Kompass: Wie der Heavy Metal in den Leitmedien abschneidet (Teil 2)

22.08.2013 | 07:43

Heavy Metal in den Massenmedien. Im zweiten und letzten Teil dieser "Kompass"-Ausgabe widmen wir uns der Berichterstattung in Funk und Fernsehen.

In unserem ersten KOMPASS-Artikel hat mein Kollege Stephan sich ausgiebig mit der Frage befasst, aus welchen Motiven Metal-Bands oder Heavy Metal als solcher in den Printmedien und deren Online-Derivaten stattfinden. Zu beobachten war je nach Zeitung beziehungsweise Magazin eine mehr oder minder klischeebehaftete Verarbeitung der "großen" Themen, wobei die Metal-Kultur dabei gerne auf ihre Ikonen und Massen-Events beschränkt wird.

Dieser zweite Teil des Artikels sucht einen vergleichbaren Zugang zum Thema "Wie der Heavy Metal in den Leitmedien abschneidet" und beschäftigt sich mit Beiträgen aus Funk und Fernsehen.

Die Blaupause für die vermeintlich konfliktbehaftete Begegnung von Heavy-Metal-Kultur und Massenmedien ist ein Auftritt des NARGAROTH-Kopfes René Wagner, der vor einigen Jahren zu Gast in der Sat-1-Talkshow Sonja Zietlows war. Unter dem Banner "Bei deinem Anblick wird mir schlecht" wurde er von seinem damaligen Mitbewohner in die Talkrunde eingeführt. Wagner wird als äußerlich exotisch beschrieben, über den Fremde in der Stadt aufgrund seiner langen Haare und seiner extravaganten Kleidung tuscheln. Über sein Auftreten hinaus wird selbstverständlich auch die Musik, in diesem Fall vornehmlich Black Metal, als Bewertungskriterium angeführt, wobei sein Mitbewohner dazu sagt, er würde "das nicht als Musik bezeichnen" und am liebsten flüchten, wenn die Mischung aus "Gitarren-Gedresche und Geschrei" aus dem Zimmer nebenan dringt. Wagner solle sich doch bitte bei Musik und Kleidung etwas anpassen. Das Publikum wird damit bestens unterhalten und der Musiker, der in einem eher zur Gothic-Szene passenden Outfit erscheint, wie ein Tier im Zoo vorgeführt. "Wieso siehst du so aus, wie du aussiehst?" lauter die erste Frage der Moderatorin. Schade bloß für das schaulustige Publikum, dass - man kann zu NARGAROTH stehen wie man möchte - sie mit René Wagner einen eloquenten Menschen in die Runde eingeladen haben, der in diesem Kontext über Toleranz und die Individualität eines jeden argumentiert. Neben der zotenhaftigen Präsentation eines Metallers als unangepassten Einzelgänger ist dieser Beitrag dennoch stilbildend für den Blick der privaten Medien auf Heavy Metal.

 

Ebenfalls im Privatfernsehen, nämlich bei RTL, findet sich ein "Explosiv"-Beitrag zur "70.000 Tons of Metal"- Kreuzfahrt aus dem Jahr 2011. Aufmacher des Beitrags: eine Metal-Kreuzfahrt ist praktisch, "weil die betrunkenen Gäste sich ja über die Reling übergeben können". Gleich im nächsten Satz dann der nächste Zusammenprall von Mainstream-Kultur und Heavy Metal: Der schwimmende Luxus-Palast wird von 2000 wild gewordenen, tätowierten und verlottert aussehenden Rockern in Beschlag genommen. "Gröhlen und saufen" ist der Nachrichtenwert der Reportage, die Bilder dazu liefern angetrunkene Fans, die ihrem Ruf als Deutsche alle Ehre machen wollen und fleißig Bier konsumieren. "Alles andere als elitär" nennt der RTL-Journalist dieses Gehabe, und man fragt sich, woher man im Hause RTL plötzlich weiß, was denn elitär bedeuteten möge. Auch als es dann um ein paar Eckdaten der Kreuzfahrt geht, ist nach der Tatsache, dass Konzerte auf drei Bühnen stattfinden, "jede Menge Alkohol" eine äußerst wichtige Information, die man dem Zuschauer keinesfalls vorenthalten möchte. Die vier deutschen Metal-Fans, die vom Kamerateam fortan begleitet werden, sind sich ihrer Rolle als rebellierende Außenseiter selbstredend bewusst und wissen um den anormalen Charakter dieses Events. Auch im restlichen Beitrag sucht man vergebens nach Informationen, die für interessierte Zuschauer mit einer womöglich vorhandenen Metal-Affinität relevant sein könnten. Es wird "rund um die Uhr Hard-Rock-Musik" gespielt, weiß der Journalist. Die begleitenden Bilder zeigen volle und leere Biergläser so wie gut gebaute Frauen in knappen Bikinis. Schließlich bleibt eine Begegnung der deutschen Reisegruppe mit GAMMA RAYs Kai Hansen, die als Illustration des tollen Gemeinschaftsgeistes der Metal-Szene herhalten muss und zeigt, wie nah man den großen Stars hier ausnahmsweise kommen kann. Fazit dieses ausgesprochen unnützen RTL-Beitrags: "Und wer hätte das gedacht? Keine einzige Schlägerei, auch das Schiff ist noch heil."

[Nils Macher]


Bleiben wir noch einen Moment bei RTL. Geht es in den Formaten "RTL Explosiv", "RTL Aktuell" oder "RTL Nachtjournal" um das Thema Heavy Metal, dann betrifft das in gefühlten neun von zehn Fällen das Wacken Open Air. Und da erreicht die Klischeereiterei jedes Mal ihren Höhepunkt. Jeder der drei- bis fünfminütigen Filmchen hat den gleichen Aufbau: Ein paar bierselige Langhaarige schreien "Wackööön" in die Kamera, es gibt einen Fünf-Sekunden-Liveausschnitt irgendeiner Band und man zeigt jede Menge dieser auf der Hauptstraße des Örtchen abgefilmten Sequenzen, wo sich die schwarzgekleideten Horden entlang bewegen ("Belagerungszustand"), gern auch mit wohlwollenden O-Tönen der Anwohner versehen. Das ist sicher keine Negativdarstellung, dennoch äußerst eindimensional - wobei dies ein Kritikpunkt ist, der bei RTL generell nicht unbedingt zieht, da diese Art der Darstellung durchaus System hat. Die zusammengefasste RTL-Sicht: Metalhörer sind diese zwar dauerbesoffenen, aber eigentlich ganz knuffigen Langhaartypen - und mit dem RTL-Exotenbonus kann man die sogar ganz nett finden. Nur gucken, nicht anfassen.

[Stephan Voigtländer]

An dieser Stelle muss man dann auch mal eine Lanze für das öffentlich-rechtliche Fernsehen brechen, denn dieses Zoo-artige findet man dort nicht, stattdessen teilweise richtig tiefgehende Reportagen. Dabei tut sich vor allem der deutsch-französische Sender ARTE positiv hervor, der speziell mit "Arte Tracks" eh gern mal am musikalischen Rand fischt. Der Sender widmete sich in einem Beitrag dieser Reihe der Underground-Black-Metal-Band DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT. Im Unterschied zu den beiden oben genannten Formaten billigt ARTE seinen Zuschauern Urteilsfähigkeit und Reflektionsvermögen zu, denn hier domieren keine Plattitüden, und das obwohl man mit DNS eine der Bands erwischt hat, die selbst in Szene-Kreisen äußerst kritisch aufgenommen wird und deren Aussagen sich oftmals auf dem schmalen Grat zwischen Weltanschauung und Klamauk begegnen. Wie dem auch sei, das Interview mit Sängerin Oniela und Gitarrist Velnias wirkt nicht überspitzt oder gar grotesk, es bleibt viel Raum für die eigene Meinung des Zuschauers. Dabei werden durchaus für die Band essentielle Merkmale vorgestellt, nämlich die Charakterisierung ihrer Konzerte als "Rituale", auf denen mit Schweineblut symbolisch das Leben verschwendet wird sowie der spezielle Charakter der Musik und Konzerte von DNS. Selbst lebensverneinende und menschenverachtende Aussagen der Musiker, die sich als "spirituelle Individuen" bezeichnen, bleiben im Raum stehen und werden nicht sensationslüstern ausgeschlachtet. Zu loben ist an dieser Stelle definitiv die fehlende Verallgemeinerung von Motiven und Zuschreibungen auf die gesamte Szene, die man im Privatfernsehen fast immer findet.

[Nils Macher]

Auch ST. VITUS und NEUROSIS mit Scott Kelly hat sich "Arte Tracks" zum Beispiel bereits vorgeknöpft. Eine interessante Black-Metal-Dokumentation hatte die Sendung im November 2011 im Programm, die sich dem amerikanischen Phänomen dieses Genres widmete, und damit verbunden, wer "dem alten Genre die Schminke abkratzt" (auch BURZUM und Varg Vikernes kommen in diesem Beitrag kurz und wertungsfrei zur Sprache). Ob man mit diesem Thema der Zeitung Die Zeit eine Vorlage geliefert hat, die einen knappen Monat später mit einem Artikel über den neuen amerikanischen Black Metal aufwartete, bei dem zwei der drei vorgestellten Bands eben WOLVES IN THE THRONE ROOM und LITURGY waren, sei mal dahingestellt.

[Stephan Voigtländer]

Ebenfalls bei ARTE wurde vor einigen Wochen der Film "God Bless Ozzy Osbourne" ausgestrahlt, der zwar nicht explizit zur Berichterstattung des Senders über Heavy Metal zählt, dennoch gut ins Programm ARTEs passt und vermutlich keinen Platz bei RTL oder PRO SIEBEN gefunden hätte. Im Gegensatz zum Format "The Osbournes" wird hier versucht, die Person hinter dem Madman vorzustellen und zu zeigen, wie diese sich mit einem der bekanntesten Metal-Musiker aller Zeiten verträgt. Das gelingt in Form von Interviews, zu denen sich sogar Osbourne-Tochter Aimee, die vor den Dreharbeiten zu "The Osbournes" auszog und nur selten öffentlich in Erscheinung tritt, vor die Kamera begibt um über ihre Kindheit und das Großwerden im Hause Ozzys zu reden. Interviews mit ihr und Ozzys Schwestern, Musikern und natürlich seiner Frau Sharon sind es, die ein sehr komplettes Bild eines Phänomens zeichnen, das an anderen Stellen oftmals nur in Form des Fledermauskopf abbeißenden Verrückten stattfindet. Wie auch schon im besprochenen Interview mit DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT wird hier deutlich, dass Beiträge über kontroverse Themen im Fernsehen sehr wohl funktionieren können, wenn kein aufmerksamkeitshaschender Claim von Seitens des Senders dahintersteckt.

[Nils Macher]

Generell wird hierbei gern das Potenzial unterschätzt, welches Sendungen bieten, die sich an Metal-affines Publikum richten. Bestes Beispiel war die Wacken-Übertragung 2011 auf ZDFkultur. Dieses "Experiment" bescherte dem Spartensender Marktanteile von einem Prozent in der Primetime bei der sogenannten werberelevanten Zielgruppe - das war bis zu diesem Zeitpunkt der höchste Wert, der vom Sender erreicht wurde (Quelle: digitalfernsehen.de). Der Vollständigkeit halber muss jedoch erwähnt werden, dass ZDFkultur erst drei Monate vorher an den Start gegangen war. Erst kürzlich gab es bei diesem Sender den Thementag "Heavy Easter", man hat die Publikumstauglichkeit offenbar erkannt.

Eine Stilblüte in dieser Hinsicht bildet der Beitrag der WDR Lokalzeit über SODOM. Es mutet durchaus etwas kurios an, wenn man sich vorab quasi schon beim Zuschauer entschuldigt, der "Ausgewogenheit" wegen jetzt mal ausnahmsweise einen Beitrag über Heavy Metal im Programm zu haben. Das Filmchen selbst gerät ziemlich unspektakulär, lediglich bezüglich der An- und Abmoderation stellt sich die Frage, wie wohlwollend man das Ganze interpretieren mag. Spöttelnd gemeint, dem Moderator eher peinlich oder könnte man den WDR sogar eine gewisse Selbstironie unterstellen?

Aber es tut sich was in der Fernsehlandschaft und der Umgang mit Heavy Metal wird zunehmend normaler, alltagstauglicher. Die Mühlen der Veränderung mahlen zwar sehr langsam, aber einen Wandel in der Berichterstattung über den einstmals "abgrundtief bösen Heavy Metal" kann man schon feststellen. Man rufe sich dies anhand folgenden Beispiels in Erinnerung. 1990 brachte der Bayerische Rundfunk in der Sendung "Report" den zu einer gewissen Berühmtheit gelangten Beitrag "Ihr Kinderlein kommet", der eindeutig klar macht, mit welch jugendgefährdendem Phänomen man es hier zu tun hat. Heavy Metal treibe junge Menschen in den Selbstmord, verbreite satanische Botschaften und stifte zu Gewalt und Kriminalität an inklusive der Gewalt gegen Staatsbedienstete ("Wir wollen keine Bullenschweine"). Dies alles lässt natürlich nur auf eine degenerierte und widerlich verrohte Szene schließen, was durch die Übersetzung einiger Textpassagen von Bands wie DESTRUCTION und NUCLEAR ASSAULT unterstrichen wird. Solch ein undifferenzierter wie tendenziöser Beitrag wäre heute undenkbar, dies ist die gute Nachricht.

Stattdessen - und das ist ein anderer legendärer Beitrag - ist es seit einiger Zeit sogar möglich, dass beispielsweise Mille von KREATOR einen vielbeachteten Auftritt im Kika haben darf (im Jahr 2004). Zwar verlief das Ganze etwas holprig und angestrengt und hatte insbesondere beim stilistischen Diskurs über Rock, Metal und Mainstream einiges Fremdschäm-Potenzial (noch dazu war die erste Band mit weiblicher Sängerin, die Mille einfiel, ausgerechnet ROCKBITCH), aber immerhin, es wurde gesendet. Im Kinderkanal.


Nun differiert die Qualität wie bei allem anderen auch bei diesem Thema. Gern werden beispielsweise Dokumentationen über Metal-Kreuzfahrten ausgestrahlt, die auch bei den Öffentlich-Rechtlichen nicht viel gehaltvoller daherkommen als der oben beschriebene RTL-Erguss. Es ist wohl eher so, dass sobald ein Event spektakulär genug ist, dies die Fernsehmacher irgendwie automatisch auf ein niedrigeres Niveau hievt. So wird dann über Nordsee, Ostsee oder durch den Golf von Mexiko ("Wird der Edelpott heil bleiben?", "Das Unerwartete: Es ist eine gepflegte Orgie") geschippert und der Fokus eher auf Themen wie den Lautstärkepegel, Schlafmangel und Alkoholgenuss gelegt.

Mehr "Tiefgang" bekommt man bei einer Folge der ZDF neo-Reihe "Wild Germany". Zum einen werden hier gerade nicht die erfolgreichsten Genrevertreter, sondern kleinere und Nachwuchsbands vorgestellt, die mit alltäglichen Problemen wie das Finanzieren ihres Proberaums zu tun haben. Die dabei gewonnenen Einblicke in Motivation und Lebenseinstellung lassen einen ungekünstelten Blick zu. Spannend dabei vor allem, was der DEBAUCHERY-Sänger zu sagen hat, der aufgrund seiner Zugehörigkeit zu der mit allerlei Splatter- und Porno-Motiven hantierenden Band seinen Beruf als Lehrer aufgeben musste. Was er über Toleranz und die Freiheit der Kunst sagt, trifft den Kern, stimmt nachdenklich und zeigt trotz des sehr klischeebeladenen und übertriebenen Auftretens in seiner Rolle in der Band einen sehr stark reflektierenden Menschen. Zudem kommen etliche Fans zu Wort, auch die weibliche Perspektive wird dabei nicht vernachlässigt. Nun hatte der recherchierende Journalist nicht immer Glück mit seinen Gesprächspartnern, wobei die Frage, was man an "Metal" toll findet und warum man sich in dieser Szene zu Hause fühlt, spontan wohl gar nicht so einfach zu beantworten ist. Vor allem aber durch den unaufgesetzten Blick auf die völlig normale Seite der Szene wie hier im Rahmen von kleinen und Kleinstkonzerten ist sehr ansprechend und ein angenehmer Kontrast zu beispielsweise den Kreuzfahrt- oder Wacken-Reportagen.

A propos Wacken: Der NDR hatte zum letztjährigen Wacken Open Air nicht nur einen Livestream von ausgewählten Konzerten (wie von U.D.O., SEPULTURA, HAMMERFALL und einigen andere) im Angebot, sondern auch die Doku "Heavy Metal trifft Karniggels", bei der Kultregisseur Detlev "Boje" Buck sich auf dem Festivalgelände tummelt, Fans und Musiker interviewt (u.a. Bobby Blitz von OVERKILL und ... äh, Tim Mälzer) und das Ganze launig kommentiert. Immerhin geschlagene vier Stunden lang dauert die amüsante Angelegenheit, Konzertmitschnitte von VOLBEAT, DIMMU BORGIR, OVERKILL, SAXON u.v.m. gibt's obendrauf. Da bei Youtube der zweite Teil dank GEMA gesperrt ist, muss man sich mit der NDR-Seite behelfen, allerdings ohne die Livemitschnitte.

Verlassen wir nun die Fernsehlandschaft und widmen uns dem Hörfunkbereich. Bemerkenswertes gibt es da eher selten, aber manchmal lässt es einen doch aufhorchen. Im Juli 2012 lief auf WDR 3 die fast einstündige Black-Metal-Dokumentation "Schwarze Schafe". Ein sehr gelungener und authentischer Beitrag, der viele Protagonisten zu Wort kommen lässt und sich - natürlich - vor allem mit der norwegischen Szene Anfang der Neunziger auseinandersetzt. Mit vielen Zitaten und angespielten Songs gespickt, transportiert "Schwarze Schafe" trotz des Doku-Charakters eine gewisse düstere Atmosphäre. Nette Idee zudem, auf die angespielten Songschnipsel teilweise die deutschen Übersetzungen draufzusprechen.

[Stephan Voigtländer]

Ausgerechnet in der Bastion bildungsbürgerlichen Radios, nämlich beim Deutschlandfunk finden sich erstaunlich viele Features zu Metal-Bands oder über Heavy Metal als solchen. Der jüngste Beitrag stammt aus der Reihe "Corso" und widmet sich dem deutschen Heavy Metal in Japan. Die Journalistin Stefanie Christensen hat schon etliche Bands in dieser Sendereihe vorgestellt, dieses Beispiel konzentriert sich vornehmlich auf die Vorzüge der deutschen Bands, die in Japan so geschätzt werden. Der Beitrag basiert auf einem Interview mit dem Chefredakteur des japanischen "Burrn!"-Magazins, das eine Auflage von mehr als 100.000 Exemplaren absetzt. Dass die Autorin keine Anfängerin ist, wird vor allem beim Umgang mit Bands und Eigenheiten deutlich. Hier finden sich keine Klischees, Plattitüden oder reißerische Anekdoten. Beim Deutschlandfunk geht es auch im Bereich Heavy Metal äußerst gepflegt zu.
Gleiches lässt sich bei einem Beitrag über die Progressive-Rock-Band SPOCK'S BEARD feststellen: Tim Hannes Schauen weiß die Aussagen der beiden Musiker Alan Morse und Dave Meros wohl einzuordnen und wirkt auch in Musikerfragen versiert. Das Interview könnte man so auch in der einschlägigen Fachpresse lesen. Es lässt sich festhalten, dass die Berichterstattung beim Deutschlandfunk weniger über den Metal an sich als über Bands und Protagonisten stattfindet. Heavy Metal findet dort wie jedes andere Thema im Kulturbereich statt, wenn er auch im Vergleich zu anderen "Feuilleton etablierten" Sparten quantitativ unterrepräsentiert ist.

[Nils Macher]

Radio.eins (vom RBB) fährt im Hinblick auf die allgemeine Themensetzung als auch die musikalische Bandbreite einen erfrischend unkonventionellen Ansatz. Da gibt's schon mal 'Seek And Destroy' von METALLICA zum Frühstückskaffee, weil der Moderatorin Anja Caspary eben danach ist. Oder anlässlich der Geburt eines gewissen, nicht sonderlich unpopulären Briten namens George erschallt 'God Save The Queen' in der Interpretation der SEX PISTOLS. Facettenreiches wie wissenschaftliche Diskurse zum Thema bekommt man bei radio.eins ebenfalls hin und wieder zu hören. Beispielsweise das Interview mit dem Leipziger HNO-Facharzt Dr. Michael Fuchs, der zusammen mit dem Kölner Musikwissenschaftler Dr. Marcus Erbe Heavy-Metal-Gesang untersucht ("Metallern ins Maul geschaut") und Interessantes von seinen Untersuchungen zu berichten weiß und z.B. mit der unerwarteten Erkenntnis aufwartet, dass Metalsänger weniger Stimmprobleme haben als Rock- und Pop- oder auch Opernsänger. Die Ursache ist schleimig. Dieses Thema wurde im übrigen auch in der WDR Lokalzeit aufgegriffen, bei der man den erwähnten Dr. Erbe zu Wort kommen ließ. Sehr aufschlussreich.

Der ein oder andere öffentlich-rechtliche Radiokanal wie DLF oder eben radio.eins kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Metal in der Mainstream-Radiolandschaft deutlich unterrepräsentiert ist – auch im Vergleich zum Fernsehen, was die Vermutung nahelegt, dass die Medienmacher meinen, Bilder von langhaarigen, ausgelassen feiernden Metalheads gingen besser als das bloße Spielen der Musik. Je mehr man sich in den Spartenbereich hinein bewegt, umso häufiger gibt es aber natürlich auch die Möglichkeit, Heavy Metal zu konsumieren. Radio Fritz (als "Jugendsender" auch zum RBB gehörend) zum Beispiel erschließt eher Metal-affines Publikum, nicht zuletzt dank des recht populären Stahlwerks. In dieser wöchentlich erscheinenden Sendung wird häufig ein aktuelles Album ausführlich mit mehreren Songs vorgestellt, ansonsten gibt es ein buntes und von Moderator Jakob Kranz erfrischend kommentiertes Metal-Gemisch, das sicherlich eine nicht unbeträchtliche Stammhörerschaft hat. Auch etliche unbekanntere Bands werden in den zweistündigen Sendungen (jeden Donnerstagabend von 20 – 22 Uhr) berücksichtigt. Oft auch mit Interviews wie beispielweise kürzlich mit Geezer Butler und Ozzy Osbourne von BLACK SABBATH oder Olavi von AMON AMARTH (auch METALLICA, AC/DC u.v.a. standen schon in der Sendung Rede und Antwort). Das Ganze kann man sich in Gänze auch nachträglich im Internet anhören.

Während im Populärradio wie schon seit vielen Jahren "das Beste der Achtziger, Neunziger und von heute" durchgenudelt wird, findet man Metallisches also doch eher im Internet. Zeit für einen "Denkanstoß"? Für HR2 schon. Nur wirkt dieser trotzdem wie aus einer anderen Welt und elitär abgegrenzt - man urteilt über etwas, was man allenfalls aus der Zeitung kennt (was ja auch der Aufhänger für diesen "Denkanstoß" war).

Zum Abschluss noch eine nette Anekdote: Beim BR Klassikradio wurde jüngst eine wissenschaftliche Untersuchung präsentiert, welche die Wirkung von klassischer Musik sowie Heavy Metal auf das Herz-/Kreislaufsystem zum Thema hatte. Der Kardiologe Hans-Joachim Trappe, der menschliche als auch tierische Probanden durchtestete, kam zu dem Schluss, dass sich nur durch die klassische Musik ein beruhigender Effekt verzeichnen ließ und Heavy Metal auf das Herz-/Kreislaufsystem die selbe Wirkung wie Baustellenlärm hervorrief. Wer hätte das gedacht?! In diesem Sinne: Rock on!

[Stephan Voigtländer]

Redakteur:
Nils Macher
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