MEGAHERZ: Track-by-Track des neuen Albums "In Teufels Namen"

05.08.2023 | 20:15

MEGAHERZ kann auf 30 spannende, ereignisreiche und musikalisch düsterrockige Jahre zurückblicken, doch anstatt sich auf den Lorbeeren auszuruhen und in der Vergangenheit zu leben, blicken Lex und seine Spielmannstruppe energisch in die Zukunft und haben mit "In Teufels Namen" auch ein neues Album am Start. Richtig, mehr als fünf Jahre mussten sich Anhänger der Münchener gedulden bis nun endlich der "Komet"-Nachfolger in greifbarer Nähe ist. Wir werden sehen, ob auch Album Nummer neun den schonungslosen, besonderen Weg von MEGAHERZ weiterführt.

Anstatt auf der Stelle der Neuen Deutschen Härte zu treten, hat sich MEGAHERZ stets in der musikalischen Evolution befunden und ist aus dem Bereich des Dark Rocks heutzutage nicht mehr wegzudenken. Alben wie "Kopfschuss", "5" oder jüngst "Zombieland" und eben "Komet" zeigten die Wandlungsfähigkeit der fünf Mannen ohne jedoch auch nur ansatzweise von den bandeigenen Trademarks abzuweichen. Nein, MEGAHERZ entwickelte diesen kreierten Stil stets weiter und hat mit "In Teufels Namen" einmal mehr ein hartes, emotionales und sehr interessantes Album am Start, das wir speziell für euch da draußen bis aufs Mark untersucht haben.

Ein markantes Riff, eine dezente Keyboard-Untermalung, ein cooler Groove und musikalisch beginnt "In Teufels Namen" mit dem Titeltrack, wie es für MEGAHERZ typischer nicht sein kann. Zeilen wie "Ich bete jeden Tag, verlange Absolution – kleine Kinder zu verführen, ich schaue einfach weg" und "Meister, Meister, erzähl' uns jeden Mist – wir folgen deinen Lügen, weil der Mensch leider vergisst" sprechen eine eindeutige Sprache, die durch den markanten Refrain zusätzlich an Vehemenz gewinnt. Einen schmalen Spagat aus New- und Dark Wave sowie Gothic Rock offenbart uns das folgende 'Rabenherz', das vor allem durch Lex' Stimme getragen wird und durch sanfte Spieluhrklänge an Sentimentalität und Wehmut gewinnt. Ein wenig rockiger geht dann 'Engelsgesicht' wieder zu Werke, ein rhythmisches Stück, das auch hier von stimmigen Synthies dominiert wird und von einer Frau erzählt, die sich dann doch nicht als so engelsgleich entpuppt hat wie der erste Eindruck zu sein schien.

Am Härtegrad schraubt anschließend 'Freigeist', das in eine ähnliche Kerbe schlägt wie das eröffnende Titelstück und mit Zeilen wie "Das Leben ist zu kurz, um leise zu sein – Ich nehm mir, was ich will. Niemand hält mich klein" und "Denn ich tu, was ich will – Ich halte nie still" dem offensichtlichen Thema auch die nötige Fülle verleiht. Dennoch fehlt mir an dieser Stelle zumindest lyrisch der Überraschungsmoment, den es dem folgend aber mit "Kannst du den Himmel sehn?" doppelt und dreifach gibt: musikalisch ruhig, intensiv und nachdenklich, textlich oberes Regal, wenn wir Lex' Hand nehmen, unser Herz öffnen und fragen: "Kannst du den Himmel sehen trotz der Wolken über uns? Kannst du die Sonne spüren im tiefsten Abgrund?" Ein sehr schönes Lied, das vor allem live für viele Emotionen sorgen wird. Wir haben Halbzeit und verbringen diese mit 'Der König der Dummen', ein Lied, das nur allzu deutlich als kräftiger Saitenhieb gegen Corona-Leugner, Verschwörungstheoretiker und vor allem Attila Hildmann äußerst rhythmisch und rockig ein Ausrufezeichen setzt. Nein, auch diesmal hält sich MEGAHERZ nicht zurück und hat eine klare Meinung gegen den vermeintlichen Regenten.

Beinah schon düster-poppig, aber nicht minder intensiv geht nach diesem Rundumschlag 'Amnesie' zu Werke und thematisiert eine weitere Disziplin im MEGAHERZ-Textuniversum: den Kampf gegen eine verlorene Liebe, gegen Erinnerungen, denn "ich will vergessen, was passiert ist – Letzte Hoffnung – Amnesie". Ein Song, der vielen Düsterrock-Fans musikalisch wie konzeptionell aus dem Herzen sprechen wird. Zu 'Alles Arschlöcher' – und das habe ich auch gehofft – wird es dann wieder härter, etwas strikter und direkter, wird doch klar, gegen wen sich diese straighte Aussage richtet: Banker und Finanzmagnaten, Politiker und Worthülsenschwinger, Weltverschwörer und Heilsbringer, Blender, Hater und Schwachmaten – die Liste führt MEGAHERZ scheinbar endlos weiter und versucht schon gar nicht zu überraschen, sondern gibt allein vom Titel her schon die Marschroute vor.

Das letzte Drittel beginnt mit dem stampfenden 'Menschenhasser' sehr RAMMSTEINesk, denn einzig im Refrain merkt man, dass wir es doch mit einem neuen MEGAHERZ-Rundumschlag zu tun haben. Stellen wie "bin gar nicht vulgär – Ich bin nur sehr direkt" oder "Eure Heuchelei ist krank und mein Zorn auf euch gerecht" können auch als generelles Überthema des gesamten Albums gesehen werden. Stilistisch wird es im Anschluss sehr interessant, greift 'Ich hasse (Epilog)' doch direkt die Textstellen seines Vorgängers auf und verknüpft sie äußerst geschmackvoll mit ruhigen Klavier- und später mit verzerrten Sci-Fi-Klängen. Damit wäre auch ein Brückenschlag zum Abschlusstrack 'Auf dem Weg zur Sonne' geschlagen: MEGAHERZ sorgt für ein großes Finale, vermischt musikalisch Härte mit Sentimentalität und sorgt textlich für einen Sonnenschein nach dem Regenfall. "Mach dich nicht klein, um auf Augenhöhe zu sein – Geh nicht zurück, nur um auf einer Stufe zu stehen" sowie "Jeder Schlag eine Lektion, an der mein Wille nicht zerbricht" sind nur zwei Stellen eines Songs, der nochmals für einen Aha-Moment sorgt und das Album dann doch frohen Mutes abrundet.

Fazit: Ein paar Überraschungsmomente mehr hätten es dann doch sein können, doch MEGAHERZ ist MEGAHERZ und bleibt MEGAHERZ und präsentiert sich fünf Jahre nach "Komet" in ach so typischer Form: mal sentimental und gefühlsorientiert, mal mit der Brechstange düsterrockend, mal verletzlich, mal angreifend. Und musikalisch? Nun, Härte ist bekanntlich nie verkehrt und nach dem ersten Durchgang hätte man sich die eine oder andere zusätzliche Riff-Power durchaus gewünscht, doch zu den Lyrics und dem Gesamtkonstrukt "In Teufels Namen" passt die Symbiose aus Rock, Gothic und einem hauchzarten Pop-Anflug doch erstaunlich gut und dürfte vor allem auf der Bühne – in der Paradedisziplin der MEGAHERZ-Herrschaften – sehr gut funktionieren.

Fotocredits: Franz Schepers und Napalm Records



Redakteur:
Marcel Rapp

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