In Medias Fans
23.11.2008 | 16:17Auf den großen deutschen Festivals, auf Marktplätzen oder Schulhöfen, in Innenstädten, in Biergärten und wo auch immer sonst es die Jungs von HENRICK hinverschlägt, parken sie ihren 7,5 Tonner LKW, den sie zu einer mobilen Bühne umgebaut haben, und rocken ohne Rücksicht auf Bürokratie mitten in Deutschland. Diese Konzerttournee durch den deutschen Sommer ist Teil der Promotionarbeit des Sängers Henrick Clausing und seiner Band, die ihre Öffentlichkeitsarbeit selber in die Hand nehmen und damit Erfolg haben.
Henrick Clausing ist 29 Jahre alt, geboren in Osnabrück, und hat dort als Sohn eines hauptberuflichen Musikers ein Jahrzehnt lang klassische Gitarre am Konservatorium studiert. Diese Geschichte könnte jetzt in der bürgerlichen Existenz eines Konzertgitarristen enden, wenn nicht irgendwann der Punkrock zugeschlagen hätte. Aber Henrick fing an zu singen, zog nach Frankfurt am Main, schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch, sammelte Musiker um sich und wollte Rockstar werden. Und diese Geschichte nun hätte irgendwann in der bürgerlichen Existenz eines Hobbymusikers mit Vollzeitjob enden können, wenn nicht irgendwann das Plattenlabel EMI zugeschlagen und sich des Sängers angenommen hätte.
Mit dem Interesse, in den jungen Musiker zu investieren, kam vor allem die Frage auf, in welcher Form dies geschehen sollte. Immerhin ist inzwischen seine erste Single "Deine Stadt" draußen und das Album "Automatenfoto" erscheint jetzt. Dafür musste Werbung gemacht werden. Ein Buy On in die Tour eines bekannten Künstlers kommt für Henrick nicht in Frage. "Was soll ich denn als unbekannter Musiker vor Juli oder Silbermond?" Auch eine von der Plattenfirma vorgeschlagene Clubtour durch Deutschland fand nicht allzu viel Beifall. "Wer kommt denn zu einem unbekannten Künstler zum Konzert?" meint der Sänger lapidar. Doch man entwickelt andere Konzepte. Die Idee einer Clubtour - nur eben anders - nimmt Gestalt an. Bands aus ganz Deutschland werden angefragt, ob sie nicht eine Party schmeißen wollen, auf der sie und Henrick spielen. 500 positive Rückmeldungen - aber kein einziger Gig kommt zustande.
Dann kommt die finale Idee beim Stadt-Land-Fluss spielen, die endlich zum Erfolg führen sollte. Die Band mietet sich einen LKW und baut diesen mit Hilfe von Freunden und Gönnern zu einer mobilen Bühne um. Mit dieser macht man sich auf, durch ganz Deutschland zu fahren und Musik zu spielen, wo es eben gerade passt: auf Marktplätzen, diversen Unicampus, Festivals, Parties, Biergärten und Zeltplätzen von Festivals. Auf dem MCF II hab ich Henrick dann gesehen und fand seine Aktion ebenso engagiert wie cool. Leider musste er auf Anweisung der Sicherheitskräfte den Platz räumen, bevor ich mit ihm reden konnte. Aber nun, wo der erste Teil der Tour ihr Ende gefunden hat, findet der inzwischen viel gefragte Musiker die Zeit, mir ein paar Fragen zu beantworten und ein paar Anekdoten zu erzählen.
Henrick ist Elvis Fan. Und er liebt Johnny Cash. Musiker mit Persönlichkeit und einer Geschichte sind ihm wichtig und haben ihn geprägt. Und "alles was E-Gitarre hat, ist geil." Darunter fallen auch ALICE COOPER - den hat er auf dem MCF II live gesehen -, AC/DC und LED ZEPPELIN. Aber er ist auch ein Kind der Klassik. Nicht umsonst hat er Jahre am Konservatorium verbracht. Wenn der Song gut ist, ist der Stil egal. Auf die Frage nach seiner Musik fällt folgender Satz, der mir unheimlich sympathisch ist. "Zuerst war der Punkrock. Das ist meine Musik, die ich spielen möchte. Und weil ich das Zeug noch verkaufen wollte, hab ich Pop dazu gepackt." Mit dieser Mischung geht er auf seine ungewöhnliche Promotiontour und hat Erfolg
Der erste Gig war auf dem South Side Festival. Um 2:30 Uhr nachts legten die CHEMICAL BROTHERS auf dem Festivalgelände das Mikro aus der Hand, wenige Augenblicke später nimmt HENRICK das seine auf. Viele, die auf dem Weg zu ihren Zelten sind, bleiben stehen und hören zu. Der Gig kommt an bei Publikum und Band, und weiter geht es durch die Bundesrepublik. Wo auch immer Hörer sind, wird gespielt. Auf Festivalzeltplätzen, auf Pausenhöfen, vor Universitäten, Marktplätzen, Wohngebieten, überall. Da auf dem LKW auch HENRICKs Mobilnummer aufgedruckt war, kam es immer wieder zu spontanen Einladungen und Gigs auf Geburtstage, Privatparties oder in Biergärten. Mal hören nur eine Hand voll zu, mal mehrere Hundert oder gar Tausend wie auf der Campus Invasion in Jena Ende Juni. Nie sind die Kurzkonzerte, die im Schnitt fünfzehn Minuten dauern, angemeldet. Oft kommt es zu Problemen mit Ordnern, Sicherheitskräften und der Polizei, doch nie zu ernsthaften Konsequenzen. "Nicht mal nen Strafzettel haben wir am Ende bekommen." Doch immer wieder beugt sich die Band auch. Das geplante Konzert in der Oranienstrasse in Berlin wird noch vor Beginn beendet, als fünf Mannschaftswagen der Polizei auftauchen. Das Publikum sammelt aus Solidarität mit der Band Geld, da eine Strafe zu erwarten ist. Als Henrick diese Anekdote erzählt, hört man den Punk in ihm. Und das Konzert in Hamburg verlegt man kurzerhand, weil im Schanzenviertel vorher Straßenschlachten stattgefunden haben.
Die Tour verfehlt nicht ihre Wirkung. Das Medieninteresse wächst. HENRICK wird bekannter. Dabei passieren lustige Zufälle. An einer Tankstelle fährt ein Bandmitglied aus Versehen ein Auto an. Das gehört einem Kamerateam, das noch schnell ein Interview macht.
Es werden 69 Gigs in 26 Tagen. Die vier bis sechs Stunden Schlaf pro Tag, für die die Zeit reicht, genießt man auf Isomatten und im Schlafsack auf der Ladefläche des LKWs und in einem alten Wohnmobil. Die meiste Zeit verbringt die Band ohnehin mit fahren. 7000 Kilometer auf deutschen Autobahnen und in deutschen Städten werden es am Ende sein. Für ordentliches Essen oder Feiern bleibt keine Zeit. Lediglich etwas mehr als zwei Kästen Bier, dafür aber unzählige Tassen Kaffee und Fast Food bestimmen die Nahrungsaufnahme. Irgendwann reichen die Kräfte nicht mehr. Die Band unterbricht die Tour erst mal. Henrick ist vollkommen ausgepumpt, aber sehr zufrieden. Aber im Oktober geht es für einige Tage noch einmal los. Dieses mal ist ein Fernsehteam von SAT 1 dabei, das eine Doku drehen will. Wer mehr wissen möchte, der findet auf www.henrick.tv neben Videos und einem Tourtagebuch auf die Möglichkeit, mal in den einen oder anderen Song hinein zu hören.
Die letzte Frage, die ich stelle, lautet: "Was willst du unbedingt noch von dir erzählen, was du aber bisher in keinem Interview gefragt worden bist?" Die Antwort kommt prompt: "Mein Auto. Ich fahre einen Mercedes Benz 240 D, Baujahr 1975, in Colorado Beige. Siehst aus wie Latte Macciato, und der wurde nur zwei Jahre lang gebaut." Henrick der Punkrocker liebt das Abenteuer, Henrick der Sänger und Gitarist die Musik, und Henrick der Junge ganz offensichtlich sein Auto.
- Redakteur:
- Christoph Maser