HEAVEN SHALL BURN: Interview mit Maik Weichert (Teil 1)

06.06.2013 | 07:26

Wenn kein Blatt vor den Mund genommen wird, brennt die Luft tatsächlich häufiger mal.

HEAVEN SHALL BURN legt mit dem aktuellen Output "Veto" ein Meisterwerk vor, welches die Konkurrenz ganz schön alt aussehen lässt. Und da die Thüringer Gruppe auch ansonsten immer eine Menge zu erzählen hat, nahmen wir die aktuelle Veröffentlichung zum Anlass für ein ausführliches Gespräch mit Hauptsongwriter, Texter und Bandkopf Maik. Ein Interview, das weit über die Musik hinaus geht.

 

Zu Beginn erst einmal: Glückwunsch zum neuen Album!

Vielen Dank! Wir haben noch nie so gutes Feedback für eine Platte bekommen. Das ist echt krass.

Mein Eindruck ist, dass ihr nun etwas technisch versierter zugange seid. Habt ihr heimlich geübt?

Das ist schon eine Entwicklung. Wir haben mehr geübt, aber wir haben beim Einspielen und Aufnehmen darauf geachtet, dass es viel akkurater ist. Wir haben früher oft mehr nach Feeling gespielt. Heutzutage sitzt du ja vor dem Computer und da werden Gitarrenriffs und 10-Sekunden-Stücken aufgenommen und zusammengeflickt. Das haben wir eigentlich nie gemacht, auch jetzt nicht. Früher haben wir einen Part komplett durchgespielt, damit das Feeling stimmt und heute haben wir schon genauer darauf geachtet und das in kleinere Stücke zerteilt. Und dadurch klingt es akkurater, denke ich. Wir haben uns allerdings auch ein wenig von Egoismen befreit. Ich schreibe zwar die Songs, aber unserer anderer Gitarrist Ali [Alexander Dietz - OP] ist ein viel, viel besser Gitarrist als ich, und wenn ich dann mal etwas nicht so gut hinbekomme, habe ich ihm die Gitarre in die Hand gedrückt und dann hat er das aufgenommen. Umgedreht genau so. Das hat dann auch noch einmal eine Qualitätssteigerung gebracht.

Die "Iconoclast"-Reihe ist ja nun abgeschlossen. Dadurch gab es jetzt eine Art "Neuanfang". Gab es dafür irgendeine Zielvorgabe?

Nein, das gar nicht, aber es war schon irgendwie befreiend. Vor allem textlich musste ich nun kein bestimmtes Thema mehr bearbeiten, sondern konnte schreiben, worauf ich Bock hatte. Insofern war ein Neuanfang nach so einer Konzeptreihe echt cool. Große Zielvorgaben haben wir ansonsten eigentlich nie. Ich setze mich hin, nehme die Songs auf, Ali sagt als Produzent seine Meinung dazu und dann geht das so seinen Gang. Wir wissen selbst meist nicht, was dabei am Ende herauskommt.

Würdest du sagen, dass es das bis jetzt abwechslungsreichste Album von euch ist?

(überlegt lange) Ich weiß nicht, ob "Antigone" weniger abwechslungsreich ist. Das könnte ich gar nicht so sagen. Aber im Zusammenhang mit dem Sound, der auch eben diese verschiedenen Emotionen erlaubt, ist es schon abwechslungsreich. Früher war das auch immer so laut gemastert und gemixt, dass selbst eine ruhige Passage gar nicht so richtig Ruhe ausgestrahlt hat. Insofern könnte ich das vom Feeling her schon unterschreiben.

Der Titel des Albums kommt dieses Mal ohne Umschweife auf den Punkt. Ist es für euch wichtiger geworden, Widerstand zu zeigen und die Leute direkt darauf zu stoßen? Ist es von den Leuten auch manchmal zu viel verlangt, sich mit den Texten auseinanderzusetzen, sodass ihr hier etwas "plakativer" zu Werke geht?

Plakativ zu Werke zu gehen, ist immer ein sehr schmaler Grat. Man wird dann sehr schnell unglaubwürdig oder es verkommt zu einem Klischee. Also ganz am Anfang der Band habe ich auch immer gedacht: "Du gibst dir da so viel Mühe und es kümmert sich eh keiner um die Texte.", aber es ist echt erstaunlich, wie viele Leute sich damit beschäftigen. Ich hatte am Anfang nicht gedacht, dass wir für die Texte immer so viel Feedback bekommen. Es gibt viele Leute, die sich melden, die sich Gedanken darüber machen und eine Meinung äußern; oft auch eine ganz andere Meinung haben. Da ist wirklich mehr, als man denkt.

Dann lass uns doch nun mal auf ein paar einzelne Songs von "Veto" zu sprechen kommen. Beginnen wir da mal mit dem Opener 'Godiva', was für eure Verhältnisse eine sehr melodische Nummer ist. Zudem steckt dahinter ja eine Geschichte.

In dem Song geht es um Lady Godiva, die wir als eine Art Symbol für die heutige Situation gebrauchen. Sie war eine Frau, die Macht hatte, war eine Adlige und war sich trotzdem ihrer Verantwortung der ärmeren Bevölkerung gegenüber bewusst. Das ist etwas, was in unserer heutigen Gesellschaft verloren gegangen ist. Die sogenannten Eliten oder Machthaber oder Regierenden schotten sich ab und sind sich ihrer Verantwortung der Gesamtbevölkerung gegenüber nicht mehr bewusst. Dass sie etwas zu leisten haben, dass sie etwas abzugeben haben. Stichwort Steuer-CDs und so weiter. Lady Godiva ist eine Machthaberin, die sich eingesetzt hat. Das ist ein cooles Symbol, was heute auch leuchten sollte. Das transportiert diese Geschichte nämlich ein wenig in die Gegenwart.

Ihr messt diesem Song auch eine große Bedeutung bei: Es ist der Opener, Lady Godiva ziert das Cover und zudem ist es für mich auch der musikalisch stärkste Track der Platte. Dieses Thema scheint also ein zentrales Anliegen für euch zu sein.

Es ist sogar noch zentraler, weil diese Art, wie Lady Godiva gehandelt hat, auch eine Möglichkeit ist "Veto" zu sagen, weil sie sich gegen die bestehenden Verhältnisse aufgelehnt hat.

Fasziniert euch vor allem der gewaltlose Widerstand?

Gewaltloser Widerstand, vor allem wenn er erfolgreich ist, ist am Beeindruckendsten, auf jeden Fall. Das ist auch bei Leuten wie Gandhi oder so nicht anders.

Im Video zu 'Hunters Will Be Hunted' habt ihr nun auch eine nackte Frau. Ist das auch noch einmal eine Anspielung auf Lady Godiva?


Um diese Nacktheit geht es da schon. So ein nackter, unbewaffneter Protest hat einfach eine große Symbolik. Das sieht man ja auch bei den Femen-Aktivistinnen, die bei Putin nackt auf die Bühne springen oder ähnliches.

Bei euch bzw. im Metalbereich allgemein stehen klare, plakative Texte, die oberflächlich betrachtet zur Gewalt aufrufen, dann häufig im Gegensatz zur gewaltlosen Aussage dahinter.

Es sind verschiedene Geschichten, die erzählt werden. Das ist kein Statement, was HEAVEN SHALL BURN ausmacht. Ich denke, man würde sich limitieren, wenn man sich nur auf eine Art von Widerstand festlegt. Manchmal muss man listig sein, manchmal plakativ, manchmal völlig gewaltfrei. Es gibt sicherlich auch Situationen, in denen Gewalt mal gerechtfertigt wäre. Da gibt es in der Geschichte auch genug Beispiele.

'You Will Be Godless' ist der wahrscheinlich härteste Song der ganzen Platte und geht gegen die katholische Kirche. Häufig ist die Kritik an eben jener aber recht flach. Wo setzt ihr konkret an?

Mich stört die Manipulation der Menschen und die arrogante machterhaltende Dogmatik, die da transportiert wird mit all der Ambivalenz, die dadurch entsteht. Die katholische Kirche hat architektonisch, teilweise sogar wissenschaftlich Großartiges wie auch Abstruses geleistet: Gebäude für die Ewigkeit und irgendwelche wissenschaftlichen Fehlritte, die heute immer noch unterwegs sind. Die sind sich aber ihrer Verantwortung der Menschheit gegenüber nicht bewusst. Jede Aktion, die diese Kirche unternimmt, dient dem Machterhalt, selbst wenn es Reformen wären. Das ist genau das, was die Leute nicht sehen. Vielen denken sich: "Oh, da ist jetzt ein neuer Papst, der kommt ja ganz sympathisch und menschlich herüber, da wird der jetzt bestimmt endlich mal was sagen zu Missbrauchsskandalen, Vergewaltigungen in der Ehe, Verhütung, zum Zölibat von Priestern..." Das ist diese westliche Denkweise. Das sind überhaupt nicht die Probleme, die die katholische Kirche auf dem Schirm hat. Der rennen in Südamerika die Leute weg. In Afrika ist sie auf dem aufsteigenden Ast, dort muss sie weiter agieren. Das sind die Probleme, die die haben. Deshalb ist ein Argentinier Papst geworden und nicht damit ein paar kleine Probleme, die den Leuten im Vatikan eh scheissegal sind, geregelt werden. Ein Zentraleuropäer, der sich derzeit etwas von der katholischen Kirche erhofft, dem ist nicht zu helfen. Selbst innerhalb der katholischen Kirche sind die Reformbewegungen wie "Kirche von unten" mittlerweile komplett abgekoppelt vom Vatikan. Es gibt katholische Theologen, denen wurden Lehrbefugnisse entzogen, weil sie selber andere Dogmen verbreiten und reformierter agieren als die Kirche selbst. Das ist auch gar kein homogener Block an sich.

Funktioniert die Kirche genau so wie eine machthabende Gruppe in der Politik?

Das ist eine machthabende Gruppe in der Politik! Deutschland bezeichnet sich als säkularisierten Staat, aber es werden jährlich noch immer zig Millionen aus staatlichen Steuern an die Kirche gezahlt. Ich kann da die Trennung von Kirche und Staat irgendwie nicht erkennen. Es sind selbst in unserer Verfassung noch Kirchenartikel von der Weimarer Verfassung in Kraft, die der Kirche immer noch bestimmte Befugnisse ermöglichen, auf die sich da berufen wird. Die Trennung von Kirche und Staat ist nicht so weit fortgeschritten, wie es unsere Verfassung eigentlich haben will. Komplette gesellschaftliche und staatliche Aufgaben, gerade im sozialen Sektor, sind ausschließlich der Kirche übertragen. Wenn du die ganzen Sozialträger siehst und wie dort Arbeitsrecht mit Füßen getreten wird... Da ist mit der CDU eine religiöse Clique an der Macht, die mit Geld verdienen auch kein Problem hat, weshalb sie mit der FDP so gut hinkommen. Das sind BWL'ler, die beim Beten Geld verdienen.

Zielt eure Kritik nur auf die organisatorische Ebene ab oder auch auf konkrete wie der Fall einer vergewaltigten Frau in Köln, die nicht ins Krankenhaus aufgenommen wurde, oder auf die Missbrauchsskandale der letzten Jahre?

Das sind alles wichtige Punkte. Diese Missbrauchsskandale gibt es sicherlich in jeder größeren Institution. Du könntest auch beim Deutschen Sportbund sagen: "So und so viele Trainer von euch haben sich an Schützlingen vergangen!" Die Frage ist immer: Wie gehe ich damit um? Wie ehrlich ist das, was ich wieder gut machen will? Da hat die katholische Kirche völlig versagt. Und um nicht nur auf der katholischen herumzuhacken: Bei der Trennung von Kirche und Staat spielt natürlich auf die evangelische eine große Rolle. Angela Merkel ist bspw. evangelisch und auch viele Sozialträger sind in evangelischer Hand. Da geht auch eine Menge Scheisse ab.

Der nächste Track, auf den ich zu sprechen kommen will, hat zumindest auch Gott im Titel: 'Like Gods Among Mortals'. Gib zu, das ist eine Hommage an eine Lieblingsband von dir!

BOLT THROWER, auf jeden Fall! Das hört man ja auch musikalisch.

Ist die deutsche Regierung, die scheinbar so friedlich ist, scheinheilig im Bezug aufs Waffengeschäft?

Die ist scheinheilig im Sinne der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, weil Waffengeschäfte demokratisch so gut wie gar nicht kontrolliert werden. Die einzige Gewalt, die sich da noch durchsetzen könnte, ist der Journalismus. Aber der ist da völlig außen vor, da so etwas in geheimen Ausschlüssen beschlossen wird. Da können Waffen in Länder verschoben werden wie man will. KraussMaffei, Blohm + Voss und weitere Rüstungskonzerne sind da dick dabei und lenken die Bundesregierung nach Belieben. Und das nicht nur bei einer CDU-Regierung, das ist auch bei einer SPD-Regierung nicht anders gewesen.

Die Politiker sind nur die Ausführenden.

Ja, es ist offensichtlich, dass Angela Merkel selbst gar keine Gestaltungsmacht besitzt oder dass Gerhard Schröder von Finanz- und Energiekonzernen gelenkt war. Das ist diese Illusion von Demokratie, die dort aufrechterhalten wird. Das ist auch das, was mich ankotzt. So meint es das Grundgesetz nicht.

Der letzte Song des Albums hat kaum Lyrics. Ich bezeichne es mal als instrumental, dass nur durch Vocals aufgelockert wurde, und halte es für eure beste Arbeit dieser Art bisher. Woher kam die Inspiration hierzu? Am Ende klingt er schon sehr hell.

Das war eher ein Zufallsprodukt. Eigentlich war das mal als Zwischenpart in einem Song geplant, dass man dort mal einen Ausflug macht, und hat sich dann zu einem ganz eigenen Track entwickelt. Wenn ich das höre, denke ich, dass vielleicht ein METALLICA-Fan so eine Nummer schreiben könnte. In der Tradition sehe ich ihn am ehesten.

 

Im zweiten Teil sprechen wir über eine kleine Krefelder Band, den (Un-) Sinn von zig Versionen eines Albums sowie die beste Promo, die man bekommen kann!

Redakteur:
Oliver Paßgang
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