NECROTTED: Interview mit den Fink-Brüdern
18.09.2023 | 17:22Hach, ich mag die Jungs einfach. NECROTTED hat das bereits fünfte Album im Gepäck und "Imperium" verspricht wie sein Operationsvorgänger auch ein starkes, heißes Eisen im Todesfeuer zu sein. Rede und Antwort für meine brennenden Fragen – es bleibt also feurig – stehen mir die Gebrüder Fink, Sänger Fabian und Gitarrist Philipp. Vielen Dank für den tieferen Einblick in "Imperium".
Grüßt euch. Besten Dank, dass ich euch im Zuge eures neuen Albums ein paar Fragen stellen kann. Wie geht es euch? Wie ist die Stimmung bei NECROTTED?
Fabian: Hey! Aber gerne doch, die Freude ist ganz auf unserer Seite! Die Stimmung bei uns ist aktuell super. Wir haben dieses Jahr bereits eine kleine Tour und einen tollen Festivalsommer hinter uns. Wir stehen kurz vor dem Release unseres mittlerweile fünften Studioalbums und vor unserer ersten UK-Tour mit unseren Freunden von OSIAH. Es könnte also schlechter laufen, hehe.
Wir hatten bereits vor zweieinhalb Jahren einmal miteinander gesprochen als ihr mit eurem vierten Album in den Startlöchern standet. Mögt ihr mir ein kleines Update geben, was seitdem bei NECROTTED passiert ist?
Fabian: Seit der Veröffentlichung von "Operation: Mental Castration", die ja noch mitten in die Corona-Pandemie fiel, hat sich so einiges getan. Wir waren viel unterwegs. Trotz Pandemiebedingungen 2021 noch einige Festivals, 2022 eine 16-tägige Europa-Tour mit CYTOTOXIN, OSIAH und BONECARVER sowie ebenfalls viele Festivalauftritte und 2023 hat sich genauso fortgesetzt. Trotzdem waren wir nebenbei nicht untätig in unserem kreativen Schaffen. Eigentlich haben wir direkt nach Release der letzten Platte wieder mit dem Songwriting begonnen und bereits im Sommer 2022 die erste von mittlerweile vier Singles vom kommenden Album "Imperium" veröffentlicht, die alle mit einem professionellen Musikvideo herauskamen. Das Album selbst haben wir in dieser Zeitspanne natürlich auch noch geschrieben und aufgenommen. Manchmal war das ganz schön stressig, da wir alle ja nebenher noch einen Vollzeitjob haben, aber wir haben es gewuppt. Das freut uns natürlich umso mehr, dass alles so geklappt hat.
War das letzte Album bzw. die Aufnahmen noch stark von der Pandemie geprägt, konntet ihr nun vollends durchstarten. Hat sich das auch bei den Aufnahmen bemerkbar gemacht?
Philipp: Ehrlich gesagt haben wir da bezogen auf die Aufnahmen an sich kaum einen Unterschied gemerkt. Bei den Recordings bist du als Musiker ohnehin meistens allein nur mit ein oder zwei Leuten im Studio. Egal, ob mit oder ohne Pandemie, hehe.
"Imperium", euer neues Album, zeigt euch als sehr angriffslustige, fokussierte Band, die auch auf einem spielerisch sehr hohen Niveau agiert und es schafft, die verschiedensten Arten des Death Metals gekonnt unter einen Hut zu bringen. Worin, glaubt ihr, liegen die musikalischen Unterschiede zwischen "Imperium" und dem "Operation: Mental Castration"-Vorgänger?
Philipp: Das letzte Album "Operation: Mental Castration" war für uns alle ein Meilenstein in der Bandgeschichte. Wir haben damit musikalisch innerhalb unseres Genres neue Wege eingeschlagen, unseren Sound individualisiert und uns konzeptionell auf eine durchgängige Story fixiert, die wir als Rahmen für unsere inhaltlichen Messages nutzen konnten. Mit "Imperium" gehen wir diesen Weg weiter. Genregrenzen kennen wir eigentlich gar nicht mehr. Wir lassen einfließen, was uns gefällt und was unserer Meinung nach passt. Wir haben beispielsweise noch mehr Black-Metal-Elemente ins Songwriting einfließen lassen und Fabi hat zu noch größeren Anteilen unsere deutsche Muttersprache in die Lyrics mit aufgenommen, was eine ganz besondere Atmosphäre an den entsprechenden Stellen schafft.
Fünf Alben in 15 Jahren – das ist eine amtliche Taktung. Mit welcher Zielsetzung seid ihr an die Arbeiten des neuen Imperiums herangetreten?
Fabian: 15 Jahre Bandgeschichte sind eine lange Zeit, die Band begleitet uns alle nun mittlerweile mehr oder weniger unser halbes Leben. Und wir haben uns, als wir diese Band in jungen Teenie-Jahren gegründet haben, nie ausgemalt, dass wir nun 2023 mit fünf Studioalben und zwei EPs dastehen. Es gab keinen Masterplan oder ähnliches. Dennoch hatten wir natürlich klare Vorstellungen, wie "Imperium" als Nachfolger von "Operation: Mental Castration" aussehen soll. Schneller, härter, individueller könnte man vielleicht als Losung bezeichnen. Wir wollten von vornherein unseren eingeschlagenen Weg weitergehen und uns als Band und Künstler weiterentwickeln, was uns zumindest aus unserer Sicht gelungen ist. Und wir hoffen, die Szene und die Fans empfinden das so wie wir.
Das Album hat ein fabelhaftes Artwork. Wer war dafür zuständig und wie steht es in Verbindung mit dem sehr breitbrüstigen Titel "Imperium"? Man könnte ein Konzeptalbum dahinter vermuten.
Fabian: Die Vermutung ist vollkommen korrekt. "Imperium" ist wie sein Vorgänger "Operation: Mental Castration" ein Konzeptalbum durch und durch und führt dessen inhaltliche Story auch konsequent fort. Mit dem 2021er Album haben wir eine neue Lore um einen politisch aktiven Protagonisten geschaffen, welcher Stück für Stück von einer unsichtbaren Macht gewaltsam umerzogen wird und schlussendlich zu dem wird, was er eigentlich bekämpfen wollte. Die Story von "Operation: Mental Castration" endet in dessen Selbstmord. "Imperium" knüpft inhaltlich direkt an diesem Ende an: Das Bewusstsein der physisch verstorbenen Hauptfigur wird in eine virtuelle Welt geladen, in der sich dessen moralischer und ethischer Verfall fortsetzt, die er jedoch lernt zu manipulieren und zu deren absolutistischem Herrscher er sich aufschwingt. Daher auch der Albumtitel "Imperium". Für das Artwork haben wir erneut den 3D-Designer Robin Schneider herangezogen, dessen Arbeit wir sehr schätzen. Wir wollten auch im Bereich des Visuellen, das wir als Teil des Ganzen betrachten, stringent bleiben.
'Reich der Gier' ist schon etwas länger verfügbar – ein sehr starker Song und toller Repräsentant für das gesamte Album. Mögt ihr das Reich der Gier etwas näher erläutern?
Fabian: Das Reich der Gier soll die digitale Version unserer Welt darstellen, dessen "Spielregeln" sich der Protagonist zu eigen macht, um sich letzten Endes zum Herrscher seines virtuellen Imperiums aufzuschwingen. Das Reich der Gier fußt auf Ausbeutung, Lüge, Machtgeilheit und grenzenlosem Egoismus entgegen jeglicher Rationalität. Insbesondere mit diesem Song – wie auch mit dem kompletten Album – wollen wir damit unsere scharfe Kritik am menschenfeindlichen Raubtierkapitalismus unserer Zeit ausüben.
Für mich sticht auch 'Round X: Freedom V Security' – nicht nur ob des Titels – heraus, ein absolutes Aha-Erlebnis auf dem Album. Doch was hat es mit dem Titel auf sich?
Fabian: Der Titel bezieht sich auf einen klassischen Boxkampf, das X ist an der Stelle ein Platzhalter. Der Songtitel soll damit auf eine mittlerweile nicht mehr zählbare Runde des Kampfes zwischen Freiheit und Sicherheit hindeuten. Wo endet die individuelle oder kollektive Freiheit? Dort wo sie die Sicherheit der oder des Einzelnen angreift? Wie viel Sicherheit ist nötig? Wie viel Freiheit ist möglich? Eine philosophische Frage, die schon über Jahrhunderte diskutiert wird und die auch heute noch von autoritären Kräften ausgenutzt wird, um Menschen zu manipulieren, zu beeinflussen und ihrer Freiheit ganz oder in Teilen zu berauben.
Ich möchte ein wenig auf den Song 'Ignorance Is Fear', zu dem ihr auch ein sehr schmuckes Musikvideo gedreht habt, eingehen. Was genau ist mit dem Titel gemeint? Mögt ihr das etwas ausführen?
Fabian: 'Ignorance Is Fear' behandelt den Umstand, dass Angst vor allem Fremden und Unbekannten nur gedeihen und existieren kann, wenn die Menschen sich nicht direkt damit auseinandersetzen müssen. Diskriminierende Einstellungen wie Rassismus, Homophobie etc. können nur entstehen und bestehen, wenn sich Menschen aufgrund ihrer Unwissenheit und ihrer möglicherweise beschränkten Lebensrealität nicht damit beschäftigen oder sich nicht damit konfrontiert sehen. Diese Angst und die daraus resultierenden Ressentiments und menschenverachtenden Einstellungen wollen wir mit diesem Song anprangern.
Zudem sind Tomáš von ABBIE FALLS und Simon von DEFOCUS bei dem Song mit am Start. Ergaben sich die Pläne der Kollaboration auf eurer gemeinsamen Tour im April?
Philipp: Ja, beziehungsweise entstand die Idee schon vor der Tour, weshalb wir während eines Day-offs auch die entsprechenden Videoaufnahmen mit Tomáš von ABBIE FALLS und Simon von DEFOCUS tätigen konnten. Wir genießen es grundsätzlich, mit befreundeten Bands auf Tour zu gehen oder auf Tour neue Freundschaften zu schließen. Diese Querverbindungen lassen wir dann gerne auch in Form von Features in unsere Musik einfließen.
Was habt ihr generell von diesen Shows im Frühjahr für die Zukunft mitnehmen können? Glaubt ihr, die Euphorie der Fans ist nach der Corona-Zwangspause noch größer geworden?
Philipp: Das Verhalten der Fans ist hier sehr ambivalent, gar paradox. Auf der einen Seite haben alle Live-Konzerte während der Corona-Pandemie vermisst und waren heiß darauf, dass es endlich wieder losgeht. Auf der anderen Seite erleben wir, dass viele Shows – gerade von kleineren Bands aus Nischenmusikrichtungen – schlecht besucht werden und Touren sowie kleine Festivals gar abgesagt werden müssen wegen der schlechten Ticketverkäufe. Das ist schade und ich hoffe, das wird der Szene nicht nachhaltig schaden. Gerade der Underground leidet unter dieser Mentalität aktuell.
Für mich ist NECROTTED eine Band, die ihre Grenzen selbst bestimmen mag, sehr gerne über den Genre-Tellerrand schaut und sich auch nicht scheut, neue Wege zu gehen. Die Melodien sind melodischer, der Death Metal noch tödlicher – wie seht ihr die generelle Entwicklung NECROTTEDs?
Philipp: Dem ist eigentlich wenig hinzuzufügen und wir freuen uns, dass du unsere Entwicklung auch so betrachtest, wie wir es tun. Genregrenzen sind und waren uns schon immer egal, Schubladendenken liegt uns fern. Wir machen nach wie vor das, auf was wir Bock haben und was uns gefällt. Und wenn die Fans das feiern, umso besser. Eine Win-Win-Situation für alle, hehe.
Wie wird es ab Oktober weitergehen? Sind Auftritte in Planung?
Philipp: Nach unserer UK-Tour haben wir für 2023 noch ein paar wenige Club-Shows anstehen. 2024 hat dann noch einige Überraschungen in sich, die wir an dieser Stelle aber leider noch nicht preisgeben können, haha.
Ihr Lieben, nochmals ein großes Dankeschön für die Beantwortung meiner Fragen. Ich bin von "Imperium" ziemlich beeindruckt. Was möchtet ihr unseren Lesern und euren Fans noch mit auf den Weg geben?
Fabian: Vielen Dank für das Interview und wir hoffen, das neue Album wird den Fans gefallen. Und falls ihr uns noch nicht kennt: einfach mal reinhören!
Fotocredits: Reaper Entertainment
- Redakteur:
- Marcel Rapp