KANONENFIEBER: Interview mit Noise
16.09.2024 | 20:18Alles andere als eine Katastrophe: das neue KANONENFIEBER-Album.
Im deutschen Extreme-Metal wird die Band kontrovers diskutiert, gefühlt steigt aber auch keine Band in den Festival-Billings schneller nach oben als KANONENFIEBER. Die "Urkatastrophe" wirft ihre Schatten voraus und wir wollen euch natürlich Antworten liefern. Nur auf schriftlichem Wege zu erreichen, dennoch auskunftsfreudig: Front-Bühnenfigur Noise.
Danke für das Beantworten unserer Fragen. Du bleibst als Person anonym, die Bühnenfigur Noise orientiert sich am Leitbild des unbekannten Soldaten. Mit welcher Agenda im Hinterkopf hast du KANONENFIEBER gegründet?
Na klar, ich danke für die Fragen! KANONENFIEBER ist das Hirnkind eines guten Freundes, der Hobbyhistoriker ist, und mir. Wir saßen bei einem Käffchen zusammen und haben über das Für und Wider der hiesigen Metalszene palavert. Als wir begannen über BOLT THROWER, HAIL OF BULLETS, MARDUK und zuletzt auch über SABATON zu reden, kam uns die Idee für KANONENFIEBER. Ein Bandprojekt, das eben nicht verherrlichend oder gar positiv über Krieg fanatisiert, sondern den Schmutz, das Leiden und den Schrecken des Krieges widerspiegelt. Das alles verpackt in historisch nachvollziehbare und mit Quellen belegbare Texte.
Musst du nach wie vor Aufklärungsarbeit leisten, was eine vermeintliche politische Gesinnung von KANONENFIEBER angeht? Ich denke da nur an ENDSTILLE, die sich ja seit jeher erklären müssen.
Anfangs ja, aber mittlerweile nicht mehr. Unsere Hörerschaft hat es sich zur Aufgabe gemacht, auf fragwürdige Kommentare im Internet zu antworten - wofür ich sehr dankbar bin! Meine Aufklärungsarbeit hat gut gefruchtet!
Apropos ENDSTILLE, gehört die Band zu deinen Einflüssen? Sowohl inhaltlich als auch musikalisch.
Tatsächlich gehört Endstille nicht zu meinen prägenden Einflüssen für KANONENFIEBER. Trotzdem - ich bin ein großer Fan der Formation. ENDSTILLE war die erste waschechte Black-Metal-Band, die ich live gesehen habe. Damals noch mit Iblis am Mikrofon. Gerne denke ich an das Konzert zurück.
War Black Metal von Beginn an die präferierte musikalische Hülle für deine Texte? Bei ähnlich gelagerten Inhalten und "guter-Laune"-Musik wie bei SABATON streiten sich ja die Geister.
Ich finde Black und Death Metal - ich persönlich würde KANONENFIEBER in Death Metal einkategorisieren - ist das beste Genre, um die Message, die ich mit KANONENFIEBER transportieren will, zu untermauern. Zudem habe ich keine Ahnung, wie man Gute-Laune-Musik schreibt, haha.
"Die Urkatastrophe" hat meines Wissens nach keinen reinen Kriegsbezug, sondern stellt die gesellschaftliche Entwicklung in Europa mitsamt der Systemfrage und dem Auf- und Abstieg der bürgerlichen Gesellschaft in einen Zusammenhang, der letztendlich im Zweiten Weltkrieg seinen traurigen Höhepunkt fand. Hat diese Thematik für dich einen allegorischen Charakter?
Tatsächlich hat "Die Urkatastrophe" für mich ausschließlich Kriegsbezug. "Die Urkatastrophe" ist die Betitelung des ersten Weltkriegs für die meisten Historiker und genau darum geht es auf der Scheibe. Geschichten von 1914-1918. Ich maße mir nicht an, Sozialkritik zu üben, das überlasse ich gebildeten Personen wie den Jungs von HEAVEN SHALL BURN.
Auch in Deutschland sind deutschsprachige Texte kein Standard. Ist dir der Inhalt der Texte so wichtig, dass das Publikum sich damit quasi auseinandersetzen muss?
Die Erklärung ist ganz einfach: Die Dokumente, Briefe und Bücher, die ich als Grundlage für meine Texte verwende, sind in deutscher Sprache geschrieben. Meine Muttersprache ist Deutsch. Mein Englisch ist einfach zu mies, um akkurate Soldatenmundart wiederzugeben. Mein Deutsch reicht dafür gerade so aus.
Wie reagieren Fans und Medien aus anderen Ländern auf KANONENFIEBER? Spürt man dort einen anderen Umgang mit Themen wie Kriegsschuld als hier in Deutschland?
Wir Deutschen sind von unserer Kriegsschuld geprägt, weswegen KANONENFIEBER hier eine ganz andere Bedeutung einnimmt als in den anderen Ländern, die wir bis dato bespielten. Der Schock-Effekt unserer Show ist nicht mit dem in anderen Ländern vergleichbar. Gerade die Südamerikaner sehen das Ganze meist als Gimmick und hatten beim "Hell and Heaven"-Festival einen Mordsspaß vor der Bühne. In Deutschland kommt diese ausgelassene Stimmung nicht zustande.
Deine Live-Musiker spielen auch zusammen mit dir in der Black-Metal-Band NON EST DEUS. "Braucht" ihr diese zwei Bands für unterschiedliche Anliegen?
Da geht es weniger um ein Anliegen, als um die Tatsache, dass wir gerne zusammen unterwegs sind. Was bietet sich da besser an, als eine zweite Band zu basteln und noch mehr mit seinen Freunden zu touren? Wir haben einfach unfassbar viel Spaß, auch wenn das Livespielen natürlich sehr zeitraubend und anstrengend ist.
Auf 'Waffenbrüder' spielt HEAVEN SHALL BURNs Maik Weichert. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Vorneweg: Ich bin ein riesiger HEAVEN SHALL BURN-Fan seit geraumer Zeit. Nachdem KANONENFIEBER gestartet war, suchte ich nach Antworten auf viele Fragen. Das Musikbusiness ist ein Jungle und es gibt unzählige Stolpersteine. Während meiner Suche nach Antworten hat mir ein gemeinsamer Freund Maik vorgestellt. Maik hat immer einen guten Tipp für mich parat gehabt, wofür ich ihm danken muss! Als der Song 'Waffenbrüder' dann geschrieben war, dachte ich mir, dass in der Bridge ein Gitarrensolo passen würde wie die Faust aufs Auge. Kaum einer spielt emotionalere Leadgitarrenpassagen als Maik, dementsprechend war er meine erste Wahl. Ich fragte ihn, er willigte ein und wenige Tage später erhielt ich sein großartiges Solo.
Siehst du KANONENFIEBER dauerhaft als Konzept-Band über den Ersten Weltkrieg oder kannst du dir vorstellen, nach zwei Alben zu diesem Themenkomplex auch andere Inhalte neben Krieg zu thematisieren?
Es wird sich um Krieg drehen und das bis an das Ende dieser Band. Falls ich über andere Themen schreiben will, gründe ich einfach noch ein Projekt. Man kann davon nie zu viele haben, haha.
Photo-Credit: Tiffany Anne
Der Maulwurf
https://www.youtube.com/watch?v=7f8N0UQAZF0
- Redakteur:
- Nils Macher