Mark Shelton - ein Nachruf
03.08.2018 | 07:37Abschied von einem Freund
Es gibt Texte, die man einfach nicht schreiben will. Dieser hier ist einer davon. Es gibt auch Sätze, die man nicht hören will und "Mark Shelton ist gestorben." war einer davon. Und dennoch war es ein Satz, den ich am Freitag beim Betreten des Festivalgeländes auf dem Headbangers Open Air hören musste und deshalb ist dies nun ein Text, den ich schreiben muss. Denn Mark war nicht nur ein begnadeter Musiker, eine Legende des Epic Metal und einer der herzlichsten Menschen, die ich je getroffen habe, er war auch ein Freund und vermutlich der Mann, der den größten Anteil daran hat, dass ich heute der bin, der ich bin und hier bei POWERMETAL.de schreibe. Doch hier soll es nicht um mich, sondern um Mark gehen, den Musiker und Menschen, den viele von uns in den letzten anderthalb Dekaden auf Konzerten, in Interviews und sonstwo trafen, der unzählige Musiker beeinflusst und eine ganze Szene inspiriert hat.
Bis Anfang der 2000er war MANILLA ROAD ein Geheimtipp, von den einschlägigen Medien in den 80ern meist mit Unverständnis und Hohn gestraft, entwickelten sich Alben wie "Crystal Logic", "Open The Gates" oder "The Deluge" zu echten Kultveröffentlichungen einer Band, von der niemand mehr ausging, sie live sehen zu können. Doch dann, mit einem ersten Auftritt auf dem "Bang Your Head" passierte das unerwartete, das völlig unglaubliche. Denn MANILLA ROAD kehrte wirklich zurück. Nein, keine einmalige Reunion, sondern eine echte zweite Bandphase wurde uns geschenkt, mit neuen Alben wie "Atlantis Rising", "Spiral Castle" und "Gates Of Fire" wurde sie eingeläutet und es folgten bald immer häufigere Besuche zu Touren in Europa. Auf Festivals wie dem "Keep It True" oder dem "Up The Hammers" wurden sie zu Dauergästen und in den letzten Jahren gab es ausgedehnte Europatouren. Wichtigstes Merkmal dieser Besuche, neben den magischen Auftritten selbst, war immer Mark als Person, der vor und nach dem Konzert mit wirklich jedem Fan quatschte, lachte und sich für alle Zeit nahm. Dabei blieb er immer selbst Fan, man konnte mit ihm lange Diskussionen über Heavy Metal führen, oder so wie ich nach einem Auftritt beim "Hammer Of Doom", zwei Stunden lang über Mythologie, Thomas Bullfinch und Robert Graves debattieren, bis das "Haus der 150 Biere" um drei seine Pforten schließen wollte. Und was tat Mark in der Situation? Er ging zurück in die Kneipe und diskutierte mit dem Thekenpersonal, bis dieses einwilligte, noch etwas zu arbeiten, so dass wir alle weiter fachsimpeln konnten. Facebook war in den letzten Tagen überflutet von Menschen, die Bilder posteten, die sie mit Mark zeigen, die Mark als einen von uns, den Fans zeigen.
Doch Mark war immer mehr als nur einer von uns, auch wenn er das nie zeigte. Denn über die Jahre wurde er zu einem der wenigen, die unsere Szene, den kauzigen, epischen Underground Metal, zusammenhalten, die diese Szene unfreiwillig aufbauten und vergrößerten. Denn ob in Athen, in Barcelona, in Lissabon oder in Südfrankreich, man traf immer die gleichen Wahnsinnigen, die der Band nachreisten und so bildeten sich Freundschaften, die ohne MANILLA ROAD und Mark nie möglich gewesen wären. Menschen, die mir durch Mark vorgestellt wurden, sind heute meine Freunde, Musiker, die ich auf seinen Konzerten traf, haben auf Konzerten gespielt, die ich veranstaltet habe und werden dies weiter tun und das geht nicht nur mir so, sondern vielen anderen auch. Es lässt sich kaum ermessen, was die heutige Epic-Metal-Szene ohne Mark Shelton wäre, viel ärmer an Bands, Konzerten und Freundschaften auf jeden Fall.
Und schließlich komme ich nun doch auf das Wichtigste zu sprechen: Mark war einer der herzlichsten Menschen, die ich kenne, ein echter Freund, der sich Zeit nahm, der auch bei persönlichen Problemen zuhörte und immer hilfsbereit war. So will ich hier nur eine kurze Anekdote berichten: Als ich vor einigen Jahren bei der Release-Show von "Mysterium" in Mannheim war, saßen wir alle, Mark, Sänger Hellroady, Drummer Neudi, Gianluca Silvi von BATTLE RAM und einige andere zusammen. Es wurde diskutiert, getrunken und eine gute Zeit gehabt, während draußen noch Headliner JUTTA WEINHOLD ihr Konzert zu Ende spielte. Als ich aufbrechen musste, um den letzten Bus nach Hause zu bekommen fragte ich Mark kurz, ob er mir sagen könne, wo der Ausgang des Backstagebereichs sei, da ich den als Blinder nun mal nicht sehen kann. Statt mir kurz die Richtung zu weisen, packte er mich am Arm, ging mit mir durch den gesamten Club bis nach draußen und verabschiedete sich per Handschlag von mir, bis zum nächsten Tag beim "Metal Assault", wo wir uns wiedersehen wollten. Als ich dort am Autogrammstand vorbeiging, auf dem Weg zu einem anderen Teil der Halle, sprang Mark auf, zerrte mich an den wartenden Fans vorbei nach vorne, um mich zu begrüßen. Diese Art Mensch war Mark Shelton und es ist vor allem dieser Mark Shelton, der mir jetzt fehlt, der mir in Zukunft fehlen wird, sein verrauchtes Lachen, sein Humor und seine Herzlichkeit.
Ich tippe diese Zeilen und mir kommen wieder die Tränen, ich kann das momentan schlicht nicht verhindern. Gerade fahre ich nach Wacken, wo MANILLA ROAD zum ersten Mal auftreten sollten, wir hatten uns für den Nachmittag dort verabredet und neben all den anderen Bands war der Auftritt eines meiner Higlights auf dem Festival. Es wäre mein sechstes MANILLA ROAD-Konzert in diesem Jahr geworden, nun war mein letztes auch Marks letztes MANILLA ROAD-Konzert. Sätze, die man hier nun schreibt, dass man weitermachen soll, dass der Verstorbene es wollte, dass wir feiern, an die schönen Zeiten denken und auf ihn trinken, sie klingen verdammt hohl und falsch und dennoch ist es das, was ich versuchen werde.
Danke, Mark Shelton für zehn wundervolle Jahre, in denen wir uns kannten, für die Möglichkeit, dich zu einem Konzert in meine Heimatstadt bringen zu können und für all die Freunde, die ich ohne dich nie kennengelernt hätte. Danke für den Menschen, der ich ohne all das nie geworden wäre!
- Redakteur:
- Raphael Päbst