MACHUKHA: Interview mit der Band

13.09.2024 | 22:25

Post Black Metal, düsterer Hardcore und Punk – die Hauptstädter von MACHUKHA haben eine sehr wilde und finstere Genre-Explosion am Start. Mit "Mochari" wurde nun endlich ihr Debütalbum veröffentlicht, was uns auf den Plan rief, einmal mit den Musikern ein sehr offenes, ehrliches Gespräch zu führen und etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Was die böse Stiefmutter damit zu tun hat, was "Mochari" aussagt und wie die Band diese Düsterheit kreiert, erfahrt ihr hier.

Hallo zusammen und vielen Dank für die Möglichkeit, euch ein paar Fragen stellen zu können. Wie geht es euch und dem MACHUKHA-Team?
Bláthin: Gut! Wir haben gerade einige Sommer-Shows gespielt - unter anderem das Core-Festival in Glasgow und das Complexity Fest in den Niederlanden.

Da es sicher noch einige Leser gibt, die euch noch nicht gut kennen: Stellt euch doch kurz vor und wie hat sich das MACHUKHA-Team zusammengefunden?
Vrohdo + Bláthin: Es hat ein bisschen gedauert, die richtigen Mitglieder zu finden, aber die Szene in Berlin ist sehr gut vernetzt, deswegen mussten wir nur ein bisschen Geduld haben. Unsere Sängerin Natalya hat zusammen mit Ilya Thainovich dieses Projekt gestartet, hier in Berlin, wobei sie sich schon flüchtig aus der Underground-Szene in der Ukraine kannten. Kurz darauf ist Bláthin der Band beigetreten und nach ein paar Mitgliederwechseln konnte MACHUKHA zusammen mit M. Schütte und Vrohdo das Debütalbum "Mochari" aufnehmen.
Wir haben seit dem Release einige Gigs mit anderen Musikerinnen und Musikern gespielt, da manche aus der Band zwischenzeitlich keine Kapazitäten für Konzerte und Touren hatten, was das Ganze aber auch sehr spannend macht. Jedes Mal, wenn jemand Neues dazugekommen ist, hat sich das Material immer noch weiterentwickelt.

Warum habt ihr euch "Stiefmutter" genannt? Was bedeutet MACHUKHA sonst noch?
Bláthin: Natalya hat diesen Namen intuitiv gewählt - man verbindet gewöhnlich den Archetypen der Stiefmutter mit etwas Negativem. Als wir jedoch an unserem Debütalbum gearbeitet und uns deswegen intensiv mit der Frage auseinandergesetzt haben, was wir mit dieser Musik eigentlich bewirken wollen, kamen wir schnell zum Entschluss, dass wir uns mit dieser Musik um unseren Schmerz kümmern - fast so, wie eine Stiefmutter sich um ein fremdes Kind kümmern muss. Sie muss mehr dafür tun, und sie muss es bewusst tun. Und wir hoffen, dass andere Menschen auch mit dieser Musik ihren Schmerz besänftigen können.

Ihr habt im Juni euer Debütalbum "Mochari" veröffentlicht. Wie war die Resonanz? Welche Ziele habt ihr euch für das Werk gesetzt?
Bláthin: Wir sind ehrlich gesagt ganz schön überrascht, wie viel Anklang es findet - wir bekommen fast täglich Nachrichten von Menschen, die berichten, wie sehr dieses Album sie bewegt hat. Vor allem haben einige genau diese Intention bemerkt, die ich gerade erwähnt habe. Wir wollen nicht nur all dieses Leid und den Weltschmerz aufzeigen, sondern die Kraft schöpfen, zu leben.

Als ich euer Debüt hörte, wurde ich mit einer sehr wilden Mischung aus Post Black Metal, Hardcore und Punk konfrontiert. Würdest du mir bei den Genres zustimmen? Welche Bands haben euch in eurer Arbeit beeinflusst? Woher habt ihr die Inspiration genommen?
Bláthin: Wir haben Elemente dieser Genres bewusst an ganz bestimmten Zeitpunkten in diesem Album benutzt, um die jeweilige emotionale Entwicklung und damit die Kernaussage zu unterstützen. Quasi als "Werkzeuge", um eine Sache auszudrücken, die genau auf die "Dramaturgie" abgestimmt ist. Bands, die uns beeinflusst haben, sind unter anderem OATHBREAKER, DOWNFALL OF GAIA, CULT LEADER, FALL OF EFRAFA. Was uns aber inspiriert hat, das Album als Gesamtwerk anzugehen und weniger als eine Sammlung von individuellen Songs, ist der Ansatz, den man sonst im Theater oder aus Filmen kennt. Von dem ersten Moment an trägt jeder Moment, jeder Ton, jede Pause, jede künstlerische Wahl die Aussage bis zum Ende.

Das Artwork ist mehr als interessant: Was sagt es aus und wie bezieht es sich auf die Musik von "Mochari"?
Bláthin: Das ist eigentlich ein Foto, das während des Videodrehs zu diesem Album aufgenommen worden ist. Es zeigt die finale Szene und symbolisiert unsere Kernaussage - den Schmerz häuten, damit die neue Haut darunter zum Vorschein kommt. Regeneration durch Konfrontation.

Auf eurem Album geht es um Resilienz, zumindest habe ich das gelesen. Ist das das übergreifende Konzept eurer Platte? Würdest du gerne ein bisschen mehr darüber erzählen, wie dieses Thema zustande kam?
Natalya: Die Texte zu schreiben ist für mich eine sehr schwere Aufgabe, es schmerzt wie die Hölle! Ich schreibe über sehr heftige Themen, unter anderem Depression, Einsamkeit, das Gefühl festzustecken, unter heftigen Schmerzen zu leiden, sexuellen Missbrauch zu überleben, um all die traumatischen Erfahrungen nach dem russischen Angriff auf die Ukraine zu bearbeiten. Aber trotzdem bleibt unsere Botschaft klar: Wir dürfen uns nicht aufgeben. Wir lassen unseren Schmerz nicht die Kontrolle übernehmen, statt es zu akzeptieren, es bewusst zu erleben und kennenzulernen mit Liebe, Schutz und Mitgefühl.

Vor allem der Wechsel aus sphärischen und rasenden Passagen imponiert und gefällt mir ungemein. Wie wichtig ist für euch Atmosphäre generell? Und was wolltet ihr mit dem Wechselspiel ausdrücken?
Bláthin: Die Exposition auf "Mochari" ist chaotisch. Es ist das Gefühl von Manie, Herzrasen, Verzweiflung, Schmerz. Wir starten das Album mit dem Moment, wenn man fast nicht mehr weitermachen kann. Durch diese Erschöpfung kommen wir an einem Wendepunkt an. Was passiert, wenn man, anstatt diesen Schmerz zu bekämpfen oder zu unterdrücken, versucht, sich diesem Schmerz zu ergeben und es sich zum ersten Mal selbst erlaubt wirklich zu trauern? Alles zu fühlen, was man zuvor vermeiden wollte? Es war eigentlich nur logisch von einem aufgeregten, extrovertierten Moment, zu einem intimen, introvertierten Moment zu kommen, um dann wieder langsam regenerierte Energie aufzubauen.

Wie habt ihr im Studio diese übergreifende Finsternis erzeugt? Hattet ihr dafür einen speziellen Trick? Das Album zieht einen förmlich in die Dunkelheit.
Vrohdo: Wir suchen nach Ehrlichkeit. Mit uns selbst, aber auch mit anderen. Wir haben uns zuerst von unserem Bauchgefühl leiten lassen, nur aus dem Bauch heraus Material generiert. Dann haben wir diese Ideen weiterentwickelt, ruhen lassen, vergessen, wieder angehört und dann erst versucht von außen zu verstehen. Es war ein wirklich langer Prozess, in dem wir ständig das Material überarbeitet haben, bis es für uns Sinn ergeben hat. Es berührt und motiviert uns sehr, dass andere Menschen regelmäßig zu uns kommen und sagen, dass sie beim Hören dieselben Emotionen erlebt haben, die wir beim Schreiben, Aufnehmen oder Aufführen hatten.

Obwohl es euer Debüt ist, wirkt es vom instrumentalen Know-How her sehr reif. Hattet ihr schon Erfahrungen in anderen Bands?
Vrohdo: Wir haben alle unterschiedliche Erfahrungen in vorherigen Projekten sammeln können. Es fühlt sich aber in diesem Projekt so an, dass unsere Erfahrungen sich gut ergänzen können, und wir auch bereit sind, voneinander vieles zu lernen.

Gibt es Pläne, diesem Album eine Tour folgen zu lassen? Was wird 2024 für euch noch bereithalten?
Vrohdo: Wir sind im Moment noch überwiegend DIY und dieses Jahr noch eine Tour zu machen, ist für uns leider relativ schwer zu ermöglichen. Wir sind sehr dankbar für all die Leute, die uns geholfen haben, letzten Monat in anderen Ländern diese Sommer-Shows zu organisieren. Nachdem wir nun am 09.09. ein Konzert als Vorband für AGRICULTURE in Urban Spree (Berlin) gespielt haben, sind wir noch am 18.10. zusammen mit AHAB, VALBORG, HAERESIS und RANA für das Lichtlaerm Festival in der "Neue Zukunft" (Berlin) gebucht. Tickets sind noch erhältlich auf der Lichtlärm Website.
Außerdem wollen wir langsam Material für unser Follow-up vorbereiten. Mit unserem aktuellen Line-up haben wir viele neue musikalische Quellen, die wir integrieren können und wir sind gespannt, wie sich unser Sound weiterentwickeln wird.

Danke für den Hinweis. Ihr Lieben, vielen Dank, dass ihr euch meinen Fragen angenommen habt. Euch alles erdenklich Gute mit "Mochari". Gibt es noch etwas, was ihr über das Album loswerden möchtet? Was möchtet ihr unseren Lesern noch mit auf den Weg geben?
Vrohdo: Wir möchten uns herzlich bei all den Menschen bedanken, die bisher Teil unserer Geschichte waren. Besonders dankbar sind wir denjenigen, die uns mitteilen, dass unsere Musik auf emotionaler Ebene mit ihnen resoniert und sie berührt hat. Musik hat unser aller Leben gerettet, und genau deshalb versuchen wir, in allem, was wir tun, ehrlich zu sein. Nach allem setzt sich der menschliche Geist durch.


Fotocredits: Jovi Zhang

Mochari



https://www.youtube.com/watch?v=ApUXeJQ_qOU

Redakteur:
Marcel Rapp

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