HEAVEN SHALL BURN: Interview mit Maik Weichert (Teil 2)

04.07.2013 | 07:44

Der zweite Teil des Interviews der Statements.

Nachdem Maik Weichert im ersten Teil schon einiges zum aktuellen Album "Veto" erzählt und sich bezüglich kritischer Themen sehr deutlich positioniert hat, steht der zweite Teil diesem in nichts nach.

 

Kommen wir zum Cover-Song: Im Herzen Hardcore, aber auf die Ohren Metal?

Also, ich habe immer Metal und Hardcore gehört. Ich habe irgendwann als Metalkind angefangen und habe dann begonnen, mich für Politik zu interessieren. Da habe ich im Hardcore viele Bands gefunden, die das auch in der Musik transportiert haben. Aber ich höre auch BLIND GUARDIAN schon ewig, habe sie 1992 das erste Mal live gesehen und bin seit jeher Fan. Wir wollten halt mal eine traditionelle Nummer heraushauen, wo die Leute ein wenig überrascht sind, gerade jetzt, wo jeder RIHANNA oder was weiß ich covert und denkt, dabei besonders hip sein zu müssen. Da wollten wir uns mal auf die Tradition besinnen. Wir haben es einfach mal probiert und das es am Ende so gut funktioniert, hätten wir anfangs auch nicht gedacht.

Es hat offensichtlich so gut geklappt, dass Hansi Kürsch gesagt hat: "Da bin ich dabei!"

Da war ich auch echt aufgeregt, da anzurufen: "Hallo Herr Kürsch...". (lacht) Aber das sind echt coole und nette Typen. Er hat das Zeug um die Weihnachtszeit eingesungen, das hat echt Spaß gemacht.

Wie groß ist die Chance, das mal live zu erleben, wenn ihr zufälligerweise gleichzeitig auf einem Festival seid?

Wir haben schon überlegt, ob wir das live umsetzen, aber es wäre schade, wenn man das ohne richtige Chöre oder ohne Hansi macht. Das ist dann etwas für eine besondere Gelegenheit, wenn man mal zusammentrifft. Die BLIND GUARDIAN-Jungs machen aber auch keine halben Sachen. Wenn die das Gefühl haben, das wird nicht so toll, dann lassen die das.

Ein weiterer Cover-Track ist 'European Super State' (enthalten in der Bonusversion von iTunes - OP) von KILLING JOKE, der ja schon so weit von eurem Stil entfernt ist, dass man denken könnte, es handle sich um eine andere Band. Wer ist die Sängerin und was war eure Idee dahinter?

Die Sängerin singt in einer Rockband und ist die Freundin von Ali. Und ja, da haben wir einfach mal etwas ausprobiert. Wir hatten auch Bock, sound- und riffmäßig mal einen auf RAMMSTEIN zu machen, ohne dass einem einer böse ist. 'European Super State' ist jetzt kein Klassiker von KILLING JOKE, aber passt halt thematisch auch gerade zur Eurokrise und das fanden wir als Statement ganz gut. Da haben wir uns einfach mal ausgetobt. Das wird sicherlich nicht jedem gefallen, aber ich bin echt begeistert von dem Song. Es hat riesengroßen Spaß gemacht und ist mal etwas anderes.

Nun zum Skandalsong der Nation. Wie dankbar seid ihr der Bild-Zeitung für so eine Promo zum Release-Tag?

Megadankbar natürlich! Das kann ja eigentlich niemand besser planen. Vor allem, wenn das auch noch so überzogen ist und Deutschlands Oberjäger auch noch so dumm ist und darauf einsteigt, dann nimmt man die Vorlage gerne mit. Das war sogar einer der Top5-Artikel an dem Tag neben Boston-Bomber, Jenny Elvers Ehe und irgendetwas mit Dieter Bohlen. (lacht) Das hat uns natürlich auch von der Jägerseite her großen Beifall gebracht. Aber jeder, der sich ernsthaft mit HSB beschäftigt, weiß genau, was er von der Sache zu halten hat.

Dann bekommst du nun die Möglichkeit darzulegen, worum es in dem Song 'Hunters Will Be Hunted' tatsächlich geht.

Grundsätzlich geht es von der Idee her um Sea Shepherd (Umweltschutzorganisation, die sich gegen Verbrechen auf den Weltmeeren engagiert - OP), worauf sich der Text auch am meisten bezieht. Die setzen mit Gewalt gegen Gegenstände internationales Völkerrecht durch, wozu sich auch das Recht haben. Da begeht niemand Rechtsbruch.
Und in einem übertragenen Sinne hat es damit zu tun, dass irgendwelche Leute als Hobby in den Wald gehen und Tiere töten müssen, nur weil sie irgendwelche Komplexe haben und zuhause nicht klarkommen oder weil sie in der Anwaltskanzlei Stress haben, sie als Arzt zu viel arbeiten oder die Ehe kaputt ist, um genau das zu kompensieren. Ich war in Thüringen bis ich 14, 15 war beim Jagdhornblasen und bei genug Jagden dabei. Da habe ich bei Treibjagden genug besoffene Idioten gesehen, von denen einem die Schrotkugeln um die Ohren geflogen sind und die zu dumm zum Schießen waren, wo die Tiere dann noch kilometerweit angeschossen weiterlaufen und dann eventuell ihr Leben lang verkrüppelt sind. Da wird immer so viel vom waidmännischen Fachmannstum gesprochen, vom grünen Abitur und so, aber da sind im Wald ein Haufen Vollidioten unterwegs, die dort nichts zu suchen haben. Und gegen die ist der Song auch.

Es ist aber vielleicht wichtig zwischen den Hobbyjägern, die das aus Spaß an der Freude machen, und den richtigen Jäger, die sich ganz bewusst...

(unterbricht) Jäger... Da rede ich dann eher von Förstern oder so. Das ist jemand, mit dem ich vermutlich großteils ernsthaft und vernünftig diskutieren kann. Mit dem kann man diskutieren, was es heutzutage für andere Methoden gibt. Man kann heutzutage einen Karpfen für 3000 Euro operieren lassen und da wollen die mir erzählen, dass man Wildhege- und pflege nur mit der Schrotflinte durchziehen kann. Das ist kompletter Bullshit. Aber da gibt es genug Leute, mit denen man das auf einer sachlichen Ebene diskutieren kann.

Aber ein Jäger – oder Förster, wie du es nennst – der sich mit dem Prozess des Tötens auseinandersetzen muss, macht sich doch wahrscheinlich wesentlich mehr Gedanken um dieses Thema als ein Mensch, der einfach nur in den Laden geht und sich Fleisch kauft.

Ich sage gar nichts dagegen, dass es Leute gibt, die ihren Beruf ernsthaft ausführen! Auf jeden Fall. Um die Leute geht es in dem Song auch gar nicht in erster Linie. Ich bin zwar trotzdem der Meinung, dass sie in vielen Punkten Unrecht haben, aber die würde ich nicht auf diese Art und Weise kritisieren. Mir geht es eher um die Vielzahl an Leuten, die im Wald herumrennen und denen ich lieber keine Waffe in die Hand drücken würde, weil es unverantwortlich ist, wie diese handeln. Das Saubermannimage, was auch der Jagdschutzverband immer promoten will, entspricht einfach nicht der Wirklichkeit. Die sehen seit Jahren nicht ein, dass sie keine bleihaltige Munition mehr verwenden sollen. Der Boden wird verseucht und Schwangere dürfen noch nicht einmal mehr Wildfleisch essen heutzutage, weil sie vielleicht ein bisschen zu viel Blei zu sich nehmen könnten. Dabei ist es überhaupt kein Problem, andere Munition zu verwenden, aber die bekommen das überhaupt nicht auf die Kette. Sie denken, dass wäre unwaidmännisch. Und das ist nur mal ein Beispiel.

Kommen wir nun zur Produktion: Wie kamt ihr überhaupt auf die Idee, zwei Versionen produzieren zu lassen?

Colin Richardson hat uns angeschrieben und war interessant daran, die Platte zu mixen, aber wir waren zu der Zeit natürlich auch schon mit Tue Madsen zugange. Aber wir wollten uns natürlich nicht die Chance nehmen lassen, mit so einer lebenden Legende zu arbeiten. Ich bin mit den Platten von BOLT THROWER, NAPALM DEATH und so weiter groß geworden, die er produziert und ein Stück weit auch mit so groß gemacht hat. Und da haben wir dann beschlossen: "Gucken wir mal, was uns besser gefällt!" Am Ende hatten wir dann die Misere, dass wir beides geil fanden. So haben wir halt beides veröffentlicht und da die Leute dafür nichts extra bezahlen müssen, denke ich, dass das eine ganz coole Sache ist. Die Mixe sind auch unterschiedlich, weshalb die eine Version genau so Freunde finden wird, wie die andere. Auf der normalen CD ist der von Tue Madsen, auf der LP der von Colin Richardson – und den anderen gibt es jeweils als CD dazu.

Was bei beiden Mixen auffällt, ist, dass sie im Vergleich zum Vorgänger zurückgenommener sind. Sie klingen organischer und reduzierter. Hattet ihr ein Einsehen, dass "Invictus – Iconoclast III" einen Tacken zu dick aufgetragen war?

Ja, auf jeden Fall! Das ist auch oft als Kritik geäußert worden. Und das ist auch berechtigte Kritik. Auch wenn jetzt Reviews reinkommen, lese ich mir vor allem immer die negativen durch, weil da was drinsteckt, was man als Verbesserungsvorschlag nehmen kann. Gerade wenn sie sachlich geschrieben sind. Die sind dann sogar immer ein Stückchen wertvoller. Tue Madsen hat uns auch immer gesagt, dass wir da etwas zu viel wollten, aber das wollten wir nicht wahr haben. Nun mussten wir ihm dann Recht geben. Da brauchen wir nicht drumherum zu diskutieren.

Stichwort Veröffentlichungspolitik: Ich als Platten- und CD-Käufer komme mir etwas vereimert vor, wenn es iTunes-only-Tracks gibt.

Wieso kommst du dir da veralbert vor?

Weil ich sie nicht physisch kaufen kann. Ich habe die Platte bestellt, habe die CD bestellt in den Versionen, die es so gibt, und trotzdem habe ich nicht alle Songs. Das ist für mich als CD-Liebhaber sehr ärgerlich, denn ich habe ja gutes Geld dafür bezahlt.

Das sehe ich durchaus ein und da gibt es auch nichts, womit ich das Argument entkräften kann. Das passiert einfach nur, um das iTunes-Produkt attraktiver zu machen, damit das mehr Leute dort runterladen, weil das heutzutage auch für die Charts sehr relevant ist. Das ist einfach ein Marketing-Ding, ganz klar.

Kann man die Argumentation nicht auch genau andersherum aufziehen und sagen: Eben weil die CD oder LP einen Mehrwert haben muss, sollte man da Extras draufpacken, damit die Leute auch wirklich in den CD-Laden gehen und sich das Teil kaufen?

Ja gut, das sieht man schon, wenn man das fertige Produkt in der Hand hat, dass wir uns da etwas mehr Gedanken gemacht haben als die Durchschnittsband. Und ganz ehrlich: Wir würden viel mehr Geld an dem Release verdienen, wenn wir nicht so viel Zeug in so eine Box hineinpacken würden, nicht noch eine extra Farbe aufs Cover drucken... Das bekommt man vom Plattenlabel heutzutage natürlich auch alles abgezogen. Wenn ich jetzt aber als Jurist Diskussionsmethoden anwenden würde, könnte ich das natürlich auch umdrehen und sagen: Da würden sich die iTunes-Kunden verarscht vorkommen, wenn irgendetwas extra auf der CD ist.

Damit setzt ihr den iTunes-Käufer quasi fast schon über den CD-Käufer.

Aber der bekommt doch keinen kostenlosen Gürtel, keine extra Box oder irgendetwas. Da muss man sich dann natürlich entscheiden. Wenn du heutzutage von Enttäuschungen gefeit sein willst, dann muss ich dir raten, beide Ufer zu betreten, also physisch zu kaufen und downzuloaden. Und solche Leute sind natürlich den Bands und Plattenfirmen am liebsten. (lacht) Davon abgesehen wird der Track aber sicher auch für Leute, die unsere Sachen physisch haben wollen, mal irgendwo auf einer Metal Hammer- oder Rock Hard-CD veröffentlicht werden.

Dann will ich nun noch einmal kurz auf die aufwendigen und schicken Boxen zu sprechen kommen. Wer kam auf die grandiose Idee mit der Trillerpfeife?

Das war meine Idee! Natürlich soll da niemand vor der Box knien und sagen: „Boah, was für eine geile Trillerpfeife!“ (lacht) Das ist natürlich ein 15 cent-Plastikartikel aus Deutschland. Das war die einzige, die aus Deutschland kam und auch noch 5 cent teurer pro Stück als die China-Pfeife war! Das sollte einfach nur symbolisch für "Veto" stehen. Wenn man auf die nächste Demo geht, dann hat man eine Trillerpfeife. Ich war neulich auf einer Anti-Fascho-Demo und da habe ich zuhause eine Stunde lang gesucht, bis ich eine alte Pfeife gefunden habe. Jetzt habe ich genug! (lacht) Und es ist auch die lauteste, die man so kriegen kann. Das zwar das zweitwichtigste Kriterium nach "Made in Germany". Letztens meinte dann aber ein Kind im Internet, ob wir denn gar keine Angst hätten, dass bei den nächsten HSB-Konzerten nur noch Trillerpfeife zu hören sind...

Wie die Vuvuzelas bei der WM.

Ja, darüber haben wir gar nicht nachgedacht. Hoffen wir mal, dass es anders kommt. (lacht)

HEAVEN SHALL BURN ist jetzt mittlerweile seit Jahren erfolgreich, wird in den Medien abgefeiert und fährt erfolgreiche Touren im In- und Ausland. Warum wagt ihr nicht den Sprung zur Profiband?

Das hat sich in unser Leben nun so eingefügt, dass es als Profiband auch gar keinen Spaß machen würde. Das machen viele Bands auch nur, weil sie es müssen. Die würden auch lieber manche Wochenende zuhause sein anstatt auf Tour zu gehen. Wir haben derzeit eigentlich das bessere Leben und sind erfolgreicher als manche Bands, die das als Vollprofis machen. Das macht die Vereinbarkeit mit den anderweitigen Verpflichtungen auch leichter, weil sich viele Leute nun nach uns richten. Vielleicht ändert sich das aber auch wieder, wenn der Hype vorbei ist.

Zum Abschluss: Was reizt euch als Band jetzt bald nochmal so richtig, wo habt ihr Bock drauf, wo wollt ihr hin?

Wir sind mit dem Status Quo total zufrieden. Wir sind da wie Wölfe, die durch den Wald trotten und zwar satt sind, aber immer gucken, was sich als nächste Gelegenheit auftun kann. Es sind schon so viele Träume in Erfüllung gegangen und ich denke, die Split-7" mit RAMMSTEIN wird es nicht geben. (lacht)

Letzte Frage: Wann können wir wieder mit Matze hinter dem Schlagzeug rechnen?

Ich hoffe bald! Wenn wir jetzt die Tour für den Herbst anpeilen, hoffe ich, dass er da wieder am Start sein wird. Er hat bei den Jubiläumsshows auch schon ein paar Songs mitgespielt und ist da weiter fleißig am trainieren. Es gibt zwar immer mal Rückschläge, wenn die Verletzung wieder aufbricht, aber ich hoffe mal, dass das hinhaut.

Dann alles Gute an ihn und vielen Dank für das Interview!

 

Vielen Dank an Christian Stricker für die Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung des Interviews.

Redakteur:
Oliver Paßgang
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