KINGS OF MERCIA: Interview mit Steve Overland
01.10.2024 | 15:19"Ich kann nicht so Zeug wie "I love you baby" schreiben." Bei den KINGS OF MERCIA geht es auf Album #2 düster zu!
Auch wenn es keine neue Musik von FATES WARNING mehr geben wird, verzückt uns Jim Matheos mit neuer Musik in Form des KINGS OF MERCIA-Zweitlings "Battle Scars". Wir verabreden uns mit Sänger Steve Overland, dem die Freude am gemeinsamen Musizieren anzumerken ist wie einem kleinen Kind. Die Freude ist ansteckend, obwohl "Battle Scars" alles andere als Gute-Laune-Songs für uns parat hält.
Steve, du bist jetzt seit 40 Jahren mit deiner eigenen Band FM unterwegs, KINGS OF MERCIA hingegen ist ein neues Projekt. Wie fühlt es sich an, mit all der Erfahrung einem neuen Projekt oder einer neuen Band beizutreten? Wie hast du dich gefühlt als Jim dich anrief?
Oh, es war fantastisch. Ich meine, wenn man das wie ich schon sein ganzes Leben lang macht, ist es meiner Meinung nach immer notwendig, neue Dinge auszuprobieren, um die Musik frisch zu halten. Also, Jim hat mich über einen berühmten Journalisten namens Dave Ling kontaktiert, der für das Classic Rock Magazin schreibt. Er ist ein sehr guter Freund von mir. Und Jim hatte diese Idee, dass er zwei Musikstile miteinander verschmelzen wollte. Er wollte also einen bluesig angehauchten Rocksänger, der seinen Musikstil mit schweren, tiefergerstimmten Gitarren und viel düsterer Musik, als ich es normalerweise mache, verbindet. Also schickte er mir einen Song, für den ich im Grunde nur die Melodie und den Titel schrieb, den Gesang dazufügte und ihn an Jim zurückschickte. Es war 'Humankind' vom ersten Album "Kings Of Mercia". Er flippte aus und sagte: "Das ist unglaublich, Steve." Und aufgrund dieses einen Songs bekamen wir einen Drei-Alben-Vertrag. Ich meine, alles, was wir tun, war so einfach und intuitiv. Mit Jim lässt es sich so einfach arbeiten. Er ist sehr produktiv. Alles, was er mir schickt, ist wie ein fertiges Master. Er schickt mir die Backing-Tracks und dann ändere ich sie vielleicht ein bisschen mit ihm und schreibe die Texte, Titel und Melodien. Jedes einzelne Lied, das er mir geschickt hat, ist am Ende auf die Platte gekommen. Es gab überhaupt keine Songs, die man einfach so wegwerfen konnte. Sie waren alle so stark.
Humankind
https://www.youtube.com/watch?v=JEyftBvR7Xs
Ist es denn für dich eine Herausforderung, die Texte und Melodien zu schreiben?
Weißt du, es ist fantastisch. Das Ganze ist für mich eine große Herausforderung, denn die Antwort auf deine Frage ist, dass ich es liebe, weil es eine andere Geisteshaltung ist. Ich muss anders denken, wenn ich für KINGS OF MERCIA schreibe, weil es viel düsterere Musik ist. Ich kann nicht so Zeug wie "I love you baby" schreiben, so wie ich es bei FM tue, bei KINGS OF MERCIA haben wir keine Liebeslider. Was Jim mir schickt, gibt Hinweise darauf, was der Titel bedeuten und worum es in dem Song gehen sollte. 'Aftermath' vom neuen Album ist wahrscheinlich der düsterste Song, den ich je aufgenommen habe. Das Lied handelt also offensichtlich vom Ende der Welt, was ziemlich düster ist, ich hatte trotzdem große Freude daran. Gerade wenn man schon so lange dabei ist wie ich, muss man sich immer wieder anstrengen.
Aftermath
https://www.youtube.com/watch?v=PKRHK94yIWA
Es gibt also nicht viele Diskussionspunkte?
Seit Jim mich kontaktiert hat, sprechen wir gelegentlich über Zoom. Bei KINGS OF MERCIA wird nichts entschieden, es sei denn, wir beide entscheiden es. Es ist eine 50:50-Beziehung, bis hin zum Artwork und den Album-Credits. Jim ist großartig. Er informiert mich über jeden einzelnen Schritt auf dem Weg. Und natürlich ist er dafür verantwortlich, dass wir diese fantastische Band zusammengestellt haben. Er hat Joey für den Bass und Simon für das Schlagzeug engagiert, was für eine unglaubliche Rhythmusgruppe für diese Art von Band. Die Demos klingen ja schon großartig, aber die endgültigen Fassungen mit Simon und Joey sind aus einer ganz anderen Welt. Beide sind großartige Musiker, die jeden Song auf ein neues Level bringen.
War das von Anfang an so geplant? Immerhin entstand die Band während der Pandemie, wo ja vieles anders ablief als geplant. Würdest du also gerne noch mal von vorne anfangen?
Nein, ich glaube, ich möchte keinen Neuanfang, weil es so gut funktioniert hat. Das Gute daran – es gibt natürlich nichts Gutes am Lockdown –, aber das Gute daran, dass es während des Lockdowns passiert ist, war, dass ich tatsächlich Zeit mit Jim hatte, ohne dass ich ständig auf Tour bin. Mit FM bin ich normalerweise immer auf Achse und Jim ist auch beschäftigt. Das Tolle an der Situation war also, dass wir Zeit hatten, darüber nachzudenken. Wir sind nicht alle losgeflogen und haben unsere üblichen Projekte gemacht. Wir hatten einfach die ganze Zeit, es auszuprobieren und es zu dem werden zu lassen, was es werden sollte. Verstehst du, was ich meine? Das erste Album war meiner Meinung nach ein großartiges Debütalbum. Und dennoch finde ich, dass dieses Album viel stärker ist. Ich glaube, die Band hat ihren Rhythmus gefunden. Ich finde, es ist abwechslungsreicher als das erste Album. Wir waren mutiger. Wir haben Sachen wie 'Battle Scars' gemacht, von denen wir wahrscheinlich gedacht hätten, dass sie nicht auf das erste Album passen.
Hast du Jim inzwischen auch mal getroffen?
Nein, ich habe Jim nie getroffen. Nur auf Zoom. Genauso wie ich dich jetzt treffe. Wir haben es versucht. Das Problem ist, ich bin in England, ansässig, Jim ist in einem Teil der Staaten, Joey ist in L.A. und Simon in Florida, glaube ich. Es ist also schwierig, uns alle zusammenzubringen, da jeder einen Tour- und Aufnahmeplan hat. Aber ich würde gerne ein paar Shows mit der Band machen. Das wäre eine großartige Festivalband, so könnten wir den Ball ins Rollen bekommen. Viele Songs sind so hymnisch, wir wären eine tolle Live-Band.
Als Band ist es ohnehin schwer, ohne Konzerte und nur mit Plattenverkäufen bekannt zu werden. Wie empfindest du das mit KINGS OF MERCIA?
Du hast es mit deiner Frage perfekt zusammengefasst. FM verdient sein ganzes Geld mit Tourneen und dem Verkauf von Merchandise. Das Schöne an Rockmusik ist, dass die Leute immer noch gerne das physische Produkt in der Hand halten. Im Gegensatz zu anderen Musikrichtungen wie vielleicht Dance oder Pop, wo es den Leuten egal ist, wie sie Musik konsumieren. So haben wir mit KINGS OF MERCIA schon eine ansehnliche Fangemeinde. Aber um daraus ein richtig lebendiges Biest zu machen, müssen wir live spielen. Gar keine Frage.
Hast du ein Gespür dafür, aus welchem Fan-Lager eure Anhänger vornehmlich kommen, sind das FATES WARNING-Fans, oder TOTO- oder FM-Fans?
Ja, es ist eine Mischung. Mit FM toure ich auf der ganzen Welt, in Südamerika lieben sie KINGS OF MERCIA, eine Verlängerung der harten Seite von FM quasi. Und natürlich hat Joey mit ARMORED SAINT Anhänger auf der ganzen Welt. Rockfans sind nicht engstirnig und ich denke, dass viele einfach die Verschmelzung unserer Stile mögen. Jedenfalls ist es das, was mir die Leute erzählen. Sie mögen es, dass ich anders singe als bei FM, obwohl es natürlich meine Stimme ist. Ich könnte hier auch gar nicht auf dieselbe Art und Weise singen wie bei FM.
Stand auch mal zur Debatte, dass du auch Gitarre spielst?
Nein, ich bin nur der Sänger bei KINGS OF MERCIA. Bei FM spiele ich viel Gitarre, aber das hier ist Jims Ding, er macht das großartig. Diese schweren, wuchtigen Riffs mit den verstimmten Gitarren, das ist sein Ding. Er macht das so gut, dass er mich nicht braucht. Also überlasse ich ihm das Gitarrenspiel. Und das ist völlig in Ordnung.
Nochmal zum Gesang: Wie bringst du dich in die richtige Stimmung für die Nummern?
Die Musik diktiert die Herangehensweise an die Art, wie man das Lied singt. 'Battle Scars' hat ein sehr trauriges Thema. Es geht um eine posttraumatische Belastungsstörung, wenn jemand aus dem Krieg zurückkommt und sich nicht wieder in das normale Leben einfinden kann. Es ist also eine eher traurige Stimmung. Es wird also grundsätzlich anders gesungen, weil es eine bestimmte Geschichte erzählt. Diese Geschichte möchte ich mit meiner Stimme einfangen. Wenn man über das Ende der Welt oder etwas wirklich Düsteres singt, muss man es wohl mit einer düsteren Herangehensweise und einer gewissen Haltung singen. Und die beiden Herausforderungen, um auf deine Frage zurückzukommen – ich schweife hier ein bisschen ab, aber um auf Ihre Frage zurückzukommen – sind im Grunde genommen, dass ich es liebe, all das zu tun, weil es einen einfach zum Nachdenken bringt. Man muss über die Texte nachdenken, die man schreibt, und darüber, wie man das Lied singen wird, denn sie sind nicht alle gleich. Man kann sie nicht auf die gleiche Weise angehen. Das ist das Tolle an Jims Schreiben. Man weiß nie, was man bekommt. Es ist nicht vorhersehbar.
Ein wunderbares Schlusswort, mit dem ich mich von dir verabschiede. Ich würde mich freuen, die KINGS OF MERCIA auf der Bühne zu sehen. Vielen Dank für deine Zeit!
Vielen Dank. Schön, mit dir zu reden. Tschüss!
Photo-Credit: Simon Ward & Jeremy Saffer
Don't Ask
https://www.youtube.com/watch?v=0TKImWS11VY
- Redakteur:
- Nils Macher