HELLDRIFTER: Heftig Deftiges mit Billy Kolins
14.05.2025 | 23:18HELLDRIFTER ist zurück! Nach einem Debütabriss und einer nicht minder kraftvollen EP im vergangenen Jahr gibt es neues Melo-Death-Futter aus dem Schwabenländle. "Shell Of Inexistence" erklimmt dabei die nächste Sprosse der Karriereleiter und zeigt die Mannschaft um Frontmann und Shouter Billy in beeindruckender Form. Und genau den befragten wir zu aktuellen Themen wie der menschlichen Psyche, langjährigen Freundschaften, den Einfluss von Übersee und wagten gemeinsam den Blick in die Zukunft.
Hallo Billy, wie ist die Lage im HELLDRIFTER-Bandlager?
Hi Marcel, uns geht es sehr gut. Wir haben gerade die Dreharbeiten des Videos zur dritten Single 'Reckoning In Blood' abgeschlossen. Nun sind wir mit den Vorbereitungen zur Veröffentlichung des Albums beschäftigt.
Seit eurem "Lord Of Damnation"-Debüt sind dreieinhalb Jahre ins Land gezogen. Seitdem gab es eine EP und die Wechsel am Bass. Wie kam denn Felix zu euch und weshalb sind Adam und Igor gegangen?
Während der Entstehungsprozesse zu den Alben wurde klar, dass wir verschiedene musikalische Vorstellungen haben. Das war in beiden Fällen der Grund. Felix' musikalische Vision passte perfekt zu unseren Vorstellungen. Durch vorangegangene Projekte konnten wir dies bereits in Erfahrung bringen. Nun schauen wir alle in dieselbe Richtung und das Lineup hat sich etabliert.
Schon 2021 habe ich starke AT THE GATES- und ENTOMBED-Vibes heraushören kennen. Wie weit standen die Schweden denn Pate für euren Sound und gab es noch weitere Veteranen der Szene, die euch maßgeblich beeinflusst haben?
Alle in der Band sind große Fans der 90er-Death-Metal-Szene. Zu den bereits erwähnten Death-Metal-Legenden aus Schweden beeinflussen auch Bands wie CARCASS, DEATH und DARK TRANQUILLITY den Sound von HELLDRIFTER. Generell fangen wir den Sound des 90er-Death Metal ein und übertragen ihn in die aktuelle Zeit. Nun steht "Shell Of Inexistence" in den Startlöchern und verspricht ein absolutes Bollwerk zu werden. Ihr seid bei Violent Creek Records unter Vertrag gekommen. Wie kam das zustande und welche Möglichkeiten ergeben sich dadurch für euch auch im Hinblick auf die Veröffentlichung im Mai?
Erst einmal vielen Dank für deine vielversprechende Einschätzung zu unserem neuen Album. Das Signing bei Violent Creek Records war für uns der konsequente nächste Schritt, um ein breiteres Publikum zu erreichen und einen Teil der Arbeit abgeben zu können. Den Labelchef Lorenz Kandolf und mich verbindet bereits eine jahrelange Freundschaft. Vertrauensvolle, menschliche Beziehungen mit Menschen wie Lorenz, die meine Musik schätzen und auch mal ein paar Bierchen mit mir trinken, sind wesentlich wertvoller für mich als trockene Geschäftsbeziehungen.
Hach, der liebe Lorenz, cool! Die Melodien sind noch melodischer, der Death Metal noch tödlicher – worin liegen denn deiner Meinung nach die Unterschiede zwischen eurem ersten Album und der neuesten Dampframme?
Das erste Album entstand innerhalb eines Monats während der Pandemie. Wir hatten zu der Zeit unter den damals geltenden Bedingungen wenig Möglichkeiten uns auszutauschen und miteinander zu proben. Die gemeinsamen Aufnahmen im Studio waren ebenso wenig denkbar. Nun konnten wir viel mehr Zeit in die Aufnahmen, das Songwriting, den Austausch sowie den Feinschliff in der Produktion und ins Mastering investieren. Das neue Album "Shell Of Inexistence" hat einen Entstehungsprozess von eineinhalb Jahren und ist weit mehr als eine Erweiterung des ersten Albums. Es entspricht nun viel mehr unseren musikalischen Vorstellungen und der Version in unseren Köpfen.
Textlich geht es nicht um Regenbogen und Gummibärchen, sondern um das atomare Ende der Menschheit, Krieg, Suizid – all der starke Tobak eben. Wahrscheinlich müsste man sechs, sieben Alben zeitgleich herausbringen, um all das Grauen in Worte zu fassen, oder?
Die Realität, die Abgründe der menschlichen Seele und die täglichen Ereignisse haben großen Einfluss auf meine Texte. Was man täglich in den Nachrichten erfährt ist oftmals viel brutaler als Horrorfilme oder Videospiele. Das Paradoxe daran ist, dass es auf diesem Album Texte gibt, die ich bereits vor zehn Jahren geschrieben habe. Die Themen sind immer noch aktuell. Manche davon aktueller denn je. Gibt es in diesem Zuge denn einen Song, der textlich maßgeblich heraussticht für euch, der euch beim Texten die Kehle zugeschnürt hat?
Alle Themen sind sehr verschieden. Daher kann ich keine Rangordnung erstellen. Sie sind mir gleichermaßen wichtig und liegen mir am Herzen. Wenn ich in der Musik textlich nichts mitzuteilen habe, das für mich selbst eine Bedeutung hat, dann brauche ich es auch nicht zu veröffentlichen. Für jeden haben die Texte andere Bedeutungen, da jeder einen anderen Verlauf im Leben hatte und somit eigene Erfahrungen mitbringt. Ich freue mich immer, wenn das, was mich beschäftigt, auch für die Zuhörer/-innen eine persönliche Relevanz hat. Das macht meine Arbeit als Texter der Lieder so wertvoll.
Kommen wir zum Artwork: eine Granate! Giannis Nakos, der schon für SUFFOCATION oder MORBID ANGEL tätig war, hat es entworfen. Ein Ritterschlag für euch? Wie steht es in Verbindung zu dem Brutalo-Melo-Death-Abriss der Scheibe?
Zunächst hatte ich eine Vision des Covers, die sich in meinem Kopf festsetzte. Daraufhin schrieb ich mit einigen Künstlern, um diese zum Leben erwecken zu lassen. Doch nichts davon stimmte mit dem überein, was ich im Kopf hatte. Vasilis, unser Gitarrist, kannte die Werke von Giannis Nakos und half mir aus meiner Verzweiflung. Ich schrieb ihn an, und er setzte nicht nur genau das um, was ich mir vorgestellt hatte, sondern übertraf noch meine Erwartungen. Auf dem Cover befindet sich unverkennbar eine menschliche Hand. Alles, was Menschen im Leben tun, das Gute und das Böse sind von Menschenhand erschaffene Ereignisse und Realitäten. Die Vision war es, das abzubilden. Denn von nichts kommt nichts. All das Böse, das auf dem Album thematisiert wird, wird immer vom Menschen geformt.
Mit 'Deception' gab es pünktlich zum Valentinstag den ersten Appetizer. Wie weit steht der Song stellvertretend für den Facettenreichtum und die Abwechslung auf "Shell Of Inexistence"?
Auf dem Album werden verschiedene Stilrichtungen des Death Metals und Themengebiete zu finden sein. Jeder Song kann für sich alleine stehen. Dennoch ergibt es, wie viele Puzzleteile gemeinsam, ein Gesamtbild, das sich dem Hörer und der Hörerin am Ende erschließt. Daher ist 'Deception' zwar im Stil HELLDRIFTER, aber die Songs des neuen Albums werden sehr facettenreich sein. Von Prog über Melo-Death bis US- und Schwedischen Death Metal werden Einflüsse vieler Richtungen zu finden sein. Im Gesamtbild des Albums ergeben alle gemeinsam dennoch den neuen Sound von HELLDRIFTER.Vor allem die zweite Single 'Suicide Strike' ging mir textlich unter die Haut. Es entsteht eine Atmosphäre, die den Wahnsinn eines Selbstmordattentäters inszeniert. Wurdest du da von einer bestimmten Person inspiriert oder gilt es allgemein? Irgendwie paradox, dass man solch eine unvorstellbare und schlimme Tat dann aufgrund der Psyche doch verstehen möchte, oder?
Der Songtext wurde von verschiedenen wahren Ereignissen inspiriert. Wenn solche Attentate begangen werden, ist die größte Frage, die wir uns immer stellen: "Was bringt jemanden dazu, so etwas Schreckliches zu tun?" Mit dieser Frage beschäftige ich mich. Aus verschiedenen Recherchen zu Attentaten, wie Interviews, Aussagen und Kriminalprofilen, hat sich der Text zu 'Suicide Strike' dann entwickelt. Die objektive Wahrheit hinter der Frage ist kaum zu ergründen, da die "Wahrheit" in den Köpfen der Menschen, die Attentate in der Lage sind zu begehen, überaus subjektiv zu betrachten ist. Der Text versucht sich hineinzufinden in den Kopf, in die Lebenswirklichkeit der Attentäter, um die Frage nach dem Warum zu ergründen. Ich kann in den Songs nur das manifestieren, was die Attentäter von sich öffentlich preisgegeben haben. Ich möchte es nicht verstehen, sondern lediglich abbilden, da es heutzutage leider auch Teil der Realität ist.
Verstehe. Das alleine ist schon eine Wissenschaft für sich. Gibt es Pläne, mit dem bunten Strauß an Songs auch auf eine kleine Tour zu gehen? Was wird nach der Veröffentlichung Mitte Mai bei euch anstehen?
Es wird immer wieder kleinere Auftritte geben. Aktuell befinden wir uns in der Planung für eine Tour im Herbst/Winter 2025. Die Tourdaten werden noch bekannt gegeben. Haltet die Augen und Ohren offen! Eins kann ich schon mal versprechen: Es wird laut!
Neben den Staaten und eben Schweden sticht klar Deutschland als Nährboden für erbarmungslosen Death Metal hervor. Woran liegt das eurer Meinung nach?
Die Basis des Death Metals ist Thrash Metal. Ohne Thrash Metal gäbe es keinen Extreme Metal. Die Teutonic Four KREATOR, SODOM, DESTRUCTION und TANKARD haben die deutsche Metal-Szene seit den 80ern geprägt. Auf diesem Boden konnte der Death Metal mit Bands wie ATROCITY, FLESHCRAWL und DISBELIEF wachsen und gedeihen.
Billy, was möchtest du unseren Lesern und euren Fans noch mit auf den Weg geben?
Vielen Dank für das gelungene Interview und die tiefgreifenden Fragen. Unterstützt die Underground-Szene, denn darin liegt die Zukunft des Metals!
Fotocredit: J. Blind
- Redakteur:
- Marcel Rapp