MOTÖRHEAD: Wir blicken auf "We Take No Prisoners – The Singles 1995 – 2006"

04.11.2024 | 17:41

Ich vermisse Lemmy und MOTÖRHEAD. Und das geht sicherlich nicht nur mir alleine so. Nun rockt unsere Ikone beinah schon seit neun Jahren im Himmel, doch scheinbar ist sein Geist auf der Erde präsenter denn je. Vor allem in dieser kurzlebigen, hektischen Zeit des Wandels ist es doch schön, wenn man sich auf seine alteingesessenen Pappenheimer verlassen kann, nicht wahr? Und dazu zählten Lemmy und MOTÖRHEAD seit Mitte der 1970er Jahre. Um diese Lücke im Herzen zumindest ein klein wenig zu schließen, bringt BMG eine umfangreiche Single-Sammlung im Vinyl-Format heraus, die wir uns für euch genauer angeschaut haben.

"We Take No Prisoners – The Singles 1995 – 2006" sagt eigentlich schon alles aus, was man über dieses Box-Set wissen muss. Langsam komme ich zwar nicht mehr hinterher, wie viele Live-Aufnahmen oder Raritäten nach Lemmys Tod schon veröffentlicht wurden, doch – so ehrlich möchte ich sein – mich freut es doch ungemein, mich wieder mehr mit MOTÖRHEAD zu beschäftigen und dadurch meine "We don't care what you say"-Attitüde, die Herr Kilmister wie kein Zweiter lebte, wieder aufleben lassen zu können. Und betrachten wir die stabile Box mit stolzen, üppigen 7"-Singles, die kleinen Besonderheiten auf nahezu jeder Scheibe, die Artworks, auf denen uns teilweise der Altmeister auf seine so lockere, coole Art anschaut, dann bin ich sehr froh, dass "We Take No Prisoners – The Singles 1995 – 2006" an die Öffentlichkeit kommt.

Ein so bärenstarker Song, der von Mal zu Mal wuchs, war der Titeltrack der 1995er Scheibe "Sacrifice", der mir auch fast 30 Jahre später noch so viel Spaß macht. Und auch die 'Over Your Shoulder'-Liveversion rumort und wummert in bester MOTÖRHEAD-Manier auf der zweiten Seite. Zugegeben, die erweiterte Doppel-CD-Version hat auch ihre Reize, doch vor allem in Vinyl-Format macht MOTÖRHEAD einfach Bock, wovon auch das so smoothe 'I Don't Believe A Word', die Single-Auskopplung von "Overnight Sensation" sowie der Titeltrack als Live-Nummer ein lautstarkes Liedchen singen.

Weiter geht es mit dem 'Love For Sale'-Rocker und dem offensiven 'Take The Blame'-Bombardement vom sträflich unterbewerteten "Snake Bite Love"-Album, ehe das 2000er Statement "We Are Motörhead" mit dem wieder etwas ruhigeren, leicht verrauchten 'One More Fucking Time' und diesem so genialen wie coolen SEX PISTOLS-Cover 'God Save The Queen' zu Ehren kommt. Hier werden Erinnerungen wach, als ich den Clip im TV sah und mich die Magie der Band das erste Mal faszinierte. Im Zuge dessen hat mir mein Vater tatsächlich die Digipack-Version des "Hammered"-Albums zwei Jahre später gekauft, zu der ich nicht nur aus nostalgischen Gründen auch heutzutage noch gerne greife. Berücksichtigt wird das Album in der Box mit 'Shut Your Mouth' und dem Opener der Vorgängerscheibe 'See Me Burning'. Eine durchaus gelungene Auswahl, auch wenn ich persönlich 'Down The Line' oder 'Brave New World' favorisiert hätte.

Doch das Leben ist kein Wunschkonzert und so muss man das nehmen, was man bekommt. Und das ist im Falle von "We Take No Prisoners – The Singles 1995 – 2006" noch eine ganze Menge. "Inferno" ist nicht nur aufgrund von 'In The Name Of Tragedy' so ein starkes Album, sondern hat mit 'Whorehouse Blues' auch einen famosen Abschluss, dessen Live-Version mir schon auf "Stage Fright" extrem gut geschmeckt hat. So freut es mich natürlich, dass auch dieses Highlight gemeinsam mit dem 'Killers'-Hit auf der B-Seite den Weg in die Box gefunden hat. Bevor wir uns langsam dem Ende nähern, haben wir aber mit der Single "God Was Never On Your Side/Trigger" noch mal ein sehr starkes, kräftiges Ausrufezeichen, denn vor allem die Halbballade hat mir schon auf "Kiss Of Death" eine Gänsehaut bereitet. Großes Kino!

Wir läuten langsam das Ende ein, denn nicht nur die SEX PISTOLS wurden von MOTÖRHEAD honoriert, sondern auch die RAMONES, weshalb man diesen mit 'R.A.M.O.N.E.S.' erstmals auf "1916" von 1991 Tribut zollte. Auf der achten Scheibe der Box gibt es eine richtig knackige, dreckige 2006er-Version inkl. ihres Live-Zwillings, die naturgemäß noch mehr Zunder hat als die Version auf "1916". Das große Finale kommt aber mit dem neunten und letzten Rundling. Hierfür hat BMG keine weitere Single im Schlepptau, sondern ein lange verloren geglaubtes Promo-Interview mit Mikkey und Lemmy aus "Inferno"-Zeiten 2004 aus dem Bel Age Hotel in Kalifornien. Zugegeben, Lemmy konnte man schon immer etwas schlechter verstehen, doch ist es irgendwie ein sehr schöner Abschluss einer lohnenswerten und rasanten Reise durch 12 Jahre MOTÖRHEAD.

Mir hat es Spaß gemacht, innerhalb von 70 Minuten diese Zeit, in der ich MOTÖRHEAD kennen und lieben gelernt habe, noch einmal Revue passieren zu lassen und vergessen geglaubte Perlen entweder als B-Seiten- oder Live-Versionen nochmals eingetrichtert zu bekommen. Somit hat "We Take No Prisoners – The Singles 1995 – 2006" voll und ganz seinen Sinn und Zweck erfüllt. We were MOTÖRHEAD and we still play Rock'n'Roll!

Redakteur:
Marcel Rapp

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