Gruppentherapie: THE NIGHT ETERNAL - "Fatale"

02.08.2023 | 21:36

Hier kommt man einfach nicht drum herum.

Nur ganz knapp hat THE NIGHT ETERNAL den Sieg im Juli-Soundcheck verpasst. Es waren wohl nicht alle so euphorisch wie unser lieber Kauz Holger, der in seinem Hauptreview 9,5 Punkte für "Fatale" zückte (zum Review). Auch bei den Therapeuten gibt es einige, die vor Begeisterung um das Ding drum herum tanzen. Kritiker hingegen fangen an, in den eigenen vier Wänden Auto zu fahren. Ist die Mucke wirklich so schlimm?



Was war "Moonlit Cross" doch ein tolles Album vor zwei Jahren! Damit haben die THE NIGHT ETERNAL-Jungs die Messlatte für ihr Zweitwerk hiermit sehr hoch gehängt. Und "Fatale" hat im direkten Vergleich nochmal an Volumen gewonnen. Durch die Atmosphäre, leicht düster und härter, wirkt alles in sich noch stimmiger, beinah schon mystischer. Mir fallen so viele Parallelen auf, allen voran PORTRAIT, aber auch IN SOLITUDE, TRIBULATION sowie RAM, ATTIC oder MERCYFUL FATE. Man kann also schon von einem großen Geheimtipp im Schwermetall mit etwas düsterer Schlagseite sprechen, mit allem, was dazugehört: ein erdiger Sound, Songs, die aufeinander aufgebaut sind und noch dazu eine hohe Hitdichte. Ja, auch in dieser Kategorie machen die Ruhrpottler vieles richtig, so haben es mir vor allem 'Ionean Star', 'Stars Guide My Way' und 'We Praise Death' angetan. Sänger Ricardo singt nochmal facettenreicher und ausdrucksstärker, man merkt den nächsten Sprung auf der Leiter, die Songs gehen durch Mark und Bein. Zudem ist "Fatale" sehr kurzweilig, denn obwohl das Album mit 43 Minuten eine ordentliche Spielzeit hat, ist man doch in nullkommanix beim finalen 'Between The Worlds'-Highlight angekommen und dann will man das Zweitwerk der Jungs am liebsten nochmal von vorne beginnen. Ein Album also mit hohem Suchtfaktor, je öfter man es hört! Um THE NIGHT ETERNAL kommt man als Freund schwermetallischer Klänge in diesen Tagen nicht herum.

Note: 9,0/10
[Marcel Rapp]

Jetzt sind Marcel so viele Parallelen zu anderen Bands aufgefallen, aber nicht die, welche mir sofort in den Sinn gekommen sind, als ich "Fatale" das erste Mal gehört habe. Ich muss zum einen ständig an UNTO OTHERS (früher IDLE HANDS) denken, welche eine ähnliche Herangehensweise der Musik an den Tag bzw. die Nacht legen. Damit meine ich diese unwiderstehliche Mischung aus Metal, Hard Rock und Gothic-Versatzstücken, und das Händchen für ebensolche Hooks und erstklassige Refrains. Und zum anderen, und das ist durchaus subtiler, geht mir THE DEVIL'S BLOOD nicht mehr aus dem Kopf. Was sind das bitte für Gänsehautharmonien der Gitarren und eine okkult-magische Atmosphäre auf kompletter Albumlänge? Das habe ich in dieser Form seit glorreichen Lemouchi-Zeiten nicht mehr gehört. Wir sprechen hier immerhin von einem Genre, welches mich sonst so interessiert wie ein Sonderangebot für Rosenkohl. Aber der dämonischen Ausstrahlung von "Fatale" kann und vor allem will ich mich nicht entziehen. Ich weiß nicht, was ihr macht, aber ich besorg mir jetzt noch den Vorgänger "Moonlit Cross" und die "The Night Eternal"-EP und werde im CD-Regal eine kleine Ecke neben "Come, Reap", "The Time Of No Time Evermore" und "Mana" schaffen. Das hat sich dieses Jahreshighlight jetzt schon verdient.

Note: 9,0/10
[Stefan Rosenthal]



Vorab: Das Debüt von THE NIGHT ETERNAL ist komplett an mir vorbei gegangen. Und bewusst habe ich bislang auch noch keinen Song der in der Presse hochgelobten Truppe gehört. Ich gehe also mit ganz frischen Ohren an "Fatale" heran. Während des ersten Hörens des Openers 'In Tartarus' habe ich mir spontan zwei Namen notiert, nämlich RAM und UNTO OTHERS, womit die musikalische Marschrichtung der Essener ziemlich gut umrissen ist. Wer sich nun ein gemächliches Schwofen im Mondlicht zu gediegenem Gothic Rock erhofft, der liegt falsch. Es überwiegt in der Musik klar der metallische Anteil. Die Atmosphäre des Albums lässt zwar durchaus an eine Vollmondnacht denken, aber eher an eine heiße Nacht im Hochsommer, in der man sich mit Freunden trifft, wo Feuer brennen, das Bier und der Whiskey statt des Rotweins fließen, aber trotzdem irgendwie eine latente Gefahr in der Luft liegt.

An zweiter Stelle des Albums galoppiert schon der 'Prince Of Darkness' ziemlich flott mit einem Schuss NWoBHM durch die Dunkelheit, bevor den Toten ein Loblied gesungen wird. So geht es weiter; über insgesamt acht Songs, nur unterbrochen von einem ruhigen Zwischenspiel vor dem Albumcloser 'Between The Worlds', verströmt das Album zwar textlich eine dunkle Atmosphäre, aber feurig-lodernde Gitarrenriffs, tolle Gesangslinien und Refrains, die man einfach nur laut mitbrüllen will, erhellen beständig die ewige Nacht. Der Gesang ist auf dem ganzen Album sehr variabel und verliert sich nicht in gotisch-halliger Hoffnungslosigkeit, sondern untermalt die Texte mal mehr oder weniger aggressiv, aber immer klar und melodiös. Eine Ausgewogenheit, vor der ich nur den imaginären Hut ziehen kann. Wie auch vor dem Sound des Albums; herrlich erdig, rau und doch glasklar passt er perfekt zu dieser Musik. Einzelne Songs hervorzuheben ist schwer, aber 'Stars Guide My Way' und 'Run With The Wolves' sind aktuell meine Primi inter Pares. Ich bin schwer begeistert!

Note: 9,5/10
[Maik Englich]

Bisher gab es von unseren Gruppentherapeuten ja nur lobende Worte für "Fatale". Ich würde sehr gerne mitfeiern, aber ganz so einfach ist der Fall nun doch nicht. Das Debüt "Moonlit Cross" steht hier in der Limited Edition, hat aber nicht mehr als fünf Runden auf meinem Plattenteller gedreht. Hierfür gibt es Gründe, die auch für die Einschätzung von "Fatale" ihre Gültigkeit haben. Das Zweitwerk geht den einmal eingeschlagenen Weg konsequent weiter. Hervorragend gespielter Heavy Metal mit düsterem Anstrich, das sollte eigentlich genau mein Beuteschema sein. Und in der Tat können 'In Tartarus', 'Pince Of Darkness' und 'Stars Guide My Way' begeistern. Die Gitarrenarbeit gehört mit zum Besten, was die deutsche Heavy-Metal-Szene zu bieten hat. Wenn sich aber Song an Song reiht, fällt auf, dass der Musik von THE NIGHT ETERNAL bei aller Qualität doch etwas zutiefst Schematisches anhaftet. Der Aufbau der Songs gleicht sich häufig und die Drumfills, die mir bei den ersten beiden Stücken noch großen Respekt einflößten, tauchen im Prinzip in ähnlicher Form in jedem Track auf. Der größte Stolperstein ist aber Ricardos Stimme. Ich kann den Verdacht nicht loswerden, dass er gerne wie Glenn Danzig klingen möchte, denn beide Sänger frönen vergleichbaren gesangstechnischen Idiosynkrasien. Bei den Songs, die Ricardo gradliniger singt, fällt dieser Ansatz nicht so sehr ins Gewicht, aber beim Refrain von 'Run With The Wolves' beginnen mich diese Mätzchen doch zu nerven. Dann beginne ich unbewusst, auf ähnliche Stellen zu warten, und natürlich gibt es die. So kann ich einzelne Songs von THE NIGHT ETERNAL genießen, aber als Album ist "Fatale" für mich nicht geeignet. Und eben dies war auch schon das Problem bei "Moonlit Cross".

Note: 7,5/10
[Jens Wilkens]



Mit einiger Verwunderung habe ich die Lobeshymnen meiner geschätzten Kollegen auf "Fatale" gelesen. Etwas erleichtert bin ich, dass der Herr Wilkens nun begonnen hat, die Kirche der Begeisterung wieder ins Dorf der Realität zurückzuholen. Von Vielseitigkeit war da zuvor die Rede und von magischer Atmosphäre. Und dann fiel der Name THE DEVIL'S BLOOD, die ich noch nie leiden konnte. Meine Ohren nehmen beim wiederholten Durchlauf von "Fatale" weiterhin sehr schön organisch und warm produzierte, aber in ihren kompositorischen Strukturen eher simpel gestrickte Heavy-Rock-/Metal-Nummern wahr, die mit ein bisschen düster-schickem Make-up aus der grauen Masse heraus stechen wollen. Letzteres gelingt zumindest bei mir nicht, ich höre da jetzt nichts, was ich nicht woanders schon mal besser gehört habe. Das mag live alles sogar ganz gut funktionieren, aber über Kopfhörer zuhause hat es mich weder beim Putzen noch beim Autofahren oder bei vollem Fokus auf die Musik so richtig gepackt. Songs wie 'We Praise Death' finde ich sogar grenzwertig langweilig. Hausmannskost bleibt Hausmannskost, auch wenn man sie mit etwas Gothic-Botox aufzuhübschen versucht. Kommen wir am Ende noch zum Gesang. Den finde ich an manchen Stellen schon ausdrucksstark und spannend. Aber ganz oft geht mir diese pathetische Phrasierung, die durchaus auch mal an DURAN DURAN erinnern kann, ziemlich auf den Zeiger. THE NIGHT ETERNAL wird also mit diesem Album vermutlich viele Freunde dort draußen finden. Ich muss die Party dieses Mal aber leider absagen.

Note: 6,5/10
[Martin van der Laan]

Ach Martin, mit so einer Miesepeter-Miene hätten wir dich auf diese Heavy-Metal-Party sowieso nicht eingeladen. Aber vielleicht musst du uns auch erst mal erklären, wie du mit Kopfhörer zu Hause Auto fährst. Fuck, dieses Kopfkino... aber eigentlich soll es ja um die junge Truppe aus Essen gehen. Truppe? Eher Macht! Oder dunkle Urgewalt. Denn diese überrollte mich beim ersten Hören von "Fatale", als ich Holgs nachdrücklichem Tipp folgte. Diese Gitarren, diese Leads, diese Songs - und dieses Organ von Ricardo Baum. All das entfesselte einen vor der Zeit kommenden Herbststurm im Wohnzimmer und ja, lieber MvdL, da fuhr ich dann auch im Wohnzimmer mit Kopfhörer Auto. Zum Glück höre ich von den Schnarchnasen von THE DEVIL'S BLOOD anders als die Kollegen nur sehr wenig in dem Sound - das wäre in der Tat abschreckend. Vielmehr ist es die Catchiness von TRIBULATION und der runteroktavierte Vibe von King's MERCYFUL FATE, was mich in den letzten Tagen immer wieder zu "Fatale" zurückbrachte. Das Album lädt auch weiterhin zum Entdecken ein. Denn es ist durchaus vielschichtig und detailreich. Wer sich diesen frühzeitigen Anwärter aufs Treppchen 2023 entgehen lässt, ist selber schuld. Und alle anderen entzünden mit mir die Kirche der Begeisterung im Dorf der Realität und tanzen zum 'Prince Of Darkness' drum herum.

Note: 9,5/10
[Julian Rohrer]


Ich kann beide Lager hier verstehen, sowohl die enthusiastischen Drumherum-Tänzer als auch die kritischen Zuhause-Autofahrer. Meine erste Reaktion auf die mir bis dato völlig unbekannte Musik ist: Hätte ich im Soundcheck mitgecheckt, wäre THE NIGHT ETERNAL Soundchecksieger geworden! Die Mucke läuft mir deutlich besser rein als VOYAGER, Ästhetik und Klang passen mir deutlich besser. Und auch ich kann noch ein Album in die Runde schmeißen, an das mich diese Musik erinnert, nämlich "Sister" von IN SOLITUDE. Das ist eines meiner Lieblinge neuerer Zeiten.

Allerdings spüre ich auch die Richtigkeit von Meister Wilkens' Kritik: Über die Gesamtspielzeit flacht die Euphorie ein wenig ab, die Lieder wirken etwas redundant. So ist, anders als für Marcel, bei mir nach 43 Minuten erstmal Schluss. Das heißt nicht, dass ich vom Gehörten genervt wäre, sondern eher, dass ich eine Pause brauche. Denn ich werde diese Platte garantiert wieder auflegen. Die Musik ist nämlich im Detail sehr interessant, teilweise mitreißend, und man vergisst sie so schnell dann doch nicht. Ob ich hier auf Notenlevel von Holger, Maik oder Julian komme, kann ich weder prophezeien noch ausschließen, aber dieser leicht okkulte, dunkelmelodische Vibe zieht mich eher an als runter. Es ist nur so, dass es einige tolle Bands mit ähnlichen Ansätzen gibt, und ich bin mir noch nicht sicher, ob THE NIGHT ETERNAL ebenbürtig ist. Gerade läuft 'Between The Worlds': Ja, das fetzt schon! Die Tendenz geht also auf jeden Fall gen Drumherum-Tanzen. Ist auch gesünder als zu Hause mit dem Auto um die Stereoanlage zu zuckeln.

Note: 8,5/10
[Thomas Becker]

Redakteur:
Thomas Becker

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