Gruppentherapie: THE DEAD DAISIES - "Light 'Em Up"

21.10.2024 | 19:01

Schwengel raus, ihr Jünglinge, der Camaro fährt vor!

Es ist mal wieder Zeit für eine Allstar-Gruppe auf dem Therapiesitz: THE DEAD DAISIES! Auf "Light 'Em Up" ist Rückkehrer John Corabi wieder am Mikro, was Tobi, unseren Hauptrezensenten, seine auf Vorgänger Glenn Hughes basierende Liebe zu den DAISIES auf den Prüfstand stellte. Doch die DAISIES bestanden die Prüfung bei ihm, aber auch bei den anderen Soundcheckern, die das neue Album zumindest gut fanden. Platz 13 hieß es am Ende im September-Soundcheck. Gibt es also noch irgendetwas zu sagen? Und ob. Matthias spekuliert über den Verbleib gewisser Körperteile (drinnen oder draußen), sowohl bei der Band als auch beim Hörer. Stefan hingegen erläutert, zu welchen Arbeiten "Light 'Em Up" besonders gut passt.

THE DEAD DAISIES (cooler Name übrigens) springen auf ihrem neuen Album "Light 'Em Up" munter zurück in die Siebziger. So zitiert die australisch-/US-amerikanische Combo offensiv eine australische Band, von der jeder hier einige LPs oder CDs sein Eigen nennen dürfte. Manches erinnert auch an BUDGIE, ZZ TOP oder, wenn "neuere" Bands, DEF LEPPARD oder D:A:D. All diese Zutaten mischen die vorlauten Buben recht gewandt, denn alles Liedgut tönt trotzig, frech hingerotzt; die Hose ist immer unten, der Schwengel draußen, wo denn sonst? Im Wind natürlich, auch der beste Freund möchte frei sein. Außer, die Band, welche mit geil-druckvoller Produktion aufwartet, sitzt gerade im Cabrio, um die zahnspangentragenden Nachbarinnen abzuholen, auf der Rückbank zu platzieren und 'I'm Gonna Ride' zu grölen, übrigens eine großartige Adaption eines kultivierten AC/DC-Riffs. Obwohl, garantieren würde ich für die verschlossene Hose nun auch nicht...

Es setzt unablässig 4/4-Takt, klare, rockige Soli; der Bass wummert vor sich hin, das Schlagwerg tuckert ohne Unterlass vorwärts, die heisere Stimme treibt uns zum Höhepunkt, der nur in einer grandiosen Explosion enden kann. Was in die Luft fliegt, ist egal. 'Back To Zero', auch ein 'Way Back Home' wird eingeschlagen, aber erst, wenn die Eltern schlafen. Natürlich nimmt man eine 'Long Line', lässt Y&T und KISS über den Schlappen rutschen ('My Way And The Highway') und was möchte ein echter Highway Star lieber sein als eine echte Bitch? 'I Wanna Be Your Bitch' nölt, dass der Butcher das Beil zückt. Aber nur, um dem unter Adrenalin und Testosteron stehenden Jüngling rasch etwas Proteine zu verschaffen, die bekanntlich zum Muskelwachstum beitragen können.

Inzwischen kehrt das Cabrio unseres Vertrauens im Autokino ein. Kennt hier keiner mehr? Macht nichts, optimal zum Knutschen und da verlassen wir THE DEAD DAISIES (privat ist privat), die ein wirklich unterhaltsames, kurzweiliges Rockalbum vorgelegt haben. Neu ist da nichts, aber wozu auch, wenn der bewährte Camaro ordentlich Muskeln unter Haube hat, die den SUV älter aussehen lassen als er werden kann?

Note: 8,0/10
[Matthias Ehlert]

 

Das mittlerweile siebte Studioalbum der abermals umbesetzten Allstar-Truppe wird vor allem den Fans der ersten Bandphase Freude bereiten. Schließlich haben die "Gänseblümchen" mit dem im Vorjahr zur Formation zurückgekehrten John Corabi wieder exakt jene Art von Party-Hard-Rock der traditionellen Machart im Talon, für den sie seit den ersten (Cover-)Songs geschätzt wurden.

Da der Kerl immer noch in Hochform ist, dürfte bereits während des ersten Durchlaufs von "Light 'Em Up" in so manchem Wohnzimmer eine zünftige Party steigen. Logisch. Handgemachter, eingängiger Hard Rock der "alten Schule", dargeboten von gleichermaßen erfahrenen wie motivierten Musikern, geht schließlich immer.

Und wenn dieser dann auch noch nahezu das gesamte Spektrum von erdig und groovig ('I'm Gonna Ride'), über bluesgetränkt ('Take My Soul' - John lässt dabei mehr denn je an seine legendäre frühere Formation THE SCREAM denken) bis hin zu emotionsgeladen-balladesk ('Love That'll Never Be'– man halte die Feuerzeuge bereit!) abdeckt, kann ohnehin nicht viel schiefgehen. Erst recht nicht, wenn sich die Musiker seit den ersten Scheiben darauf geeinigt haben, den Song an sich in den Vordergrund zu stellen, sich selbst dagegen zurückzunehmen und als Einheit zu agieren.

Dass die erwähnten Tracks mit Sicherheit keinen Innovationspreis für THE DEAD DAISIES einbringen werden, ist klar. Ebenso aber auch, dass jene Tracks auf der kommenden Tournee ebenso zu hören sein werden, wie aller Voraussicht nach auch noch Kracher der Marke 'Times Are Changing' oder 'Way Back Home'. Und da man von schlechter Stimmung bei einem DAISIES-Gig ohnehin noch nie gehört hat, weiß man, warum es diese Band nicht nötig hat, sich auch nur einen Mikrometer von ihrem (Erfolgs-)Weg zu entfernen.

Note: 7,5/10
[Walter Scheurer]

 

Mensch, was haben mir die THE DEAD DAISIES-Jungs im Vorprogramm zu JUDAS PRIEST vor zwei Jahren doch gefallen (zum Konzertbericht). Ein perfekter Anheizer, ein Muntermacher, ein Partygarant, der live natürlich noch um einiges druck- und schwungvoller wirkt als auf Platte. Trotzdem sorgt "Light 'Em Up" in den wirklich allerletzten Spätsommersonnenstrahlen für den finalen Hauch von Highway-Feeling, für das gemütliche Bierchen-Gefühl mit den Jungs, für schmissigen Hard Rock, der dynamisch und beinah schon zeitlos Freude bereitet.

Nein, das ist alles nicht neu, was wir von THE DEAD DAISIES hören, denn in bester AEROSMITH-, KISS- oder AC/DC-Manier spielt die Band ihren von den letzten sechs Alben gewohnten Stiefel routiniert runter. Doch ist das unbedingt schlecht? Nein, nicht wirklich. Im Gegenteil, sorgt "Light 'Em Up" doch für ein kurzweiliges Vergnügen, hat einen satten, druckvollen Sound im Repertoire und mit 'Times Are Changing' oder 'Back To Zero' sogar den einen oder anderen Hit auf der Habenseite. Innovation geht anders, doch gibt es satt und genug Bands auf diesem Planeten, die sich danach die Finger lecken würden, ein Album wie "Light 'Em Up" einzuhämmern.

Note: 7,5/10
[Marcel Rapp]




Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie diese Band um 2013 herum zum ersten Mal auf dem Bildschirm und den europäischen Bühnen erschien. Als nette Coverband verschrien, sorgte sie vor allem aufgrund der prominenten Besetzung für Aufsehen. Mittlerweile hat sich dieser zusammengewürfelte Haufen um Anführer David Lowy zu einer ernstzunehmenden Rockband entwickelt, die regelmäßig geradlinige, durchaus gute Alben veröffentlicht und schon lange nicht mehr auf Songs der zahlreichen ehemaligen Bands angewiesen ist.

Das neue Werk "Light 'Em Up" bildet da keine Ausnahme. Man findet darauf elf bluesig angehauchte Rocksongs, die vor allem den Geist von AC/DC ('I Wanna Be Your Bitch', 'I'm Gonna Ride'), KISS und WHITESNAKE atmen. Ich fand die Band bisher immer sehr nett, aber nie wirklich interessant genug, um mich eingehender mit ihren Veröffentlichungen zu beschäftigen. Das sollte ich aber definitiv mal nachholen.

Es ist halt wie im Fußball. Da scheint einem Millionär langweilig zu sein und der schart die besten Spieler um sich. Klar, die spielen dann auch guten Fußball und holen meistens Titel, aber es haftet ihnen weiter ein fader Beigeschmack an. So auch hier. Mit einem John Corabi, Brian Tichy und Doug Aldrich im Team verwundert es demnach kaum, dass Songs wie 'Back To Zero', 'Times Are Changing' oder das Titelstück sehr starke Rocknummern geworden sind und das Album handwerklich zündet. "Light 'Em Up" ist eine Scheibe, die mir beim Hören tatsächlich sehr viel Spaß macht, aber mich nicht unbedingt aus dem Stadion schießt. Trotzdem würde ich in den aufgemotzten Camaro einsteigen und mit ins Autokino fahren. Immerhin will ich wissen, wie es weitergeht - auch wenn die Fortsetzung durchaus vorhersehbar scheint.

Note: 8,0/10
[Chris Staubach]

Ach – der Herbst ist da. Das bedeutet, dass die nächsten Projekte vom Garten wieder ins Haus verlegt werden. Da werde Räume umgestaltet, es wird neu gestrichen, das Bad neu gefliest oder mit der Makita irgendein Mumpitz veranstaltet. Was gewerkelt wird, ist auch gar nicht relevant. Viel wichtiger ist der Fakt, dass diese Arbeit mit Musik doch soviel mehr Spaß macht. Während die eine Hälfte mit Radio21, Radio Bob oder einem der unzähligen Streamer den Zufallsgenerator anwerfen lässt, verzweifelt die andere Hälfte an der Auswahl für den Soundtrack für die persönliche Handwerkerbegleitung. Das soll schon Fetz machen, aber auch nicht zu intensiv vom Projekt ablenken. Man will schließlich fertig werden.

Ich glaube "Light 'Em Up" kann man hier bedenkenlos empfehlen. Zwischen dem Klang der Bohrmaschine gibt es immer mal fetzige Parts, welche zum Headbangen animieren und beim Weg zum Bierkasten kann man auch mal einen kurzen, gepflegten Boogie einbauen um die Hüfte zu schwingen. Auch wenn man nur ab und zu hinhört, gibt es nette Hooks und man ist geneigt immer mal wieder mitzusingen. Aber ihr kennt ja auch den Ablauf, wenn ihr euch für das Radio Bob-Szenario entschieden habt. Irgendwann fragt ihr euch, wer diese coole Truppe eigentlich ist, und schwört euch, dass man in diese Songs doch auch nochmal in Ruhe reinhören sollte. Und genauso wie bei Band XYZ folgt die Ernüchterung bei THE DEAD DAISIES dann im Nu. Das klang mit einem Ohr alles irgendwie griffiger. Jetzt ist plötzlich alles nur noch okay und wenig zwingend. Quasi ähnlich zu KISSIN' DYNAMITE, nur dass dort die Refrains noch etwas mehr Zug haben. Es bleibt somit ein Album, das sich perfekt zum Nebenbeihören eignet und bei einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Songmaterial anhand seiner puren generischen Ausrichtung seine Schwächen allzu deutlich offenbart.

Note: 7,0/10
[Stefan Rosenthal]



Fotocredits: André Schnittker (POWERMETAL.de). Fotos vom Rock Out Festival Augsburg 2023.

Redakteur:
Thomas Becker

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