JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE: Interview mit Bony
01.01.1970 | 01:00Zynismus ist wohl eine der größten Stärken der JAPANISCHEN KAMPFHÖRSPIELE und das zeigt der gut aufgelegter Sänger Bony während unseres Interview immer wieder. Aber zum Glück gehört der Frontmann der Band mit dem seltsamen Namen nicht zu der Kategorie Leute, die einfach nur den Klugscheißer spielen wollen sondern überzeugt vielmehr durch intelligente und wohl durchdachte Antworten. Natürlich durfte der Spaß dabei auch nicht zu kurz kommen, und so entwickelte sich ein angenehmer Dialog mit dem Sänger einer der besten nationalen Grind-Acts:
Björn:
Hallo, wie geht's?
Bony:
Blendend!
Björn:
Bist du bereit für den Fragenmarathon?
Bony:
Es ist zehn Uhr morgens, ich bin ausgeschlafen, habe Kaffe und Nikotin. Bin also bereit.
Björn:
Okay, dann lass uns direkt mal loslegen und da würde ich gerne mal wissen, wieso ihr euch für den Namen JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE entschieden habt.
Bony:
Ach menno, schon wieder die selbe Frage. Uwe Engelbracht, ein Freund unseres Drummers, hat mal in einem Brief erwähnt, dass er meint, die asiatische Medienindustrie würde die von ihnen hergestellten Kassettenrecorder dahingehend manipulieren, dass sie seine ???-Kassetten auffressen, um ihre japanischen Kampfhörspiele besser in den Markt pressen zu können. Außerdem: Wer braucht die 1256te Grindcore-Band, die sich nach Innereien, Foltermethoden etc. benennt?
Björn:
Werdet ihr oft auf diesen Namen angesprochen?
Bony:
Ja. Ich bin ja in meinem Leben schon oft nach der Uhrzeit gefragt worden, aber noch öfter nach dem Namen."
Björn:
Der Anfang der Band geht laut meinem Infozettel auf das Jahr 1998 zurück. Was ist denn seitdem alles passiert?
Bony:
Viele Demo-CDs, zwei semiprofessionelle Longplayer, eine EP, die endlich mal im Studio aufgenommen wurde, endlich auch ein Longplayer, der im Studio aufgenommen wurde, viel Merchandise und eine handvoll Gigs.
Björn:
Ich bin zum ersten Mal auf die Band aufmerksam geworden, als ich mich bei mp3.com nach neuem Underground-Material umgesehen habe. Hat euch diese Online-Plattform eigentlich geholfen, euren Namen zu etablieren?
Bony:
Auf jeden Fall. Durch's Internet sind wir an Orte vorgedrungen, die wir mit gewöhnlichem CD-Verkauf nie erreicht hätten, z.B. Kanada oder Brasilien. In letzter Zeit werden wir konzerttechnisch verstärkt von Leuten gebucht, die uns zwar aus dem Netz kennen, aber noch nicht mal eine CD von uns besitzen. Wir werden uns ab Januar auch mal ins Ausland wagen (wahrscheinlich Benelux, Frankreich und Großbritannien). Das wäre ohne Internet wahrscheinlich auch nicht zustande gekommen.
Björn:
Eure erste reguläre CD wurde ja über Blutwurscht Productions veröffentlicht. Wie seid ihr an den Deal herangekommen?
Bony:
Die haben sich einfach bei Christof (Drums) und Klaus (Gitarre) gemeldet. Das hat wohl schon ausgereicht.
Björn:
Was haben Blutwurscht Productions seinerzeit tun können, um euch auf die nächste Stufe zu bringen?
Bony:
Ich war zu der Zeit noch nicht in der Band, aber sie haben immerhin die Pressung der beiden CDs bezahlt, was ja auch schon mal ein Fortschritt war, da JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE dann keine gebrannten CDs mit selbstgebasteltem Cover mehr an den Mann bringen musste. Viel mehr haben Blutwurscht aber auch nicht gemacht.
Björn.
Heute veröffentlicht ihr eure Platten über Bastardized Recordings. Wie ist denn hier der Kontakt zustande gekommen?
Bony:
Ich habe Christof mal als Aushilfsdrummer an SIX REASONS TO KILL weitervermittelt. Die haben sich ganz gut verstanden, und der eine Gitarrist ist ja quasi Bastardized. Anfangs haben die uns noch ein wenig belächelt, aber als sie dann die ersten paar hundert Vorbestellungen auf dem Schirm hatten, haben sie uns viermal so ernst genommen.
Björn:
Bastardized ist ja noch ein sehr kleines und unbekanntes Label. Wer treibt sich sonst noch da herum? Kannst du da irgendetwas empfehlen?
Bony:
Ist zwar 'n kleines Label, aber sie geben sich wirklich Mühe und haben mittlerweile ein gutes Vetriebsnetz aufgebaut. Bastardized wachsen mit uns und wir sind ja noch lange nicht ausgewachsen. Empfehlen würde ich die Band SINCE THE DAY, aber auch DEAR DIARY sind 'ne feine Combo. Allerdings sind beide Bands weniger Power-Metal-kompatibel.
Björn:
Welche Musik hörst du dir denn privat an?
Bony:
Bis vor zehn Jahren habe ich nur Metal gehört, heute kaum noch. Auch wenn sich jetzt manch einer die Haare rauft: Ich liebe Britpop.
Björn:
Auweia! Aber gut, kommen wir zu eurem neuen Album "Hardcore aus der ersten Welt". Wie ist denn dieser Titel gemeint?
Bony:
Mit Hardcore meinen wir weniger die Musikrichtung, als eher all die Geschmacklosigkeiten, mit denen man konfrontiert wird. Man muss noch nicht mal das Haus verlassen dafür. Es reicht mittlerweile, den Fernseher einzuschalten. Demnächst wird es eine Sendung geben, in der der Mann mit den schnellsten Spermien ein Auto gewinnt. Muss ich noch mehr sagen?
Björn:
Und wo genau liegt die erste Welt?
Bony:
Überall dort, wo man Big Brother gucken, sich die Lippen aufspritzen oder Brust vergrößern lassen kann. Überall dort, wo es Porno-Pop-ups, Handys und Produktwerbeterror gibt.
Björn:
Ihr spielt aber nun keinen Hardcore, sondern schon eher einen Mix aus Grindcore und Death Metal. Glaubt ihr nicht, dass der Titel einige potenzielle Hörer abschrecken könnte?
Bony:
Wenn wir uns Gedanken darüber machen würden, wen was abschreckt, hätten wir einen anderen Bandnamen und englische Texte.
Björn:
Einige der Songtitel sind ja schon ein wenig bizarr ausgefallen. Ich spiele dabei auf solche Sachen wie "Im Schlafanzug zu Plus" oder "Zieh die Jacke falschrum an" an. Wovon handeln diese Titel und wie kommt man auf solche Songtitel?
Bony:
Das entsteht alles im Kopf unseres Drummers. Einmal habe ich nach der Probe versehentlich meine Jacke auf links angezogen. Christof meinte dann, ich soll das so lassen, anstatt mit anderen Leuten konform zu gehen. Das ist auch die Aussage des Songs. Hör auf, Fernsehen zu gucken. Hör auf, dir von anderen Leuten sagen zu lassen, welchen Schulabschluss oder welche Berufsausbildung du zu machen hast. Vertraue deinen Instinkten und Fähigkeiten. Der Rest ergibt sich dann schon. 'Im Schlafanzug ...' räumt mit dieser blöden Carpe-Diem-Scheiße auf. Es ist doch nicht schlimm, auch mal den halben Tag bekifft im Bett zu liegen, wenn es das Nervenkostüm geschmeidiger macht.
Björn:
Welche Sachen verarbeitet ihr denn generell in euren Texten?
Bony:
All die Dinge, mit denen uns die Industrie oder auch sonst wer glauben machen will, wir könnten mit ihnen unsere Lebensqualität erhöhen. Vielleicht können wir unsere Zuhörer dazu bringen, die Schönheit in Fehlern und Unvollkommenheit zu erkennen. Ich möchte noch betonen, dass wir der Kritik, die wir üben, selbst entsprechen. Auch wir essen bei McDonalds und trotz unseres Songs `Verbrennt euer Geld´ arbeitet unser Grunzer Paul in einer Bank.
Björn:
Und wie wichtig sind euch die Texte im Vergleich zur Musik?
Bony:
Ich denke, beides hat den gleichen Stellenwert.
Björn:
Wie so viele andere Genre-Alben habt ihr es auch gerade mal auf eine knappe Spielzeit von 31 Minuten gebracht. Jetzt mögen euch manche vielleicht den Vorwurf machen, dass ihr nicht den entsprechenden Gegenwert für das Geld gebt, wenn andere Bands für den selben Preis auf die doppelte Spielzeit kommen. Wie würdest du dich in dem Fall verteidigen?
Bony:
Ein Freund meinte letztens, er könne gar nicht glauben, dass die Platte nur 31 Minuten geht. Gefühlt seien es mindestens 45 Minuten. Mir ist es kackegal, wie lang eine Platte ist, so lange sie mir ein in sich rundes Hörerlebnis bietet. Das ist uns mit "Hardcore ..." meiner Meinung nach ganz gut gelungen. Ich arbeite in einem Plattenladen und kann mich nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal eine 60-minütige CD gehört habe, die mich komplett gefesselt hat. Ich will nicht schon wieder das abgefrühstückte "Reign In Blood"-Beispiel bringen, aber auf dieser Scheibe ist nach knapp einer halben Stunde alles gesagt. Wobei ich "Hardcore ..." in keinster Weise mit "Reign ..." auf eine Stufe stellen will.
Björn:
Glaubst du, es wäre realistisch, ein 60-minütiges Grindcore-Album einzuspielen?
Bony:
Es müssten 60 gute Minuten sein. Wichtig wären dabei auch Ruhephasen innerhalb der CD, um dann anschließend noch derber loszuprügeln. Wir denken mal drüber nach, aber rechne mal besser nicht damit.
Björn:
Und was denkst du über die Hörer? Wären die imstande dazu, 60 Minuten lang den derbsten Sounds zu folgen? Es kommt ja von vielen Bands oft die Ausrede, dass die Hörer den extremeren Sounds so lange nicht folgen können.
Bony:
Das kommt auf den Hörer an. Es gibt Leute, die hören den ganzen Tag nichts anderes als Blastbeat-Geballer. Die kämen auch mit 60 Minuten Hasenficktempo zurecht. Aber es gibt auch Leute wie mich, die gerne die "Panzer Division" von MARDUK hören, aber nicht mehr als vier Songs davon am Stück schaffen.
Björn:
Wie sieht das Ganze denn live aus, wie lange steht ihr da im Durchschnitt auf der Bühne?
Bony:
Wenn wir headlinen, gibt's 55-60 Minuten Vollgas. Danach sind wir körperlich am Ende.
Björn:
Was ich so gelesen habe, ist vom aktivsten Jahr der Bandgeschichte die Rede. Wo kann man die Japanischen Kampfhörspiele denn mal live sehen?
Bony:
Das waren bisher nur drei Konzerte. Ab Ende September sind wir aber regelmäßig unterwegs. Checkt einfach den Live-Button auf www.japanischekampfhoerspiele.de
Björn:
Hattet ihr noch keine Anfragen von den einschlägigen Extrem-Festivals?
Bony:
Das fängt gerade langsam an. Wir kommen natürlich gerne. Wendet euch einfach an die Bookingadresse auf unserer Homepage.
Björn:
Was wäre denn in Sachen Live-Shows ein erklärtes Ziel?
Bony:
Es reicht schon, wenn ein paar Leute kommen, um uns zu sehen und Spaß haben. Wenn wir dann noch mit unserer Leistung zufrieden sind, sind wir wunschlos glücklich. Ob das bei einem Open-Air oder in einem Keller passiert, ist zweitrangig.
Björn:
Welche Ziele verfolgt ihr denn im Allgemeinen mit der Band?
Bony:
Gar keine. JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE sind ein stetig gewachsener Zufall. Wir machen keine großen Pläne, sondern versuchen immer nur das, was als nächstes ansteht, nach bestem Unwissen und Gewissen zu erledigen
Björn:
Weiterentwicklung ist ja eine Sache, die sich gerade im brutalen Death-Metal-Bereich äußerst schwierig gestaltet, da man in Sachen Sound doch ein wenig limitiert ist. Wie kann sich eine Grindcore-Band deiner Meinung nach weiterentwickeln?
Bony:
Es ist wichtig, dass man dabei nicht auf andere schaut, denn dann erreicht man nur musikalisches Terrain, das andere längst beackert haben. Weiterentwicklung im Metal allgemein erreicht man auch dadurch, dass man sich mit anderer Musik als Metal beschäftigt. Man sollte das aber nicht krampfhaft versuchen. Weiterentwicklungen erfolgen meist unbewusst. Merke: Das Wesentliche passiert immer nebenbei.
Björn:
In welche Richtung wollt ihr euch denn in Zukunft entwickeln?
Bony:
Wie bereits gesagt, wir planen nichts. Was sich ergibt, ergibt sich halt. Würden wir irgendwas forcieren, wäre das der Anfang vom Ende. Christof und ich spielten nach Veröffentlichung der "Fertigmensch"-EP kurz mit dem Gedanken, ein Jazz-lastiges Album folgen zu lassen. Aber rausgekommen ist ja wieder was ganz Anderes.
Björn:
Was folgt denn jetzt im Anschluss an den Album-Release?
Bony:
Gigs. Einige kleinere Sachen headlinen wir, spielen aber auch Shows mit NASUM und CRYPTOPSY.
Björn:
Und wie lange müsse die Fans ungefähr auf neues Material warten? Habt ihr diesbezüglich schon etwas geplant?
Bony:
Wir arbeiten gerade an Songs für eine Platte, auf der nur Coverversionen von deutschsprachigen Songs vertreten sein werden. In der engeren Auswahl befinden sich u. a. EXTRABREIT, GOLDENE ZITRONEN, EA 80 und Hildegard Knef. Und wir werden noch eine Split-7" mit unseren Grind-Kumpels von DAS KRILL aufnehmen. Riffs für den nächsten regulären JAKA-Lonplayer sammeln wir auch schon. Für Fans wird es also keine größeren Durststrecken zu überbrücken geben."
Björn:
Okay, wir sind am Ende des Interviews angekommen. Nun möchte ich dir noch Platz einräumen, einige Worte zu den Lesern von Powermetal.de zu sprechen:
Bony:
Esst Fleisch, tragt Pelz und schenkt euren Kindern Kriegsspielzeug.
- Redakteur:
- Björn Backes