Neuer Heißer Scheiß - Quartalsrückblick 2/24

12.10.2024 | 22:05

Hier nun der nächste Teil unserer Quartals-Rückschau zum Thema: Was macht der Underground? Erneut haben wir uns ein paar herausragende Newcomer-Scheiben herausgepickt und dieses Mal etwas intensiver unter die Lupe genommen. Viel Vergnügen!

Wir sind etwas spät mit unserem Rückblick auf das zweite Quartal. Das ändert aber nichts an der Klasse der Bands, die wir für Euch ausgesucht haben. Wir, das sind in diesem Fall Holger Andrae, Jens Wilkens, Jhonny Walzer, Mahoni Ledl, Marius Lühring und Stephan Lenze. Wie bereits gewohnt, gehen wir alphabetisch durch unsere fünf Kandidaten und werden am Ende ein Ranking, sowie die einzelnen Listen abbilden. Eines sei aber gleich zu Beginn geschrieben: Alle fünf Bands zählen für uns zu den heißen Eisen aus dem unüberschaubaren Wust an Newcomern. Die folgenden Alben haben wir einem intensiven Hörtest unterzogen:

FREEWAYS – "Dark Sky Sanctuary"
GREYHAWK – "Thunderheart"
LORD GOBLIN – "Lord Goblin"
MORGUL BLADE –"Heavy Metal Wraiths"
TYRAN – "Tyran's Oath"

 

FREEWAYS - "Dark Sky Sanctuary"


Starten wir also ohne langes Geschwafel mit FREEWAYS' neuer Scheibe "Dark Sky Sanctuary". Mahoni fängt gleich mal mit blumigen Schwärmereien an: ""Dark Sky Sanctuary" von FREEWAYS bietet einen bunten Strauß feinster Melodien zum Verlieben, Träumen oder auch einfach nur zum Abrocken. Eine Scheibe, die auf eindrucksvolle Art und Weise dieses authentische 70s-Flair versprüht, welches für dieses ganz besondere, warme Gefühl in der Magengegend sorgt. Namen wie REO SPEEDWAGON, BLUE ÖYSTER CULT, BOSTON oder UFO dürfen für Nichtkenner der Band, wohlgemerkt zu deren jeweiligen Hoch-Zeiten, dabei gerne als grober Anhaltspunkt herhalten. Für mich ist das zweite Album der Kanadier dank seiner Emotionalität mein bisheriges Highlight im Kalenderjahr 2024, wenn es um gefühlvollen Hardrock geht. Was für ein großartiges Album!" Auch der Verfasser dieser Zeilen ist ziemlich angetan: "Ich weiß nicht wie oft ich es bereits geschrieben habe, aber irgendetwas muss im kanadischen Wasser sein, was Musiker aus diesem Land so besonders macht. Das in Ontario beheimatete Quartett bildet da keine Ausnahme. Die jungen Herrschaften spielen einen unbekümmerten Heavy Rock, der gleichzeitig frisch, klar und trotzdem auch ernsthaft klingt. Oberflächliche Ohren würden das jetzt lapidar in der Retro-Ecke verorten, aber damit definiert man nur den herrlich altmodischen Klang. Transparenz und Klarheit sind die Begriffe, die mir beim Anhören in den Sinn kommen. In die Retro-Rock-Schublade würde ich die Jungs allerdings nicht zwängen. Man höre nur 'Give 'Em The Gears' und sage mir nicht, dass das lupenreiner NWoBHM-Sound sei. Rattenscharf, treibend, mitreißend und für die sauberen Ohren sogar beinahe nicht schmutzig. Der saubere Gesang von Gitarrist Jacob Montgomery passt hier einfach wie der berühmte Deckel auf den berühmten Eimer. In diesem Eimer befinden sich in diesem konkreten Fall halt acht abwechslungsreiche Songs, die einfach gute Laune verbreiten. Hier wird weder versucht irgendeinem hippen Trend nachzuhoppeln, noch besonders cool und hart zu wirken. Hier wird einfach ehrliche, handgemachte Musik geboten, der ein gewisser Zauber inne wohnt." Da bleibt Lenze wenig übrig als in das gleiche Horn zu tuten: "Die Kollegen Holg und Jens (in seinem Hauptreview) haben hier schon massig Wahres herausgefiltert und sind hier meines Erachtens schon gut Richtung Pudels Kern vorgedrungen. Bei manchen Alben bzw. Bands wundere ich mich einfach, warum ich von diesen nicht schon viel früher Notiz genommen habe. Aber wozu hat man kompetente Kolleginnen und Kollegen, die einem (wenn auch manchmal unbewusst) die eigenen Lücken füllen. Das hier entspricht ebenfalls auch genau meinem Beuteschema: neugebackener, frischer und sehr twingitarrenlastiger Hard Rock, würzig angeschärft mit einer stattlichen 70er Esprit-Note (and yep, it's definitely NOT Retro!) und mit unverwechselbar schönem und charakteristischem Gesang obendrauf gesegnet. Mich erinnert das hinsichtlich der grenzenlosen Spielfreude, die hier zu Tage tritt, gelegentlich an ebenfalls freigeistig agierende Hard-Rock-Bands wie TANITH, TAROT und ab und an ein wenig an WYTCH HAZEL. Dass hier zweifelsohne ganz exzellente Musiker am Werk sind, merkt man nicht nur an fantastischen Nummern wie 'Travelling Heart', die (wie viele andere Songpassagen auch) so klingt, als entstamme sie einer bestens temperierten und spontan anberaumten Jam-Session im Studio. Wunderbar, liebe Leserinnen und Leser, einfach ganz wunderbar. Mit wuchtigen Riffs und tadellosen Melodylines beweist die Band überdies eindrucksvoll, dass Melodie und Härte auch ganz wunderbar Hand in Hand gehen können. So, und nun muss ich mir umgehend auch mal das Debüt der Kanadier zu Gemüte führen." Lobende Worte aus allen Fingern.

Sieht Jonathan das eventuell anders? "Diese kanadische Truppe treibt ja schon etwas länger ihr Unwesen. Neben schon erwähnten Bands wie TANITH oder WYTCH HAZEL muss ich beim Anhören von "Dark Sky Sanctuary" auch stark an SATAN denken. Das liegt natürlich in keinster Weise am Gesang - sondern an den sehr schnellen, doppelläufigen Gitarren, die wirklich wunderbar harmonieren. Ein bisschen ist es, als würde man THIN LIZZY auf Speed hören. 'Give Em The Gears' ist in dieser Hinsicht überragend. Aber auch deutliche DEAD LORD-Anleihen höre ich, zum Beispiel beim Titelsong. Und da DEAD LORD meine liebste Retro-Rock-Band überhaupt ist, darf das als absolutes Kompliment gewertet werden! Auf Doom- oder Psychedelic-Einflüsse wird quasi komplett verzichtet, dafür eben eine Melange aus THIN LIZZY, URIAH HEEP (ohne die Orgel) und klassischen NWoBHM-Elementen gezockt. Großartig! PS: Wie Stephan muss ich mir wohl auch noch das Debüt-Album geben." Wohl nicht. Dass Jens die Band mag, hat er schon in seinem Hauptreview geschrieben. Aber auch er fügt hier nochmal ein paar Sätze an: "Da wir uns in unserem Kompetenzteam doch hauptsächlich der Pflege des traditionellen Heavy Metals widmen, hatte ich zunächst ein klein wenig Bedenken, ob der Hard Rock der Kanadier FREEWAYS im Vergleich mit den härteren Klängen der anderen Bands eine positive Resonanz erfährt. Dass bisher alle Kollegen ihre Wertschätzung zum Ausdruck gebracht haben, freut mich ganz außerordentlich. Ich hätte natürlich einfach dem guten Geschmack der Teammitglieder vertrauen sollen. Da ich das Hauptreview geschrieben habe, fasse ich mich hier kurz und betone nur, dass auch mit etwas Abstand "Dark Sky Sanctuary" nichts von seiner Anziehungskraft eingebüßt hat. Mehrfach ist schon der Name TANITH gefallen, und auch mir drängt sich dieser Vergleich auf. Es sind nicht nur die 70er-Einflüsse, die beide Bands gemeinsam haben, sondern auch die Ehrlichkeit, mit der musiziert wird, und die Spielfreude, die sich auf die Hörer überträgt." Liegt es also an Marius, hier den Nörgler zu spielen. "Nachdem ich im April Jens' Rezension zum neuen FREEWAYS-Albumgelesen hatte, war mir klar, dass mir die Musik der Kanadier auf jeden Fall gefallen wird. Ich war mir so sicher, dass ich es wohl nicht mal für nötig gehalten habe, diesen Vertrauensvorschuss mit den eigenen Ohren zu überprüfen. "Kaufe ich irgendwann, rechtzeitig zum Erstellen der Jahresbestenliste", war wohl mein Motto. Nun ist dieses Album in unserem Quartalsrückblick gelandet und ich bin quasi gezwungen, "Dark Sky Sanctuary" einmal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Zum Glück. Weitere Lebenszeit zu verschwenden, ohne dieses Album zu kennen, wäre nämlich tragisch. Das ist hoch inspirierter und inspirierender Hard Rock zwischen dem Abenteuer-Ansatz von HÄLLAS und dem friedfertigen Gegniedel der schon genannten TANITH, nur eben mit einem Sänger, der mir gefällt. FREEWAYS musiziert dabei nicht unbedingt spektakulär, aber dafür mit enorm viel Gefühl und Geschick. Wunderbare Ohrwürmer!" Ein Satz mit "X": War wohl nix!

 

GREYHAWK - "Thunderheart"


Schauen wir also, ob das zweite Album auf zwiespältigere Kommentare stößt. Es ist "Thunderheart" von GREYHAWK. Starten wir gleich mal schmackhaft: "Die gut geölten Ohren von Marius haben dieses Album in unseren Rückblick gespült und die intensive Beschäftigung mit GREYHAWKs Zweitwerk "Thunderheart" zeigt, dass ich manchmal meine Vorurteile nicht zu arg streicheln sollte. Beim Anblick des Covers war nämlich das Interesse sich mit der Musik auseinanderzusetzen bei Veröffentlichung sofort verflogen. Obwohl die Band meine Lieblingsfarbe gewählt hat, ist diese Hochglanz-Umsetzung so plüschig, dass ich an Waldmeister-Pudding denken musste. Ich hasse Pudding und ich hasse Waldmeister. Nun, Hass ist eine verschwendete Emotion und so überwinde ich nach Lesen des Reviews meines Kollegen alle Antipathie und siehe, das macht Laune. Obwohl die Musik diese extrem positive Ausstrahlung hat, ist sie nur schwer mit Kinderlied-Metal der Marke HELLOWEEN vergleichbar. Dazu agieren die Herrschaften zu sehr in tieferen Tonlagen. Allein der extrem originelle Gesang sorgt dafür, dass ich sofort am Haken bin. Rev Taylor hat eine sehr kraftvolle, eher tiefe Stimme, die wunderbar zur ebenfalls sehr kraftvollen Musik passt. Irgendwie werde ich immer wieder an die tollen alten SISTERS OF MERCY-Sachen erinnert, die bei GREYHAWK eben auf gute alte HAMMERFALL treffen. Dabei ist es mir manchmal etwas zu schunkelig wie etwa im stampfenden 'Steadfall'. Auch das direkt daran anschließende 'Sacrifice Of Steel' ist in dieser Hinsicht ein Grenzfall für mich, kann mich aber aufgrund des erhöhten Tempos doch noch erreichen. Wenn man dann in 'The Last Mile' plötzlich ganz leise den Keyboardteppich vom europäischen 'The Final Countdown' ausrollt, muss ich schmunzeln und merke, dass die Jungs sich offenbar nicht so bierernst nehmen, wie ihre teils arg pathetischen Hymnen vortäuschen. So etwas mag ich. Insgesamt fehlt mir natürlich mal wieder die Scharfkantigkeit, mit der man solche Musik vor 40 Jahren wohl automatisch ausgestattet hätte. Ich verweise auf ACCEPT, deren Musik mir hier auch gelegentlich in den Sinn kommt. Aber diese Klangwelten sind heute wohl beinahe komplett aus der Mode gekommen, denn auch die Solinger haben ihre Rasierklingen ja heute in Watte gewickelt und verkaufen damit recht ordentlich. Muss man wohl mit leben. Von daher kann ich mit GREYHAWK gut klar kommen." Dieser Start von Onkel Holg liest sich nicht ganz so glorreich wie die Bewertungen zu FREEWAYS. Aber wahrscheinlich hat er wieder mal komische Ohren, denn Onkel Lenze kommt gleich komplett mit anderen Ohren um die Ecke. Anders wäre ja auch schlecht. Aber lest selbst: "Flott und munter mit einem feinen Uptempo-Nackenbrecher einsteigend, auf den mit 'Ombria (City Of The Night)' eine wuchtige Power-Ballade folgt. Nicht schlecht, Herr Metal-Specht. In diesen zwei Songs wird bereits deutlich: Shouter Rev Anthony beherrscht sein Handwerk und verfügt über eine beachtliche Range. Tiefe, sonore Stimmlagen oder hohe Gefilde; der gute Mann fühlt sich spielend in allen Regionen wohl. Auch im weiteren Albumverlauf schlafft die raisefistende Faust nicht ab. TWISTED TOWER DIRE und VISIGOTH stehen hier unter anderen musikalisch Pate, es geht also durchweg traditionell stahlschmiedend zur Sache. Das allerdings auf bemerkenswert hohem Niveau. Das Spieltempo wird stetig variiert, so dass sich Langeweile hier gar nicht erst einstellen kann. Selbst eine kleine Drumsoloeinlage findet hier Einzug ('Steadfest'). Die beiden Axtmänner Jamison Palmer und Leeland Campana wissen ziemlich genau, wie man mit treibenden Riffs und akzentuierten Soli die hörende und bangende "Army Of Immortals" bei der Stange hält. Die von Marius in seinem Hauptreview bereits erwähnten "Ohohoho"-Chöre, auf die ich in der Regel nicht immer mit euphorischer Glückseligkeit reagiere, tun mir hier seltsamerweise gar nicht wirklich weh. Gut, die ein oder andere Mitgröhl-Passage hätte man sich (wie z.B. in 'Sacrifice Of Steel') durchaus sparen können, aber gut, geschenkt. Ist ja schließlich ehrlich-treibender Heavy Metal und kein larmoyanter Post-Rock hier. Die Songs machen durch die Bank alle richtig richtig Laune und nutzen sich auch nach mehreren Durchläufen überhaupt nicht ab. So muss das, und nicht anders. Mit 'The Golden Candle' wird das Album schlussendlich mit einer wahrhaft epischen Ballade beendet, die wie alle Songs zuvor den Geist der 80er gepflegt-kultiviert lebendig hält. Tolles Album!" Immerhin stoßen auch ihm die Mitsing-Passagen etwas auf.

Ein Umstand, der Onkel Jhonny wenig zu stören scheint. "Waren diese Jungs nicht auch am "Keep It True"-Festival? Naja, man kann nicht alle Bands mitbekommen. Aber wenn ich dieses Scheibchen höre, muss ich feststellen: Das war wohl ein Fehler. Natürlich lädt das geile Artwork schon intensiv zum Anhören ein. Generell: Macht mehr Cover mit diesem grünen Farbton! Was auffällt: Gerade im Gitarrenbereich ist man hier sehr melodisch, geradezu europäisch, unterwegs, und das, ohne dass es je kitschig wird. Man denkt tatsächlich an HAMMERFALL, und das ist ja nun wirklich keine schlechte Assoziation. Auch ACCEPT und JUDAS PRIEST (Anfang / Mitte der Achtziger) sind sicher Paten dieses Sounds gewesen. Der Gesang ist teils etwas theatralisch - ich fühle mich an POWERWOLF erinnert. Bevor hier jetzt alle abdrehen - das hat natürlich nichts mit den Texten zu tun (mit denen befasse ich mich nicht). Und es ist auch nicht so banal wie die Kraftwölfe in den letzten Jahren. Die tiefe Verneigung vor den Achtzigern nehme ich der Band jederzeit ab. Ganz feines Album, das wohl in meine Sammlung wandern muss!" Immer diese Zwanghaftigkeit unter Musikverrückten! Kann Jens davon auch ein Lied singen? "Na, da hat der gute Holger aber etwas angerichtet. Ich werde "Thunderheart" nie wieder hören können, ohne an Wackelpudding mit Waldmeistergeschmack zu denken, dekoriert mit klitzekleinen Sahnehäubchen und munter in der Glasschüssel zappelnd. Der Appetit auf die Musik von GREYHAWK ist mir dennoch nicht vergangen. Im Gegenteil, das Zweitwerk gefällt mir richtig gut. Ähnlich wie bei VISIGOTH kann ich mit sehr viel Pathos angereicherten Gesang nicht in Dauerschleife hören, aber wenn es von der Stimmung passt, sagt mir diese Art von Epic Metal schon sehr zu. Gerade der Gesang von GREYHAWK macht den Unterschied zu Bands ähnlichen Kalibers. Aber die Band aus Seattle spielt keinen lupenreinen Epic Metal. Da ist auch eine Menge Hard Rock mit im Spiel, was auch für Abwechslung sorgt. Die SISTERS OF MERCY-Assoziationen von Holger kann ich absolut nachvollziehen, denn gerade 'Ombria (City Of The Night)' hat eine tolle Gothic-Atmosphäre. Aber auch die von MANOWAR inspirierten Stücke gefallen durchaus. Den Opener 'Spellstone' und den Closer 'The Golden Candle' habe ich aber besonders ins Herz geschlossen. Ein Quartalsrückblick ohne GREYHAWK wäre unvollständig gewesen!" Es tut mir sehr leid, lieber Jens, aber da musst du jetzt wohl mit Waldmeisterpudding in den Ohren leben. Es ist hart, das Leben eines Power-Metal-Freundes! Dieses Leid teilt dann zukünftig wohl auch Mahoni: "Verspätungen sind in der Regel nichts Positives, was mir sicherlich viele Fahrgäste der Deutschen Bahn kopfnickend bestätigen werden. Im Falle von GREYHAWK aus Seattle sieht das allerdings ganz anders aus. Als ich im April aufgrund der überschwänglichen Rezension von Marius meine ersten Hörversuche mit "Thunderheart", dem zweiten Longplayer der Amerikaner, unternahm, wurde ich von dem sehr außergewöhnlich klingenden Frontmann Rev Taylor ziemlich vor den Kopf gestoßen und legte das Unternehmen GREYHAWK nach wenigen Minuten ad acta. Im Nachhinein ein sehr großer Fehler. Aber dank unserer Rubrik "Neuer Heißer Scheiß" musste ich mir das Album wohl oder übel noch einmal zu Gemüte führen und siehe da, es hat Klick gemacht. Der Gesang, mit dem ich anfangs nicht viel anfangen konnte, entwickelte sich mit jedem Durchlauf zum großen Alleinstellungsmerkmal der Truppe.Im Fußball spricht man gerne vom "Unterschiedsspieler", wenn ein Spieler einer Mannschaft durch besondere Fähigkeiten den Unterschied ausmachen und ein Spiel entscheiden kann. So ist es auch hier. Die sehr eigene Interpretation von Metalgesang, wie Marius es nennt, veredelt die neun durchweg hervorragenden Tracks und hebt sie mühelos auf ein höheres Niveau. Einfach zeitloser, trendfreier Heavy Metal, der unabhängig von Jahreszeit und Uhrzeit immer wieder Spaß macht. GREYHAWK steht mit "Thunderheart" auf meiner nächsten High Roller Records Bestellliste an oberster Stelle."

Überlassen wir das letzte Wort Marius, der auch den Hauptartikel zu dem Album verfasst hat: "Da der liebe Holg schon mit dem Artwork des neuen GREYHAWK-Albums seine Probleme hat, verratet ihm bitte nichts vom Debüt! Dagegen ist der grüne Gewitter-Adler nämlich eine regelrechte Augenweide. Wo wir schon vom Debüt sprechen: Vor vier Jahren schlug "Keepers Of The Flame" bei mir ein wieeine Bombe. Diese herrliche Stimme Rev Taylors, der humorige Auftritt, der sich auch musikalisch wiederfand und zahlreiche durchweg gelungene Hymnen wie 'Ophidian Throne' oder 'Don't Wait For The Wizard' ließen mein Herz höher schlagen. Während es mit dem neuen Album ästhetisch steil bergauf geht, bleibt es musikalisch auf dem gleichen hohen Niveau. Der Überraschungseffekt ist natürlich nicht so groß, aber die Songs sind es dann doch. Ich freue mich, dass GREYHAWK nun die Aufmerksamkeit bekommt, die die Band mit ihrem relativ eigenständigen Metal-Rock-Gebräu verdient hat!" Es sei angemerkt, dass der liebe Holg sich die anderen Artworks angeschaut hat, schreibt er nun mit dem Brustton der Überzeugung: "Lieber Wackelpudding im Ohr, als eine brennende Frau mit unförmigem Körper, die in Begleitung eines Sci-Fi-Wikingers und eines Eulenadlers auf mich einschlägt." Entschuldigung.

 

LORD GOBLIN - "Lord Goblin"


Wenden wir uns LORD GOBLIN zu. Lauschen wir den Worten des Entdeckers in unseren Reihen, Jens hat das Wort: "Da ich diesen brandheißen Act für unseren Quartalsrückblick vorgeschlagen habe, mache ich mal mit LORD GOBLIN den Anfang. Bisher gibt es auf unserer Seite noch kein Review, daher zunächst vielleicht einige Hintergrundinformationen. LORD GOBLIN ist eine Band aus Aylesbury, UK. Es musizieren hier: Lord Goblin (Gesang), Mornar (Gitarre, Bass, Keyboards) und Athanor F.D.H. (Schlagzeug). Obwohl die Formation bereits 2007 gegründet wurde, standen bisher nur die Single 'Path Of Glory' und die EP "The Ordeal" auf der Liste der Veröffentlichungen. "Lord Goblin" ist das bisher nur digital erhältliche Debüt, doch Rettung naht, denn im November erscheint das Album als physischer Tonträger bei einem der besten Labels unserer Szene: No Remorse Records. Die Mischung, die uns die Engländer kredenzen, ist durchaus als explosiv zu bezeichnen. Rasante Blastbeats, geschickt eingeflochtene Breaks, eine coole Hammond Orgel im Stil von URIAH HEEP, fantastische Gitarrenmelodien und ein überragender Gesang treffen auf 70s Okkult-Rock. Die Gesanglinien von Sänger Lord Goblin können gar in die Richtung Geoff Tate tendieren ('The Wanderer'). Und irgendwie bricht immer wieder feinster Epic Metal hervor, wenn man es nicht unbedingt erwartet. Die okkulte Thematik verrät uns schon das Artwork, das wie eine Abwandlung des Baphomet-Motivs von Éliphas Lévi aka Alphonse Louis Constant anmutet." Mahoni ist offenbar auch angetan, zieht aber modernere Parallelbands aus dem imaginären Ärmel: "Jens beschreibt den Stil der Engländer als durchaus explosiv. Schnelle Blastbeats, geschickt eingeflochtene Breaks, eine coole Hammondorgel im Stile von URIAH HEEP, fantastische Gitarrenmelodien und ein überragender Gesang treffen auf 70's Okkult-Rock. Eigentlich ist damit das meiste und auch das Wichtigste gesagt. Anfügen möchte ich noch kurz meine persönliche Befindlichkeit bei der Einverleibung dieses verrückten Drehers. Eine vergleichbare Band fällt mir trotz längerem Nachdenken, was in meinem Alter nicht allzu viel zu bedeuten hat, eigentlich nicht ein. COMMUNIC kommt mir immer wieder in den Sinn, obwohl das ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen wäre. Was mein Hirn mir wohl zu sagen versucht, ist die Komplexität der Kompositionen beider Bands, hinter denen sich jeweils ein hohes Maß an kompositorischer Klasse verbirgt. Hörerinnen und Hörer, die offen für Neues sind und ihren Metal nicht zu simpel gestrickt, sondern durchaus anspruchsvoller mögen, sollten sich dieses außergewöhnliche Album dringend zu Gemüte führen. Sehr geiles Teil, welches für Ende des Jahres als Vinyl angekündigt ist. Beide Daumen hoch für LORD GOBLIN." Was sagt denn der Geistliche in unseren Reihen zu solch' okkulter Musik? "Das kannte ich noch gar nicht. Wirklich, überhaupt nicht. Jens beschreibt den Stilmix aus meiner Perspektive gut. Ich mag den starken 70s-Vibe, der hier mitschwingt. Gleichzeitig ist der Sound aber auch arg verwaschen, die Orgel damit oft nicht so gut zu hören, wie es den guten Songideen eigentlich zustehen würde. Was ich sehr nice finde, sind die mehrstimmigen Gesänge. Atmosphärisch also neben FREEWAYS die zweite Band in diesem Rückblick, die hart an der Retro-Rock-Grenze entlang unterwegs ist. Aber grundsätzlich bin ich interessiert und werde mir den LORD GOBLIN wohl noch öfter geben. Spannender Einstieg einer für mich völlig unbekannten Truppe, die tatsächlich auch nicht wie die anderen Retro-Rock-Truppen klingt, sondern hochgradig eigenständig ist." Man kann nicht alles kennen, Jhonny! Dazu dient dieser Austausch ja auch. Von daher können wir Jens nur für diese Perle danken.

Hört Marius das ebenfalls so? "Verdammt, was ist denn LORD GOBLIN jetzt schon wieder? Allein der Bandname löst schon Wissbegier aus. Und wenn man dann noch nachsieht, welche Musiker hinter dieser Band aus Buckinghamshire stecken, ist man ja schon fast gezwungen, die Lauscher aufzusperren. Denn hinter dieser "englischen" Band stecken ein paar (ausgewanderte?) Italiener. Sänger Lord Goblin ist niemand anderes als Marco Piu, den manche hier schon bei MEMENTO WALTZ ganz töfte fanden. Gitarrist Mornar heißt mit Vornamen Andy und hat zusammen mit Schlagzeuger Athanor F.D.H. eine umfassende Archivliste (u. a. NEGACY und SCREAMING SHADOWS). Das schraubt die Erwartungen an dieses Debüt ja doch etwas nach oben. Zum Glück hält LORD GOBLIN die Versprechungen aber problemlos ein. Das Songmaterial ist abwechslungsreich und pendelt gelungen zwischen rasant und anmutig. Das Ganze fußt in meinen Ohren auf einem stabilen Metal-Fundament, weshalb ich den Okkult-Rock-Vergleich etwas fehl am Platz finde. Klar, die ab und zu auftretende Orgel und das Artwork wirken so. Sound und Songs sind in meinen Ohren aber eher herrlicher Reinform-Metal mit einigen progressiven Versatzstücken. Und damit machen die englischen Italiener hier für mich verdammt viel richtig." Offenbar schon. Verbleibe ich als letztes Ohrenpaar, da es Kollege Lenze zeitlich leider nicht mehr geschafft hat, seine Meinung in die Tasten zu tippen. "Mir geht es wie den meisten meiner Kollegen: Vor diesem Artikel hatte ich noch nichts von LORD GOBLIN gehört. Das ist doppelt komisch, da ich eigentlich die ganze Zeit schaue, was die Herrschaften von MEMENTO WALTZ denn aktuell so treiben. Dies hier ist mir aber durch die Lappen gegangen. Ein schwerer Fehler, wie ich schon beim ersten Durchlauf schnell feststellen muss. Die Truppe ist tatsächlich mit kaum einer mir bekannten Band vergleichbar, obwohl sie eigentlich nur bereits bekannte Zutaten anders mischt. Während man im Gesamtsound wohl irgendwo im großen Retro-Teich fischen würde, ist die Musik teilweise sehr heftig. Gerade die Rhythmik ist an etlichen Stellen brachial schnell, wird aber vom feisten Gemisch der räudigen Gitarren- und Orgel-Klänge etwas in den Hintergrund gedrängt. Oftmals ziehe ich Parallelen zu den 70er-Scheiben von URIAH HEEP, denen ein große Tube Okkultismus, Black-Metal-Rhythmik und Underground-Atmosphäre untergemengt wurde. Klingt anstrengend? Für mein Empfinden ist es das genaue Gegenteil! Alle Songs, inklusive der herrlich regressiven Drum-Solos (!), laufen mir von Beginn an super rein und ich freue mich auf kaum einen anderen haptischen Release so sehr, wie auf LORD GOBLIN. Denn genau hier ist der einzige Haken für mich. Bislang gibt es die Musik nur digital. Das ändert sich aber im Laufe des Jahres noch. Keep your eyes open!" Starkes Teil, wie es scheint.

 

MORGUL BLADE - "Heavy Metal Wraiths"


Wenden wir unseren Blick nun auf die Hobbitzen-Bekämpfer mit dem wunderprächtigen Namen MORGUL BLADE und deren zweites Album "Heavy Metal Wraiths". Die gut gespitzten Ohren von Lenze sind einleitend leider nicht allzu gut auf die hier gebotene Musik zu sprechen. "Teufelsgütiger, was zur Hölle ist denn das!? Ich habe jetzt den einen oder anderen Spin hinter mir in der vagen und nun immer kleiner werdenden Hoffnung, dass die Musik noch "irgendetwas mit mir macht". Also...etwas Positives. Tut sie aber leider nicht. Was vernehmen meine Ohren hier denn genau, dass es mir augenscheinlich so vortrefflich miese Laune beim Lauschen bereitet? Schemenhafte Ansätze von Songideen, die wie zersplitterte Glasscherben ziellos durch den namenlosen Orbit irgendwo in einer fernen Galaxie umherirren. Ein Sänger, der klingt wie eine schlechte Kopie von Eric Adams morgens nach einer wilden und durchzechten Nacht und zu allem Überfluss auch noch komplett in den Hintergrund gemischt wurde (was sich letzten Endes ja unfreiwillig doch als weise Entscheidung entpuppen sollte). Durch die Bank eine Fraktion von Musikern, bei denen man nicht das Gefühl hat, dass die ihre Instrumente schon länger als einige Monate (oder Wochen) in der Hand halten. Verschiedene Subgenres zu vermischen, kann durchaus ins Schwarze treffen (siehe CHAPEL OF DISEASE), kann aber auf der anderen Seite auch total in die Hose gehen, wenn man sich auf den hier komplett misslungenen Versuch, klassische Heavy-Metal-Riffs mit schwarzextremartigem Gesang zu vermengen, bezieht. Das führt hier ungefähr so sehr zum Erfolg wie der Versuch, seinen Kaffee ausgerechnet mit Senf zu veredeln, wenn im Schrank kein Zucker mehr aufzufinden ist. Nee, Jungs, das ist nichts. Oder sagen wir besser: Das ist nichts für mich, womit ich hier aus dem Schneider wäre und das Thema MORGUL BLADE wohl für immer zu den Akten legen werde." Wer von Akten spricht, ist also wohl auch ein Heavy-Metal-Beamter. Können die geläuterten Ohren von Herrn Walzer hier freundlichere Dinge entnehmen? "Sicher eines der Highlights des diesjährigen "Keep It True"-Festivals war MORGUL BLADE - so dass ich sofort zum Merch-Stand bin und mir das Album holte. Und tatsächlich halten sie auf Platte die wunderbare Qualität ihres Live-Auftritts. Geboten wird angeschwärzter Traditionsstahl, der rein atmosphärisch dadurch ein wenig an SATAN'S HOST erinnert, auch wenn natürlich ohne Conklin die Vokal-Arbeit gänzlich anders gelagert ist. Hier wird mehr gegrunzt und gekeift. Überragend sind die wunderbar warmen Lead-Melodien, und es gibt Riffs zum Niederknien. Bei 'Beneath The Black Sails' kann man locker an Über-Größen wie ETERNAL CHAMPION, MANOWAR oder VISIGOTH denken - aber mit IMMORTAL-Gesang. Für mich das bisher meistgehörte Album der aktuellen Reihe, was sicher auch am frühen Kauftermin liegt - aber eben auch am starken Live-Auftritt, denn die FREEWAYS-Scheibe habe ich am gleichen Tag eingepackt, aber sie brauchte doch einige Zeit länger, um sich in meinen Gehörgängen festzufräsen." Das liest sich doch gleich wieder wie ein Pflichtkauf, obwohl es da offenbar ein paar Haken beim Gesang geben könnte. Können die melodieverwöhnten Ohren von Herrn Wilkens hier Entwarnung geben? "Ich bin ja ziemlich growlophob veranlagt, aber irgendwie sagt mir der Gesang von MORGUL BLADE durchaus zu. Mit Klargesang würde die Musik der Tolkien-Adepten auch nicht so richtig funktionieren. Der Kontrast zwischen den Growls und den eher klassischen Heavy-Metal-Songs macht das Besondere im Sound von MORGUL BLADE aus. Wie Jhonny schon sehr richtig schreibt, ist die Gitarrenarbeit herausragend, ja stellenweise fast heroisch. Es gibt einprägsame Riffs, und die Leads im Titelsong sind schon besonders. Stilistisch ist 'Widow's Lament' eine echte Überraschung. Ich würde mir das Album dennoch nicht ins Regal stellen, da der Gesang auf Albumlänge etwas eintönig wirkt. Das Artwork ist aber meiner Meinung das beste der von uns in diesem Quartalsrückblick besprochenen Scheiben."

Da kann ich ja dann wohl unbeirrt auch meine zarten Lauscher ranhalten: "Mit dem hochgelobten Debütalbum "Fell Sorcery Abounds" wollte ich nicht so recht warm werden, wobei ich nicht einmal konkret sagen kann, woran es denn gelegen hat. Da aber meine hochgeschätzten Mitstreiter dieser Rubrik hier "Heavy Metal Wraiths" in ihren Quartalshighlights nennen, beschäftige ich mich auch mit eben jener Scheibe. Auch dieses Mal will sich nicht die sofortige Euphorie einstellen. Erst nach wiederholtem Anhören stelle ich fest, dass die Herrschaften mit ihrem dunkelschwarzen Traditions-Gebräu manchmal ziemlich cool klingen. Die Begeisterung, die Jhonny überkommt, kann ich zwar auch bei Highlights der Marke 'Razor Sharp' nicht so ganz nachempfinden, aber dies mag auch in der Tatsache begründet sein, dass ich weder VISIGOTH, noch ETERNAL CHAMPION oder MANOWAR als die von ihm beschriebenen Über-Größen ansehe. Überhaupt finde ich die musikalische Nähe eher nicht bei diesen Bands. Dazu ist die Lala von MORGUL BLADE einfach zu dunkel und der Gesang von Lord Klauf einfach zu sehr einem Nazgul nachempfunden als einem Eric Adams. Für mich passt dieses heisere Gehechel ziemlich gut zur rauen Musik der Kollegen, aber wenn man etwas epischer unterwegs ist, würde auch ich mir einen klareren Gesang wünschen. 'Beneath The Black Sails' ist allerdings trotz dieses Mankos ein verflucht großartiger Black'n'Epik-Song. Weshalb man ein Album mit einem der schwächsten Songs startet, leuchtet mir auch beim x-ten Durchlauf nicht ein." Ob Herr Lühring diese Frage beantworten kann, vermag ich noch nicht zu sagen, aber auch er ist offenbar eher mal angetan. "Mit MORGUL BLADE hatte ich mich bisher nicht befasst, da ich, ähnlich wie Jens, durchaus meine Probleme mit Knurrgesang habe. Nun lief "Heavy Metal Wraiths" allerdings schon einige Male und so langsam habe ich mich eingehört in die ganze Chose. Denn wie Holg es schon erwähnt hat, passt Lord Klaufs Gesangsstil ziemlich gut ins Bild. Und er tut sogar ganz gut, denn die Tolkien-Fans agieren musikalisch tatsächlich recht nah an ETERNAL CHAMPION und schaffen es doch, ihrer Musik eine etwas andere Schubrichtung zu verpassen. Außerdem artikuliert der gute Mann recht deutlich, sodass ich ihn sogar verstehen kann. Ich muss sagen, die Idee funktioniert aller Skepsis zum Trotz ziemlich gut. Vermutlich auch, weil die Schwärze nur selten wirklich Überhand nimmt. So finde ich einige Großartigkeiten auf dem zweiten Album. 'Razor Sharp' macht seinem Namen alle Ehre, 'Beneath The Black Sails' gefällt mir ebenfalls hervorragend und auch 'Neither Cross Nor Crown' eignet sich in seiner mitreißenden Stampfigkeit durchaus als Hymne. So entpuppt sich "Heavy Metal Wraiths" für mich zu einer ziemlichen Überraschung, die mir einmal mehr aufzeigt, dass es durchaus Sinn ergibt, vorschnelle Vorurteile doch noch einmal zu überprüfen." Bleibt das Schlusswort Herrn Ledl überlassen und hier wird sich nun zeigen, ob nur die Ohren von Herrn Lenze mal untersucht werden müssten. "Die Amerikaner MORGUL BLADE machen es mir wirklich nicht leicht, die richtigen Worte für ihr zweites Werk "Heavy Metal Wraiths" zu finden. Auf der einen Seite finde ich die Idee, traditionellen US-Metal mit gelegentlichen Black-Metal-Einflüssen in Kombination mit Keifgesang zu verbinden, wirklich originell, auf der anderen Seite ermüdet genau dieser Keifgesang auf Albumlänge, da er jegliches Maß an Abwechslung vermissen lässt. Vor meinem geistigen Auge beziehungsweise Ohr stelle ich mir die Titel oftmals mit einem grandiosen Sänger wie dem verstorbenen Tim Aymar vor und das gleiche Album würde locker in meiner Perlenkiste für 2024 landen. So aber werde ich "Heavy Metal Wraiths" wohl eher unter "ganz nett" einordnen. Wer übrigens auf diese Art von Musik steht, sollte sich auch dringend das Album "Carving A Crimson Career" der Schweden BRIMSTONE aus dem Jahre 1999 ins Regal stellen. Ein leider viel zu oft übersehenes und vergessenes Juwel in diesem Genre." Ui! Da kommt Mahoni ja noch mit komplett anderen Assoziationen um die Ecke. Coole Sache, das! Obendrein zeigt sich hier, wie vielschichtig die Musik von MORGUL BLADE wohl ist.

 

TYRAN - "Tyran's Oath"


Letzte Band unseres Rückblickes ist die bayrische Truppe TYRAN mit ihrem Debüt "Tyran's Oath". Ich eröffne mal den Reigen: "Den Namen TYRAN habe ich in den letzten Monaten immer wieder gelesen, wenn es um vermeintlich großartige Newcomer ging. Auch gibt es im Review mehr als warme Worte von Jhonny, sodass ich ziemlich frittenheiß in "Tyran's Oath" hineinhöre. Einige Durchläufe später bin ich schlauer. Oder auch nicht, denn so vollkommen begeistern will mich das gehörte Material nicht. Ja, die Herrschaften aus Bayern wissen wie traditioneller Heavy Metal zu klingen hat. Ja, Sänger Nicolas Peter versteht sein Mundwerk und kann auch in höheren Lagen durchaus überzeugen. Was mich aber davon abhält hier völlig euphorisiert mit der geballten Faust durch die Bude zu hüpfen, ist das Songmaterial selbst. Zu sehr erinnern mich die Songs an leicht stampfingen Teutonen-Stahl der 80er. Auf den stehe ich ja bekanntlich eh nicht so sehr. Parallelen zu frühen ACCEPT oder TRANCE kommen in den Sinn, was ja grundsätzlich angenehme Vergleichsbands sind. Das Manko bei TYRAN ist für mich die fehlende Scharfkantigkeit der frühen ACCEPT-Songs und die Originalität einer Lothar Antoni-Stimme. So höre ich hier nur eine weitere, wirklich gute Scheibe, die mich aber nicht vollends kicken kann. Müsste ich Highlights nennen, wähle ich das mit Hooks versehene 'Thrill Of The Chase', den rasanten Opener 'Protectors Of Metal' und 'Strike Of The Whip', welches ein Szene-Hit werden könnte." Da auch Kollege Lenze im Normalfall eher kein Freund teutonischer Kost ist, könnte sein Urteil ähnlich ausfallen. Kojunktivistisch betrachtet. "Es gibt auch auf dem Feld des traditionellen Heavy Metals durchaus Alben mit Grower-Qualitäten, was ich bis hierhin nicht für möglich gehalten hätte, ging ich bis dahin doch immer von folgender Formel aus: Entweder es zündet gleich, oder ich werde mit dem Album wohl nicht warm werden. Hier wurde ich nun aber eines Besseren belehrt, da es zunächst nicht wirklich bei mir gezündet hat, ich aber in der Zwischenzeit ziemlich heiß gelaufen bin mit der Platte, so dass ich mir nun denke: Das Ding kann ich mir auch durchaus mit stählerner Brust in die heimische Sammlung stellen. Natürlich, das Rad wird hier nicht neu erfunden, genau so wenig wie Bremse, Gangschaltung und Hupe. Das ist aber natürlich auch gar nicht der Anspruch der Jungs aus Schwaben, denn ein GUTES, schnörkelloses und unbekümmertes Heavy-Metal-Album bleibt am Ende des Tages zwar schnörkellos und unbekümmert, aber eben auch gut, hier: richtig gut! So verdammt simpel kann das Leben mitunter sein. Ich fühle mich beim Hören des Albums wirklich an glorreiche Zeiten erinnert, in denen wir als junge Metal-Steppkes mit dünnen Oberärmchen, erstem sprießenden Oberlippenflaum, krummen Vokuhilas und langärmeligen Jeansjacken mit Patches (die wir irrtümlicherweise für Kutten hielten) noch stolz davon ausgingen, dass wir durch unser Auftreten die umliegende Dorf- und Kleinstadtbevölkerung in Angst und Schrecken versetzen würden. Auch der Geruch von frisierten Mofas wabert mir hier noch unweigerlich durch die Nasenwände. Seltsamerweise stehe ich ja genau wie Kollege Holg mit Germanenstahl prinzipiell eher auf Kriegsfuß, umso kurioser meine Leidenschaft für das Album. Mich erinnert die Mucke der Stahlbrüder aber hier und da eher an geilen Heavy Metal der Marke STALLION: messerscharfes Riffing, schnell auf den Punkt kommende Soli, feinste High Pitched Vocals, eine wunderbar nach vorne peitschende Rhythmusfraktion, und alles den guten, alten Geist der 80er atmend. Und unterm Strich einfach saugeile Songs, die mich sofort in diverse Partykeller versetzen, deren Besitzer stolz ihre Tonträgersammlungen präsentieren, die sich im unteren zweistelligen Bereich bewegen und es noch eine ganze Welt an wichtigen Referenzalben für uns neu zu entdecken geben sollte. Nun aber wirklich Schluss mit dem furchtbar nostalgischen Altherren-Geschwätz. Mein Tipp: Album kaufen und selber in die eigene Vergangenheit reisen!" Oha! Da ziehen wir bei ähnlichen Vergleichsbands andere Schlüsse. Vielleicht ist meine Teutonen-Stahl-Zeit einfach schon zu lange her, wer weiß.

Wie sieht Mahoni das? "Schon die ersten Töne des überragenden Openers 'Protectors Of Metal' triggern mich auf wunderbar positive Weise und katapultieren mich locker 40 Jahre in die Vergangenheit und setzen dabei ganz nebenher mein Kopfkino in Gang. Auf einmal befinde ich mich emotional mitten in einer Zeit, in der im Süden der Republik mit Überzeugung, Herzblut und Schweiß, zumindest für meine Ohren damals, der heißeste Stahl Deutschlands geschmiedet wurde. Bands wie TYRANT, STORMWITCH, STRANGER, GRAVESTONE, SINNER oder TYRAN PACE prägten damals meine metallische Sozialisation mit herausragenden Alben und noch überzeugenderen Liveshows. Warum ich das erwähne? Nun, TYRAN reiht sich sowohl optisch als auch musikalisch nahtlos in die Gilde der genannten Bands ein. Sänger Nicolas Peters weiß nicht nur in den Höhen zu überzeugen, die Gitarrenduelle von Christian Kirr und Sergej Dukart sind ganz große Klasse und auch die Rhythmus-Fraktion, bestehend aus Drummer Simon Doemling und Bassist Thomas Resch, lässt rein gar nichts anbrennen. Titel wie 'Highway Warriors' oder 'Riot In The Streets' sorgen dafür, dass ich alter Sack wieder meine angestaubten Nietenbänder anlege und faustschwingend durch die Wohnung hüpfe. "Tyran's Oath" erzeugt also beim Schreiber dieser Zeilen jede Menge Gefühle und Emotionen. Sollte das eigentlich nicht der Sinn von Musik sein? Ich denke ja, und genau deshalb haben die Jungs hier absolut alles richtig gemacht. Mit den Kemptenern THRILLER und den Bayern TYRAN hat der Süden wieder zwei ganz heiße Eisen im lodernden Feuer!" Oha, two! Hier scheinen wohl meine eigenen Ohren mal einer Justierung zu bedürfen, denn dass Jhonny die Band toll findet, hat er bereits in seinem Review geschrieben. Trotzdem darf er seine Meinung hier natürlich nochmal unterstreichen. "Zu TYRAN habe ich mich schon ausführlicher in meiner Haupt-Rezi geäußert. Mein Eindruck hat sich bisher nicht wesentlich geändert: Das ist schon sehr geil gemachter traditioneller Metal, der Fans der MERCYFUL FATE-Schule ebenso abholen sollte wie Freunde von gepflegt neueren Truppen wie ENFORCER oder AMBUSH. Dickes Plus bleibt der starke Gesang, und Mahoni hat mit dem heißen Eisen recht. Aber die Assoziationen zu den deutschen Uralt-Bands kann ich nicht nachvollziehen, vielleicht bin ich zu jung. Aber dann sorge ich dafür, dass das Geschwätz von Stephan kein reines Altherrengeschwätz bleibt. Für mich ein heißer Tipp für den aktuellen Quartalssieg!" Heiliger Bimbam! Da gehen aber die Pferde mit den jungen Ohren durch! Very cool, wenn der Metalpastor so euphorisch abgeht. Da können wohl auch die teuflischen Symbole, die Jens entdeckt, wenig daran ändern. "Da ist zum zweiten Mal neben LORD GOBLIN die typische okkulte Fingerstellung auf dem Cover zu sehen! Das spricht mich zunächst einmal an und das Interesse an "Tyran's Oath" ist flugs geweckt. Natürlich ist nichts Okkultes an der Musik von TYRAN - Klischee reiht sich an Klischee, was aber einer Metal-Scheibe durchaus zur Zier gereichen kann. Dann wollte ich noch wissen, ob die Herren von TYRAN aus heimischen Gefilden den Kollegen aus Schweden mit dem Namen TYRANN das Wasser reichen können. Für diesen Dreier habe ich nämlich eine ausgeprägte Schwäche, und der Vergleich ist vielleicht auch etwas unfair. Jedenfalls ziehe ich in jeder Beziehung das schwedische Trio vor. TYRAN kann aber mit sehr eingängigen Songs punkten, und auch die beiden Gitarren feuern aus allen Rohren. Die Stücke machen für sich genommen auch Spaß, es setzt aber so ab dem fünften bis sechsten Song eine gewisse Übersättigung ein, was auch an dem sirenenartigen Gesang von Nicolas Peter liegen dürfte. Holger hat schon zu Recht ACCEPT als eine Referenz erwähnt, mich erinnert 'Protectors Of Metal' ein klein wenig an frühe HELLOWEEN, was mir ganz gut in den Kram passt. Bei 'Fists Of Iron' schlägt dagegen der JUDAS PRIEST-Detektor an, aber das ist in der NWoTHM ja nichts Ungewöhnliches. Ich finde, die Berücksichtigung von "Tyran's Oath" in unserem Quartalsrückblick hat ihre Berechtigung, aber Begeisterungsstürme löst das Album bei mir nicht aus." Ich bin beruhigt, hier nicht der Einzige zu sein, der nicht gleich im Euphorietaumel durchdreht. Danke, Jens! Die letzten Worte gehen an Marius: "TYRAN scheint von einer Hälfte unserer kleinen Gruppe ziemlich gefeiert zu werden, während die andere Hälfte zwar nicht abgeneigt ist, aber doch eher etwas zögert. Ich zähle mich zur zweiten Gruppe. Liegt es vielleicht daran, dass ich beispielweise die von Mahoni zahlreich aufgezählten Bands zwar mag, allerdings doch eher im Kontext ihrer Zeit? Es fällt mir etwas schwer, meine Gedanken dazu niederzuschreiben. Ich finde TYRANTs "Running Hot" etwa stark. Und zwar unter anderem auch, weil es eben aus den Achtzigern stammt. Würde das Album heute erscheinen, würde mich die fehlende Eigenständigkeit doch stören. Dass hier schon Vergleiche mit STALLION oder AMBUSH auftauchen, passt für mich dann auch sehr gut. Ähnlich wie die Musik (und alles Drumherum) dieser Formationen erreicht mich der Schwur dieser neuen Tyrannen leider kaum. Die Riffs kennt man alle schon in besser, der Gesang ist mittelmäßig, das Songwriting zu flach. Ich höre lieber auf."

So viel also zu den einzelnen Alben. Um Euch die Auswahl noch ein bisschen zu erleichtern, hat jeder von uns ein Ranking erstellt und daraus wurde eine Gesamtliste gebastelt, die ihr nun am Ende dieser Empfehlungs-Tapete finden könnt.

Wir hoffen, Euch ein paar Newcomer nähergebracht zu haben und würden uns sehr über Feedback zu dieser Reihe freuen. Neben einem Kommentar auf unseren Social Media-Seiten geht dies auch in unserem Forum.


FINAL RESULT:

Rang

Band Album
01. FREEWAYS Dark Sky Sanctuary
02. GREYHAWK Thunderheart
03. LORD GOBLIN Lord Goblin
04. TYRAN Tyran's Oath
05. MORGUL BLADE Heavy Metal Wraiths


Die Einzel-Wertungen:

Holger Andrae:

01. LORD GOBLIN - Lord Goblin
02. FREEWAYS - Dark Sky Sanctuary
03. MORGUL BLADE - Heavy Metal Wraiths
04. GREYHAWK - Thunderheart
05. TYRAN - Tyran's Oath

Jens Wilkens:

01. FREEWAYS - Dark Sky Sanctuary
02. LORD GOBLIN - Lord Goblin
03. GREYHAWK - Thunderheart
04. MORGUL BLADE - Heavy Metal Wraiths
05. TYRAN - Tyran's Oath

Jonathan Walzer:

01. TYRAN - Tyran's Oath
02. MORGUL BLADE - Heavy Metal Wraiths
03. FREEWAYS - Dark Sky Sanctuary
04. GREYHAWK - Thunderheart
05. LORD GOBLIN - Lord Goblin

Mahoni Ledl:

01. TYRAN - Tyran's Oath
02. GREYHAWK - Thunderheart
03. FREEWAYS - Dark Sky Sanctuary
04. LORD GOBLIN - Lord Goblin
05. MORGUL BLADE - Heavy Metal Wraiths

Marius Lühring:

01. FREEWAYS - Dark Sky Sanctuary
02. GREYHAWK - Thunderheart
03. LORD GOBLIN - Lord Goblin
04. MORGUL BLADE - Heavy Metal Wraiths
05. TYRAN - Tyran's Oath

Stephan Lenze:

01. FREEWAYS - Dark Sky Sanctuary
02. TYRAN - Tyran's Oath
03. GREYHAWK - Thunderheart
04. LORD GOBLIN - Lord Goblin
05. MORGUL BLADE - Heavy Metal Wraiths

 

Wenn ihr vergessen habt, was wir Euch beim letzten Mal empfohlen haben, könnt ihr dies hier nachlesen. Außerdem gibt es eine Nachlese des letzten Jahres, wenn ihr hier drauf klickt.

Redakteur:
Holger Andrae

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