Gruppentherapie: WITHERSCAPE - "The Inheritance"
03.08.2013 | 11:13Gruppentherapie zum Soundcheck-Zweiten im Juli: Dan Swanös neues Baby WITHERSCAPE.
Dan Swanö ist schon ein schillernder Name in der Metalszene. Er hat sich seine Meriten sowohl im Death Metal (z.B. EDGE OF SANITY) als auch im Prog-Metal-Bereich verdient und gilt als Qualitätsgarant. Sein neues Baby heisst WITHERSCAPE, für das Swanö zudem den Multi-Instrumentalisten Ragnar Widerberg in Boot holte.
"The Inheritance" schaffte es aus dem stand auf das POWERMETAL.de-Stockerl (Platz 2 im Juli-Soundcheck), doch Oliver Passgang war sich in seinem Hauptreview nicht so sicher, wem man die Scheibe denn nun ans Herz legen kann. Kann hier die Gruppenthearpie aushelfen?
Als die Ankündigung kam, dass Dan Swanö mit Ragnar Widerberg ein neues Prog-Death-Metal-Projekt namens WITHERSCAPE an den Start bringen will, war die Freude natürlich groß. Immerhin war bereits sein sehr progressives Soloalbum "Moontower" ein echtes Meisterwerk und er hat auch mit seinen anderen Projekten (wie zum Beispiel ODYSSEY und PAN.THY.MONIUM) bewiesen, dass Qualität stets über Quantität geht. Auf "The Inheritance" bleibt Swanö seiner Linie auf jeden Fall treu. Ein Song wie zum Beispiel 'Astrid Falls' strotzt nur so vor klassischen Prog-Ideen und kann sich durchaus mit dem Schaffen eines Mikael Åkerfeldt messen. Unglaublich spacig und psychedelisch muten diese Melodien an. Allerdings sind auch todesmetallische Einwürfe zu finden, die ihren Platz durchaus behaupten können und sich sehr schlüssig mit den abgedrehten Seventies-Sound verbinden. Ein wenig schimmert in diesen Momenten das zeitlose EDGE OF SANITY-Meisterwerk "Purgatory Afterglow" durch, das auf ewig seinen Sitz im Todesblei- Olymp sicher haben wird. Erfreulicherweise verliert man im Gegensatz zu vielen anderen Prog-Bands zu keinem Zeitpunkt die Songdienlichkeit aus dem Auge, und ein fetter Groove wie bei 'Dead For A Day' oder 'Math Of The Myth' ist keine Seltenheit. Der einzige Kritikpunkt, den ich bei dieser ansonsten fulminanten Platte finden kann, ist, dass es an manchen Punkten der Platte ein wenig zu gefällig wird. "Poppig" wäre zwar das falsche Wort, aber ab und an klingt man zu sehr wie eine amerikanische Standard-Rock-Band (siehe den Beginn von 'Dying For The Sun'). Zum Glück sind solche Ausreißer eher die Ausnahme, führen aber dazu dass "The Inheritance" ein halbes Pünktchen verloren geht. Trotzdem gehört es definitiv schon jetzt zu den besten Alben des Jahres.
Note: 9.5/10
[Adrian Wagner]
Der OPETH-Einfluss ist auf "The Inheritance" nicht von der Hand zu weisen. Was die beiden Herren von WITHERSCAPE jedoch nicht so gut schaffen, ist, die Songs trotz unterschiedlicher Ausrichtungen wie aus einem Guss klingen zu lassen. Das Resultat: Es klingt schrecklich aufgesetzt. Schon der ruhige Part im ersten Song 'Mother Of The Soul' passt mal so gar nicht ins Songgeschehen. Das gleiche Spiel in 'Astrid Falls': Die Übergänge sind an den Haaren herbeigezogen. Derweil gefällt mir der Klargesang mit viel Ausdruckskraft und schöner Klangfarbe richtig gut. Auch die gradlinigen, melodiösen Parts wissen zu gefallen. Das heißt im Umkehrschluss: Wann immer versucht wird, das Klangspektrum auszubauen, tendiere ich zum Skippen des Parts beziehungswiese des Songs. "The Inheritance" hat wie beschrieben ganz klar auch starke Momente, die in Zukunft ausgebaut werden sollten. So ist "The Inheritance" nicht progressiv, sondern berechnet.
Note: 7,0/10
[Jakob Ehmke]
Komisch, Jakob, mir kommt "The Inheritance" ganz und gar nicht aufgesetzt und berechnend vor, sondern ehrlich und authentisch. Hier haben sich zwei ausgezeichnete Musiker gefunden und ihrer Kreativität freien Lauf gelassen, ohne auf profanes Schubladendenken zu achten. Klar wird es Menschen geben, die das WITHERSCAPE-Debüt weder Fisch und Fleisch und zwischen alle Stühle gesetzt finden. Was dieses Album aber zusammenhält, ist nicht ein stilistisches Etikett, sondern eine ganz besondere Atmosphäre, die kein Zweiter so hinbekommt wie Dan Swanö. Entstanden ist auf diesem Wege eine eigenwillige Wundertüte voller düster-melancholischer Geschichten, die zwischen Prog Rock und Death Metal so ziemlich alles abdecken, womit sich der Meister in den letzten Jahrzehnten befasst hat. "The Inheritance" ist spannend von der ersten bis zur letzten Minute, ein anregendes und faszinierendes Album. Die Kehrseite dieser Medaille ist, dass es den Songs hin und wieder und kompositorischer Stringenz und Markanz fehlt. Aber perfekt durchgestylte, stromlinienförmige Platten gibt es mehr als genug auf dem Markt. Und darum ist der Konsum von "The Inheritance" auch stets ein wohltuender Genuss!
Note: 8,5/10
[Martin van der Laan]
Adrian redet hier von "klassischen Prog-Ideen" und "unglaublich spacigen und psychedelischen Melodien". Martin spricht von einer "besonderen Atmosphäre". Aha. Und das soll alles auf der CD, die ich hier gerade zum zweiten Mal höre, zu finden sein? Nun, ich höre hier Prog Metal mit gelegentlichem Grunzgesang, der alles in allem grundsolide und professionell vorgetragen wird und mitunter seine Momente hat. Mitte/Ende der Neunziger wäre das sogar noch originell gewesen, weil die OPETH-Alben wie "Orchid" oder "Morningrise" noch ein dunkles Schattendasein führten. Aber heute haut mich so eine nette Prog/Death-Mixtur (die immerhin Herr Swanö mit erfunden hat, Ehre, wem Ehre gebürt!) nimmer besonders aus den Latschen. Zudem gibt es auf dem Album sogar einen richtigen Störenfried für meine Ohren und das ist erstaunlicherweise nicht der (gute!) Growl- sondern der Cleangesang. Der klingt nämlich manchmal wie bei diversen Teutonenmetalbands mit einem übetriebenen rauhen Unterton, was irgendwie überhaupt nicht zur Musik passen will. Komisch, dass genau dies Jakobs Pluspunkt ist. Ansonsten bin ich ziemlich auf seiner Linie, denn ich befürchte, "The Inheritance" liefert wieder Wasser auf die Mühlen derer, die erwarten, überall, wo Prog drübersteht, müsste im Wortsinn "progressives" dahinter stecken. Davon gibt es auf dem Album aber keinen einzigen Ton. Und die Atmosphäre such ich auch grad noch vergebens. Was auch am fast klinisch toten Sound liegen kann...
Note: 6,0/10
[Thomas Becker]
Ich verstehe die Leute nicht. Klingt eine Platte zu sehr nach einem bestimmten Genre, gilt es als langweilig. Ist aber ein Künstler bereit, die musikalischen Extreme nach seinem Gusto auszuloten und seine Kreativität nicht von Stilmerkmalen kastrieren zu lassen, steht die Mucke zwischen den Stühlen. Wahrscheinlich bin ich in der glücklichen Position, mit beiden Ecken des Swanöschen Klangkosmos gut klarzukommen. In dieser Hinsicht kann ich mich Martin nur anschließen, denn WITHERSCAPE beglückt uns mit einer tollen Story, die inhaltlich und musikalisch absolut fantasievoll und mitreißend ausgestaltet wird. Was die Angelegenheit noch besser macht als es meine Note suggerieren mag, ist das Wachstumspotenzial der Scheibe. Mittlerweile habe ich "The Inheritance" öfter nach als vor der Notenabgabe gehört und meine 8/10 erscheint mir beinahe einen Zähler zu niedrig. Dennoch gilt: Der Reiz eines guten Albums manifestiert sich natürlich nicht in ordinalskalierten Variablenwerten. Wer also auch nur ansatzweise mit dem Werk Swanös vertraut ist, keine Scheuklappen aufhat oder schlicht und einfach großartige Musik und durchdachte Texte mag, muss "The Inheritance" unbedingt antesten.
Note: 8,0/10
[Nils Macher]
Mehr zu diesem Album:
Soundcheck 07/2013
Review von Oliver Passgang
- Redakteur:
- Thomas Becker