MIRROR OF DECEPTION: Interview mit Jochen Fopp und Jochen Müller

03.11.2006 | 04:49

Mit ihrem neuen Album "Shards" konnten die schwäbischen Doom-Meister von MIRROR OF DECEPTION in unserer Redaktion einiges an Beifall ernten, und da die Jungs zudem grad dabei sind, ihr Album mit einigen Gigs vorzustellen, war es selbstverständlich, dass wir uns mal kurz nach dem Stand der Dinge erkundigen. Gitarrist Jochen Fopp (Foto) und Schlagzeuger Jochen "Josef" Müller haben sich Zeit für uns genommen.

Rüdiger:
Hallo zusammen. Gleich zum Einstieg die aktuellste Frage: Das neue Album "Shards" ist jetzt seit einer Woche draußen. Wie sind die Reaktionen von Presse und Fans bisher?

Josef:
Von Fans und Käufern war bisher nur Gutes zu hören. Was die Presse angeht, so hat "Shards" bisher von den relevanten Magazinen sehr gutes Echo bekommen, während einzelne Freischreiber von eher unbekannten Online-Zines bisweilen etwas am Sound odr anderen Dingen zu mäkeln haben. Auch scheinen wir bei weiblichen Schreiberinnen weniger gut anzukommen. Sämtliche Reviews findet man auf unserer Homepage – auch für Fans kurioser Stilblüten mehr als empfehlenswert.

Rüdiger:
Die Scheibe ist ja schon eine ganze Weile fertig, aber die Veröffentlichung hat sich ein wenig verzögert. Woran lag's?

Jochen:
Es gab zum einen Verzögerungen mit dem Artwork. Unser bisheriger Grafiker hatte zuviel um die Ohren, aber dann sprang Caroline Traitler - http://www.photopit.com - in die Bresche. Und dann mussen wir uns eben auch nach dem Releaseplan von Label und Vertrieb richten und genügend Vorlauf für Promotion einkalkulieren.

Rüdiger:
Mein Kollege Holger steht anscheinend besonders auf eure deutschsprachigen Songs und würde gerne wissen, warum es dieses mal wieder keinen gab, bzw. ob wir denn in Zukunft noch mal mit einem rechnen können.

Jochen:
Gleiche Situation wie beim letzten Mal: Es hat sich nicht ergeben. Aber es wird wohl in naher Zukunft mal wieder den einen oder anderen MIRROR-Song mit deutschem Text geben, jedenfalls haben wir das vor.

Rüdiger:
Worin bestehen für euch die Unterschiede zwischen der deutschen und der englischen Sprache, wenn es um Songtexte geht? Wo fällt es euch leichter, "poetisch" zu klingen?

Josef:
Wenn eine Melodie oder ein fertiges Lied danach ruft, wird es bestimmt wieder mal einen deutschen Text geben. Viele Dinge klingen auf Deutsch aber einfach künstlicher, gestellter, auch pathetischer als im Englischen. Einen unpeinlichen und dennoch gefühlvollen Text zu schreiben, ist auf Deutsch sehr schwer. Ich für meinen Teil habe auch schon deutsche Texte ins Englische übertragen – z. B. 'Foregone Way' - und plötzlich klangen sie besser.

Rüdiger:
Wie seid ihr auf die Idee gekommen den "Seewolf" von Jack London als Textvorlage für 'Ghost' zu verwenden?

Jochen:
Unser Basser Andi kam damit an, er hat eh eine Vorliebe für maritime Themen. Es ist als Tribut an diesen großartigen Klassiker der Weltliteratur zu verstehen und passte perfekt in den MIRROR-Kontext.

Rüdiger:
Was haltet ihr von der Serienverfilmung mit Raimund Harmstorf?

Josef:
Erstklassig.

Jochen:
Dem kann ich mich nur anschließen und jedem die DVD ans Herz legen. Sehr eindrucksvoll, besonders der Hauptdarsteller als skrupelloser und rohe Kartoffeln zerdrückender Kapitän Wolf Larsen.

Rüdiger:
Zur näheren Zukunft: Jetzt geht's gleich auf Tour, um zu testen, ob der positive Start für das Album auch die Leute in die Clubs lockt? Wohin wird euch die Tour überall führen?

Jochen:
Tour kann man das nicht nennen, eher eine Reihe von Einzel- und Wochenendgigs. Es ging los mit der Releaseparty in Göppingen und einem Konzert in Zwickau, dann folgen bislang Recklinghausen, Gent, Ludwigsburg und Bamberg. Wir freuen uns die neuen Songs auf die Bühne zu bringen und sind gespannt, wie sie ankommen werden. Bei der Releaseparty und in Zwickau waren die Resonanzen auf die neuen Stücke hervorragend.

Rüdiger:
Die "Belgian Doom Night" verspricht ja ein tolles Event zu werden, wenn ich mir das Billing so anschaue. Die Brüder im Geiste fürs "Doom Shall Rise"?

Jochen:
Man kennt sich natürlich, wie auch die Kollegen vom "Dutch Doom Day". Diese Doom-Festivals sind eine tolle Sache, und es sollte noch viel mehr davon geben. Das Billing der diesjährigen BDN ist in der Tat exzellent und wir freuen uns schon sehr darauf.

Rüdiger:
Und das Billing für die Release-Show von SACRED STEEL ist auch nicht von schlechten Eltern. Zwar nicht besonders doomig, aber dafür sehr hochkarätig, wie ich finde. Freut ihr euch auf den Gig in der RoFa?

Josef:
Absolut. Wobei ich mich sehr auf die alten Helden FLOTSAM AND JETSAM gefreut hatte, die ja leider absagen mussten.

Jochen:
Es ist sehr schön, dabei sein zu dürfen. Besonders Siffi fiebert dem Abend entgegen, um mit seinem alten Helden James Rivera die Bühne zu teilen. Und ich bin auf die neuen SACRED STEEL-Sachen gespannt. Wer uns sehen möchte, sollte zeitig vor Ort sein, da wir als zweite Band bereits um 19:30 loslegen werden.

Rüdiger:
Unser Redaktionsnordlicht würde noch gern wissen, wie ihr den Gig beim HOA 2005 erlebt habt.

Jochen:
Unser eigener Gig und die Auftritte einiger andere Bands haben viel Spaß gemacht, auch das Wiedersehen mit vielen alten Bekannten. Und unser Aushilfsdrummer Matze Staub (SACRED STEEL) hat 'nen prima Job gemacht. Aber die Rahmenbedingungen waren für die kleinen Bands äußerst kärglich. Zudem hat uns irgendein Vollidiot auch noch nachts die Zeltwände aufgeschlitzt.

Rüdiger:
Darf man es als bezeichnend betrachten, dass ausgerechnet bei eurer beschwörend düsteren Musik der heftigste Wolkenbruch des gesamten Wochenendes auf das Gelände niederging? War ja bei COUNT RAVEN in Wacken
haargenau gleich...

Jochen:
Genau, denn Pyros hat ja jeder. Wir wollten da schon etwas Eindrucksvolleres bieten und haben COUNT RAVEN dann auch die Telefonnummer von Jörg Kachelmann weitergegeben.

Rüdiger:
Zurück in den wilden Süden: Ist die Göppinger Ecke eigentlich schon immer so doomig? Ist doch sicher das ideale Umfeld für eine Band wie euch, oder? Die perfekte Location für das doomigste Festival der Welt, dann das eigene Label vor der Haustür, das Aufnahmestudio nicht allzu weit weg und auch sonst ist zwischen Alb und Unterland metallisch nicht die schlechteste Gegend, oder?

Jochen:
Wir sind eben hier aufgewachsen, haben hier begonnen, Musik zu machen und Konzerte zu organisieren und so hat sich manches ergeben. Ich wüsste allerdings von keiner anderen doomigen Band, die vor uns in Göppingen aktiv gewesen wäre. Der Großraum Stuttgart ist sicherlich nicht die schlechteste Gegend, wenn es um Metal geht. Man muss sich nur mal die Vielzahl von Bands vor Augen führen, die aus dieser Ecke stammen und auch international bekannt sind. Sicherlich hat auch die Rockfabrik in Ludwigsburg als Szene-Treffpunkt ihren Anteil daran. Oder Nuclear Blast, da dort viele angefangen haben, die heute noch in der Gegend im Metal-Business tätig sind, zum Beispiel mit eigenen Mailorderfirmen oder Labels.

Rüdiger:
Wie kam's zum Labelwechsel?

Jochen:
Final Chapter stellte den Betrieb ein, informierte uns rechtzeitig und wir machten uns auf die Suche nach einem neuen Label. Es gab mehrere Angebote, aber Cyclone Empire erschien uns am Interessantesten und so machten wir Nägel mit Köpfen.

Rüdiger:
Zurück zum Album: In meiner Rezi hab ich mich ja prompt verhauen und Siffis Growls am Ende von 'Insomnia' dem Josef zugeschrieben. Wie macht ihr das mit der gesanglichen Arbeitsteilung?

Josef:
Vor allem machen wir das ja zur größeren Verwirrung der Rezensenten. Im Ernst: Es gibt da keine feste Vorgehensweise. Ich selbst möchte bei einem neuen Lied so schnell wie möglich Gesang haben, auch um mein Getrommel entsprechend anzupassen. Dann gibt es irgendeinen Freitext in "Working English", den Siffi oder ich bei der Probe dazu singen. Oder wir singen erste Ideen extra auf die Proberaumaufnahmen, mit Texten, die im Proberaum gerade herumliegen. Im Studio dann singe ich häufig die Teile, die mir eingefallen sind, aber nicht immer – genauso auch anders herum. Die zweiten Stimmen je nachdem, wer eine gute Idee hat – bzw. wer gerade zur rechten Zeit im Studio ist. Live sind die Stimmen dann teilweise sehr anders verteilt als auf der Aufnahme.

Rüdiger:
Noch 'ne Frage zum Backprogramm: Eure EP "Veil Of Lead" und die Demo-Compilation "Past & Present" sind schon seit geraumer Zeit nicht mehr erhältlich. Können eure neu hinzu kommenden Fans drauf hoffen, dass ihr die Sachen noch mal irgendwie neu auflegt?

Jochen:
Auch unser Debütalbum "Mirrorsoil" ist vergriffen, aber man muss erstmal sehen, wie das aktuelle Album läuft und ob es genug Nachfrage gibt. Wir haben schon Ideen, wie wir solche Wiederveröffentlichungen interessant gestalten können und haben auch sämtliche Rechte an dem Material. Es kann aber noch etwas dauern, bis das konkret wird.

Rüdiger:
Kommen wir noch kurz zu ein paar einflussreichen Doombands: Ihr habt mal 'One Mind' für 'nen SAINT-VITUS-Tribute aufgenommen. Ist das der selbe Sampler, für den auch REVEREND BIZARRE 'Dark World' eingespielt hatten? Würde den Song gerne mal hören, aber irgendwie scheint mir das Album gar nicht erschienen, oder zumindest recht schwer erhältlich zu sein. Albert hatte bei unserem letzten Interview auch keine Ahnung, was aus dem Teil geworden ist.

Jochen:
Ja, es handelt um den selben Tribute. Auf die Veröffentlichung warten wir seit sechs Jahren und ich habe Zweifel, dass sich da nochmal etwas bewegt. Sehr schade, denn es waren einige interessante Beiträge angekündigt. Die Käufer unserer "Foregone"-LP haben den Song bereits mit der beiliegenden Bonus 7" bekommen. Unser Beitrag für die kommende zweite BATHORY-Tribute-Compilation auf Black Goat Productions sollte aber nicht so lange auf sich warten lassen.

Rüdiger:
Wie steht ihr zur momentanen CANDLEMASS-Situation? Da ihr ja auch die Scheiben ohne Messiah gut findet, könnt ihr euch doch sicherlich auch ein Fortbestehen der Band mit einem anderen Sänger vorstellen, oder? Wer käme für euch denn in Frage, sollte der gute Messiah irgendwann wirklich keine Lust mehr haben?

Jochen:
Tja, das hat sich ja mittlerweile erledigt, was ich persönlich sehr schade finde, da ich besonders die Scheiben mit Messiah sehr geschätzt habe. Bin gespannt, was man in Zukunft musikalisch von beiden Parteien hören wird.

Rüdiger:
Was erwartet ihr von der kommenden TROUBLE-Scheibe?

Jochen:
Nicht allzu viel, dafür zieht sich das alles schon viel zu lange und das letzte Album "Plastic Greenhead" fand ich nicht so hochklassig wie die Vorgänger. Aber ich lasse mich sehr gerne positiv überraschen.

Rüdiger:
Wie sähe eure Doom-All-Star-Band aus?

Jochen:
Bei der Vielzahl an einzigartigen und charakteristischen Musikern, die im Doomlager aktiv waren und sind, wäre mindestens eine Truppe in großer Orchesterstärke notwendig. Ob diese dann aber auch anhörbare Songs zustande bringen würde, ist wiederum fraglich.

Rüdiger:
Und zum Schluss: Wann bekommen wir erste News zum nächsten "Doom Shall Rise"?

Jochen:
Termin ist der 27. & 28. April 2007, es findet erneut in der Chapel in Göppingen statt und die ersten Bands könnten schon auf http://www.doomshallrise.de angekündigt sein, wenn dieses Interview online geht.

Redakteur:
Rüdiger Stehle

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