METALLICA: "...And Justice For All" - Die Deluxe-Box

03.11.2018 | 18:09

METALLICA sorgte 1988 für Gerechtigkeit. Nun feiert "...And Justice For All" seinen 30. Geburtstag mit einer fetten Box. Wir sagen euch, ob sie sich lohnt.

Ich habe bereits im Artikel zur Deluxe-Edition von "Master Of Puppets" ein wenig in der Sentimentalitätenkiste gekramt und Geschichten aus meiner Kindheit erzählt. In den Achtzigern war METALLICA in der Metal-Szene eben allgegenwärtig und allseits geliebt. Keine Überraschung bei der Qualität der Alben. Es dürfte somit auch keine Überraschung sein, dass ich mit "...And Justice For All!" eine ganze Menge verbinde. Meinen ersten Plattenspieler bekam ich zu Weihnachten 1987 geschenkt, woraufhin etwas später der Erwerb von ANTHRAX' "Among The Living" als allererste eigene Schallplatte folgte. Ich war noch keine 13 Jahre alt, von daher musste jeder Pfennig (die Älteren wissen noch was das ist...) umgedreht und clever investiert werden. So dauerte es also bis zum September 1988, dass ich meine zweite und dritte eigene LP erwarb. Damals habe ich gar meine Platten numeriert und so prangt noch heute eine kleine #3 (s. Foto) im rechten oberen Eck des Covers (die #2 ging an die zeitgleich erstandene ANTHRAX "State Of Euphoria").

Metallica And Justice for All

Und auch wenn ich bereits ein paar überspielte Tapes hatte, so war natürlich die Sammlung so dünn, dass ich das Album in den folgenden Wochen, Monaten und Jahren hunderte Male rauf und runter gehört habe. Dieses Deluxe-Box-Set ist also nicht nur für die Band eine vollgepackte Reise in die Vergangenheit.

Das Album

Für Lars Ulrich, James Hetfield, Kirk Hammett und Jason Newsted war dieses Album natürlich in vielerlei Hinsicht ein sehr besonderes Werk. So ist es das erste Werk nach dem tragischen Unfalltod von Bassist Cliff Burton und somit der reguläre Einstand von Jason Newsted (nach den Covern auf "The $5.98 EP"), es beinhaltet zudem mit 'One' den ersten echten Singlehit der Bandgeschichte, der in den USA und Australien sogar vergoldet wurde. Erstmals wurden auch die Alben-Top10 in den großen Märkten USA, Großbritannien und Deutschland geknackt. Dafür musste man damals noch viele, viele Platten verkaufen. Alleine in den USA hat sich die Gerechtigkeit mehr als acht(!) Millionen Mal verkauft.

Musikalisch ist das Album noch technischer als sein Vorgänger und wurde zudem in eine sehr kalte, distanzierte Produktion gepackt, die einigen Fans damals wie heute etwas bitter aufstößt. Ich hatte als 13-jähriger natürlich überhaupt keine Ahnung von so etwas und war der Meinung, dass das alles genau so klingen muss. Doch mit etwas Erfahrung darf man heute schon feststellen, dass vor allem der völlig untergehende Bass schon traurig ist. In der Box ist das Album jetzt natürlich remastert, was man auch durchaus hören kann. Allerdings ist es eben in erster Linie lauter als zuvor, der Mix wurde gelassen wie er ist, so dass der Bass immer noch nur zu erahnen ist. Den meist großartigen Songs tut das aber natürlich keinen Abbruch. Auch wenn ich heute die ersten drei Scheiben der Metallicats noch stärker finde, ist das hier schon ein verdammt großartiges Werk. Aber wem erzähl ich das?

In der Box ist das Album sowohl als CD als auch als 2-LP enthalten, zudem gibt es noch die hübsche Picture-Disc zu "One".

Metallica And Justice for All

 

Die Live-Aufnahmen

Der für mich beste Teil dieser Box-Sets sind die Live-Aufnahmen von einigen Konzerten, da das Quartett auf der Bühne immer zu Großtaten fähig war. Hier gibt es gleich sechs Konzerte aus den Jahren 1988 und 1989 zu bestaunen, die sich auf drei LPs (Seattle), sechs CDs (West Hollywood, London, Long Beach) und zwei DVDs (Moutain View, Newark) verteilen. Dass der Seattle-Gig auf Vinyl gelandet ist, liegt schlicht daran, dass es der beste Gig in der Box ist. Manch einer mag ihn schon aus der "Live Shit, Binge & Purge"-Box aus den Neunzigern kennen, hier wurde jedoch klangtechnisch ein bisschen nachgeholfen, so dass die Energie jetzt noch besser rüberkommt. Und bei einer Setlist nur mit Songs aus den ersten vier Alben kann ja eh nix schief gehen, richtig? Doch auch die anderen Gigs sind alle klanglich vollkommen in Ordnung. Klar, das ist jetzt keine absolute Oberklasse, aber auch deutlich besser als Bootleg-Qualität. Nein, man merkt der Box schon an, dass METALLICA anno 1988/1989 richtig groß geworden ist. Der Sound ist besser, die Shows auf den DVDs sind gigantischer, was mehr Pyro-Effekte und die zerfallende Justizia deutlich zeigen. Das ist alles noch nicht ganz die Gigantonomie, die mit dem Nachfolger begann, aber METALLICA hat damals die Massen mehr als gut unterhalten. Etwas unglücklich finde ich, dass auf den CDs nach dem Live-Gig noch B-Seiten und Radio-Edits folgen. Diese hätte ich auf einer separaten CD besser aufgehoben gefunden und wo elf CDs reinpassen, sollten doch auch zwölf kein Problem sein.

Und wo ich gerade die elf CDs erwähne: Hier finden sich insgesamt sechs LPs, elf CDs und vier DVDs in der Box. Dazu ein fettes Buch, Aufnäher, ein laminierter Tourpass, ein Print und Lyricblätter. Damit ihr eine Vorstellung habt, wie voll die Box ist, könnt ihr ja zwischendurch mal hier das "Unboxing"-Video schauen:

Rough Mixes, Riffs, Jams & Demos

Auf insgesamt drei CDs gibt es auch wieder etwas für die Gitarristen und Nerds unter euch. Eine CD ist voll mit verschiedenen Riffs und Jams, die häufig nur ein bis zwei Minuten gehen und vielleicht einen Hinweis darauf geben wie aus einer Idee ein Song wird. Das ist jetzt nichts, was ich in Dauerschleife laufen lasse, aber interessant sind solche Einblicke alle Male. Auch die Demos zu den Songs des Albums sind sehr interessant, da es hier schon Unterschiede auszumachen gibt zu der endgültigen Version und das betrifft nicht nur den Klang. Aber um die Spannung hochzuhalten, belasse ich es mit diesem Hinweis und lasse euch selbst hören und tüfteln. Auch die Rohmixe sind ziemlich cool geworden, zumal man hier ab und zu auch den Bass hört.

Die Interviews & Dokus:

Zwei Silberlinge (eine CD, eine DVD) sind für Interviews reserviert. Auch anno 1988/1989 mit steigendem Erfolg gibt sich die Band immer noch sympathisch und dankbar. So abgehoben die Band vielleicht in den Neunzigern auch wirken mochte (erinnert sich jemand an die schlimmen Promo-Fotos zu "Load"?), so natürlich ist das Quartett zu diesem Zeitpunkt noch. Auf Dauer sind manche Fragen und Antworten vielleicht etwas repetitiv, aber gerade die eher seltenen Interviews mit Jason Newsted sind schon sehr interessant. Gleiches gilt auch für das Interview mit dem japanischen Journalisten Masa Ito, das man so auch nicht auf YouTube findet.

Dazu gibt es noch die Doku "Justice On Wheels" und die "...And Camcorders For All"-Serie, die (etwas wacklige) Aufnahmen von verschiedenen Orten der Tour zeigt. Letzteres ist eine coole Idee, auch wenn natürlich die Qualität nicht sehr hoch ist.

Metallica And Justice for All box

Die Box und das Buch:

Erneut ist vielleicht das Buch der heimliche Star der gesamten Box. 120 große, vollgepackte Seiten mit unendlich vielen Fotos, Presseberichten und Anekdoten von Zeitzeugen. Das reicht von Flemming Rasmussen (Produzent) bis hin zu Sammy Hagar (VAN HALEN), der erzählt wie METALLICA auf dem "Monsters Of Rock"-Festival jeden Abend alles in Schutt und Asche gelegt hat und die folgenden DOKKEN (außerdem auf dem Billing VAN HALEN, SCORPIONS und KINGDOM COME) absolut keine Chance hatten noch etwas zu reißen, zumal immer totales Chaos vor der Bühne herrschte, da die METALLICA-Fans abzogen und keinerlei Interesse an DOKKEN zeigten. Zwar sind die Geschichten etwas weniger emotional wie in der "Masters Of Puppets"-Box, aber die Zeit war natürlich auch nicht annähernd so tragisch. Höchst unterhaltsam ist das Buch dennoch.

Zu beziehen ist dieses Set für ca. 180,- EUR. Dafür bekommt ihr dann ca. 25(!) Stunden Inhalt. Da die Ton- und Bildqualität besser ist als bei den vorherigen Boxen ist ein sehr großer Teil davon auch absolut wertig. Wer - wie ich - mit dem Album groß geworden ist, sollte jetzt wohl den Weihnachtswunschzettel zücken.

Redakteur:
Peter Kubaschk

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