MIRROR OF DECEPTION: Interview mit Jochen Fopp

28.10.2010 | 17:24

MIRROR OF DECEPTION sind eine der Konstanten der deutschen Doom-Szene und präsentieren im 20. Jahr ihres Bestehens mit "A Smouldering Fire" ein weiteres bärenstarkes Album. Genug Gründe, um mit Gitarrist & Songwriter Jochen Fopp zu sprechen.


Als erstes Mal herzlichen Glückwunsch zur neuen Scheibe "A Smouldering Fire", die in unserem Oktober-Soundcheck in einem starken Monat auf einem sehr guten 6. Platz gelandet ist. Wie sind denn die Reaktionen auf das Album bisher?


Dankeschön. Dass wir bei Euch so gut abgeschnitten haben, hat uns überrascht und sehr gefreut. Bislang waren die Reaktionen ziemlich gut, meist gab es Punktzahlen in den oberen Bereichen der jeweiligen Bewertungsskalen und auch die ersten Rückmeldungen von Fans waren positiv. Aber ein paar Verrisse werden sicher auch noch kommen, das gehört dazu.

Nach "Shards" hat es jetzt immerhin vier Jahre bis zum neuen Album gedauert. Die wurden zwar mit zwei Splits überbrückt, dennoch die Frage, warum es diesmal doch verhältnismäßig lange gebraucht hat, bis ihr nun wieder am Start seid?

Dafür gab es keinen besonderen Grund. Wir haben einige Zeit an den Songs für diverse Split-Releases gewerkelt, es wird da nächstes Jahr auch nochmal eine 7" mit PAGAN ALTAR rauskommen. Dann gab es zwischendurch mal Zeiten, in denen man aus beruflichen und privaten Gründen nicht so regelmässig zum Proben kam. Da aber sowieso allmonatlich eine irrwitzige Flut an Metal-Platten erscheint, finden wir es nicht so tragisch, wenn es mal länger als zwei Jahre zwischen zwei Alben dauert. Um die Weltkarriere geht es bei uns ja nicht.

Mit 'Lauernder Schmerz' gibt es mal wieder eine deutschsprachige Nummer zu hören. Und wie schon 'Entgleiten' oder 'Weiss' ist der Song großartig. Könnt ihr euch ein deutschsprachiges Doomalbum vorstellen? Oder denkst du, dass die Nummern nur herausragen, weil sie eben diesen extrovertierten Platz haben?

Danke. Vorstellen kann ich mir das durchaus, glaube aber nicht, dass es von uns kommen wird. Die gelegentlichen deutschen Texte waren in den letzten Jahren aus der Feder unseres Sängers/Gitarristen Siffi und davor unseres ex-Sängers Baumi. Die anderen Bandmitglieder schreiben nach wie vor lieber auf Englisch. Ausnahme war 'Der Student von Ulm', das war auch der erste Text, den wir gemeinsam verfasst haben. Den Anhängern deutschsprachiger Texte sei die Bonus-CD unserer Erstauflage empfohlen, da gibt es mit "Yearn" noch ein älteres Stück zu entdecken.

Wie gerade angesprochen, veröffentlicht  ihr "A Smouldering Fire" als Doppel-CD mit den Tracks der Split-Alben und weiteren Songs. Eine sehr noble Geste. Gab es da Nachfragen von den Vinylverweigerern, ist das euer Geschenk an die Fans für 20 Jahre MIRROR OF DECEPTION oder wie seid ihr auf die Idee gekommen?


Wir haben uns mit unserem Label Cyclone Empire Gedanken gemacht, was man zu unserem Jubiläum Besonderes bieten könnte und da kam dann die Idee mit der limiterten Erstauflage mit Bonus-CD auf. Wir hatten noch allerhand Material in den Archiven und zu den nur auf Vinyl erschienenen Stücken gab es immer wieder Rückfragen von Mitmenschen ohne Plattenspieler. Besonders 'Der Student von Ulm' ist für uns ein zu wichtiges und besonderes Stück, um es letztlich nur den Vinylsammlern zugänglich zu machen. Wenn man dann den Leuten, die uns gerade neu entdecken oder unseren Werdegang zum Teil schon lange verfolgen so ein wertiges Package mit sehenswertem Artwork zu einem fairen Preis anbieten kann, haben alle Seiten etwas davon.


In letzter Zeit habe ich den Eindruck, dass die Qualität in Sachen Doom wieder zugenommen hat. Man denke nur an die aktuellen Veröffentlichungen von WHILE HEAVEN WEPT, GRIFTEGARD, DOOMSHINE, PROCESSION, SPIRIT DESCENT oder euch. Ist das nur meine Wahrnehmung oder denkst du auch, dass die Reputation des Doom wieder ein wenig gestiegen ist?

Die Wahrnehmung hängt sicher auch immer vom persönlichen Musikgeschmack ab. Für mich ist Doom konstant präsent und es erscheinen ständig feine, neue Scheiben. Die genannten Alben finde ich natürlich auch sehr stark. Ich kann dir jedoch versichern, daß es von unserer Seite aus keine finsteren, kartellmässigen Absprachen mit anderen Bands gegeben hat, die Menschheit ausgerechnet 2010 mit noch einer weiteren guten Doom-Platte in den Wahnsinn zu treiben, haha.

Was denkst du eigentlich, woran es liegt, dass der Doom Metal nie wirklich im Mittelpunkt stand, obwohl der Stil mehr als jeder andere die eigentlichen Wurzeln des Metal - nämlich BLACK SABBATH - bewahrt?

Zum einen ist natürlich alles Geschmacksache und vermutlich ist es eben doch zu speziell für die breite Masse, "Special Interest Metal" sozusagen. Oder man beschränkt sich auf die großen Namen, ohne zu ahnen, was es da mittlerweile noch alles an feinen Bands gibt. Aber ein bisschen was hat sich in Sachen Aufmerksamkeit ja schon getan in den letzten zehn Jahren.

Ihr spielt in Kürze zwei Gigs, ich nehme aber an, dass ihr damit nicht auf eine ausgiebige Deutschland-Tour mehr startet. Gibt es denn darüberhinaus noch Pläne oder spielt ihr nur noch, wenn es passt?

Genau, als nächstes steht am 6.11. das "Doom over Vienna"-Festival an, mit LORD VICAR, ISOLE, MAEL MORDHA und VORTIGAN. Am 4.12. steigt dann unser Jubiläumskonzert in der Manufaktur in Schorndorf bei Stuttgart, wofür wir ein paar Überraschungen geplant haben. Desweiteren arbeiten wir gerade an einer Deutschland Tour im März 2011 mit unseren Labelkollegen SEMLAH und 40 WATT SUN. Aus Malta gibt es auch schon eine Anfrage für 2011. Ansonsten werden wir sehen, was sich ergibt.


Du veranstaltest ja auch das "Doom Shall Rise", das im April 2010 zum siebten Mal stattfand. Wie siehst du die Entwicklung des Festivals und welche Band hat dich bisher am meisten auf eurer Bühne umgehauen?

Es hat sich von einem gewagten Experiment zu einer international bekannten Institution entwickelt. Ich finde es großartig, was durch das "Doom Shall Rise" ins Rollen gekommen ist und dass auch andere Veranstalter in Deutschland, Europa und den USA die Idee aufgegriffen haben. Bei den üblichen Metal-Festivals sind Doom-Bands ja nach wie vor eher eine Randerscheinung und haben dann mitunter auch noch undankbare Auftrittszeiten. Daher muss die Szene das eben selbst in die Hand nehmen. Bisher gab es noch bei jedem DSR Überraschungsgewinner, die keiner auf der Karte hatte. Mit am beeindruckendsten waren für mich beispielsweise die Auftritte von COUNT RAVEN 2004, WARNING 2005, OMEGA MASSIF 2009 und RITUALS OF THE OAK 2010. Das war pure Magie.  

Im Jahr 2011 wird das "Doom Shall Rise" eine Pause einlegen, wie es auch schon 2008 der Fall war. Hat das lediglich zeitliche bzw. organisatorische oder auch monetäre Gründe? Ich nehme an, du gehst da nicht mit fetten Geldbeuteln raus...

Es hat zeitliche Gründe. Mein Mitorganisator Frank ist nach dem diesjährigen "Doom Shall Rise" Vater von Zwillingen geworden und hat als Hausmann momentan keinen Kopf, sich ein halbes Jahr auf die Festivalorganisation zu konzentrieren. Andere Leute wollen wir aber für die Vorarbeit nicht ins Boot holen, da wir ein gut eingespieltes Team sind. Daher leisten wir uns den Luxus, ein Jahr zu pausieren und hoffen auf das Verständnis von Bands und Besuchern. Geld ist sicherlich nicht der Antrieb, ein solches Festival zu veranstalten. Wir wollen etwas für die Szene tun, aber machen das eben so, wie es uns möglich ist.


Ihr besteht jetzt seit 20 Jahren. Welches Erlebnis hat sich in der Zeit bei dir am meisten eingebrannt? Und welches Erlebnis würdest du am liebsten aus deinem Gedächtnis streichen?


Streichen oder ausblenden möchte ich nichts. Letztlich war noch jede Entscheidung und Erfahrung zu etwas gut, selbst wenn die Konsequenzen im ersten Moment eher negativ erschienen.  Am meisten eingebrannt haben sich speziell die ersten Male: der erste Gig, das erste Demo in Händen zu halten, die erste CD und die ersten positiven Resonanzen. Und da es immer wieder neue, spannende Premieren für uns gibt, machen wir noch ein bisschen weiter.

Gut so.

Redakteur:
Peter Kubaschk

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