Der Katastrophentourist in mir will natürlich informiert sein und wirft die Suchmaschine an. Und siehe da, schon der erste Treffer öffnet die Büchse der Pandora: "Is SLEEP TOKEN real Metal?"  Gleich solch eine hochphilosophische bis quasi-religiöse Frage zum Einstiege? Ist nicht zuvörderst die Frage zu klären, ob es das überhaupt sein will?

So wird nämlich ein Schuh draus, wenn es nicht gar eine Sandale ist: Die ersten paar Minuten schon mal nicht, denn es fehlt fraglos am voluntativen Elemente des Stahlseins. Hier schmachtet uns ein Sangesschmeichler zu elektronischen Wabertönen entgegen, die sich auch im Weiteren fortsetzen, von ab und zu mal sehr wuchtigen Gitarrenriffs flankiert indes, bevor das loopig elektrobeatig begleitete Geknödel erneut übernimmt und den Blick windwärts lenkt. Ach trüge er uns doch hinfort!

Halten wir es also mit Sänger Vessel, lassen die verwirrenden Genredebatten und den Metal gänzlich hinter uns, und lassen wir Musique eben Musique sein. Jene leibet und lebet im Falle von SLEEP TOKEN von und mit den Kontrasten zwischen ruhigen, elektronischen, pianoflankierten Schmachtgesangspassagen mit über alle Maßen emotional intendierten Sangeselementen, die auch den gefürchteten Britpoppern der Neunziger gut zu Gesichte gestanden hätten, manchmal aber auch am Hip Hip andocken, oder gar gruftige Absencen transportieren. Das Klangbild ist fein und glatt, gar so fein und so glatt, dass man es zunächst gar nicht merkt, als die Spotify-Werbung sich dazwischen quetscht. Bis plötzlich eine weibliche Stimme einen Podcast anpreist. Huch!

Gottlob nehmen nach dreißig Sekunden der Sprechgesang und das Gefiepe zum Off-Beat wieder auf, und auf einmal aus heiterem, wolkenfreiem Himmel dann auch mal wieder ein schwermütiges, schleppendes Klampfen(h)interludium. Das ist schöne Musik. Zum Davonlaufen schön. Und auch der Prüfer vom TÜV hat offene Fragen: Ist dieses Auto-Tuning wirklich eintragungsfähig?

Will sagen: Hier sind unheimlich fähige Musiker am Werke, die wissen, was sie wollen und dabei kreative und originelle Musik machen. Nur halt für völlig andere Leute als für den Verfasser dieser Zeilen, der sich schon wieder im Grübeln darob ertappt, ob das, was er gerade hört, der nächste Werbejingle im Spotify-Reel ist, oder doch ein neuer Song der Schlafmünzen. Wen auch immer es angeht: Viel Spaß damit, kauft Tonträger und meidet Strömpforten, denn sie sind tückisch!

Note: 5,0/10
[Rüdiger Stehle]

 

Ja, ich habe es nicht nur aus unseren Redaktionshallen vernommen, dass SLEEP TOKEN der heiße Shit sein soll, sondern habe auch bereits in den sozialen Medien mitbekommen, dass es sich hier um eine Band handelt, die quasi im gleichen Atemzug wie METALLICA, RAMMSTEIN oder THE ROLLING STONES genannt werden müsse. Zumindest wirkt es so, wenn man Leute über SLEEP TOKEN reden hört.

Da ich den Hype um die Truppe in erster Linie von Leuten wahrnehme, die im modernen Metalbereich bzw. Metalcore unterwegs sind, bin ich bislang auch davon ausgegangen, dass SLEEP TOKEN irgendwo in diesem Bereich aktiv ist. Dementsprechend muss ich nach wenigen Augenblicken von "Even In Arcadia" erstmal nachsehen, ob ich nicht aus Versehen irgendein anderes Album einer anderen Band angemacht habe. Denn mit modernem Metal oder Metalcore hat das hier wenig zu tun.

Auch wenn ich diesen bisherigen Irrglauben meinerseits erstmal verarbeiten muss, beschäftigt mich die Frage, warum diese Band gerade in diesem Bereich so gehypt wird, wenn die Briten dieses Genre doch so gar nicht bedienen. Ja, Rüdiger hat schon Recht, dass es vereinzelt zu wuchtigen Gitarrenriffs kommt. Aber sonst?

Ich glaube, da geht es mir wie Rüdiger. Ja, die Songs sind gut gemacht, nur halt für andere Ohren. Zudem geht mir an der einen oder anderen Stelle der schmachtende Gesang etwas auf die Nerven. Daher kann ich nur sagen, dass ich, wenn ich diesen Monat mal Lust auf etwas andere Musik als "richtigen" Metal habe, eher zur neuen Platte von SKUNK ANANSIE greifen dürfte als zu "Even in Arcadia".

Note: 5,5/10
[Mario Dahl]

 

SLEEP TOKEN sind das neueste geniale Ding? Das testen wir doch gleich mal an: Das neue Album "Even In Arcadia" erinnert mich anfangs an harmlosen Zahnspangen-Brit-Pop mit etwas Geklimper zur guten Nacht. Ein sägendes Riffing zermalmt die Romantik, aber nur kurz. Der zweite Track weist haargenau die gleiche Harmonie und Struktur auf. Sich dem Album zu widmen, ohne zu skippen ist schon jetzt ein Ding der Unmöglichkeit. Vielleicht liegt das auch daran, dass meine Abizeit lange vorbei ist, der Abiball Vergangenheit, die Zeit von Schulromantik sicher für die Generation, die sich in dieser Lebensphase befindet, der Hammer ist, allerdings schon für 23-Jährige nicht mehr.

Das Gejaule erinnert an vergessene Schulbrote, die gemeine Mami, die ein Treffen mit Kevin oder Ian verbietet und den Turnbeutel, welcher immer im Weg rumliegt. Große Themen, sicher, aber nicht für Old Stendahl. Rosiges, plüschiges Geklimper, kitschige Liebesschwüre, sülziger, selbstgefälliger, sentimentaler (und keinesfalls melancholischer) Pop der hundertfach gehörten Sorte, ein herzhaftes Weinen eines unter Hormonstress stehenden Jünglings lassen mich nun in einer Art Trotzreaktion das Kettenhemd anlegen, zur Streitaxt greifen und durch norwegische Wälder pilgern. Auf der Lichtung mit den ostentativ ausgerichteten Steinformationen vollführe ich den Luftgitarristen zu 'Martyrium' von WINDIR. Diesen wunderbaren Tagtraum harsch und bösartig durchbrechend tönt es soeben seicht und wattig: 'Provider, Final Decider', meine Güte, wo soll so etwas hinführen? Austaste, wo bist du? SLEEP TOKEN führt seine Kernkompetenz im Namen: Es ist die beste Schlaftablette seit Jahren.

Note: 3,5/10
[Matthias Ehlert]

Angesichts der Beiträge meiner Kollegen muss ich anscheinend nicht nur das neue Album bewerten, sondern direkt eine kleine Lanze für SLEEP TOKEN brechen. Zugegebenermaßen hat mich seinerzeit der Hype um "Take Me Back To Eden" etwas überrascht, da ich SLEEP TOKEN nicht als potentielle Hype-Band auf dem Schirm hatte. Ohne Frage stehen hinter SLEEP TOKEN, wie Rüdiger ja auch einräumt, fantastische Musiker. Zudem sind die Shows  ich habe sie bei ihrer letzten Tour gesehen  stark. Allerdings sind sie nichts Bahnbrechendes, wenn man bedenkt, dass Gruppen wie TOOL existieren.

Trotzdem ist der Hype gerechtfertigt. SLEEP TOKEN reitet auf der Welle des aktuellen Erfolgs von Bands, die Modern Metal, Metalcore, (Elektro-)Pop und Hyperpop mischen. Genannt seien hier beispielsweise BRING ME THE HORIZON oder SPIRITBOX. SLEEP TOKEN übernimmt dabei den etwas ruhigeren und progressiveren Part. Die Mischung kann man verwerflich finden, aber es ist dieser Mix, der derzeit so unglaublich viele jüngere Menschen zu härterer Musik zieht, wie seit langer Zeit nicht mehr. Es wird für viele der Einstieg in eine neue Welt werden. Wenn die Metal-Szene lange weiterleben will, dann braucht es genau das!

Nun zur aktuellen Platte "Even In Arcadia". SLEEP TOKEN lässt sich wenig vorwerfen. Die Gruppe agiert weiterhin auf hohem Niveau. Allerdings scheinen die Elektro-Pop-Einflüsse etwas stärker durchzukommen. Die Platte wirkt dadurch zugänglicher als der Vorgänger, auch wenn gleich zu Beginn 'Look To Windward' ein hervorragend moderner progressiver Track ist. Dennoch treten für mich zu selten die härteren Ausbrüche wie in 'Dangerous' oder 'Caramel' zu Tage, was die Scheibe auf Dauer etwas eintönig macht. Außerdem scheint es derzeit irgendwie in Mode zu sein, die Titeltracks arg ruhig anzugehen. Deswegen reicht der Longplayer nicht ganz an den Vorgänger heran.

Trotzdem ist es für die junge Generation genau das richtige Album zur richtigen Zeit. Die Richtung der Band wird weiter nach oben zeigen. Wenn ich mehr Objektivität walten lassen würde, müsste ich sogar einen Punkt mehr geben.

Note: 7,5/10
[Dominik Feldmann]

 

Wenn eine Band so derartig in aller Munde ist (was eine recht unappetitliche Vorstellung ist), dann muss ja irgendwas dran sein. An SLEEP TOKEN kommt man tatsächlich spätestens seit "Take Me Back To Eden" nicht vorbei. Und was habe ich mich durch dieses Album gequält. Dieser krude Stilmix aus Pop, Metal, Indie, Hip Hop, etc., wirkt auf mich wie ein ansatzlos zusammengeschusterter, neurotischer Cocktail an möglichen und unmöglichen Stilkombinationen und ist in Summe so derartig schwer verdaulich, das ich nur mit dem Kopf schütteln kann. Der Aufruhr vor "Even In Arcadia" erreichte dann Sphären, wo nur TAYLOR SWIFT ähnlich unangenehm und kultistisch verehrt wird, als wäre es der heißeste Scheiß seit geschnitten Brot.

"Even In Arcadia" macht es für mich nur noch unverständlicher und erstmals überhaupt verstehe ich in keiner Sekunde, was daran so gut sein soll. Der Opener 'Look To Windward' fasst es gut zusammen: Ein Trümmerhaufen aus bunten Scherben, der am liebsten alle Farben zu einem Regenbogen vereinen möchte, doch selbst der beste Sekundenkleber quittiert hier seinen Dienst. Der furchtbar theatralische und mit Effekten zu Tode bearbeitete Gesang wirkt künstlich und aufgesetzt und ist bereits nach kurzer Zeit der treibende Faktor dafür, ob ich mir das nicht doch lieber schön trinke. Dieses Vibrato  argh! Einige Textzeilen werden bis zum Erbrechen wiederholt, dazu gesellen sich katastrophale Rap-Parts, die sich natürlich auf einem Trap-Beat ereignen müssen. DIO, gib mir Kraft.

'Emergence' wirft im Anschluss ohne Not einen Saxophon-Part ans Song-Ende, der ebenfalls weder Sinn noch Zweck hat, aber Hauptsache, man kann noch ein Genreversatzstück in das bereits kurz vor dem Bersten befindliche Soundbild einwerfen. Bei 'Past Self' ging es mir ähnlich wie Mario, nur dachte ich, mein Handy hat eigenständig die Lautstärke maximiert und ich würde angerufen. Ein anderes Übel sind für mich diese Alibi-Djent-Parts, die bestenfalls mal kurz meine Lethargie durchbrechen, aber so platt kopiert wirken, dass sie im nächsten Moment auch schon wieder vergessen sind. Immerhin, am Ende von 'Infinite Baths' war ich fast dankbar dafür, dass mir der Gehörgang von dem ganzen angestauten Kandiszucker freigeblasen wurde.

Gibt's von mir überhaupt etwas Positives? Respekt an den Schlagzeuger, der (wenn er denn mal zum Zug kommt), hier viele Akzente setzt. Doch in dem Fall macht ein guter Drummer noch keinen Sommer. Unsere Notenskala ist da allerdings eindeutig. Es ist für mich einfach nur komplett unerträglich. Zu viel auf einmal gewollt und dann zu einer Melange zusammengelötet, die den kleinsten gemeinsamen Nenner bedient. Trotzdem werden der Band die Konzerttickets aus der Hand gerissen und die ungelenken Verweise auf ihre übereifrigen Fans in 'Caramel' in den Wind geschossen. Geld stinkt dann eben doch nicht. Abschließen möchte ich mit einem Zitat des ewig weisen DEVIN TOWNSEND: "While we all have lots of bands who influence still, we all rip off MESHUGGAH."

Note: 3,0/10
[Kevin Hunger]

Es gibt sporadische Gitarren auf "Even In Arcadia", aber seien wir mal ganz ehrlich: SLEEP TOKEN hat mit Metal im herkömmlichen Sinne nichts zu tun. Diese Musik entstammt atmosphärisch einem anderen Kontext, einer anderen Dimension. Was soll dieser Gesang? Warum muss man sich in einem Metal-Magazin mit solcher Musik auseinandersetzen? Und warum erwähnt Kevin die Band im gleichen Atemzug wie TAYLOR SWIFT, die sowohl eine großartige Songwriterin ist als auch eine kreative Künstlerin, die sich immer wieder neu erfunden hat? TAYLORs Musik kann einem sicher egal sein, wenn man vor allem die Radiohits kennt, aber sie ist niemals so anstrengend und nervtötend wie SLEEP TOKEN.

Wer das hier für den neuesten heißen Scheiß im Metal hält, der steht üblicherweise wohl nicht auf Metal. Es ist natürlich ok, dass es Musik wie "Even In Arcadia" gibt, aber es ist auch ok, dass ich versuchen werde, das nie wieder hören zu müssen. Das meiste hier ist völlig anstrengend, es hat mit Metal nichts zu tun, die Songs sind trotz allem zu lang, und die Einzelzutaten gibt es in der Regel woanders besser. Und der Gesang geht wirklich gar nicht. Da sich die Musiker hörbar Mühe gegeben haben, möchte ich bei der Notengebung aber gnädig sein.

Note: 2,5/10
[Jonathan Walzer]

 

Wow. Wo fange ich an?

Angesichts der Vielzahl an negativen Benotungen und teils scharfen Einzelkritiken, die eigentlich eine detaillierte Auseinandersetzung verdienen würden, fällt es schwer, sich motiviert in eine Diskussion einzubringen, die sich nur in eine Richtung zu bewegen scheint. Da tut es ausnahmsweise gut, sich nicht zum Anwalt eines sträflich unterschätzten Underground-Acts machen zu müssen, sondern sich entspannt zurücklehnen zu dürfen – denn SLEEP TOKEN braucht keine Fürsprache der Metal-Journaille.

Diese Band hat das Potenzial, eine der prägenden Formationen unserer Zeit zu werden. Mit derzeit 9,8 Millionen monatlichen Hörern auf Spotify übertreffen sie bereits Größen wie IRON MAIDEN, und Platz 1 in den Charts von Deutschland, Australien, den USA und zahlreichen weiteren Ländern spricht eine deutliche Sprache: Die Vorfreude auf "Even In Arcadia" ist spürbar.

Schon zu "Take Me Back To Eden" (Platz 22 in meinen Albencharts 2023) habe ich ein Plädoyer für die Band gehalten, das sich auch auf den aktuellen Output übertragen lässt. Kaum eine andere Formation versteht es so meisterhaft, Gefühle in Songs zu bannen und dabei den emotionalen Resonanzraum ihrer Hörer einzunehmen. Dabei spielt es keine Rolle, aus welchem Genre die Musik ursprünglich stammt, denn wer SLEEP TOKEN hört, fragt nicht, ob das noch Metal ist. Es ist schlichtweg unerheblich.

Gerade bei einem Song wie 'Past Shelf' ist es schwer nachvollziehbar, dass überhaupt solche Genre-Diskussionen geführt werden. SLEEP TOKEN bedient sich souverän bei modernem Pop und R'n'B, verschiebt damit stilistische Grenzen und erweitert unser Verständnis dessen, was Musik leisten kann. Viel näher dran an BILLIE EILISH als an irgendwelchen zeitgenössischen Rockgrößen, sind die Metal- und Rockelemente in ihrer Musik lediglich Mittel zum Zweck und Zutaten eines viel größeren Klanggebildes, das stets dem Songfluss untergeordnet bleibt.

Kein Track braucht Gitarren, so wie Vessel auch kein Autotune oder Saxophonsolo braucht. Und doch taucht all das auf und zwar mit Sinn und oft auch mit großem Spaßfaktor.

Wer beim Hören allerdings ständig gedanklich bei DIO oder WINDIR verweilt, hat vermutlich einfach eine andere falsche Perspektive – verständlich, gerade im Kontext eines Metal-Magazins. Dennoch: Mein Fazit richtet sich an jene kleine, aber feine Schnittmenge von Lesern, die stilistisch breiter unterwegs sind als viele meiner geschätzten Kollegen und die ein offenes Ohr haben für moderne Pop- und R'n'B-Elemente, für aktuelle Hip-Hop-Einflüsse, gelungene Trap-Beats und vielleicht sogar für ein wenig SWIFT'sche Sensibilität.

Aktuell steht für mich der Vorgänger noch leicht über dem neuen Album, da er in sich etwas konsistenter wirkte – aber das letzte Wort haben wie immer die Jahrescharts.

Note: 9,0/10
[Stefan Rosenthal]

Auch ich bin großer Anhänger des Albums "Take Me Back To Eden", mit dem SLEEP TOKEN einen großen Bekanntheitszuwachs erlebte und sich im Mainstream etablieren konnte. Ich war fasziniert von den neuen Ideen der Band, verschiedene Genres miteinander zu kombinieren und damit den oft doch formelhaften Alternative Metal/ Metalcore (BRING ME THE HORIZON, BAD OMENS, ARCHITECTS und Co.) etwas aufzumischen. Nimmt man dazu noch das faszinierende Setting, das Mysterium um die Band und die grandiose Live-Inszenierung (auf Tour, nicht bei Festivalauftritten), sowie einen etwas "massentauglicheren" Sound und zack: Mainstreamerfolg.

Klar, als klassisches Metal-Album darf man "Even In Arcadia", aber auch jedes andere SLEEP TOKEN-Album, nicht sehen. Deshalb schneidet es auch hier in der Redaktion bei vielen so schlecht ab. Das wird die Briten aber wenig interessieren, der Erfolg gibt ihnen schließlich recht.

Doch genug verteidigt, was halte ich nun selbst vom neuen Album? Kurz nach Veröffentlichung habe ich einen Abend investiert und das Album von Anfang bis Ende durchgehört und war enttäuscht. Die markanten Elemente wie Vessels Stimme, das Genre-Mixing und den progressiven Songaufbau gibt es noch. Das ist mal ein Pluspunkt. Andererseits ist das Album insgesamt "poppiger" geworden und weist weniger härtere Passagen auf. 'Caramel', 'Emergence', 'Look To Windward' zählen zu meinen Favoriten des Albums. Mit vielen anderen Songs kann ich jedoch weniger anfangen. Das Album reißt mich einfach nicht so mit wie sein Vorgänger, wie ich mit einem "Take Me Back To Eden"-Komplettdurchlauf direkt im Anschluss getestet habe. Während ich beim Vorgänger fast jedes Lied gerne regelmäßig höre, sind es beim neuen Album nur wenige. Ein herausragendes Lied wie den Titeltrack von "Take Me Back To Eden" gibt es auf "Even In Arcadia" auch nicht. Hier hätte ich auf den Titeltrack eigentlich ganz verzichten können.

Es gab große Fußstapfen zu füllen und das kann das neue Album einfach nicht. "Take Me Back To Eden" hätte von mir um die zehn Punkte kassiert. Dagegen ist "Even In Arcadia" eher Durchschnitt. Punkte gibt es für die kreativen Ideen, eine astreine Produktion und den bekannten SLEEP TOKEN-Sound. Für mehr als 6,5 reicht das aber nicht.

Note: 6,5/10
[Noah-Manuel Heim]




Für mich ist es relativ zweitrangig, ob ich viele Stromgitarren höre oder ob irgendetwas Heavy Metal ist oder nicht. Es geht mir in erster Linie darum, ob mir die gebotene Musik gefällt und ob mich das Gesamtpaket erreicht. Der Hype-Faktor ist nicht gänzlich unwichtig und in manchen Fällen abschreckend, aber nicht unbedingt ein Manko. So finde ich zum Beispiel sehr viel Freude an GHOST, mag ADELE, DANGER DAN, ABBA und RUSH. Und auch wenn es hier anderswo zu lesen war: An SLEEP TOKEN bin ich bisher erfolgreich vorbei gekommen.

Die sehr unterschiedlichen Meinungen hier haben aber nun mein Interesse geweckt und so höre ich das aktuelle Album nun zum wiederholten Male und habe mir auch ein paar Liveclips angeschaut. Der Maskenschanz ist zwar ein optischer Indikator für potentielles Nichtgefallen aktueller Musik, aber es gibt immer auch Ausnahmen. Beim ersten Einsetzen des Gesanges wachsen mir aber spontan unangenehm kitzelnde Haarbüschel in den Gehörgängen. Was ich in den 90ern bei CHER schon gruselig fand, wird hier auf die Spitze getrieben. Androgyner Gesang, der wohl durch so etwas wie einen Vocoder gepresst wurde und der in unangenehme Höhen vordringt, ohne dabei einen Millimeter Emotionen zu transportieren, kommt mir entgegen und will auch nicht enden. Diese Zutat allein macht mir den Zugang zu den musikalischen Welten dieser Senkrechtstarter schon unmöglich.

Da höre ich lieber Hansi Kürsch während er mit abgebrochenen Kreidestücken eine Tafel malträtiert und dies gesanglich unterlegt. Aber auch musikalisch bin ich offenbar zu verscheuklappt, um dies auch nur annähernd zu verstehen. Songs im üblichen Sinne entdecke ich nicht, was aber grundsätzlich spannend sein könnte. Man beachte den wohl bewusst gewählten Konjunktiv. Denn die eben noch lobend gepriesene Stilvielfalt, die unfraglich vorhanden ist, funktioniert für mich als Stilmix überhaupt nicht. Erdbeermarmelade mit Tomatenmark ergibt umgerührt auch keine leckere Soße. Bei Himbeeren müsste ich zwar kurz nachdenken, würde da aber das Mark weglassen und lieber gleich mit der Zunge im anderen Glas verweilen. So geht es meinen alten Ohren auch hier. Die wenigen Momente, an denen ich so etwas wie ein Songfragment anstelle eines furchtbar überproduzierten Notentsunamis erkenne, werden nach wenigen Takten wieder zerbröselt. Was daran massenkompatibel ist, erschließt sich mir nicht. Ich höre jetzt eine Woche lang THOUGHT INDUSTRY, WATCHTOWER, KING CRIMSON, DISJECTA MEMBRA und MAHAVISHNU ORCHESTRA.

Note: Mangels Unverständnis nicht möglich.
[Holger Andrae]

Fotocredits: Noah-Manuel Heim (POWERMETAL.de); Fotos vom Konzert in München, Zenith, 5.12.2023

Redakteur:
Thomas Becker
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