LIMBONIC ART: Wir blicken auf "A Dark Star Rising"

04.11.2022 | 18:32

Denke ich an einerseits symphonischen, andererseits rauen und unheilvollen Black Metal, kommt mir unweigerlich die Combo LIMBONIC ART in den Sinn. Das einstige Quartett, von dem heute nur noch Vidar Jensen alias Daemon übrig geblieben ist, hat sich 1993 gegründet, hat Schwarzmetall mit dezentem, aber authentischem Keyboard-Einsatz äußerst beeinflusst und mit Alben wie "Moon In The Scorpio" oder "Epitome Of Illusions" die 1990er Jahre Norwegens entscheidend mitgeprägt. Auch wenn es – bis auf das 2017er Album "Spectre Abysm" – um Daemon und LIMBONIC ART recht ruhig geworden ist, bereiten die allseits präsenten Frühwerke dieser Band noch immer eine meterdicke Gänsehaut. Passend unter dem Titel "A Dark Star Rising" hat es sich Darkness Shall Rise Productions zur Aufgabe gemacht, diesen in der zweiten Hälfte der 90er Jahre aufkeimenden Stern am melodischen Nachthimmel genauer unter die Lupe zu nehmen.

Fleißige POWERMETAL.de-Leser haben in den letzten Wochen mit mir bereits in die Box-Sets von VENOM, KATATONIA und REVEREND BIZARRE schauen und sich ein Urteil über die hohe Qualität aus dem Hause Darkness Shall Rise Productions machen können. Selbstverständlich lag der Fokus stets auf den authentischen Kassetten, jenen Tapes, die den Inhalt dieser Boxen mit mal einem pechschwarz-kultigen, mal einem süßlich-melancholischen, mal mit einem schleppend-gewaltigen Leben füllen. Dies ist nun die vierte, zu besprechende Box, die neben den Tapes mit allerlei Gimmicks und Goodies daherkommt, um dem akustischen Vergnügen auch eine entsprechende Authentizität zu verleihen. Und so hat auch "A Dark Star Rising" allerlei zu bieten, obgleich sich diese Veröffentlichung ausschließlich auf die ersten Jahre im Leben LIMBONIC ARTs konzentriert und die Anfänge näher durchleuchtet. Also nehme ich euch hiermit an die Hand und öffne mit euch diese hochwertige Box.

Wie schon die drei Boxen zuvor, macht auch "A Dark Star Rising" optisch einen qualitativ bockstarken Eindruck. In einer schweren, luxuriösen und mattschwarzen Schachtel mit silbernem Heißfolienprägedruck befinden sich insgesamt drei Tapes, ein üppiges Booklet und allerlei Dinge, die das Fanherz höherschlagen lassen.

Widmen wir uns zunächst jenen Dingen, die künftig auf keiner Black-Metal-Kutte fehlen dürfen: Während ein knapp 30cm großer Backpatch mit Bandlogo sowie ein kleinerer Aufnäher mit dem sehr geschmackvollen Artwork der Box aufgenäht werden können, haben wir in einer Kassettenhülle einen mehr als wuchtigen Metal-Pin ebenfalls im LIMBONIC ART-Bandlogo-Design gefunden. Ich gebe es gerne zu, ich steh auf solche Gimmicks, und so ist es mir auch aktuell eine Freude, wie ein kleines Kind in dieser Box zu wühlen und mich an solchen durch und durch wertvollen Kostbarkeiten zu erfreuen.

Und weil das Artwork dieser tollen Box so gefällt, gibt es hiervon auch gleich eine XXL-Flagge zum Aufhängen, die neben den beiden Schwarzweiß-Postern – das gleiche Cover sowie mit Daemon und seinem langjährigen Mitstreiter Morfeus auf dem einen, ein alternatives "A Dark Star Rising" und einem weiterem Bandfoto auf dem anderen Poster – eine sehr stimmungsvolle Figur macht. Auch hier sind die beidseitig bedruckten Fotos von hoher Papierqualität und heben den Wert der Goodies nochmals nach oben.

Ein weiterer Aha-Effekt ist das handnummerierte Zertifikat, welches offenbart, dass ich die 329. Kopie mit "these essential and immortal monuments of Norwegian Black Metal" besitze. Um diesem Dokument die Krone aufzusetzen, hat Daemon persönlich, für "Guitars, vocals, nocturnal art and poetry" zuständig und als "Master of LIMBONIC ART" zu verstehen, seine Unterschrift abgegeben, die Authentizität setzt sich kontinuierlich fort. Und sie erfährt ihren Höhepunkt, wenn wir im über 40-seitigen Booklet – ebenfalls ausschließlich in schwarz-weiß gehalten – die Lyrics inklusive rarer Bandfotos von Daemon und Krister Dreyer, also Morfeus nachlesen. Zudem plaudert Daemon über die Geschichte seiner Band und lässt sich exklusiv für diese Box auf ein ausführliches Interview ein. Doch auch das Interview mit Tomas "Samoth" Haugen, Gitarrist bei EMPEROR, der LIMBONIC ART damals mit seinem Label Nocturnal Art Productions einen Plattenvertrag anbot, über die Anfänge Daemons und seiner Musik ist absolut lesenswert und wertet das Büchlein gemeinsam mit weiteren seltenen Schwarzweiß-Aufnahmen nochmals auf.

Doch nun kümmern wir uns nach dem Allerlei an Fan-Artikeln um die insgesamt drei Tapes, die, wie schon der Rest der "A Dark Star Rising"-Box, in schwarz-weiß und verschiedenen Grautönen gehalten sind. Die erste Kassette bildet mit "Promo Rehearsal '95" den Startschuss der LIMBONIC ART-Karriere und kommt mit insgesamt vier Songs auf eine üppige Spielzeit von 37 Minuten. Richtig, die Tonqualität ist einerseits nichts für Schönwetter-Black-Metaller und ist gezeichnet von einem kargen, leicht chaotischen Klang. Andererseits jedoch zeichnet sich bei diesem ersten Demo schon ab, was sich auf dem ersten Full-length-Scheibchen "Moon In The Scorpio" manifestieren wird: Eine wunderbare Symbiose aus melodisch-symphonischem und pechschwarzem, beklemmenden Finstermetall. Und für jemanden, der das 1996er Debütalbum wie ich seit Tagen im Ohr hat und dessen Status in der hiesigen Black-Metal-Szene anzuerkennen weiß, der merkt, welch wichtiger Schritt dieses erste Demo letztendlich doch war. Nicht grundlos haben sich die beiden Tracks der B-Seite – also 'In Mourning Mystique' und 'Moon In The Scorpio' – auf jedem Debüt wiederfinden können.

Und genau aufgrund dieser Ruppigkeit und des fehlenden Feinschliffs ist das erste wie auch das zweite "Rehearsal 1996"-Demo inklusive sehr geschmack- wie auch unheilvollen Artworks so wichtig für die weitere Entwicklung der Band. Wie schon zuvor sprengen Daemon, Morfeus und der auch schon zuvor eingesetzte Drummer Per Eriksen, über den bis auf sein Engagement bei PECCATUM und eben LIMBONIC ART nicht viel bekannt ist, mit weiteren vier neuen Songs locker die 30-Minuten-Spielzeitmarke.  Jemand, dem das dritte Album "Epitome Of Illusions" derart wichtig ist, schlackert in Anbetracht der Trackliste dieses Demos mit den Ohren. Denn zwei Jahre nach Veröffentlichung des "Rehearsal 1996"-Demos finden sich alle vier Stücke – 'Symphony In Moonlight And Nightmares' gleich zu Beginn sowie das abschließende Trio bestehend aus 'Solace Of The Shadows', dem genialen 'The Black Hearts Nirvana' und dem nicht minder gelungenen 'Arctic Odyssey' in  einer selbstverständlich besseren Tonqualität und etwas mehr Feinschliff auf dem LIMBONIC ART-Drittwerk wieder. Nichts wurde also weggeschmissen oder verworfen. Nein, in einer Zeit, in der die Norweger schon längst auch die Farben für sich entdeckt hatten, griffen sie auf ihre Anfänge zurück, werkelten und schraubten ein klein wenig am Songquartett und verwendeten es gemeinsam mit der kompletten A-Seite des vorangegangenen Demos für spätere Aufnahmen.

Letztendlich schließt sich so der Kreis auch zum dritten und letzten Demo dieses Box-Sets, dem "Promotion Tape 1996". Schon längst bot EMPEROR-Samoth der Band den langersehnten Plattenvertrag an, nachdem er die beiden Demos gehört hatte und wurde Zeuge, wie das Daemon/Morfeus/Eriksen-Trio nochmals an 'Moon In The Scorpio' und 'In Mourning Mystique' schraubte, den beiden Songs einen wesentlich besseren Klang und eine etwas durchdachtere Struktur verpasste und sie auf die Verwendung für das Debütalbum vorbereitete. Dem Song-Duo gesellt sich mit dem äußerst atmosphärischen 'Beyond The Candles Burning' ein weiterer Titel hinzu, der sich auch auf "Moon In The Scorpio" wiederfindet. Der Rest ist Geschichte. Nur wenige Monate nach der Veröffentlichung des dritten Tapes wandten sich Daemon und Morfeus nicht nur von ihrem Schlagzeuger, sondern auch von der Verwendung etwas schlichterer Schwarz-weiß-Zeichnungen ab und veröffentlichten im Juli ihr stimmungsvolles Erstlingswerk über Nocturnal Art Productions.

Mir persönlich macht es ungeheuren Spaß, mit meinen beiden Lieblingsalben von LIMBONIC ART in den ganz frühen Kindertagen der beiden Norweger zu wühlen, die Vielzahl an Parallelen zwischen den einzelnen Demo-Versionen und ihren End-Versionen auf "Moon In The Scorpio" und "Epitome Of Illusions" herauszuhören und dadurch noch mehr über den Kopf der Bande, Vidar Jensen alias Daemon, zu erfahren, der bis zum heutigen Tag das einzig verbliebene Mitglied dieser Combo darstellt.

Doch auch fernab dieses Inbegriffs des Fan-Daseins genügt die vorliegende "A Dark Star Rising"-Box vollends den Ansprüchen und hält darüber hinaus allerlei Überraschungen parat. Darkness Shall Rise Productions macht seinem Namen, allerdings auch seinem Ruf, den sich das Label, das mit seinen Boxen von VENOM, KATATONIA und REVEREND BIZARRE die Fanherzen hat höherschlagen lassen, aufgebaut hat, alle Ehre. Die Gimmicks sind einmal mehr von allerhöchster Qualität, die Stimmung, die speziell die LIMBONIC ART-Box über die komplette Zeit aufrechterhält, wird durch die Schwarz-weiß-Thematik nur noch weiter intensiviert. Abermals gehen also wieder beide Daumen nach oben, denn wer dem Untergrund des wahren norwegischen Black Metals auf den Zahn fühlen möchte, kommt an Darkness Shall Rise Productions und dem "A Dark Star Rising"-Glockenschlag nicht vorbei.

Redakteur:
Marcel Rapp

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