INSOMNIUM: Interview mit Ville Friman

21.09.2006 | 12:09

Nachdem das Debütalbum "Since The Day It All Came Down" der finnischen Band INSOMNIUM eher lauwarm ausgefallen war, wurde mit "Above The Weeping World" ordentlich nachgelegt, und ein kleines Meisterwerk veröffentlicht. Grund zu feiern also, und definitiv Grund, ein Interview zu machen. Einer der zwei Villes der Band (beide lustigerweise auch Gitarristen), Ville Friman, war verfügbar, um ein Frage-und-Antwort-Spiel per Mail durchzuführen.

Ricarda:
Ich persönlich denke, dass das zweite Album im direkten Vergleich zu dem ersten viel erwachsener klingt. Seht ihr das genauso? Und wenn ja, was hat dieses Wachstum verursacht?

Ville:
Wir haben uns einfach bemüht, bessere Songs zu schreiben, und alles so perfekt wie möglich zu machen. Außerdem haben wir unser Aufnahmestudio bei diesem Album gewechselt, und der Sound ist viel besser. Das hilft natürlich auch, das Beste aus den Songs herauszuholen. Und ja, wir stimmen zu, dass es das bisher beste INSOMNIUM-Album ist.

Ricarda:
Was bedeutet euer Bandname? Wie seid ihr auf den Namen gekommen?

Ville:
Es ist Latein und hat mehrere Bedeutungung, zum Bespiel Insomnia oder Alptraum. Niilo hat das Wort in einem Lateinwörterbuch gefunden. Es hörte sich einfach cool an und hat außerdem eine Bedeutung, die gut zu der Atmosphäre unserer Musik passt. Und als wir uns zum ersten Mal auf den Weg ins Studio machten, mussten wir einen Namen haben, und so war INSOMNIUM geboren.

Ricarda:
Glaubst du, es war härter für euch einen Plattenvertrag zu bekommen, weil ihr nicht aus Helsinki, sondern aus Joensuu seid?

Ville:
Ja, irgendwie schon, weil wir niemandem im Musik-Business kannten. Aber es gibt auch viele Bands in Helsinki, die ohne einen Plattenvertrag sind, also hilft geographische Lage nicht immer. Aber um realistisch zu denken: Es gibt nicht so viele zuverlässige Labels in Finnland. Markt und Business sind also eher außerhalb Finnlands zu finden, zum Beispiel haben wir unseren Deal mit Candlelight durch ein Demo-Package bekommen.

Ricarda:
Kannst du den Titel des Albums, "Above The Weeping World", etwas näher erläutern?

Ville:
Der Albumtitel wurde (wieder) direkt aus einem unserer Texte herausgepickt, genau gesagt aus dem Song 'Mortal Share'. Es gibt keine eine richtige Interpretation davon. Alle Lieder des Albums handeln von dem Kampf der Menschen in dieser Welt. Für mich persönlich vereint der Albumtitel alle Songs unter einem Dach und ich sehe die Bedeutung darin, dass man sich nicht immer über seine Probleme beschweren soll, sondern lieber das Leben so leben soll wie man will und es zu genießen.

Ricarda:
Wie ist der Songwriting-Prozess bei euch? Eher eine Demokratie oder die Aufgabe einer einzelnen Person? Wie sieht es bei den Texten aus?

Ville:
Im Grunde schreiben Niilo (Bass und Gesang) und ich die Lieder und arrangieren sie dann zusammen im Proberaum zu den eigentlichen Stücken. Ich würde sagen, es ist zu 75% ein demokratischer Prozess, wo jeder etwas zu sagen hat, aber der eigentliche Songwriter hat 25% Veto-Recht über die anderen, haha. Nachdem die Musik für einen Song fertig ist, schreiben Niilo, Ville Vänni (Gitarre) oder ich den Text. Ich habe den Großteil der Songs auf diesem Album komponiert, und Niilo hat den Großteil der Texte geschrieben.

Ricarda:
Woher holst du deine Inspiration? Nur aus dem persönlichen Leben oder auch aus Büchern, Filmen usw.?

Ville:
Niilo erhält viel Inspiration durch Literatur und Gedichte. Bei mir kommt die Inspiration meist von den Popular Arts oder aus dem Entertainment (Bücher, Filme, Kunst, TV...). Es sind immer viele Ideen am Werk, daher ist es schwer zu sagen, was jetzt wirklich woher kam. Der Text von 'Last Statement' ist zum Bespiel inspiriert von wirklichen letzten Worten von Gefangen, bevor sie exekutiert wurden. Aber die Hauptaussage des Songs dreht sich um Hass und Vergeben.

Ricarda:
Inspiriert dich auch die Natur?

Ville:
Ja, ich bin mir sicher, wir würden diese Art von Musik nicht machen, wenn wir in der Sahara wohnen würden. Ein wichtiges Ding sind glaube ich die vier Jahreszeiten, die wir hier in Finnland haben, jede einzelne erzeugt ein ganz eigenes Gefühl. Zum Bespiel ist der Winter dunkel, kalt und auch etwas fürchterlich, aber ohne ihn würden wir nie merken, wie toll sich der Sonnenschein anfühlt, wenn das Eis schmilzt, und das Gras grün wird. Diese Wetterkontraste können vielleicht auch als Kontraste in unserer Musik angesehen werden.

Ricarda:
Über welches Thema würdest du nie einen Song schreiben?

Ville:
Ich würde nie einen Song schreiben, in dem ich über etwas predigen würde. Ich möchte nicht defineren, was richtig und falsch ist und was Leute machen sollten.

Ricarda:
Magst du es lieber im Studio zu arbeiten oder live aufzutreten?

Ville:
Beides hat seinen Reiz. Studioarbeit kann sehr stressig sein, aber man muss nicht ständig verreisen und den Platz jeden Tag wechseln. Wenn man live spielt, kann man Dampf ablassen, aber es ist auch mit viel Warterei verbunden, und man kann der Gefahr des Alkohols nicht entgehen.

Ricarda:
Was unterscheidet INSOMNIUM von den anderen Bands des Genres?

Ville:
Ich glaube, wir haben ein einzigartiges Herangehen an den Melodic-Death-Metal-Stil. Wir sind dunkler und viel atmosphärischer. Wir sind also auch ein wenig mehr Progressive und Doom als die meisten anderen Bands, die zu dem oben genannten Genre gehören. Und unser Sound ist etwa zwischen dem einer schwedischen und einer finnischen Band. Und natürlich sind unsere Lieder verglichen mit denen der anderen Bands, einfach besser, haha.

Ricarda:
Was macht ihr Jungs so, wenn ihr nichts aufnehmt oder auf Tour seid? Habt ihr auch "normale" Jobs oder studiert ihr irgendetwas?

Ville:
Wir sind definitiv eine akademische Metal-Band. Ich bin ein Phd-Student an der Universität von Helsinki und schreibe meine Doktorarbei über evolutionelle Ökologie. Ville Vänni ist ein ausgebildeter Arzt und spezialisiert sich daruf, Chirurg zu werden. Markus Hirvonen (Schlagzeug) studiert Umweltrecht an der Universität, und Niilo Sevänen studiert Kulturgeschichte und arbeitet Teilzeit in der Bibliothek.

Ricarda:
Wie wichtig glaubst du ist Image in der Metal-Szene?

Ville:
Nun ja, es ist nicht der Hauptgrund, aber es hilft definitiv. Ich meine, du kannst keine glaubwürdige Metal-Band sein, wenn du ein Ballerina-Kleid anhast, selbst wenn du besser als MORBID ANGEL und NAPALM DEATH zusammen wärst. Aber auf der anderen Seite finde ich es genauso lächerlich, wenn sich wer nur für die Optik interessiert, und der Sound totaler Mist ist.

Ricarda:
Wie findest du, dass LORDI den Eurovision Songcontest gewonnen hat?

Ville:
Es war sehr lustig und natürlich gut für sie. Sie arbeiten seit Jahrzehnten mit ihrer Musik, daher haben sie den Sieg auch wirklich verdient. Ich mag ihre Musik jetzt nicht so sehr, aber ich denke, sie waren die beste Band bei dem Contest.

Ricarda:
Bald werdet ihr mit SATYRICON und KEEP OF KALESSIN auf Tour gehen. Wie kam es dazu, und was können eure Fans erwarten?

Ville:
Candlelight hat diese Tour für uns organisiert, wir spielen zum Beispiel auch in UK. Die Leute können eine feurige und lebendige Live-Performance mit viel Headbanging von INSOMNIUM erwarten. Wir werden hauptsächlich Songs des neuen Albums spielen und natürlich auch älteres Hit-Material. Und wir werden auch Merchandise mit uns bringen, also wenn ihr schon immer unser T-Shirt haben wollt: Das ist eure Chance!

Ricarda:
Danke für das Interview.

Ville:
Dank von unserer Seite.

Redakteur:
Ricarda Schwoebel

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