NECRONOMICON: Interview mit Freddy

04.05.2023 | 23:39

Volker "Freddy" Fredrich ist bei uns ob seiner sympathischen Art ein sehr gern gesehener Interviewgast. Und wenn seine Band schon ein neues Eisen im Feuer hat, dann lassen wir es uns natürlich auch nicht nehmen, dem NECRONOMICON-Häuptling ein wenig auf den Zahn zu fühlen. Warum "Constant To Death" letztendlich so klingt wie es klingt, was hinter den neuen Dampframmen steckt, welche tiefgehenden Themen aufgegriffen werden und was letztendlich MARILYN MANSON mit dem Album zu tun hat, erfahrt ihr hier.

Grüß dich Freddy, alle Jahre wieder. Wie geht es dir? Wie ist die Stimmung bei NECRONOMICON?
Ich grüße euch und erst mal vielen Dank für das Interview. Mir persönlich geht es prima; die Reviews und Resonanz auf das Album sind beachtlich und das tut natürlich gut. Das Album wurde ja vor unserer vierwöchigen Europatournee produziert und danach ging der Mix- und Masterprozess weiter, so dass wir alle ein bisschen Abstand voneinander brauchen, was ja völlig normal ist.

Wir sprachen bereits vor zwei Jahren zum "The Final Chapter"-Album miteinander. Was ist seitdem bei NECRONOMICON passiert?
Wir konnten endlich die verschobene Europatour spielen und ich war schon Ende 2021 kräftig daran, neues Songmaterial zu komponieren und zu schreiben. Ich habe mir diesmal etwas mehr Zeit gelassen als sonst. Bei uns ist es auch immer eine Frage der Organisation bei der Herangehensweise, wenn ein neues Album geplant wird, da Rik und Glen ja nicht gerade um die Ecke wohnen. Besonders bei den Drums waren wir uns unklar, ob Rik die Parts in Kanada einspielen soll oder ob er rüberkommt. Wir haben uns dann für letzteres entschieden, da vor einer Tournee ja auch im Vorfeld geprobt werden muss. Also kam Rik zwei Wochen vor Tourstart und spielte die Drums im bandeigenen Hauptquartier ein. Glen war für dieses Album auch wieder eingeplant, der dann die Soli fast "pfannenfertig" mitbrachte. Zusammen arbeiteten wir dann am Feinschliff, bevor es dann, wie immer, zu Achim Köhler ging.

Musstet ihr euch ob des Titels vor zwei Jahren eigentlich häufig rechtfertigen, dass es sich nicht um das finale NECRONOMICON-Album handelt?
Du sprichst da was sehr Interessantes an. Ja, ich wurde sehr oft gefragt, ob der Titel etwas mit einem finalen Album zu tun hat. Ich möchte das kurz einmal erklären. Einerseits war der Titel "The Final Chapter" auch den privaten Umständen entsprechend gewählt worden. Nach dem Tod meiner beiden Eltern innerhalb von zwei Tagen durch Corona, hatte ich einen ganz schön schweren Rucksack zu tragen. Hinzu kamen private Umstände, die das Ganze noch mehr dramatisierten. Das musste ich irgendwie verarbeiten und da half mir die Musik mehr als man sich das vorstellen kann.

Zum anderen wusste ich wirklich nicht genau, wie es weitergeht. Dass ich mit der Musik weitermache, stand außer Frage, aber ich machte mir schon so meine Gedanken, ob das vielleicht der richtige Zeitpunkt wäre, ein neues Kapitel anzufangen. Ich habe ja noch immer mein Punk-Projekt, was ich nicht aus den Augen lassen möchte. Aber schon während des Songwritings am "The Final Chapter"-Album wusste ich, das wird nicht das letzte NECRONOMICON-Album werden. Den Titel wollte ich trotzdem nehmen, da er zu dieser Zeit nicht besser hätte passen können.

Nun gibt es mit "Constant To Death" ein neues Album, euer nunmehr zwölftes. Für mich klingt das Album einerseits sehr persönlich. Ist "Constant To Death" dein persönlichstes NECRONOMICON-Album?
Wie schon erwähnt, habe ich mir mit dem Songwriting für dieses Album etwas mehr Zeit gelassen, weil ich ein Album schreiben wollte, das weg von Klischees gehen sollte. Jeder hat seine eigenen Vorstellungen und Erwartungen an uns. Ich wollte Songs komponieren, die NECRONOMICON anders zeigen. Einerseits wollte ich wieder zu unseren Wurzeln des Punks, andererseits wollte ich aber auch die Power-Metal-Schiene fahren, die ich persönlich auch sehr liebe. Auch auf die Gefahr hin, dass das Album verrissen wird, entschied ich mich zu dieser musikalischen Gratwanderung zwischen Thrash-Punk und Power Metal. Genau so wären meine persönlichen musikalischen Erwartungen als Konsument. Das soll nicht arrogant oder eingebildet klingen; aber ich wollte ein Album schreiben, was man öfter anhören muss, um es greifen zu können. Deshalb ja, es ist ein sehr persönliches Album geworden. Ich bin auch richtig stolz darauf, ganz ehrlich.

Das merkt man und kannst du auch sein. Andererseits ist es auch deutlich düsterer als "The Final Chapter". Das hat sicherlich nicht nur etwas mit dem aktuellen Weltgeschehen zu tun, oder? Welche Themen greifst du auf "Constant To Death" auf?
Vollkommen richtig. Auch hier kommen meine Wurzeln des Punks wieder hervor, sozialkritischer zu sein. Dinge anzusprechen und nicht weg zu schauen. Als Beispiel ist hier die Kirche mit den sexuellen Übergriffen zu nennen oder die Kinderarmut und Ausbeutung. Der Ukraine-Krieg ist natürlich ein weiteres starkes Thema. Wir haben auf der Europatournee besonders in den östlichen Ländern ganz deutlich die Angst vor Putin zu spüren bekommen. Die Leute haben definitiv Angst. Mir war das sehr wichtig, auch wenn der ein oder andere der Meinung ist, ein Musiker oder eine Band sollte neutral bleiben. Das finde ich nicht!

Es fließt auf "Constant To Death" verhältnismäßig viel Blut: 'Stored In Blood', 'Bloodrush' und 'The Blood Runs Red' sind nur einige Beispiele. Ein Zufall oder bewusste Entscheidung, um die inhaltliche Tragweite der Platte zu verdeutlichen?
Eine ganz bewusste Entscheidung. Auch wenn es zuweilen brutal und düster herüberkommt. Nur so hast du die Aufmerksamkeit, um eine Message rüberzubringen; eben die inhaltliche Tragweite auch optimal transportieren zu können. Leider ist das oft so, dass nur etwas Schockierendes die volle Aufmerksamkeit generiert. Ist wohl in der Natur des Menschen.

Worin siehst du persönlich die musikalischen Unterschiede zwischen "Constant To Death" und den letzten NECRONOMICON-Alben?
Wir sind viel breiter aufgestellt. Das Album ist auch sehr "heavy lastig" mit durchaus einigen Mid-Tempo-Songs, dann aber wieder volles Geläuf wie die beiden Punksongs 'They Lie' und 'Children Cry Alone'. Vor allem bei den Vocals wollte ich experimentieren und mal durchaus melodische Parts einfließen lassen. Ich habe auch dieses Mal eine andere Herangehensweise beim Komponieren und Songschreiben gewählt. Normalerweise komponiere ich erst die Gitarren, dann kommt der Gesang. Diesmal war es umgekehrt. Ich hatte meine Gesangsmelodie und darauf setzte ich dann die Riffs. So dass sich die Gitarre nach dem Gesang richten muss. So konnte ich variationsreicher singen. War für mich völlig neu, hat aber riesig Spaß gemacht.

Für mich kommt der Sound auch eine Spur fetter und geradliniger zum Tragen. Habt ihr an der Herangehensweise irgendetwas geändert?
Das freut mich. Achim Köhler hat mehr Gitarren- und Vocal-Spuren bekommen, sodass er variabler war. Auch war mein Wunsch, gitarrenorientierter zu mixen. Also nicht die Drums und den Gesang im Vordergrund, wie das ja gang und gäbe ist, sondern back to the roots. Ich finde, das steht uns richtig gut und Achim hat wie immer einen hervorragenden Job gemacht. Das ist sicherlich auch der jahrelangen Zusammenarbeit geschuldet. Er kann das einfach perfekt umsetzen, ohne dass wir dabei sind und ständig reinquatschen. Er hat da völlig freie Hand und findet die Produktion ebenfalls sehr gelungen. Der Sound von MARILYN MANSON stand da ein wenig Pate, gebe ich ganz offen zu, hehe.

Zum Opening-Titeltrack habt ihr auch ein entsprechendes Video veröffentlicht. Wie weit repräsentiert 'Constant To Death' die gesamte Scheibe und bereitet auf das vor, was folgt?
Ich glaube, in den Song fließen mehrere Stilrichtungen rein. Der Anfang ist fast schon Industrial, ganz ungewohnt von uns. Dann kommt ein treibender Mid-Tempo-Part, gepaart mit einem melodiösen Gesangspart, bevor es dann heftiger wird um dann in ein fast rockiges Thema reinzugleiten, bei dem Glen ein richtig gutes Solo spielt. Ich habe lange überlegt, mit welchem Song wir auf dem neuen Album beginnen sollen. Fast alle Meinungen gingen zu 'Constant To Death'. Achim meinte nur: "Hey, der Song spiegelt die ganze Scheibe und Vielfalt wider. Der macht neugierig. Nimm den!"

Beim genaueren Hinhören kommen eure Punk-Einflüsse ('They Lie'), aber auch die Hingabe zu sehr markanten Melodien ('The Guilty Shepherd') zum Vorschein. Habt ihr euch dahingehend von außen beeinflussen lassen?
Bei 'They Lie' habe ich offensichtlich zu viel EXPLOITED und DISCHARGE gehört, haha. Aber das sind neben GBH auch meine absoluten Heroes. Bei 'The Guilty Shepherd' wollte ich auch unbedingt eine Akustikgitarre einbringen. Ich habe mir dafür extra eine neue Klampfe zugelegt, die ich dann natürlich auch einfließen lassen wollte. Aber wie ganz oft, sind die Melodien zum Teil aus Filmen oder auch aus Serien, die mich dann inspirieren. Daher kommen schon immer die meisten Songideen.

Wie geht es nun weiter? Die ersten Reviews flatterten rein, die Fans haben auch ihren Senf zum Album gegeben. Objektiv gibt es nahezu nur wohlwollende Worte ob des neuen Albums. Was hält 2023 für NECRONOMICON noch bereit?
Ganz ehrlich, ich hatte schon ein bisschen Bammel vor den ersten Reviews. Man fragt sich immer als Musiker, ob das der richtige Weg war. War das die richtige Entscheidung? Hast du alles richtig gemacht? Man könnte auch den konservativen Weg gehen und einfach in seinem Fahrwasser bleiben. Aber das wollte ich nicht! Auch mit der Gefahr eines Verrisses; ich hatte genau diesen musikalische Weg im Kopf. Mir fallen da schon ein paar Steine Last herunter und zugleich bin ich sehr glücklich und dankbar, dass das Album so hervorragend angenommen wird. Das tut einfach nur sehr gut.

Bei fast 40 Jahren Bandgeschichte möchte ich dich das einfach fragen: Was waren deine absoluten High- und was deine Lowlights? Und gibt es Alben in der NECRONOMICON-Diskografie, die du bevorzugst oder im Nachgang noch gerne etwas geändert hättest?
Naja, die Jahre mit Gama Records hätte ich mir gerne erspart. Ich frage mich oft, wohin wäre unsere Reise gegangen, wenn wir ein bisschen mehr Geduld gehabt hätten und nicht gleich bei diesem Label unterschrieben hätten. Aber irgendwie musste das wohl so sein. Ich habe damit auch abgeschlossen und bin dankbar dafür, mit NECRONOMICON immer noch ein Teil der Metalszene zu sein. Besonders nach dem "Invictus"-Album hat sich alles in die richtige Richtung entwickelt. Und ich habe gelernt, hungrig zu bleiben. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass man nach so einem Dämpfer und Schicksalsschlag als Musiker und Band noch einige Zeilen zu schreiben hat, bevor das Buch irgendwann mal geschlossen wird.

Freddy, dir nochmal ein großes Dankeschön für deine Zeit und die Beantwortung meiner Fragen. Ich freue mich schon auf das nächste Interview mit dir. Was möchtest du deinen Fans und unseren Lesern noch mit auf den Weg geben?
Es gibt da ein ganz einfaches Wort, das alles ausdrückt und intensiver nicht sein könnte: DANKE! Danke für Alles. Thrashige Grüße aus dem NECRO-Lager!

 

Die Bilder wurden uns freundlicherweise von Sure Shot Worx zur Verfügung gestellt.




Redakteur:
Marcel Rapp

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