KATATONIA: Interview mit Niklas Sandin

18.01.2023 | 17:12

"Sky Void Of Stars" markiert einen weiteren Höhepunkt in der starken Diskografie der Düster-Proggies aus Schweden. Natürlich wollten wir wissen, ob das Album eine Fortsetzung von "City Burials" ist und was im KATATONIA-Lager gerade noch so los ist. Bassist Niklas "Nille" Sandin beantwortete kurz vor Weihnachten unsere Fragen.

Niklas, was treibt ihr gerade? Shows spielt ihr dieses Jahr vermutlich nicht mehr, oder?

Nein. Wir sind Montag zurück nach Schweden gekommen, nachdem wir fast fünf Wochen in den USA verbracht hatten.

Also gerade noch rechtzeitig vor Weihnachten?

Ganz genau.

Also Niklas, es gibt wieder ein neues KATATONIA-Album und die erste Single ist auch draußen. Mögen es eure Fans?

Ich finde die Reaktionen überwältigend gut, um ehrlich zu sein. Sie mögen es und genießen die kleinen Teaser aufs Album, die wir ihnen gezeigt haben. Wir haben ja zwei Singles veröffentlicht. Der eine Song ('Atrium') ist recht poppig, etwas catchy. Und der zweite Song ('Austerity') ist deutlich heavier. Das haben unsere Fans verstanden, würde ich sagen. Wie bei den anderen KATATONIA-Alben versuchen wir, die Dynamik des Materials zu zeigen.

Das stimmt. Kein KATATONIA-Album ist nur proggy, nur heavy oder nur melancholisch. Ihr verbindet diese Säulen immer miteinander.

So sieht es aus! Es war bei "City Burials" auch so. Damals haben wir einen Song mit vielen elektronischen Elementen zuerst veröffentlicht, danach aber eine Nummer, die gleich mit einem Gitarren-Solo beginnt.

Nach der ersten Single waren die Fans damals etwas geschockt, oder?

Allerdings. Es gab die wildesten Spekulationen, dass KATATONIA plötzlich eine rein elektronische Band würde und solche Geschichten.

Einen auf STEVEN WILSON machen, quasi?

Du sagst es. Mit dem zweiten Song hatten wir sie aber schnell vom Gegenteil überzeugt.

Und dennoch ist eure Situation jetzt eine etwas andere. Das letzte Album erschien zu Beginn der Pandemie und ihr konntet keine Konzerte spielen, um die neuen Songs vorzustellen. Erst macht die Band offiziell eine längere Pause und dann Covid ... wie habt ihr euch da gefühlt?

Es war natürlich frustrierend und es war etwas, das uns am Anfang sehr demoralisiert hat, weil wir, wie du schon sagtest, die Pause gemacht hatten, um die Batterien wieder aufzuladen, weil wir so lange unterwegs waren. KATATONIA als Band gibt es schon so lange und seit etwa 30 Jahren geht es eigentlich nur darum, Musik zu schreiben, sie zu veröffentlichen, auf Tour zu gehen, Live-Shows zu spielen und das dann in einem Zyklus. Es gab also nie eine vollständige Pause von all dem. Ich glaube, das war auch nötig, um die Batterien wieder aufzuladen. Und dann, als es sich so anfühlte: "Oh, aber jetzt geht es uns gut und jetzt können wir sogar noch stärker zurückkommen", weißt du, dann wurden wir von dieser Pandemie getroffen, die uns unfreiwillig wieder in eine Leere getrieben hat. Es war irgendwie seltsam. Zuerst das Gefühl, dass wir jetzt ein schönes Comeback feiern und zeigen werden, dass wir stärker denn je zurück sind. Und dann werden uns die Beine weggezogen.

Wenn wir gerade bei der Bandgeschichte und eurem Gefühlsleben sind. Jonas hat das letzte Album quasi im Alleingang geschrieben. Was hatte sich damals verändert im Vergleich zu den Platten davor? Und wie hast du deine Rolle als Bassist ausfüllen können?

Das mit Jonas stimmt. Und das liegt einfach daran, dass die Musik von KATATONIA immer nur aus der Inspiration kommen sollte. Und wenn sie durch dich fließt, merkst du das. Also hatte Jonas eine Art endlosen Fluss von Musik, die von ihm ausging, und das ist wichtig. Denn KATATONIA ist keine Band, die nur gezwungen Songs veröffentlicht, weißt du was ich meine? Also, das ist eine sehr wichtige Sache. Und genau so ist es jetzt bei den letzten beiden Alben gewesen. Und, ja, für mich als Bassist kann ich meine eigenen Ideen einbringen, und wenn ich das Gefühl habe, dass etwas anders gespielt werden könnte und ich meine eigene Note einbringen möchte, nicht unbedingt, dass ich meine eigene Note einbringen muss, aber wenn ich eine Idee habe, von der ich denke, dass sie besser zu dem Song passt, dann spreche ich das mit der Band ab. Meistens ist es etwas, das er gut findet und von dem er möchte, dass ich meinen Beitrag leiste und dass ich meine Stimme einbringen kann.

Du hast den Eindruck der ersten Singles erwähnt, die ihr veröffentlicht habt. Für mich war 'Austerity' der erste Song, den ich zu hören bekam, weil ich die ganze Platte als Promo bekam und sozusagen gleich im richtigen Flow war. Und um ehrlich zu sein, ist 'Austerity' ein ziemlich seltsamer Opener. Es ist ein starker Song, aber die ersten paar Sekunden war ich wirklich verwirrt, ob ich die richtige Platte vor mir hatte. Was war eure Intention hinter diesem Opener?

Ja. Ja, ich denke schon. Und ich denke auch, dass es sehr, sehr toll ist, ein Album auf eine ganz andere Art und Weise zu eröffnen, als wir es in der Vergangenheit getan haben. Das war schon immer so, obwohl "The Great Cold Distance" begann mit 'Leaders', was auch ein ziemlich heftiger Song ist. Ich denke also, es ist gut, etwas zu haben, das den Hörer herausfordert und etwas ganz anderes macht als das, was wir in der Vergangenheit gemacht haben. Und ich meine, es ist ein völlig anderes Eröffnungsstück als bei "City Burials".

Da bin ich ganz bei dir. Wenn ihr den Hörer damit wachrütteln wolltet, ist euch das bestens gelungen.

Ich finde das auch wichtig. Manche Bands starten lieber langsam in ein neues Album, wollen hineingleiten. Nicht mit uns!

Lass uns auch über einige andere Songs sprechen. Es gibt einen Song, der 'Birds' heißt. Raben gibt es bei euch auch wieder auf dem Cover zu sehen, das ist ja quasi seit "Brave Murder Day" aus dem Jahr 1996 Tradition. Kannst du erklären, was Vögel bzw. Raben im besonderen für euch als Band bedeuten?

Ja, ich denke, es ist etwas, das uns verfolgt und das eine gewisse Bedeutung hat. Und zumindest für mich ist die Bedeutung, dass die Dinge fliehen, weißt du, und es ist so, wie das Leben im Allgemeinen ist, dass man es nicht wirklich kontrollieren kann und dass es etwas ist, das immer da ist. Es ist etwas, das immer ein bisschen vor einem flieht, und man muss sich einfach an das Leben in dieser Art anpassen. Und ich weiß, dass es für jemand anderen vielleicht etwas anderes bedeutet, aber das ist zumindest das, was es für mich symbolisiert.

Du sprichst davon, dass das Leben vor jemandem flieht und du es nicht kontrollieren kannst. Der Sinn der Platte ist, dass es um die moderne Stadt und die Entwicklung unserer Gesellschaft geht, denke ich. Und es gibt viele Verweise auf Städte und wie wir irgendwie die Kontrolle über unser Leben verloren haben. Welche Rolle spielen Städte für dich im Leben? Wohnst du in Stockholm?

Oh, ja. Ich wohne in Stockholm. Und natürlich ist das ein Ort, an dem man sozusagen seinen Anker hat und wo man sein Leben aufbaut und was man sein Zuhause nennt. Und ich denke, dass Städte in einem größeren Kontext und in einer größeren Struktur auch ein bisschen repräsentieren, wer du bist, und dass dein eigener Charakter ein bisschen davon abhängen kann, aus welcher Stadt du kommst. Wie das Tempo und die Geschwindigkeit ist und ob es eine offene oder eine etwas engere Stadt ist, was die Einstellung und all das angeht. Und ich denke, um auf den Titel der Platte zurückzukommen, es geht auch darum, dass das Leben flüchtig ist und dass es schwer ist, sich darin zurechtzufinden. Und das ist auch der Grund, warum es ein Himmel ohne Sterne ist, weißt du, weil du damals durch die Sterne navigiert hast.

Ein Wegzug aus der Stadt kommt für dich also nicht in Frage?

Ich denke, dass die Stadt für mich als Person ein Ort ist, an dem ich mich zu Hause fühle, weil ich mich mit all den Menschen umgebe, mit denen ich mich gerne umgebe und auch meine Familie hier lebt. Das ist also wahrscheinlich der größte Vorteil. Und es ist auch etwas sehr Vertrautes, wenn man viele Monate auf Tournee ist und dann nach Stockholm zurückkommt. Es ist eine Art Gefühl der Begrenztheit und man hat wirklich das Gefühl, dass man nach Hause kommt, und das ist etwas, das einem sehr vertraut ist. Und ich mag auch die Größe der Stadt. Sie ist nicht zu klein. Sie ist nicht zu groß. Und sie hat diese Art von Großstadtatmosphäre, aber sie ist nicht so verrückt oder zu schnelllebig, wie New York es sein kann.

Wir sprechen über die Stadt als Zufluchtsort. Das Cover-Artwork zeigt natürlich Wolkenkratzer. Und auch wenn der Blick auf dieses Cover-Artwork nach draußen gerichtet ist, fühle ich mich irgendwie eingeengt oder klaustrophobisch, wenn ich es ansehe. Was für eine Botschaft oder welche Adjektive habt ihr dem Künstler des Covers mit auf den Weg gegeben, als er das Bild gemalt hat? Weißt du das?

Richtig im Thema war ich dabei nicht. Aber ich meine, dass sie ihm die Anweisung gegeben haben, etwas zu machen, das das Gefühl des Albums als Ganzes repräsentiert und auch etwas, das eine Stadt in einer KATATONIA-esken Art repräsentiert, die dunkel und düster ist und ein Ort, wo man die Hoffnung verliert. Und ich denke, er hat wirklich gute Arbeit geleistet. Und es ist jemand, mit dem wir gerade erst angefangen haben zu arbeiten, abgesehen von einem T-Shirt, das er damals für uns entworfen hat. Es ist ein Typ namens Roberto Bordin. Es ist also nicht mehr Travis Smith. Ich denke, es ist fantastisch geworden und es passt zu der Musik der neuen Platte.

Neben den Songs und dem Artwork mag ich auch die Produktion sehr. Ich liebe es, wenn Bands ein Album veröffentlichen, das großartig klingt. Bei vielen Metal-Platten vermisse ich zum Beispiel den Bass im Mix. Bei euch ist das anders. Was musstest du tun, damit sie dich so gut im Mix platzieren? Oder hattest du schon bei der Aufnahme diesen satten und tiefen Sound?

Im Grunde war es so, ja. Es ist auch Lawrence zu verdanken, der mit uns in Stockholm die Gitarren- und Bass-Spuren aufgenommen hat. Ich habe direkt in ein Neural Dsp Plug-in gespielt. Jacob Hansen, der das Album in Dänemark abgemischt hat, fand den Ton direkt klasse. Jetzt geraten wir leicht in Gear-Nerdtum. Ich habe nämlich zum ersten Mal einen Hagstrom-Bass auf einem Album gespielt. Für mich ist das der am besten gebaute und am besten klingende Bass, den ich je im Studio hatte.

Was für Bässe hast du vorher gespielt?

Es waren viele in der Vergangenheit, hauptsächlich Bässe von Warwick. Jetzt spiele ich lieber Bässe mit passiver Elektronik.

Ein neues Instrument ist auch immer gut für die Kreativität, finde ich. Es macht dich nicht unbedingt zu einem besseren Musiker, aber man kommt auf ganz andere Ideen, weil das Instrument anders klingt.

Das ist wahr. Ich fühle mich durch den neuen Bass weniger behindert, weil der Sound über das gesamte Griffbrett hinweg sehr konstant ist und ich keine Angst haben muss, dass ein Ton hier oder dort nicht so gut klingt.

Ich würde mir von vielen Metal-Bands so einen Bass-Sound wie bei KATATONIA wünschen!

Danke, das ist ein schönes Kompliment. Ich werde es an Lawrence weiterleiten.

Gerne doch. Er hat einen tollen Job gemacht. Ich sollte öfter Interviews mit Bassisten machen. Damit sind wir auch schon am Ende meiner Fragen. Vielen Dank für deine Zeit, vielleicht sehen wir uns bei der Tour nächstes Jahr!

Foto-Credit: Matthias Blom

Redakteur:
Nils Macher
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