KATATONIA: Interview mit Daniel und Nille

28.12.2012 | 11:07

Die Könige der Sackgasse im Gespräch

Mit "Dead End Kings", dem mittlerweile neunten Studioalbum der Schweden, gehen KATATONIA ihren Weg konsequent weiter, was bei uns zu einem dritten Platz im Soundcheck und sogar einer 10-Punkte-Rezension vom Kollegen Becker führte. Daher war es nun spätestens auf der Tour Zeit für ein Gespräch: Drummer Daniel und Bassist "Nille" standen uns in Köln Rede und Antwort, wenngleich vor allem ersterer scheinbar hart mit den Folgen der letzten Nacht zu kämpfen hat; die beiden haben in der Location vom Vortag (in irgendeiner nicht näher benennbaren Stadt in Belgien, lässt man mich wissen) die Nacht zum Tage gemacht. Darum dauert es ein wenig, bis das Gespräch an Fahrt aufnimmt – einen Zweifel an der Liebe zu ihrer Musik besteht indes zu keinem Zeitpunkt.

"Dead End Kings" wurde im August veröffentlicht. Wie waren die bisherigen Reaktionen?

Daniel: Meine Reaktion war: „Wow, was für ein tolles Album!“ Und ich glaube, so war das auch bei all den Kritikern und den Metal-Magazinen; es wurde sehr gut aufgenommen.

Nille: Ja, gute Reviews und viele nette Kommentare.

Unter welchen Umständen habt ihr das Album aufgenommen?

Daniel: (gähnt) Tut mir leid... Es war wie bei allen Alben, die wir bisher aufgenommen haben. Wir schreiben Musik zuhause und produzieren dann Demos, Riffs, Ideen – und am Ende sind es eine Handvoll Songs, die wir uns alle daheim anhören. Wir überlegen uns Dinge und gehen dann ins Studio und nehmen sie auf. Wir proben niemals irgendetwas. Wir schreiben zuhause und jammen im Studio.

Habt ihr jemals versucht, das Vorgehen zu ändern und zum Beispiel zu proben?

Daniel: Wir probierten das einmal, einen Song zu proben, aber das funktionierte nicht. Für uns ist es besser, so zu arbeiten.

Nille: Das ist das erste KATATONIA-Album, auf dem ich mitwirke, und es ist wirklich so, dass wir die Ideen zuhause aufnahmen und diese Ideen dann mit in das "richtige" Studio brachten.

Daniel: So ist es frischer. Wenn du schon zwölf Lieder fertig hast und du probst diese und probst und probst... dann würden wir zwar Zeit im Studio sparen. Aber wenn du dann ins Studio gehst, sind die Songs bereits alt. Das neigt dann dazu, langweilig zu sein.

Ist das auch eine Frage des Geldes?

Daniel: Ich sag mal so: wir verschwenden nicht Monat um Monat im Studio, um beispielsweise die Schlagzeugspuren aufzunehmen. Ich glaube, ich habe das Schlagzeug in sechs, sieben Tagen aufgenommen, was ziemlich tight ist. Daher habe ich zwei bis drei Songs pro Tag aufgenommen, ohne sie zu proben. [Die Mathematik dahinter erschließt sich mir bei elf Nummern auf "Dead End Kings" bis zum heutigen Tage nicht. – OP] So bleiben die Songs frischer.

Der erste Track, den ihr den Leuten präsentiert habt, war 'Dead Letters' mit diesem Riff, das nach TOOL klingt. Seid ihr Fans der Band oder wie ist dieser Sound in den von KATATONIA gekommen?

Daniel: Was mich betrifft, ich bin kein TOOL-Fan. Ich weiß, dass Jonas und Anders TOOL hören und mögen. Aber bei diesem Song klingt das Anfangsriff nach TOOL. Weil wir das jedoch als Teaser veröffentlicht haben, dachten die Leute, das dieses Lied stellvertretend für das ganze Album ist. Die Leute im Internet meinten: "Das neue Album klingt nach TOOL!" Es klingt nicht nach TOOL. Das Riff tut es, mehr nicht.

Schreibt ihr denn heutzutage überhaupt noch selber Briefe? Nehmt ihr noch Stift und Papier in die Hand und legt los?

Daniel: Niemals!

Nille: Gar nicht, bloß noch Emails. Ich bekomme aber auch kaum noch Briefe.

Daniel: Rechnungen bekomme ich noch als Briefe! (lacht)

Nille: Wobei auch die immer mehr per Email kommen.

Das Artwork von "Dead End Kings" ist etwas eigenartig, aber wie ich finde auch ziemlich genial, weil es perfekt zur Stimmung des Album passt. Was steckt dahinter?

Daniel: Es repräsentiert den Stil, die Stimmung und den Sound des Albums. Es waren Anders und Jonas zusammen mit Travis Smith, die gemeinsam mit Ideen für das Artwork um die Ecke kamen; häufig während sie Songs schrieben. Manchmal haben sie sogar schon davor Ideen sowie ein bestimmtes Farbschema im Kopf und meinen, dass ein bestimmter Songs zum Beispiel weiss klingt. Weißt du, jeder Song hat sein eigenes Bild. In der Special-Edition gibt es eine DVD, auf der jedes Lied ein eigenes Artwork hat. Das geht Hand in Hand, Musik und Artwork. Sie sind schon sehr künstlerisch.

Wenn ihr "Night Is The New Day" mit "Dead End Kings" vergleicht, was sticht dabei am meisten heraus?

Daniel: Da ist kein so großer Unterschied. Für mich sind das einfach elf neue Songs.

Ich denke, du hast recht, denn viele Leute sagen, dass die letzten drei Alben, also inklusive "The Great Cold Distance", nicht allzu unterschiedlich sind, bei den Platten zuvor jedoch immer ein großer Schritt vom einen zum anderen war (zum Beispiel von "Tonight's Decision" nach "Last Fair Deal Gone Down"). Danach wurden diese Schritte kleiner.

Daniel: Dem kann ich absolut zustimmen. Vor allem von "Last Fair Deal Gone Down" zu "Viva Emptiness" gibt es eine große Lücke. Das ist viel progressiver und, wenn man es so sagen kann, auch mehr Metal, aggressiver und mehr "Macho".

Nille: Für mich ist "Dead End Kings" wie ein Mix aus "Night Is The New Day" und "The Great Cold Distance". Es klingt, als wäre das beste aus diesen zu einem kombiniert worden.

Wie läuft die Tour bisher? Ich habe am Rande mitbekommen, dass ihr Probleme mit eurem Bus hattet?


Daniel: (stöhnt) Ja, wir hatten Probleme mit unseren Bussen. [Daniel betont den Plural. - OP] Unseren ersten Zusammenbruch hatten wir in Finnland. Den danach hatten wir in Rom auf dem Weg zur Location. Und dann hatten wir einen Ersatzbus, der auch wieder kaputt ging. Daher mussten wir für fast eine Woche in Hotels ein- und früh wieder auschecken und sind mit einem normalen Coachbus fast wie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gereist.

Aufgrunddessen musstet ihr auch zwei Shows in Spanien absagen.

Daniel: Ja, so leid uns das tut. Aber wir hatten nun einmal keinen Bus, und das wäre eine zehnstündige Fahrt geworden. Und wir mussten eh unter sehr niedrigen Bedingungen leben. Wären wir dort heruntergefahren, wären Leute vielleicht krank oder extrem übermüdet geworden. Dann hätten wir möglicherweise noch mehr Shows absagen müssen.

Und wie verläuft die Tour abseits der Fahrzeugprobleme?

Daniel: Ehrlich gesagt läuft es ziemlich gut. Wir sind wegen der Bussituation ziemlich müde, aber wir bringen nach wie vor unsere Shows und die Leute kommen. Es ist fantastisch, denn ich weiß, dass derzeit so viele Touren in Europa unterwegs sind – vielleicht 50 Touren?

Nille: Ja, 50 bis 60 Touren.

Daniel: Und da dachte ich mir schon: "Oh nein, niemand wird bei unseren Shows auftauchen!", aber es ist fast jede Nacht ausverkauft und dafür bin ich sehr dankbar.

Nille: Ich habe schon von Bands gehört, die ihre Tour abgesagt haben, weil ihre Vorverkäufe so niedrig sind. Die Leute können es sich halt nicht leisten, zu jeder Show zu kommen, weil derzeit so viele unterwegs sind.

Also befindet ihr euch schon in einer ziemlich privilegierten Situation, eine Tour unter diesen Umständen zu absolvieren.

Daniel: Absolut.

Nille: Wir bekommen Aufmerksamkeit. Das ist fantastisch.

Braucht man für die Musik von KATATONIA aus eurer Sicht eine besondere Stimmung, um zu einer Show zu gehen? Oder geht Partymachen dabei genau so gut?

Daniel: Ich weiß es nicht, ich habe noch nie eine KATATONIA-Show gesehen. (lacht)

Nille: Ich denke, dass das beides funktioniert. Wenn wir live spielen, überbringen wir natürlich zum einen diese speziellen Emotionen durch die Songs, aber wir liefern auch eine Bühnenshow ab, die von Leuten honoriert wird, die einfach nur ein paar Bier trinken und Musik hören wollen.

Was bevorzugt ihr: Die Arbeit im Studio oder auf der Bühne zu sein?

Daniel: Auf der Bühne zu sein.

Nille: Ja, ganz klar.

Daniel: Auf der Bühne zu sein dauert eineinhalb Stunden und die Studioarbeit dauert Wochen.

Aber auf der Bühne seid ihr dafür deutlich häufiger.

Daniel: Ja, aber es sind bloß eineinhalb Stunden pro Tag, insofern...

Nille: Man bekommt live auch die entsprechende Anerkennung. An dem Punkt macht es für mich erst richtig Sinn.

Dort bekommt ihr schließlich auch etwas von den Fans zurück.

Nille: Exakt.


Ich habe euch dieses Jahr auf dem Summer Breeze gesehen und war verwundert, weil Jonas fröhlich wirkte. Er stand auf der Bühne, grinste und sprach mit den Leuten, wie ich das noch nie gesehen habe. Was ist da im Entstehungsprozess von "Dead End Kings" passiert?

Nille: Ich glaube, ich habe ihm vor der Show ein Bier ausgetan! (lacht)

Daniel: Jonas ist fröhlich. Er ist wirklich eine fröhliche Person. Es wäre dumm zu denken, dass er so niedergeschlagen oder depressiv ist wie die Musik, die er schreibt. Das ist er nicht.

2011 habt ihr mehrmals sehr, sehr alte Songs ausgepackt. Wie kam es dazu?

Daniel: Das ging Hand in Hand mit den Jubiläumsshows. Dort haben wir 20 Jahre KATATONIA gefeiert, und das sollte natürlich alles beinhalten; möglichst einen Song von jedem Album. Und nach den Jubiläumsshows hatten wir diese nun einmal geübt und waren zu spät dran für neue. (lacht)

Nille: Und teilweise war das auch ganz gut, weil wir auf Festivals mit etwas brutaleren Bands gespielt haben und so konnten wir den Fans hier zumindest ein bisschen entgegenkommen. Allerdings haben wir unser Corpsepaint vergessen. (lacht)

Daniel: Ja, wir haben das Make-Up zuhause vergessen. (lacht)

Das würde vermutlich auch etwas albern aussehen. Was sind eure Zukunftspläne nach dem Ende dieser Tour?

Daniel: Oh man... mehr Touren und mehr Touren und mehr Touren... Wir werden nächstes Jahr wieder in die Staaten gehen. Ich weiß zwar noch nicht wann oder warum, aber wir werden es tun. (lacht) Festivals wird es auch einige geben, allerdings hat unser Management uns noch nicht verraten, welche es werden.

Gibt es noch etwas, was ihr euren Fans mitteilen möchtet?

Daniel: Cheers! Ich werde heute Abend nichts trinken.

Nille: Keep on keeping on!

Redakteur:
Oliver Paßgang

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