KAMIKAZE 52: Interview mit Sui Yamamoto & Alexander Goldmann
01.01.1970 | 01:00Sowohl ihre Musik als auch ihr Auftreten lassen erahnen: KAMIKAZE 52 sind ein exotischer und zugleich recht verrückter Haufen. Das Quartett aus der Bundeshauptstadt Berlin hat mit seinem Debüt "Destroy Yourself To Rise" Anfang Mai eine wilde Mischung aus Hardcore, Punk und Pop veröffentlicht, abgehoben und genial zugleich - Grund genug also, Sängerin Sui Yamamoto und Gitarrist Alexander Goldmann zum Interview zu bitten. Und was sich im Vorfeld abzeichnetete, bewahrheitete sich im Verlauf der Befragung: KAMIKAZE 52 haben wirklich einen leichten Sprung in der Schüssel... ;-).
Kathy:
KAMIKAZE 52 kamen dadurch zustande, dass Gitarrist Alexander Goldmann die jetzige Sängerin Sui Yamamoto über den Haufen fuhr - wie kommt es, dass sie ihm nach dem 52tägigen Krankenhaus-Aufenthalt nicht den Hals umdrehte, sondern schlussendlich zur Band stieß?
Sui:
Alexander ist leider ein unerträglich lustiger Mensch, der sich am laufenden Band Dinge erlauben kann, für die man andere Leute auf der Stelle verbrennen würde. So hat er auch mich zum Lachen gebracht und schließlich haben wir zusammen Musik gemacht .
Kathy:
Im Nachhinein betrachtet: Glaubt ihr, dass der Unfall Schicksal war - sofern ihr an so etwas glaubt?
Alex:
Wir sind der Auffassung, dass wir eh von Sternen geleitet sind. Alles ist vorbestimmt und geht seinen
Weg. Wir bestimmen nur die Richtung , Böse oder Gut!
Sui:
Aneinandergekettet werden wir bis in alle Ewigkeit an unserer Erleuchtung vorübertorkeln .
Kathy:
Sui hatte in Berlin ursprünglich Schauspiel-Ambitionen. Sang sie schon vorher oder hat erst der Unfall ihre Gesinnung komplett umgepolt?
Sui:
Es gab in jener Zeit sicherlich einige Lebensumstände, die meine Entscheidung in Richtung Musik bekräftigt haben - der Unfall als solches spielte dabei allerdings keine besondere Rolle .
Kathy:
Wie schafft es eine so zierliche Person wie sie eigentlich, ein derartig verblüffendes Stimmvolumen an den Tag zu legen? Hat sie da bestimmte Tricks?
Alex:
Geisteskranke verfügen manchmal über merkwürdige Fähigkeiten .
Kathy:
Alexander spielte früher in der Punk-Band FEELING B. Warum ging selbiges Kapitel zu Ende und wurde KAMIKAZE 52 geboren?
Alex:
Die Punk-Ikone Aljoscha Rompe, Sänger von FEELING B, ist unter mysteriösen Umständen gestorben. Der Rest der Band spielte erst mal mit einem Pappaufsteller als Sängerersatz weiter, benannte sich dann in KAMIKAZE 52 um. Sui stieß dazu, das Line-Up wechselte noch ein paar mal - bis wir schließlich das waren, was wir heute sind .
Kathy:
Die Band setzt sich Alles in Allem sehr exotisch zusammen: Sängerin Sui ist Halb-Japanerin, Gitarrist Alexander Deutscher, Drummer Tyronne de Silva kommt aus Sri Lanka und seid April habt ihr mit Basser Hasamura II einen weiteren Japaner (?) an Bord. Ist das purer Zufall oder legt ihr Wert auf ein muli-kulturelles Line-Up?
Sui:
Es lag niemals in unserer Absicht, politisch korrektes Multi-Kulti-Entertainment zu betreiben. Wir sind vier potentielle Amokläufer, die zusammen Musik machen, um zu überleben - das ist alles. Übrigens: Hasamura II ist ein internes Pseudonym für unseren Bassisten Rene Flexner (deutsch) und Alexander ist ein stinkender kroatischer Teppichhändler... .
Alex:
Und Sui ist eine Lotusblüte auf der Müllhalde Marzahn OST.
Kathy:
Fließen durch diese kulturelle Vielfalt auch bestimmte Aspekte/Beeinflussungen in eure Musik mit ein, z.B. aus der asiatischen Pop-Musik?
Sui:
Der Einfluss der Müllhalde Marzahn OST ist sicherlich sehr prägend für unsere musikalische Weiterentwicklung.
Alex:
Also mit asiatischer Pop-Musik haben wir nichts am Hut. Sui hat Schlitzaugen, das ist alles.
Kathy:
Ihr beschreibt euren Stil selbst als Terror-Pop-Core, eine Mischung zwischen MINISTRY und DEPECHE MODE, ABBA und MOTÖRHEAD. Wer von euch war/ist für die Entstehung dieser kruden Mixtur verantwortlich und wie kam es dazu?
Alex:
Das hat sich aus unseren gemeinsamen musikalischen Neigungen einfach so herauskristallisiert.
Kathy:
Empfindet ihr rein klanglich betrachtet Vergleiche zu Kollegen wie den GUANO APES als passend?
Sui:
Wir würden diesen Vergleich wahrscheinlich nicht vornehmen, aber nachdem man uns schon als Bonnie Tyler und RAMMSTEIN oder auch Hildegard Knef mit MINISTRY bezeichnet hat, sehen wir der ganzen Vergleicherei sowieso mit großem Humor entgegen .
Alex:
Du bist die Erste, die diesen Vergleich macht. Ganz interessant. Nette Band!
Kathy:
"Destroy Yourself To Rise" birgt sowohl musikalisch als auch textlich wütende, aggressive, aber auch erotische Schwingungen in sich. Verarbeitet ihr in den Songs persönliche Gefühle?
Sui:
Ich verarbeite meine eigenen Gefühle und Erlebnisse und arbeite außerdem eng mit Tyronnes Meerschweichen zusammen - einem anerkannten Philosophen und gefürchteten Sozialkritiker .
Kathy:
Was ist effektiv die Kernaussage des Albums?
Sui:
Zerstören Sie die Projektion Ihres imaginären Ichs - Sein statt Schein.
Kathy:
Das Artwork der CD erinnert mich sehr an die japanischen Manga-Comics. Ist das gewollt?
Alex:
Nein.
Sui:
Ja.
Alex:
Nein.
Sui:
Ja.
Alex:
Nächste Frage!
Kathy:
Sui trägt auf dem Cover eine Bombe umgeschnallt, was in heutigen Zeiten - besonders in Anbetracht der Nahost-Krise und dortigen Selbstmordattentaten - zwiespältig aufgenommen werden könnte. Wollt ihr gezielt provozieren?
Sui:
Es geht vor allem darum, den Zustand der Außenweltvorgabe zu benennen. Sollte das provozieren bzw. den einen oder anderen zu einer Reaktion veranlassen, ist davon auszugehen, dass noch Hoffnung besteht .
Kathy:
Ich habe euch Ende letzten Jahres im Vorprogramm von THANATEROS in der Röhre Stuttgart gesehen - besonders Sui hat da eine sehr exotische (Tanz-)Show abgezogen. Wie wichtig sind euch Konzerte und das Präsentieren vor Publikum?
Sui:
Drastisch aber wahr: Das ist es, wofür wir leben.
Alex:
Das war noch eins der harmlosen Support-Konzerte. Wir haben sonst eine ziemlich abgefahrene Bühnenshow! Die ist uns sehr wichtig und wir arbeiten sehr hart dran!
Kathy:
Wie sieht es mit Live-Aktivitäten für den weiteren Jahresverlauf aus?
Alex:
Wir touren unentwegt und sind froh, Berlin zu verlassen. Von uns aus könnten wir den IRON MAIDEN-Rekord (350 Konzerte im Jahr) brechen. Das Live-Spielen ist unser täglich Brot.
Kathy:
Mal angenommen, das Schicksal hätte nicht zugeschlagen und Alexander und Sui hätten sich niemals (unter welchen obskuren Bedingungen auch immer) getroffen, wie würden KAMIKAZE 52 dann heute wohl aussehen?
Sui:
Teppichhändler Goldmann wäre im Gefängnis und Müllhaldenprinzessin Yamamoto in der Irrenanstalt.
Alex:
Gar nicht!
Kathy:
Welchen "Schicksalsschlag" wünscht ihr euch für euren weiteren Weg?
Alex:
Einen ins Gesicht!
Sui:
Herr Doktor, der Gitarrist ist kaputt - kann ich den nochmal in neu haben ?
- Redakteur:
- Kathy Schütte