Gruppentherapie: SULPHUR AEON - "Seven Crowns And Seven Seals"
30.10.2023 | 14:07Für Menschen, die eigentlich keinen Death Metal mögen: Sieben Meinungen zu "Seven Crowns And Seven Seals".
Brüderlich teilen sich CIRITH UNGOL und SULPHUR AEON im Oktober-Soundcheck Platz 4. Beide bekommen einen fetten Zehner, aber auch magere Sechser. Kollege Walzer mag es sehr und spricht von einer der aktuell besten Death-Metal-Bands (zu Jhonnys Review von "Seven Crowns & Seven Seals"). Hier lernen wir, dass SULPHUR AEON aber auch Musik für Menschen mit Röchelallergie macht. Manche versinken gar darin, doch es gibt auch andere, die gar nicht erst hineinfinden. Alles Für und Wider gibt es wie gewohnt in der Gruppentherapie.
Für mich gehört die Band zu jenen im deutschen Death Metal, die ich ob ihres besonderen Sounds und des Wiedererkennungswertes sehr gerne höre. Und im Vergleich zum sehr guten Vorgänger "The Scythe Of Cosmic Chaos" ist das neue Album noch melodischer, facettenreicher und daher so unberechenbar geworden. "Seven Crowns And Seven Seals" lullt ein, hypnotisiert und hat so viele brutale wie melodische Aha-Momente am Start, dass man das Album fünf, sechs Mal hören muss, um alles zu verarbeiten.
Der Death Metal der NRWler lebt einfach von der Spannung und Stimmung, durch die sie uns in eine komplett andere Welt eintauchen lassen. Von traditionellen über sphärischen bis hin zu sehr extremen Tönen präsentiert man hier auch die komplette Bandbreite des Death Metal. Stellvertretend hierfür sind das leicht psychedelische Titelstück als vorletztes Highlight, 'The Yearning Abyss Devours Us' und 'Usurper Of The Earth And Sea'. Dazu kommt ein hochfaszinierendes Artwork, das, wie schon bei den letzten drei Alben, auf enorm hohem künstlerischem Niveau ist, sowohl spannend als auch einlullend wirkt und somit der Musik den passenden optischen Anreiz verpasst. SULPHUR AEON ist und bleibt etwas in allen Belangen enorm Besonderes, was die Band mit "Seven Crowns And Seven Seals" in Stein meißelt.
Note: 8,0/10
[Marcel Rapp]
Todesröcheln, das der menschlichen Stimme aufgezwungen wird, ist normalerweise meine Sache nicht. Aber selbst ein Kostverächter wie meine Wenigkeit muss doch ab und zu mal über den eigenen Schatten springen, wenn die Gefahr besteht, sonst etwas Großartiges zu verpassen. Und es steckt viel Großartiges in der Musik von SULPHUR AEON – da kann es keinen Zweifel geben. Das gilt eigentlich schon für die sehr starken vorangehenden Veröffentlichungen, aber mit dem aktuellen Album hat die Band sich selbst übertroffen.
Die etwas angeschwärzte Ausrichtung macht das Hörerlebnis noch interessanter und abwechslungsreicher. Allein der fabelhafte Titelsong ist so gut, dass Worte kaum ausreichen, das verdiente Lob entsprechend zu formulieren. Im extremen Metal habe ich schon lange keine so umwerfende Komposition gehört. Der einem finsteren Mantra gleichende Chorus will mir nicht mehr aus dem Ohr gehen, aber auch 'Hammer From A Howling Void' ist, wie der Titel eigentlich schon besagt, ein echter Hammer.
Da auch die Texte alten Bekannten aus dem Lovecraft-Universum huldigen und auch das Artwork den kosmischen Horror gut einfängt, kann man nur von einem rundum gelungenen Album sprechen. Ich hab' Bock, mir diese von Ausbrüchen purer Schönheit unterbrochene Raserei immer wieder zu geben!
Note: 9,0/10
[Jens Wilkens]
2014 veröffentlichte BEHEMOTH mit "The Satanist" ein Album, das, obwohl es klar im Black und Death Metal verwurzelt war, für ein paar Momente einen größeren Teil der gesamten Metalgemeinde im Glauben vereinen konnte, dass dieses Album wirklich außerordentlich genial ist und somit als Referenzwerk für zukünftige Veröffentlichungen dieser Richtung gelten könnte. Die Polen vereinten damals die Härte und Aggression des Death Metal und Kälte der schwarzmetallischen Raserei mit ausladenden epischen Kompositionen, Chören, orchestralen Klängen und einem majestätisch-erhaben anmutenden Gesamtkonzept, das auch heute für viele als eines der größten Werke der letzten Jahre gilt.
Der Leser wird sich nun fragen, was denn "Seven Crowns And Seven Seals" mit dem gerade genannten Album der Polen zu tun hat. "Eine Menge", antwortet der Schreiber dieser Zeilen, denn mich beschleicht das Gefühl, dass die nun vierte Scheibe von SULPHUR AEON in ähnlicher Weise auch Personen anspricht, die sich ansonsten wenig im Death oder Black Metal aufhalten und sich eher in traditionell-melodischen Heavy- oder Thrash-Gefilden zuhause fühlen. Denn "Seven Crowns And Seven Seals" ist weit davon entfernt, in stumpfes, unmelodisches Geknüppel auszuarten oder von dem viel benannten "Krümelmonster" kaputtgesungen zu werden. Die Growls sind immer gut akzentuiert, wodurch man die Lyrics sogar heraushören kann, während daneben immer mal wieder Klargesangspassagen eingesetzt werden und auch insgesamt nicht nur eintöniges tiefes Grummeln zu vernehmen ist. Daneben finden auch allerlei interessante Gitarrenarrangements ihren Platz, die eben nicht nur die typischen Riffs zocken, sondern allerlei melodische Vielfalt mit einbringen und so dem Gesamtwerk eine Vielzahl von Emotionen und Gefühlsebenen zusprechen. Von schwermütig und melancholisch zu episch und erhaben präsentiert man sich und reißt zu jeder Sekunde mit.
Ich muss zugeben, dass mich die Scheibe nicht von Anfang an so überzeugt hat. Beim ersten Durchlauf war es lediglich ein "ganz nett" von meiner Seite, das nun zu einem "phänomenal" gereift ist. Wenn man im Bandsound noch nicht tief drin ist, dann braucht es vielleicht ein paar Durchläufe, bei denen man dann bemerkt, dass "Seven Crowns And Seven Seals" ein von vorne bis hinten stimmiges, aufwendig arrangiertes und durchkomponiertes, monumentales Werk ist, dem im epischen Death Metal niemand so schnell etwas vormachen kann.
Note: 9,0/10
[Kenneth Thiessen]
Ich bin fasziniert, was meine Kollegen aus "Seven Crowns And Seven Seals" heraushören können. Mir geht es nämlich nicht so. Vielleicht liegt es daran, dass ich definitiv nicht zu dem von Kenneth beschriebenen Teil der Metalgemeinde gehöre? Wenn ich mein persönliches Lexikon aufschlage, finde ich BEHEMOTH unter dem Eintrag "hier klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander", und bin weit davon entfernt, auch nur eines ihrer Alben als Meisterwerk bezeichnen zu wollen.
Und ähnlich geht es mir mit SULPHUR AEON. Für sich genommen werden coole Aspekte im Bereich Melodieführung, Riffing und im weiteren Sinne auch Songwriting zusammengeführt. Im Detail sind die Elemente aber doch recht trockener Genrestandard. Mich beschleicht das Gefühl, dass hier vermeintliche Innovation durch das reine Aneinanderreihen selbiger entstehen soll.
Klar, das Album lädt zum Entdecken ein. Aber eine echte emotionale Brücke wird hier nicht geschlagen. Das gelingt beispielsweise TRIBULATION deutlich besser. Denn die Band schreibt nämlich nicht nur zusammengewürfelte, sondern echte Rocksongs im Fahrwasser aus Heavy, Death, Black und Gothic Metal. Und auch der Versuch ins Okkulte abzudriften ('Arcane Cambrian Sorcery') wirkt im Spiegel des aktuellen HEXVESSEL-Albums "Polar Veil" (hier geht es zur zugehörigen Gruppentherapie) sehr bemüht und kaum gekonnt.
Note: 6,5/10
[Julian Rohrer]
Zwei Sichtweisen auf das Album. Und ich verstehe beide! Der Gedanke, dass SULPHUR AEON Death Metal für Menschen ist, die eigentlich keinen Death Metal mögen, drängt sich auf. Ich bin ein weiteres Beispiel dafür. Die Epik, die Erhabenheit und die Majestät der Musik fasziniert mich immer aufs Neue! Das finde ich sonst eher beim Black Metal, mit dem diese Band aber - auch wenn es da andere Meinungen gibt - musikalisch wenig zu tun hat. Ganz im Gegenteil: Die Klargesangpassagen, die Kenneth erwähnt, scheinen mir ab der zweiten Hälfte doch einiges an Raum einzunehmen, was mir sehr gefällt!
Dennoch muss ich Julian schon auch zustimmen, denn so richtig zwingend sind die Kompositionen nicht immer. Große Melodien bleiben selten hängen und obwohl mir das Album zu jeder Sekunde gefällt, reißt es mich nicht mit. Das klappt bei CHAPEL OF DISEASE besser. Und damit wäre diese Band hier auch mal erwähnt. Es kann ja nicht angehen, dass sie bei dieser Gruppentherapie nicht genannt wird!
Note: 7,5/10
[Jakob Schnapp]
Mit einem Schmunzeln habe ich die Ausführungen des Kollegen Rohrer zur Kenntnis genommen. Fügen wir also SULPHUR AEON der Gruppe an großartigen Bands hinzu, die er nicht versteht. Sei's drum.
Eigentlich bin ich hier ja völlig unvorbelastet und ideologiefrei unterwegs. Offenbar passe ich auch ganz gut auf die kluge Beschreibung von Meister Thiessen, denn ich bin eher in anderen musikalischen Gefilden zuhause. Trotzdem habe ich eine seltsame Schwäche für atmosphärisch dichten, theatralisch-symphonischen Melodic Death/Black Metal - wenn es so eine Schublade denn überhaupt geben kann. Wie man in einem Kommentar zu dieser Platte auch nur den entferntesten Bezug zu den ebenfalls genialen HEXVESSEL herstellen kann, möge mir Julian bitte beim nächsten Redaktionstreffen über einem Glas trockenem Rotwein erklären.
Mein einfach gestrickter Geist freut sich einfach über die majestätisch mäandernden Melodien dieser Scheibe; ich fokussiere meine Sinne eher auf die Parallelen zu den guten Momenten von DIMMU BORGIR und auch zum wundervollen "Nexus Polaris"-Epos von THE COVENANT. Für mich ist "Seven Crowns And Seven Seals" nichts mehr und nichts weniger als düster-melodramatische Wohlfühlmusik, in die ich mich wunderbar vertiefen kann ohne mich besonders anstrengen oder konzentrieren zu müssen. Manchmal kommt mir das sogar wie eine deeskalierte Version von FLESHGOD APOKALYPSE vor. Okay, vielleicht schweife ich jetzt zu weit ab von der objektivierbaren Realität. Darum schließe ich mit der Bemerkung, dass SULPHUR AEON meinen Herbst und Winter 2023 nachhaltig verschönt hat mit diesem spannenden Album, für das ich gerne einfach "Danke!" sagen möchte!
Note: 8,5/10
[Martin van der Laan]
Ich bin bei meiner Einschätzung von SULPHUR AEON, zumindest bei diesem zu verarztenden Album, eher bei meinen Kollegen Julian und Jakob. Auch ich gehöre zu den Leuten, die bei tiefen Growls eher ausschalten als lauter machen, und so klingt 'Hammer Of The Howling Void' zunächst auch erst wenig attraktiv. Auch die hektischen Blasts in Kombination mit diesem massiv bassigen Sound machen es mir nicht einfach. Also, verschönernd wirkt diese Musik nicht wirklich auf mich, lieber Martin. Auch nach ein paar Spins finde ich nicht wirklich hinein. Im Gegensatz zur neuen CIRITH UNGOL, die andere Leute herausfordert, finde ich eher diese Musik hier sperrig und unzugänglich.
Ich muss allerdings auch den Stimmen beipflichten, die hier die Vielschichtigkeit in den Arrangements loben. Wer hier auf die Suche geht, wird sicher fündig. Es kann also durchaus sein, dass ich diese Band einfach auch noch nicht verstanden habe. Nur sind die inneren Widerstände, sich mit dieser Musik nachhaltig zu beschäftigen (also CD kaufen, Booklet studieren, unterm Kopfhörer analysieren), momentan etwas zu groß. Eigentlich fällt mir beim Durchhören der Scheibe immer nur eine Passage von 'Seven Crowns And Seven Seals' auf, und dann will ich "Seventh Son Of A Seventh Son" auflegen.
Note: 6,5/10
[Thomas Becker]
- Redakteur:
- Thomas Becker