KAMELOT: Track-By-Track des neuen Albums "The Awakening"

15.03.2023 | 15:42

KAMELOT habe ich zu "The Black Halo"-Zeiten kennengelernt und Alben wie "Karma", "Epica" und vor allen Dingen das besagte 2005er Album förmlich verschlungen. Seitdem sind viele Jahre, insgesamt fünf Studioalben und ein für Fans nicht leicht zu verdauender Sängerwechsel ins Land gezogen. Entsprechend skeptisch stand ich im Vorfeld "Silverthorn" gegenüber, doch Tommy Karevik hatte Charisma und Kraft in der Stimme und passte daher gut in die Nachfolgerrolle eines Roy Khan. Auch "Haven" und zuletzt "The Shadow Theory" hatten ihre lichterlohen Highlights, die ich auch heute wieder gerne aus der Versenkung hole. Es ist fünf Jahre nach dem letzten Statement also wieder höchste Zeit, neue KAMELOT-Musik in Form von "The Awakening" in unseren Alltag zu integrieren und diese für euch im Detail zu betrachten.

Zunächst fällt uns dieses imposante und äußerst geschmackvolle Artwork aus der Feder von Giannis Nakos ins Auge, das hervorragend zum düsteren, melodischen Power/Symphonic Metal der Band passt und dem Statement des erwachenden Albumtitels nach stolzen fünf Jahren auch optisch die Krone aufsetzt. Doch widmen wir uns einmal den einzelnen Songs:

Ein anfangs verzerrtes, fast schon unheimliches, dann sich langsam dramatisch steigerndes Intro leitet das Spektakel ein, 'Overture' ist für kommende Live-Shows prädestiniert, die Erwartungshaltung der Zuschauer und -hörer ins Unermessliche zu steigern.

Ein kurzes Drum-Intro, bevor die episch-erhabene Melodie von 'The Great Divide' das Heft in die Hand nimmt. Und gleich zu Beginn kann sich Karevik ob seines emotionalen Gesangs auszeichnen und wenn sich dazu noch solch ein Bilderbuch-Refrain gesellt, könnte der "The Awakening"-Einstieg nicht geschmackvoller sein. Die Nummer hat unheimlich viel Volumen und Seele, diese Elemente aus Progressive-, Power- und Gothic Metal beherrschen Bandkopf Thomas Youngblood und Co. aus dem Effeff.

Ähnlich druckvoll fällt 'Eventide' aus, bei dem die symphonischen Momente etwas breiter ausfallen. Einmal mehr fällt die detailverliebte und auf KAMELOT maßgeschneiderte Produktion von Sascha Paeth positiv ins Gewicht und obgleich die Nummer nicht beim ersten Mal zündet, entwickelt sie sich auch ob des verspielten Gitarrensolos mit der Zeit zu einem regelrechten Sonnenstrahl, der den endgültigen Abschied eines geliebten Menschen thematisiert.

Kommen wir nun zur ersten Single-Auskopplung 'One Flag In The Ground', die zwischen theatralischer Gesangsdramatik und einem fesselnden Ohrwurmrefrain hin- und herpendelt und thematisch den Umgang oder besser den Kampf gegen körperliche und mentale Krankheiten aufgreift. Ein konzeptioneller wie auch musikalischer Muntermacher, dynamisch und schwungvoll, gleichzeitig verletzlich, bei dem jeder Genesungsschritt einer weiteren Flagge im Boden gleicht und wie ein Etappensieg gefeiert werden kann.

Die weitere Single-Auskopplung folgt in Form von 'Opus Of The Night (Ghost Requiem)' auf dem Fuße. Hierbei wird KAMELOT von der Cellistin Tina Guo begleitet, die dem Song eine stark opernhafte und kraftvolle Note verleiht. Auch hier zeigt sich neben Kareviks wunderschönem Gesang – vor allem im Refrain – Youngbloods Talent, spannende und nahezu atemberaubende Songs zu kredenzen.

Ein besinnlicher Klavier- und Folklore-Einstieg, Karevik steckt seine gesamte Seele in den Gesang und das Piano begleitet den KAMELOT-Sänger einfühlsam und gefühlvoll durch diese keltisch angehauchte Ballade. 'Midsummer's Eve' ist so wunderschön wie traurig, so kraftvoll wie verletzlich.

Wesentlich verspielter sieht der Zuhörer nun den Blutmond am Himmel, bei dem vor allem die facettenreiche Leistung von Alex Landenburg im Vordergrund steht. Was? Ich habe den neuen Mann an der KAMELOT-Schießbude noch gar nicht erwähnt? Bei 'Bloodmoon' wird es aber höchste Zeit, denn gemeinsam mit dem abermals theatralischen, orchestralen Gemüt lässt er den Song von Mal zu Mal weiter wachsen.

Ein wenig geradliniger und vor allem im Refrain bockstark löst der Nachthimmel den Blutmond ab. Ohne dass die cineastische Aura auch nur ansatzweise verloren geht, ist dieser 'Nightsky'-Bilderbuchohrwurm ein kleines Geschenk des Himmels, der zum Träumen und Eintauchen einlädt.

Im letzten Drittel des "The Awakening"-Abenteuers schütteln die Musiker noch ein paar Asse aus ihren Ärmeln: Und bei 'The Looking Glass' kommen ob des verspielten Klimperns und der dabei recht straighten Marschroute starke "Karma"-Vibes durch, die spätestens durch den abermals fantastischen Refrain verstärkt werden. Auch hier zeigt Bandkopf Youngblood im Solo sein Können.

Dramatische Chöre, ein stampfender, mächtiger Rhythmus und eine epische Grundstimmung haben bei 'New Babylon' das Sagen. Gemeinsam mit der AD INFINITUM-Frontfrau Melissa Bonny und Simone Simons von EPICA singt sich Karevik in einen absoluten Rausch, in dem sich auch die gesamte Instrumentalfraktion nach rund zweieinhalb Minuten befindet. Und mit äußerst authentischen Black- und Death-Metal-Vibes – ja, ihr lest richtig – kann KAMELOT auch im dreizehnten Studioanlauf noch enorm überraschen.

Nach diesem regelrechten Sturm wird es wieder Zeit für ruhigere Klänge: Das Piano setzt ein und nachdem eine orchestrale Untermalung den 'Willow'-Grundtenor bestimmt, darf sich auch der KAMELOT-Gesang einmal mehr auszeichnen. Dem Ende hin zücken die Musiker also nochmal eine Ballade, die ab der Hälfte auch durch die anderen Instrumente an noch mehr Dramatik gewinnt.

Fast abschließend sorgt 'My Pantheon (Forevermore)' nochmals für starke Aha-Momente durch harte, offensive Gitarren, die vor allem in der Mitte ihrer Komplexität freien Lauf lassen. Und nach drei Minuten lässt KAMELOT die Wildsau von der Leine, um dann nach kurzer Zeit wieder in die gewohnt symphonischen, verträumten Sphären einzutauchen. Schon erstaunlich, wie stark die Band hier mit hoffnungsvollen Sonnenstrahlen und der mystischen Dunkelheit spielt, wie nah Licht und Schatten agieren, wie gut KAMELOT einmal mehr diesen eleganten Spagat auf die Kette bekommt.

Wenn es ein Intro gibt, dann darf auch das Outro in Form von 'Ephemera' nicht zu kurz kommen. Wie im fesselndsten und atemberaubendsten Kino-Blockbuster begleitet uns KAMELOT nach diesem Abenteuer wieder ins Hier und Jetzt, hat neben aufwühlenden Momenten auch beruhigende Klaviersequenzen zu bieten, die "The Awakening" einen sehr würdevollen Rahmen verpassen.

Fazit: Trotz einiger "Karma"- und "Epica"-Referenzen gehen Youngblood und Co. den Weg der Schattentheorie konsequent weiter, blicken sich ein ums andere Mal in cineastischen und fantastischen Welten um und werfen ihre Vergangenheit und Gegenwart in die Waagschale, um mit "The Awakening" ein Werk der symphonischen Zukunft zu schaffen. Inklusive düsterer Gothic-, erhabener Epic- und progressiven Power-Metal-Momenten etablieren sich schon nach den ersten Durchgängen die lichterloh brennenden Highlights. Die weiteren, die erst nach mehrmaligem Genuss dieser tollen Scheibe zum Vorschein kommen, sind eventuell sogar noch eine Spur spannender. So oder so überzeugen KAMELOT und "The Awakening", die Songwritingleistung sowie der opulente Sound sowohl in der Mannschafts- als auch in der Einzelwertung. Ein starkes Album durch und durch, die Tour kann kommen.

Fotocredits: Napalm Records

Redakteur:
Marcel Rapp

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