Interview mit Eroc über EROC und GROBSCHNITT

13.07.2010 | 12:18

Eroc war Gründungsmitglied der deutschen Rockband GROBSCHNITT. Schon vor seinem Ausstieg 1983 begann er, Soloscheiben aufzunehmen. Heute arbeitet der Studiomeister vor allem als Produzent und als Nachlassverwalter alter GROBSCHNITT-Aufnahmen, die er sorgsam restauriert. Im Interview mit POWERMETAL.de berichtet er ausführlich von der Vergangenheit seiner großen Band und seinen heutigen Aktivitäten. Außerdem erinnerte er an seinen verstorbenen Kollegen Volker "Mist" Kahrs und bekannte sich zu einer Lieblingsband, die manchen bei ihm überraschen dürfte.

Stefan Kayser:
Du bist vor allem als Schlagzeuger von GROBSCHNITT bekannt geworden. Überrascht, jetzt von einem Webzine mit dem Schwerpunkt Metal interviewt zu werden?

Eroc:
Überhaupt nicht, das war eigentlich längst mal fällig. Da ich ja seit Jahrzehnten als Producer und als Masterer und Remasterer arbeite, findet man meinen Namen durchaus auch auf Metal-Alben. Darunter solche der "alten Schule" wie zum Beispiel THUNDER, SODOM oder CUSTARD, außerdem Coverbands wie DEMON'S EYE, aber auch zahlreiche aktuelle Acts, deren Namen aufzuzählen hier den Rahmen sprengen würde. Da geht seit Jahren ein immenser Haufen an nationalen und internationalen Metalbands über meinen Schreib- und Studiotisch, denn ich bin seit 2004 auch bei den Rock-Hard-Festivals involviert und verleihe den dabei mitgeschnittenen Live-CDs und -DVDs den finalen Feinschliff. Metal ist mir also nicht fremd und SLIPKNOT sind sowieso nach wie vor eine meiner Lieblingsbands.

Stefan:
Mehrere Bandmitglieder haben GROBSCHNITT vor ein paar Jahren als Liveband reaktiviert. Warum bist du nicht mit von der Partie?

Eroc:
Das ist schnell erklärt: Man hat mich und andere Gründungsmitglieder von GROBSCHNITT schlichtweg nicht gefragt. Da fing irgendwann jemand an, auf eigene Faust sein Süppchen zu kochen, und verkauft es inzwischen auch recht trefflich... Klar, dass jetzt die Frage kommen muss: "Was hättest Du denn getan, wenn man Dich gefragt hätte?" Nun, es gab durchaus Ideen von meiner Seite, was eine Wiederbelebung der Band angeht. Insbesondere auch zusammen mit unserem inzwischen leider verstorbenen Keyboarder Volker "Mist". Da im Frühjahr 2011 der 40. Jahrestag der Gründung unserer Band ansteht - die Namensgebung GROBSCHNITT erfolgte allerdings erst im Frühjahr 1972 - hatten wir schon einige Visionen im Kopf. Eine davon war zum Beispiel zwei separate Re-Makes von 'Solar Music', die jeder von uns unter Einbeziehung originaler Teile und Sequenzen produzieren wollte. Eine andere war "Teil 0" meiner Grobschnitt-Story, einer weiteren Ausgabe, die erstmalig unsere genaue Entstehungsgeschichte mit bisher unveröffentlichten Fotos und Aufnahmen erzählt. An diesem Projekt arbeitete ich schon seit 2001.

(Die "Grobschnitt Story 0" ist mittlerweile veröffentlicht und von POWERMETAL.de rezensiert worden; Anmerkung des Verfassers.)

Dann durchkreuzte jedoch der plötzliche Tod von Volker unsere Pläne, zu denen auch eine mögliche Reunion der Band gehörte, und die derzeitige Formation tut ein Übriges: GROBSCHNITT kann es nun künftig nie mehr in der alten, originalen Form geben. Allerdings stehe ich den derzeitigen Aktivitäten von Milla und Wildschwein nicht so skeptisch gegenüber, wie man das oft vermutet. Sie machen ihre Sache sehr gut und professionell. Und für viele, speziell für die Jüngeren, die uns damals nicht erleben konnten, ist es wunderbar, unsere "Klassiker" nun endlich live zu hören.

Allerdings passt der Name GROBSCHNITT nicht. "Rockpommel's Land" einzustudieren und mit eigenem Esprit komplett aufzuführen, ist ganz sicher eine tolle Leistung, der man unumwunden Respekt zollen muss. Und dieses großartige Werk neben anderen "Trophäen" der Vergangenheit nett lächelnd zu verkaufen, ist wohl auch nötiger denn je angesichts der allgemeinen musikalischen Ratlosigkeit heute. Doch damals zeichnete uns besonders dieser typische, flapsige, oftmals auch etwas bierselige und nicht immer richtig verstandene Humor aus, der außer unserer Perfektion und Leistung die Auftritte so sympathisch und einzigartig machte. Die Konzerte waren pure Abenteuer, für die Musiker ebenso wie für das Publikum, wie auch die "Grobschnitt-Story" immer wieder zeigt. Dadurch ist der Name eindeutig vorbelastet und führt besonders ältere Fans in die Irre, wenn sie heute plötzlich wieder Konzerte von GROBSCHNITT besuchen können, dort aber nicht Lupo, Mist, Eroc, Balli Balli, den verrückten D. Rohr oder auch den Baer auf der Bühne beziehungsweise den Geheimrat mit seinem legendären Schlauchophon am Mixer vorfinden. Dieses neue Projekt hätte man besser KINDER & NARREN genannt. Das wäre originell und treffend gewesen, hätte eher an die Phase ohne Keyboarder Mist und Drummer Eroc nach 1983 angeknüpft und dadurch nicht nur den beteiligten jüngeren Musikern ein gutes Stück mehr Eigenständigkeit ermöglicht.


Stefan:
Was machst du heute - außer Schätze aus dem Archiv deiner alten Band zu heben?

Eroc:
Ich hebe Unmengen an Schätzen aller möglichen Acts ans Licht, indem ich ihren alten und neuen Veröffentlichungen durch digitale Nachbearbeitung/Mastering das endgültige Optimum verleihe. Darunter sind Hunderte weltbekannter, älterer Bands, ebenso wie viele aktuelle Gruppen aller möglichen Sparten. Seit 1999 habe ich über 1000 komplette CDs bearbeitet. Die wichtigsten kann man unter www.eroc.de in der Rubrik "Mastering Ranch/Produktionen" sehen und auch Klangbeispiele dazu hören. Zudem arbeite ich aufgrund meiner Erfahrung mit zahlreichen Studios zusammen, denen ich in Sachen Technik, Aufnahme und Mix zur Seite stehe. Die Ausgrabungen aus der GROBSCHNITT-Zeit sind nur ein winziger Teil meiner Arbeit, aber nach wie vor ein sehr schöner und wichtiger.


Stefan:
Anlass des Interviews sind die soundtechnisch überarbeiteten Neuausgaben von Teil 1 und Teil 2 der "Grobschnitt Story". Es überrascht ein wenig, zu lesen, dass CDs, die erst in den Neunzigern erschienen sind, noch mal remastert wurden. Welche Verbesserungen bieten die neuen Ausgaben genau?

Eroc:
Mit der Bearbeitung des Materials für die "Grobschnitt Story 1" hatte ich 1990 angefangen. Damals gab es noch keine wirklich brauchbaren, digitalen Möglichkeiten zum Remastern. Alles musste auf herkömmlichem, analogem Wege erledigt werden, also mit Kabeln, Steckern und Drehknöpfen. Viele technische Fehler in den Aufnahmen waren teilweise völlig unlösbar. Heute ist das anders. Mit den professionellen Softwaretools der vergangenen Jahre sind Dinge möglich, von denen wir damals im Studio nur träumen konnten. Ein Direktvergleich der alten Ausgaben von "GS-1" und "GS-2" mit den aktuellen CDs zeigt sofort die klangliche Überlegenheit. Zudem nimmt man das Thema GROBSCHNITT im Zeitalter der weltweiten Vernetzung auch im Ausland immer mehr wahr. Deshalb habe ich beschlossen, die technisch optimierten Reissues zusätzlich mit englischen Sleevenotes zu versehen und über das engagierte Label M.i.G. Music unter Leitung des SPV-Gründers und -Chefs Manfred Schütz auch international zu vertreiben. Sogar die Bilder für die Booklets wurden digital aufpoliert und strahlen jetzt viel schöner als bei den Erstausgaben. Im Grunde ist es nichts anderes, als käme nach vielen Jahren eine überarbeitete, verbesserte Neuauflage eines Buches auf den Markt.


Stefan:
Wenn man die Tracklists dieser beiden CDs durchgeht, fällt auf, dass die "Illegal" sehr stark berücksichtigt ist, während das Material eurer frühen Alben eher spärlich vertreten ist. Wie kam es zu dieser Titelauswahl?

Eroc:
Auch das liegt an der Technik Anfang der Neunziger. Die Aufnahmen der Illegal-Tour waren meine letzten und somit klanglich auf dem höchsten Stand, denn da steckte die meiste Erfahrung in Sachen Livemitschnitte drin. Folglich machten sie damals die wenigsten Probleme. Die älteren und ganz alten Sachen klingen teilweise weitaus schwächer und sind schwieriger an heutige Klangbilder heranzubringen. Das geht in jedem Fall besser mit den modernen, digitalen Tools. Ich hatte damals richtig eingeschätzt, dass es noch Jahre dauert, bis entsprechende Möglichkeiten zur Verfügung stehen, und habe deshalb die Illegal-Sachen im Masterplan der GS-Story vorgezogen. Die kritischen Sachen erschienen dann später, wie zum Beispiel Mitschnitte von Cassetten, Bootlegs von Dritten oder auch so was wie das "unbekannte Superstück" auf GS-6, das ich erst 2005 mit entsprechender Technik und bisher weltweit einmalig von einem gelöschten (!) Tonband wieder herstellen konnte.


Stefan:
Auch die letzten Alben, auf denen du nicht mehr gespielt hast, kommen nicht vor. Liegen dir aus dieser Zeit keine Aufnahmen vor?

Eroc:
Da ich 1983 bei GROBSCHNITT ausgestiegen bin, konnte ich auch keine weiteren Konzerte mehr mitschneiden. Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht welche aus dieser Zeit "im Keller" hätte. Jedoch wurde mir vor einigen Jahren von Lupo, unserem ehemaligen Gitarristen und Manager, untersagt, diese in meinen Serien zu veröffentlichen, weil ich da ja nicht mitspiele. Ich möchte keinen Ärger mit alten Kollegen und Freunden, daher reicht die GS-Story eben nur bis 1983. Die Dummen sind leider mal wieder die Fans, die in dieser Hinsicht weiter in die Röhre gucken müssen.


Stefan:

Da ich erst etwa in der Zeit geboren wurde, als THE CREW zu GROBSCHNITT wurde, habe ich natürlich eure große Zeit in den Siebzigern nicht miterlebt. Mir fällt auf, dass Sketche oder andere Wortbeiträge einen relativ großen Teil eurer Shows einnahmen. Auf "Die Grobschnitt Story 2" sind sogar drei längere gesprochene Beiträge. Das ist auf einem solchen Archivalbum sicher vertretbar, für meinen persönlichen Geschmack aber etwas viel. Mich interessiert: Haben eure Fans das immer so angenommen oder hat nicht manchmal einer "Macht Mucke!" gebrüllt?

Eroc:

Die Show-Acts, die Du hier ansprichst, sind mit den Jahren in der Band gewachsen. Am Anfang waren es meist kurze, spontane Späße, die Umbaupausen oder kleine technische Pannen überbrückten. Geriet so eine Einlage besonders witzig, wurde sie natürlich wiederholt. Und kam sie beim Publikum immer wieder gut an, wurde sie nach und nach perfektioniert, beziehungsweise umarrangiert. Die wirklich langen Sketche wie zum Beispiel die Söldner-Show oder auch Balli Balli gab es erst gegen Ende der Siebziger, als unsere Konzerte sowieso schon über drei Stunden dauerten. Und da waren sie innerhalb des langen Abends stets eine willkommene Abwechslung.
Du darfst Dir unsere Auftritte damals nicht so vorstellen, wie heutige Metal-Konzerte, bei denen die Leute in den Saal strömen, eine gute Stunde lang "bangen" dürfen, bis sie umkippen, und dann nach ein bis zwei Zugaben - wenn überhaupt - aus dem Saal gescheucht werden. Unsere Shows waren abendfüllende Ereignisse und die Fans kamen nicht nur wegen der Musik. Wir hatten viel mehr zu bieten, insbesondere auch die Zusammenarbeit zwischen Band und Publikum. Das war so spannend und mitreißend, dass keiner im Saal auf die Idee kam, frustriert zu sein, bloß weil da oben mal was anderes passierte als nur pure Musik.
GROBSCHNITT war anders. Wir agierten und reagierten spontan und ungeheuer direkt. Jedenfalls, als ich noch dabei war. Hätte tatsächlich mal jemand während der Ernie-Show gebrüllt: "Aufhören, macht endlich Mucke", wäre ich zum Mikro gegangen, hätte auf ihn gezeigt und gesagt: "Okay, da Du ja offensichtlich weißt, wie und wo es hier langzugehen hat, zeig es uns doch einfach. Komm hier rauf, schnapp Dir eine Gitarre und fang an." Wäre er dann tatsächlich auf die Bühne gekommen, hätte er gern loslegen können und wir hätten viel Spaß und gleich einen neuen, spontanen Gag gehabt. Hätte er allerdings geantwortet: "Nee, mach' ich nicht, ich hab' schließlich dafür bezahlt, dass Ihr hier Mucke macht und nicht so 'ne Scheiße", wäre ich runter in den Saal gegangen und hätte ihm lächelnd 20 Öcken in die Hand gedrückt mit den Worten: "Du hast Recht, wir sind 'ne Scheiß-Band. Hier hast Du Dein Eintrittsgeld wieder. Geh zu STATUS QUO, die spielen nebenan in der kleinen Halle." Das kam so allerdings niemals vor.
Wohl aber viele andere nette Konversationen und Interaktionen mit dem Publikum und die Tatsache, dass QUO tatsächlich einmal neben uns in der anderen Halle spielten und - der Teufel weiß, warum - leider nicht wie unser Konzert ausverkauft waren. Unsere Sketche waren einfach viel zu lebendig und lustig, als dass Frust aufkommen konnte, und wir hatten die Leute bis zur letzten Reihe immer voll im Griff.


Stefan:
Natürlich muss ich dich auf 'Solar Music' ansprechen, euer wichtigstes und, wenn meine Informationen stimmen, eines eurer ältesten Stücke. Auf den Teilen 1 und 2 der "Grobschnitt Story" sind eine komplette Aufführung - mit 'Razzia'-Zitaten - und zwei Improvisationen zu hören. Was sind die Ursprünge dieses Werkes und was macht den Zauber aus, dass ihr 'Solar Music' immer wieder neu erfunden habt?

Eroc:
'Solar Music' basiert auf keinem Konzept. Es entsprang einem Gitarrenthema in D-moll, das Wildschwein und Lupo 1968 bei der CREW ins Spiel brachten. Damals beschlossen wir, dieses Thema als Grundlage für eine längere Improvisation am Ende der Konzerte zu nehmen, bei der alles erlaubt war. Wir nannten das Ding 'Suntrip' und dekorierten es mit allem, was wir uns vorstellten: von Kostümen über künstlichen Nebel, Feuer und Lichteffekten bis hin zu verrückten Happenings und psychedelischen Dia-Shows, wie man sie auch bei NEKTAR finden konnte. Und als wir dann 1972 an die Produktion des ersten Albums gingen, wurde das Suntrip-Thema wieder hervorgekramt und entwickelte sich von da ab erneut bei jedem Auftritt. Das einzige "Konzept" war, laufend Spannungsbögen aufzubauen, die jedem Musiker ermöglichten, die Sau raus zu lassen und sich an seine Grenzen zu bringen. Ab 1973 nannten wir das Ding dann 'Solar Music' und es wuchs mit jedem Auftritt, jeder Tournee und mit jeder Umbesetzung in der Band. Alle Musiker freuten sich jedes Mal auf dieses neue spielerische Abenteuer, denn in der ersten Hälfte des Abends kamen die arrangierten, genau festgelegten Stücke, bei denen man total aufpassen musste, und nach der Pause konnten wir uns dann endlich richtig austoben.
Im Dezember 1972 nahmen wir eine relativ straff organisierte Version unter dem Titel 'Suntrip' für das erste Album auf. 1974 spielten wir dann diese hastig auf die Beine gestellte, 33-minütige Improvisation für das Album "Ballermann". Und 1978 wurde es erneut Zeit für eine Dokumentation auf LP, denn das Stück hatte sich inzwischen wieder erheblich weiterentwickelt. Ich wollte es nun auf der Tournee mitschneiden, denn sobald Atmo, Publikum und Band auf einer Wellenlänge waren, konnte dieses Starstück von GROBSCHNITT von nichts anderem in der zeitgenössischen Musikszene überboten werden. Also kaufte ich mir eine 8-Spur-Bandmaschine und begann, jeden Gig der 1978er Frühjahrstournee aufzunehmen. Vor dem Konzert stellte ich die Pegel korrekt ein und als wir dann 'Solar Music' spielten, brauchte unser Saalmischer Geheimrat Günstig nur noch den Startknopf zu drücken und mittendrin bei 33 Minuten eben schnell das Band zu wechseln.
Das Ergebnis war ein Haufen bespielter Tonbänder mit großen und großartigen Versionen. Nach der Tour hörte ich sie durch und wählte den Mitschnitt von Mülheim aus. Dann fuhr ich mit Geheimrat Günstig zu Conny Plank, um dessen 16-Spur-Equipment zu holen, das wir anschließend in meine Junggesellenbude im fünften Stock wuchteten. Dort überspielte ich die 8-Spur-Tapes auf 16-Spur-Bänder und erhielt so acht zusätzliche, freie Spuren für elektronische Effekte und Playbacks, die ich in den folgenden zwei Wochen anfertigte. Danach fuhren der Geheimrat und ich wieder zu Connys Studio, um alles abzumischen, was mehrere Tage dauerte. Damals hatten wir noch nicht die Vorteile der automatisierten Abmischung beziehungsweise des digitalen Recalls aller Einstellungen, wie das heute möglich ist. Wir mixten per Hand an einem analogen Pult Stück für Stück jeden notwendigen Teil dieser fast einstündigen Darbietung, bis er stimmte, und bauten aus den einzelnen Tonbandschnipseln dann mit Schere und Klebeband das gesamte Werk wieder zusammen. So besteht die 1978er Version von 'Solar Music' aus 20 bis 30 separat gemischten, sorgfältig optimierten Einzelteilen, die zusammengeklebt wurden. Davon ist keine einzige Schnittstelle zu hören, denn wir waren damals schon verdammt gut. Diese Aktion war damals ein akribisches und kreatives Meisterstück mit allen Vor- und Nachteilen, ebenso wie dieses unglaubliche Stück Musik selbst, und sie wurde nur noch 1980 übertroffen, als wir das Album "Illegal" aus sage und schreibe 98 (!) einzeln gemischten Teilen zusammenschnipselten...


Stefan:
Die Ursprünge von 'Solar Music' waren fertig, als ihr noch keinen Plattenvertrag hattet. JUDAS PRIEST haben schon als Amateurband ihren Klassiker 'Victim Of Changes (Whiskey Woman)' gespielt, WISHBONE ASH ihr 'Where Were You Tomorrow'. Ohne in eine "Früher war alles besser"-Stimmung zu verfallen: Was läuft heute falsch, dass oft Bands mit Majordeal nicht so große Würfe schaffen wie vor 30 oder 40 Jahren Amateure?

Eroc:
Früher war sicherlich nicht alles besser, aber doch vieles, was heute im Argen liegt. In den Siebzigern saßen in den Etagen der Majors sehr oft Musiker. Als Beispiel nur Hartwig Biereichel, Drummer von NOVALIS, oder Klaus Ebert von den legendären PETARDS, beide damals A&R beziehungsweise sogar Boss der Metronome. Klar, dass die wussten, wie es auf der Bühne zugeht und wie man mit Bands umgehen muss, damit alles klappt. Heute findet man meist nur junge Spunde mit Managerausbildung in diesen Positionen, die kein richtiges Studio von innen kennen und einen Vinylschnitt eher der Modebranche zuordnen. Die sitzen sehr oft auf wackligen Stühlen mit Controller im Rücken, der darüber wacht, dass sie effektiv arbeiten. Der alte Grundsatz "Wir bauen diesen Act ganz in Ruhe auf, denn wir glauben an ihn" ist dem heutigen Leistungszwang gewichen. Das Überangebot an Bands und Künstlern ist erdrückend; der Druck, möglichst schnell mit einer Produktion Gewinn einzufahren und in die Charts zu kommen, ist allgegenwärtig. Zudem sind die Budgets schmaler denn je. Da fliegen hervorragende, talentierte Bands, die heute hoffnungsvoll eingekauft werden, morgen gleich wieder raus, bloß weil das Debütalbum nicht sofort die erhofften Verkaufszahlen erreicht oder die Firma einen neuen A&R einstellt, dem die Nasen der Musiker nicht passen. Oder die Bands lösen sich wieder auf, weil der Hit nicht klappt. Es fehlt zu oft das persönliche, idealistische Engagement, das Durchhaltevermögen, das Festhalten an den eigenen Visionen. Und zwar auf beiden Seiten, in der Industrie ebenso wie leider auch bei sehr vielen Gruppen, von Ausnahmen mal abgesehen.
Natürlich konnten vor 40 Jahren Amateurbands leichter große Würfe schaffen. Sie hatten zumeist die nötige Zeit und das Rüstzeug dafür. Du darfst nicht vergessen, dass wir als THE CREW, danach als CHARING CROSS und schließlich als KAPELLE ELIAS GROBSCHNITT immerhin schon gute fünf bis sechs Jahre Praxis on the road auf dem Kerbholz hatten, bevor wir überhaupt an unser erstes Album denken konnten. Und das bedeutete echte Grundausbildung. Bereits 1968 spielten wir regelmäßig jedes Wochenende zweimal abends für vier Stunden in Kneipen und Jugendheimen zum Tanz auf. Und das neben unseren Lehren und bürgerlichen Ausbildungen. Das war eine harte Schule und lehrte uns in erster Linie das musikalische Handwerk, dazu Disziplin, Ausdauer, Zielstrebigkeit und vor allem Zusammenhalt. Da wurde einem nichts geschenkt. Ich erinnere mich noch, wie unser Organist Habakuk irgendwann sagte: "Leute, ich klink' mich mal eben aus. Übt schön weiter, ich melde mich in ein paar Wochen." Zwei Monate später klopfte es an der Tür vom Übungsraum. Habakuk stand draußen und grinste: "Jungs, packt mal mit an." Wir liefen raus, da stand ein Lieferwagen, und hinten drin wuchtete Habakuk ein paar dicke Kisten. Es war eine B3, eine echte Hammond samt Leslie, sein absoluter Traum und das totale Statussymbol für einen Keyboarder jener Zeit. Habakuk hatte in der Zwischenzeit in einem Stahlwerk Nachtschichten geschoben, um sich dieses Teil leisten zu können. Heutige Casting-Bands oder aus dem Boden gestampfte Gruppen, denen gleich alles in den Schoß fällt und die nur den dicken Deal und Charterfolg im Kopf haben, können von einer solchen Zielstrebigkeit nur träumen. Habakuk hat sich später übrigens noch einen weiteren Traum erfüllt: Er ging als Musiker nach Amerika, wo er heute noch lebt und sein Können unter Beweis stellt.


Stefan:
Werden die übrigen Folgen der "Grobschnitt Story" auch mit verbessertem Sound erscheinen? Oder wird es ganz neue Teile geben?

Eroc:
Ja, auch die restlichen Teile der GS-Story werden mit neuen Booklets und klanglich perfekt demnächst auf den Markt kommen. Und ich denke gerade an eine weitere, sehr interessante Doppel-CD. Vielleicht bringe ich in nicht allzu ferner Zukunft auch meine SMR-Serie, die bisher nur für den engeren Fankreis gedacht ist, teilweise in der GS-Story unter. Zudem arbeite ich an einer Website, die unter der URL www.grobschnittstory.de dann die "Geschichte der Geschichte" vorstellt, bündelt und auf dem aktuellsten Stand hält. Dort wird man später auch Soundbeispiele und Fotos herunterladen sowie alle Ausgaben der GS-Story kaufen können. Ich hoffe, dass ich das neben all meiner Arbeit noch in diesem Jahr schaffe.

Stefan:
Planst du ein neues Soloalbum oder Neuausgaben der alten?

Eroc:

Meine Soloalben sind 2004 und 2005 remastered auf CD plus Bonustracks bei Universal erschienen und dann 2008/2009 durch SPV noch einmal weltweit angekurbelt worden. Leider ging vergangenes Jahr der Deal zwischen beiden Firmen aufgrund der Pleite von SPV zu Bruch, und seitdem liegen meine Alben und auch der gesamte GROBSCHNITT-Backkatalog mal wieder auf Eis. Bleibt zu hoffen, dass Universal es demnächst schafft, die Sache wieder in Gang und diese und auch den Rest der bisher unveröffentlichten GS-Alben endlich auf den Markt zu bringen.
Natürlich juckt es mich immer wieder, noch einmal das große Karussell der zeitgenössischen Trivialmusik mit eigenen Sachen zu bereichern. Obwohl viele Ideen und Visionen, die ich über all die Jahre immer wieder hatte, inzwischen in mehr oder weniger perfekter Form von Anderen aufgegriffen worden sind. Im Moment bin ich allerdings mit meinen Masterings und Remasterings, den GS-Serien, meiner Familie und anderen Dingen derartig ausgelastet, dass an eine kreative Phase, zu der ja auch eine gewisse Ruhe und Einkehr gehören, leider nicht zu denken ist.


Stefan:
GROBSCHNITT waren eine große Liveband. Was sind deiner Meinung nach die besten Livealben, nicht nur auf deine Beteiligung bezogen, sondern überhaupt?

Eroc:
Die besten und wirklich authentischen Livemitschnitte von GROBSCHNITT findet man in der GS-Story, zum Beispiel das komplette Illegal-Konzert auf "GS-4" und in meiner SMR-Serie. Zwar hat "Solar Music Live" von 1978 den absoluten Kultstatus, aber das kommt daher, dass dieses Album schon so lange auf dem Markt ist und weltweit über Jahrzehnte als Aushängeschild für GROBSCHNITT live und 'Solar Music' selbst galt. Von der Atmo her ist es leider ziemlich schwach, weil ich damals mit meiner bescheidenen 8-Spur-Technik die Reaktionen des Publikums nicht richtig einfangen konnte. "Volle Molle" ist nur ein gestückeltes Livealbum, und "Sonnentanz" kann wegen der bescheidenen Tonqualität mit den anderen Veröffentlichungen nicht mithalten. Zudem gab es dieses Album bisher noch gar nicht auf CD; ein Versäumnis der Kommunikation zwischen der Rest-Band und der Industrie, auf das ich leider keinen Einfluss habe.

Redakteur:
Stefan Kayser
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