LIEGE LORD: "Burn To My Touch" und "Master Control" endlich wieder erhältlich!

22.02.2023 | 23:23

Zwei Genre-Klassiker sind endlich wieder offiziell erhältlich! Metal Blade hat sowohl "Burn To My Touch" wie auch das Meisterwerk "Master Control" als CD und jeweils in drei Farbvarianten auf Vinyl veröffentlicht. Da der eine oder andere Leser LIEGE LORD vielleicht noch nicht kennen wird, möchte ich Euch diese Band im folgenden Artikel ein bisschen näher bringen.

LIEGE LORD! Schon bei der bloßen Erwähnung dieses Bandnamens bekommen US-Metal-Freunde ein verschwitztes Wohnzelt. Hat die Band aus Connecticut in den 80ern doch drei monumentale Alben veröffentlicht, die für viele bis heute zu den Klassikern des Genres gehören. Bereits 1982 unter dem Banner DECEIVER als Judas-Priest-Coverband aktiv, ändert man zwei Jahre später den Namen in LIEGE LORD und veröffentlicht ein Jahr später ein Demo, welches von Iron Works Records als Picture Vinyl veröffentlicht wird. Ich weiß noch, wie ich damals komplett begeistert vor der heimischen Anlage saß als mir die schiere Kraft vom eröffnenden 'Prodigy/Wielding Iron Fists' um die Ohren fegte. Das war die urgewaltige Energie von frühen SAVATAGE-Songs gepaart mit einer Verspieltheit, die man von anderen Größen der Connecticut-Szene her (noch nicht) kannte. Ich verweise nur auf FATES WARNING. Da war wohl irgendwas im Trinkwasser. Auch die anderen Nummern – allen voran das wütende 'Dark Tale' mit seinem mächtig energischen Rhythmus – waren von dieser Qualität und so fieberte man dem ersten Longplayer entgegen.

Dieser ließ dann dank Black Dragon Records nicht lange auf sich warten: "Freedom's Rise" erschien noch im gleichen Jahr und konnte alle Erwartungen locker erfüllen, wenn nicht sogar übertreffen. Mit 'For The King' war hier sogar eine Nummer vertreten, die der Schreiber dieser Zeilen zu den besten Songs des gesamten Genres zählt. Leider passierte danach aber nicht viel, sodass es bandintern zu einigen Umstrukturierungen kam. Gitarrist Pete McCarthy wird durch Flitzfinger Paul Nelson ersetzt und man wechselt den Vertragspartner. So erscheint 1987 das zweite Album "Burn To My Touch" bei Metal Blade Records. Schon das Artwork erinnert deutlich an die oben bereits erwähnten Kollegen von FATES WARNING und auch die Musik ist etwas verschachtelter geworden.

Mir fehlten damals zuerst etwas die Hooks, die auf dem ersten Album noch alle Songs zu alles vernichtenden Ohrwürmern machten, aber nach einigen Durchläufen war auch mir klar, dass das Quintett einen weiteren Meilenstein veröffentlicht hatte. Allen voran das mächtig flinke 'Cast Out' mit seinem grandiosen Riffing. Nicht umsonst wurde diese Nummer vorab als Single ins Rennen geworfen. Grandios! Aber auch 'Birds Of Prey' mit seinem hackenden Beat macht mächtig Lust irgendwas zu Kleinholz zu verarbeiten. Auf der B-Seite gibt es ebenfalls ausreichend Kraftfutter der Extraklasse. So entzündet der Abschlusskracher 'Speed Of Sound' jede Luftgitarre und 'Legend' war nicht umsonst der zweite Vorabsong für das Album. Mit Instrumental-Nummern konnte man mich noch nie so recht hinterm Ofen hervorlocken, aber 'Walking Fire' ist trotzdem eine gute Nummer.

Da man auch mit diesem Album trotz guter Fanbasis und Reviews nicht so richtig aus dem Quark kam, suchte man verzweifelt nach Gründen und glaubte diese in der vermeintlich als anstrengend deklarierten Stimme von Frontsirene Andy Michaud gefunden zu haben. Der neue Mann hinterm Mikro hieß dann Joe Comeau und war bis zu diesem Zeitpunkt ein ziemlich unbeschriebenes Blatt. Das ist heutzutage natürlich anders, denn der gute Mann hat unter anderem bei ANNIHILATOR und OVERKILL mitgewirkt und auch seine eigene Truppe RAMROD hat im Underground mit ihrem einzigen Demo einigen Staub aufwirbeln können. Aber das alles sei hier nur am Rande erwähnt, denn es geht ja um LIEGE LORD. Unsere Helden schieben also bereits ein Jahr später mit "Master Control" den von mir etwas ängstlich herbei gewünschten Nachfolger hinterher. Wird die neue Stimme den gleichen Zauber für mich entfachen wie es Andy Michaud auf den beiden lieb gewonnenen Alben machen konnte? Wird es eine weitere musikalische Kurskorrektur geben?

Schon das martialisch anmutende Artwork und der ebenso eindeutige Titel "Master Control" sprachen eine recht eindeutige Sprache und so überrascht das eröffnende 'Fear Itself' mit seinem beinahe brachialen Überfallriffing kaum. Der Gesamtsound ist härter geworden und die markante Stimme von Joe Comeau passt wie die berühmte Faust aufs ebenso berühmte Auge. Trotz dieser Härte verliert man im Hause LIEGE LORD aber die alten Trademarks nicht aus dem Auge. So agiert die Rhythmussektion noch immer recht verschachtelt und der Bass von Matt Vinci tobt sich auch noch immer hackend im Hintergrund aus. Der Unterschied zu älteren Aufnahmen: Im Jahr 1988 ist er leider nicht mehr ein so präsentes Lead-Instrument und fungiert nur noch als Tieftonfundament. Dadurch geht der Band ein wenig Originalität verloren, denn dieser Streitaxt-Bass-Klang einer "Freedoms Rise" war schon faszinierend, allerdings gewinnt die Band auf der anderen Seite plötzlich durch etwas mehr Gradlinigkeit und Härte. Hinzu kommen Hooklines, die sich unwillkürlich und dauerhaft in den Hörtrichtern der Metaller festsetzen.

Allein der alles vernichtende Titelsong mit seinem grandiosen Chorus kann sofort als faustreckende Immergrün-Hymne ausgemacht werden und landet von nun an auf allen erdenklichen, selbst gebastelten Tapes für Kumpels und fürs Auto. Und wer die Band seit der Reunion livehaftig erleben durfte, weiß, dass diese Prophezeiung wahr wurde, denn bei dieser energischen Nummer steht jede Halle Kopf. Weitere Highlights auf diesem Album hören auf so verheißungsvolle Namen wie 'Eye Of The Storm', 'Rapture' oder 'Broken Wasteland'. Wo sich die Nadel niederlässt ertönt US Metal der Sonderklasse, der ein jedes Album zu einem Meisterwerk werden lässt. Besonders hervorzuheben sind aber noch das schädelspaltende 'Feel The Blade', welches mit einer Melodie um die Ecke kommt, die man bereits nach dem ersten Anhören unweigerlich für Immer im Gedächtnis haben wird. Und als wäre dies alles nicht schon toll genug, gibt es zum Abschluss mit 'Fallout' noch das absolute Sahnehäubchen des Albums serviert. Eine Nummer, die fast sphärisch eingeleitet an Michael Schenker erinnert, dann aber explosionsartig aus der Anlage prescht, um mit einem Riffgewitter der Sonderklasse über den eh schon völlig erschlagenen Hörer herzufallen. Der gepresste Gesang von Joe Comeau kommt hier besonders gut zur Geltung, denn in den bedrohlichen Versen scheint er beinahe heimtückisch zu klingen. Die klugen Rhythmuswechsel, sowie die wunderbar melodischen Gitarreneinschübe im Mittelteil, lassen diese Nummer zu einem farbenprächtigen Feuerwerk erstrahlen und bis zum heutigen Tage bin ich jedes Mal hin und weg, wenn diese Notenfolgen erklingen. Da Terry Date "Master Control" obendrein auch noch ein amtliches Klanggewand verpasst hat, ist dieses Album wohl nicht nur für mich ein leicht verspäteter Klassiker des US Metal.

Nun waren die Alben lange Zeit nur schwer erhältlich und Band und Label versprechen seit einiger Zeit ein Box-Set mit allen drei Werken. Daraus ist nun leider nichts geworden. Aber: Metal Blade erbarmt sich allen Zuspätgeborenen und veröffentlicht zumindest "Burn By My Touch" und "Master Control" neu. Patrick Engel hat hier gewohnt erstklassige Arbeit geleistet und beide Scheibe klangtechnisch auf den neuesten Stand gebracht, ohne ihren Charme zu rauben. Auch der Umstand, dass man das Original Innenleben der Alben erneut hinzugefügt hat, zeugt von Detailverliebtheit und erfreut den Nerd, denn solche Fotocollagen und Dankeslisten waren schon immer gern genommene Augenfreuden. Weniger erfreulich ist der Umstand, dass es leider keine Bonustitel gibt. Da hatte wohl nicht nur ich auf ein bisschen mehr gehofft. Anyway, dafür haben die 180g Vinyls einen erstklassigen, satten Sound und werden jeden Freund von abwechslungsreichem US Metal voll auf seine Kosten bringen.

Nun ist die Spannung auf komplett neues Material noch unerträglicher als vorher. Also! Spannt uns nicht noch länger auf die Folter, Jungs!


Redakteur:
Holger Andrae

Login

Neu registrieren