ORDEN OGAN: Interview mit Sebastian "Seeb" Levermann

30.06.2024 | 13:50

Der Kopf von ORDEN OGAN gibt ausführlich und super-freundlich Auskunft zum grandiosen neuen Album "The Order of Fear".

Seeb, das neue Album "The Order Of Fear" ist ein Hammer! Total eingängig und frisch und der Schlenker, den das Album im letzten Drittel musikalisch macht, ist fantastisch!

Ja, das war auch ein Stück weit beabsichtigt. Die letzten paar Songs, also 'Anthem To The Dark Side' und 'The Long Darkness' sind beide alte Songs von... also, ich sag jetzt, mal wirklich ganz früher! Wir zählen die History von ORDEN OGAN eigentlich erst ab 2008, ab dem Zeitpunkt, wo das "Vale"- Album erschienen ist und wir mit einer Plattenfirma und einer Booking-Agentur gearbeitet haben.

CoverEs gibt ORDEN OGAN, oder sagen wir es mal so, eine andere Version von ORDEN OGAN, schon deutlich länger, das war zu Schülerband-Zeiten… aber das ist halt eine ganz andere Konstellation gewesen, deswegen kann man schon sagen, dass das echt zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Und trotzdem habe ich aber zu der Zeit, es müsste 1998 gewesen sein, 'Anthem To The Dark Side' geschrieben. Da war ich zarte 17 Jahre alt, und das Stück ist damals sogar auf einem Sampler erschienen. Wir fanden immer, dass es eine gute Nummer ist und ich habe mir immer irgendwie gedacht: Man müsste das mal hören, wie es mit einer amtlichen, modernen Produktion klingt. Und deswegen haben wir das Stück 2015 zu "Ravenhead"-Zeiten tatsächlich schon einmal neu aufgenommen. Und davon hatten wir noch die Gitarrenspuren, die Drums und alles noch rumliegen. Es passte jetzt auf dem neuen Album, auch thematisch, wie die Faust aufs Auge! So ähnlich war es dann auch bei 'The Long Darkness', das Lied kommt eigentlich aus den "Gunman"-Sessions. Und auch da haben wir nur wirklich ein paar Sachen im Text umbauen müssen, damit es sich komplett in das neue Album eingliedert und in die die Konzeptstory passt.

Und das Ding ist halt: Die neueren Sachen, die wir jetzt so schreiben, also die erste Hälfte des Albums, das ist halt sehr auf dem Punkt! Man sagt schnell das, was man musikalisch sagen will, und ich glaube, das passiert, wenn man im Laufe der Jahre als Songwriter reift. Du wirst halt besser in dem, was du tust und schmeiß dann all den unnötigen Ballast über Bord.

Trotzdem, wir haben ja auch eine History, nimm zum Beispiel "Easton Hope" von 2012, das war schon ein relativ "verprogtes" Album. Und mit Stücken wie denen am Ende vom neuen Album, bedienen wir die alten Fans. Es kommen immer noch mal Leute, selten, aber es passiert, die sagen: "Mensch, Seeb, früher diese langen ausufernden Sachen fanden wir besser..." Und wir fanden das ja auch geil und diese Stücke sind ja auch schon was Besonders. Wir versuchen halt seitdem, auf jedem Album mindestens eine Nummer in der Art mit drauf zu haben.

Der Einstieg in das Album hat mich verblüfft. Ich hab dann erstmal gedacht: Bin ich irgendwie auf vorspulen gekommen? Das Album geht ja wirklich direkt mit Gesang los und ist voll auf den Punkt, wie du schon gesagt hast. Ist das auch so ein Stückchen weit den Hörgewohnheiten in der Streamingzeit geschuldet, wo man eben sagt…

...jaja, diese Frage kommt öfter, aber: nein. Also gerade 'Kings Of The Underworld', das ist eine Nummer, die muss einfach so anfangen, alles andere wäre Ballast gewesen! Wir fanden das auch geil, sofort mit so einem Double Bass Part, der komplett in die Fresse geht. Kein Intro - einfach sofort los! Radau! Das fanden wir super.

Also wegen der kürzeren Songs: Das hat keine Hintergründe, was das Streaming oder irgendwas angeht. Ich meine, die sind ja auch immer im Vergleich zu manchen Pop Tracks noch lang mit vier bis fünf Minuten. Es ist halt einfach nur, dass wir denken, dass das halt die Länge ist, die die Songs haben sollten ohne dass es halt irgendwie "too much" ist.

Band 1Im Promo Material ist zu lesen, dass ihr beim Komponieren diesmal Unterstützung von einem Fan aus Uruguay hattet. Seeb, was ist da los?

Ja, das ist eine geile Story! Mir ist wichtig zu sagen, wir machen ORDEN OGAN hauptsächlich für uns. Also, auch wenn ORDEN OGAN mittlerweile ein relativ großes, wirtschaftliches Potenzial hat, ich verdiene ja mein Geld damit, ist es trotzdem so, dass wir uns da nicht irgendwelchen Sachzwängen unterwerfen wollen, sondern wir machen das wirklich, weil wir da Bock drauf haben! Ich mag das eigentlich auch nicht, diesen Begriff zu benutzen, aber ich sehe es auch ein Stück weit tatsächlich als Kunst. Und es ist schön, dass es erfolgreich ist. Es ist schön, dass wir damit Geld verdienen. Es ist auch geil, vor vielen Leuten zu spielen! Aber was ich damit sagen will: Wir würden es trotzdem machen, wenn wir am Abend auch nur vor 50 Leuten spielen würden, weil wir es einfach in erster Linie für uns machen und demzufolge, wenn wir ein Album schreiben, muss das auch in erster Linie uns gefallen.

Ich wusste, wo ich mit dem Album hinwollte. Als ich mit dem Komponieren angefangen habe, war eigentlich klar: Ich wollte etwas Reduzierteres machen, mehr ein Heavy Metal Album, also gitarrenlastiger, weniger Bombast, ein bisschen weniger Orchestersachen und auch die Chöre ein bisschen zurückfahren. Das war eigentlich so der Plan, damit haben wir angefangen, zu schreiben. Aber tatsächlich waren die ersten Ideen, die kamen, alle Müll, so dass ich selbst gesagt habe: nee, also das reicht auf jeden Fall nicht, um auf ein ORDEN OGAN Album zu kommen. Wir waren dann etwas... naja... keine Ahnung, wir wussten irgndwie nicht wohin. Und dann gibt es den Santy, das ist ein Hardcore ORDEN OGAN Fan aus Uruguay, der uns dadurch aufgefallen ist, dass er so alle zwei Wochen auf Youtube eine ORDEN OGAN Coverversion veröffentlicht hat. Ok, das war nicht alles immer richtig, was er da gemacht hat, aber hier und da hat er wirklich kreative Änderungen vorgenommen, ab und zu mal einen anderen Akkord oder mal einen Breakdown, wo im Original keiner war. Und das war teilweise so gut, dass ich gesagt habe: Hätten wir das mal so im Original gemacht! Und ja, also ich weiß gar nicht genau, wie es passiert ist, aber in einem spontanen Moment, habe ich ihm geschrieben und ihn gebeten, mir seine Nummer zu schicken. Ich habe ihn dann angerufen...

Also bei ORDEN OGAN sind alle absolut ganz entspannte Down to Earth Typen, wir sind wirklich so die relaxtesten Menschen, die du irgendwie im Metal treffen kannst. Und deswegen das Konzept "starstruck" zu sein, das das gibt es bei uns nicht. Aber für ihn war das wirklich, als ob ihn James Hetfield angerufen hätte. Das war echt schon lustig und irgendwie knuffig. Auf jeden Fall ich habe da ein bisschen mit ihm gequatscht und habe dann gefragt: "Du sag mal, könntest dir vorstellen, für das nächste ORDEN OGAN Album ein paar Sachen zu schreiben?" und dann kamen zehn Sekunden: Stille.

Und dann "Ah man, that is so awesome!" Der hat sich so gefreut, und einen Tag später hatte ich dann das erste Riff vorliegen und das war direkt so gut, dass es halt sofort in einem Song gelandet ist. Der Santy ist halt per Definition wahnsinnig, er hat unfassbar viel geschrieben. Tatsächlich ist dann aber gar nicht so viel davon auf dem Album gelandet, insgesamt sechs bis acht Ideen, mal ein Riff hier, mal eine Melodie da. Aber hauptsächlich hat er uns eine Perspektive von außen gezeigt, wie jemand, der wirklich Hardcore-Fan ist, der dann auch gleichzeitig noch musikalisch sehr begabt ist, die Band sieht und wie er denkt, dass sie klingen sollte. Das hat bei uns den Knoten zum Platzen gebracht und dann hat sich der Rest vom Album auch unfassbar schnell wie von selbst geschrieben. Diese Perspektiven von außen, das war halt wirklich das, was wir gebraucht haben. Die lustige Entwicklung ist: Santy überlegt momentan, ob er nach Deutschland zieht und hier als Co-Producer im Team mitarbeitet. Eine echte Hollywood-Story!

Stichwort Songwriting: Wie ist das bei dir?  Hast Du Bürozeiten, wo Du Dich von zehn bis vierzehn Uhr hinsetzt und versuchst, was zu schreiben oder bist du mehr so der Typ der permanent irgendwo auf einen Notizblock, Serviette, Bierdeckel etc. kritzelt oder ins Handy summt?

Beides, so seltsam das jetzt klingt. Also, einen, ich sag mal, einen RICHTIGEN Musiker unterscheidet von jemandem, der "nur" ein Instrument spielt, das die Musik einfach allgegenwärtig ist. Das war bei mir auch immer schon so. Also mein ganzes Leben ist Musik, ich kann auch gar nichts dagegen machen. Bei unserem Drummer ist das auch so, setz' den irgendwo in eine Ecke, der fängt sofort an, auf seinen Beinen zu trommeln. Das geht nicht aus einem raus, das ist einfach immer da. Und daher kann es bei mir sein, dass ich nachts aufwache und habe irgendwie einen kompletten Song geträumt und singe dann in mein Handy. Manchmal entsteht was, während ich auf der Gitarre rumdudele. Oder ich höre irgendwas im Radio und denke mir ja, das ist ja ganz cool, aber ich würde es anders machen, und zwar so und so! Und dann entsteht daraus irgendwas.

Ich habe auch früher immer gedacht, ich kann nur abends kreativ sein, wie man das halt so oft von Kreativen kennt. Tatsächlich glaub ich mittlerweile aber eher, das ist irgendwie so eine Konditionierung, weil man früher nach der Schule, nach dem Beruf, nach dem Studium, wie auch immer, auf jeden Fall sich abends immer noch hingesetzt hat und seinem Hobby nachgegangen ist. Ich habe aber, während ich letztes Jahr das ANGUS MCSIX-Album gemacht habe, festgestellt, dass es auch anders geht. Da war es tatsächlich so, dass ich mich wirklich, wie du gerade sagtest, bürozeitenmäßig hingesetzt habe. Morgens aufgestanden, um 09:00 Uhr saß ich am Mischpult und haben Sachen geschrieben. Und tatsächlich funktioniert das für mich sogar noch besser, weil man, entgegen der Erwartung, morgens einfach noch frischer ist. Das Gehirn funktioniert einfach besser, du kommst schneller vorwärts. Man hat vielleicht nicht diese Inspiration, aber wenn ich etwas gelernt habe in den letzten Jahren: wenn man sich hinsetzt und will was machen, dann kommt auch irgendwas dabei rum. Also ja, beides. Ja, tatsächlich.

Band 1Hörst du privat noch (Power) Metal? Oder sagst du: ich produzier so viel, ich mache ORDEN OGAN, ich brauche privat Jazz oder sowas?

Ich höre fast gar keine Musik, weil ich so viel mit Musik am Kopf habe. Andere Leute sind da vielleicht anders, aber wenn du den ganzen Tag von morgens neun bis abends um sechs oder so irgendwie Mucke anhast, dann bist du irgendwann mal froh, wenn du nichts mehr hörst.

Ich hab das auch privat beim Autofahren, Wenn Leute irgendwie Musik anmachen denke ich oft: "Bitte nicht, muss das sein?" Ich liebe die Motorengeräusche, lass einfach nur den Motor an!

Davon jetzt abgesehen ist es auch irgendwie ein Irrglaube, denn Power Metal höre ich quasi gar nicht! Es gibt Sachen, die ich früher in der in der Jugend geil fand, zum Beispiel BLIND GUARDIAN mit "Imaginations From The Other Side" oder von RUNNING WILD "Death Or Glory", das halte ich immer noch für das beste Metal Album was hier in Deutschland je gemacht worden ist. Ich weiß nicht, ob es das Genre selber ist, aber mich hat seit diesen Alben nicht mehr sehr viel abgeholt im Power Metal-Bereich. Irgendwie ist alles das, was immer kitschiger und immer mehr happy wird, sowieso schon mal gar nicht meins. Das ist auch einer der Gründe, warum ORDEN OGAN auch verhältnismäßig dunkel, düster ist, und auch relativ viele harte Parts hat. Ja, also ich sehe uns auch eher wie eine melodiösere und bombastischere Version von METALLICA, als dass ich denke, dass wir eigentlich eine Power Metal Band sind. Ich würde ORDEN OGAN als Dark Power Metal bezeichnen. Wenn man an Power Metal denkt, ist ORDEN OGAN nicht unbedingt das Erste, was man sich darunter vorstellen würde, denke ich.

Mittlerweile ist ORDEN OGAN selbst eine Referenz-Band geworden, nicht wie früher, zu Zeiten eures Durchruchs mit "Easton Hope", wo es heißt, ihr seid die neuen BLIND GUARDIAN, die neuen RUNNING WILD... sondern "klingt wie...

(Hier stoppt mich Seeb, da es mir wieder einmal passiert ist, das mir bei der Aussprache ds Bandnamens das R in ORDEN abhanden gekommen ist und OGAN zum ORGAN wurde)

Ja, aber bitte "klingt wie ORDEN OGAN". ORDEN genau wie im Deutschen,  wie der religiöse Orden, das Ding mit Mönchen und so! Und OGAN spricht man auch einfach Deutsch aus, das ist übrigens Altkeltisch für Angst. Aber der Name ist Scheiße, ich weiß. (lacht )

Aber zu Deiner Frage: Das ist damals pressemäßig total aufgebauscht worden, von seiten der Fans ist das gar nicht so oft passiert. Nachdem das "Vale"-Album rausgekommen ist, hat Götz Kühnemund im Rock Hard geschrieben: "ORDEN OGAN ist der einzige legitime BLIND GUARDIAN-Nachfolger" und im Metal Hammmer stand "ORDEN OGAN sind die neuen RUNNING WILD".

Und weil die beiden Bands soundmäßig so weit auseinander sind - beide spielen zwar melodiösen Power Metal, aber das war's dann auch schon - fand unser Label es schlau, für die "Easton Hope" in die Pressemitteilung zu schreiben: Für die einen sind sie die neuen BLIND GUARDIAN, für die anderen die neuen RUNNING WILD. Das sollte eigentlich zum Ausdruck bringen, dass wir einen eigenen Sound haben und NICHT wie die eine oder andere genannte Band klingen.

Weder denken wir, dass wir nach BLIND GUARDIAN klingen, noch denken BLIND GUARDIAN, dass wir wie BLIND GUARDIAN klingen würden. Der Marcus Siepen sagte zu mir: "Neue BLIND GUARDIAN? Was soll denn das? Wir sind doch noch aktiv, warum brauchen wir schon einen Nachfolger?"  (lacht)

Ist das neue Album textlich eine durchgängige Konzeptgeschichte oder sind es nur bestimmte Songs, die sich mit Alister Vale beschäftigen?

Das Konzept läuft im Prinzip seit 2008, seit "Vale". Im Booklet der "Vale" ist die Story auch noch abgedruckt gewesen. Dann haben wir irgendwann gedacht: Ach, die Leute können das ja mit den Texten erschließen, aber das war vielleicht ein bisschen, na wie soll ich sagen... vielleicht ein bisschen zu viel erwartet von den Leuten.

Es sind immer ein paar Songs des Albums, die diese Konzept-Story vorantreiben. Es sind nie alle und ich weigere mich auch, ein komplettes Konzeptalbum zu machen, weil dann kein Song mehr für sich allein stehen kann und die Songs immer Sklaven der Geschichte sind. Und das ist Scheiße, dann verlierst du halt irgendwie die Möglichkeit, auch einfach mal so einen geilen Song zu schreiben oder zu veröffentlichen, weil er nicht in das Konzept des Albums passt. Also ist die Antwort auf Deine Frage: Es sind nur ein paar Lieder.

Gehört 'My Worst Enemy' dazu oder ist das einer der losgelösten Texte? Da habe ich mir beim Hören gedacht, der Text könnte auf der einen Seite zur Konzept-Story passen. Alister Vale  ist ja quasi sein eigener, schlimmster Feind, weil er mit dem, was er ja in guter Intention tun will, das Schlechte und Böse ja immer weiter potenziert, wenn ich das aus dem Promo Text und beim Hören vom Album richtig verstanden habe. Auf der anderen Seite ist es halt ein wahnsinnig beeindruckender, berührender Text über das Thema psychische Gesundheit & Depression.

Danke. Es gibt halt drei Varianten von Texten. Also du hast halt entweder Songs auf den ORDEN OGAN-Alben, die komplett nur diese Story vorantreiben. Du hast manchmal Songs, die textlich rein gar nichts damit zu tun haben und du hast eben die, die beides tun, also die sowohl für sich selbst stehen und auch im Kontext der Story gedeutet werden können. Also da freue ich mich immer am meisten drüber, wenn so ein Text gelingt. Und das hast du gerade ganz hervorragend erkannt mit 'My Worst Enemy'. Das ist zum Beispiel bei 'F.E.V.E.R.' auch so, das ist auch ein Song, der von der Bedeutung her zwei Ebenen hat. Da gibt es mehrere von.

Ist die Story von Alister Vale mit diesem Album abgeschlossen oder begleitet der Gute euch weiterhin?

Der begleitet uns weiterhin, das ist jetzt der vorläufige Höhepunkt: die Welt steht am Abgrund. Und jetzt mal gucken, wie es weitergeht.

Band 3Ihr seid von AFM zu Reining Phoenix Music (RPM) gewechselt. Was war der Hintergrund? AFM hat euch ja jahrelang begleitet, immer weiter gepusht. War dann einfach von der Größe der Plattenfirma ein Punkt erreicht, wo man sagt: für den nächsten Schritt brauchen wir einen anderen Partner?

AFM hat das all die Jahre lang super gemacht und ist eine super Plattenfirma. Jetzt war es einfach Zeit für den für den nächsten Schritt. Für uns gab es für uns zwei Möglichkeiten: Entweder Napalm Records oder RPM. Und beide wollten es machen und haben super Angebote vorgelegt. Wir haben uns dann für RPM entschieden, weil, ich weiß nicht, ob du da so mit den Hintergründen vertraut bist, aber RPM ist ja im Prinzip eine neue Variante von Atomic Fire Records, und das sind die alten Nuclear Blast Leute, zumindest ganz viele davon. Plus: Du hast bei RPM jetzt noch Jochen Richard und Nils Wasko, die beide Label Manager und Eigentümer von AFM waren, also die Leute, mit denen ich im Prinzip den ORDEN OGAN Karriereweg bestritten hab. Das ist im Prinzip die Fusion der beiden besten Welten. Die Leute kenne ich, bei denen weiß ich, dass die super sind, mit denen kann ich gut arbeiten und ich habe die beide auf Kurzwahl im Handy.

Mit ANGUS MCSIX habe ich mit Napalm Records auch eine super Erfahrung gemacht, insofern wäre das auch eine Option gewesen, aber in diesem Moment hat sich das dann besser angefühlt, mit ORDEN OGAN zu RPM zu gehen. Und mit ANGUS MCSIX sind wir ja auch noch bei Napalm, insofern: alles gut.

Die Frage wollte ich vorhin eigentlich stellen, als wir über Songwriting gesprochen haben, aber hier passt sie auch, weil Du ANGUS MCSIX erwähnt hat. Wie unterscheidest du, ob du einen Song für ANGUS MCSIX nimmst oder für ORDEN OGAN?

Ja, also ANGUS MCSIX hat schon ein klares definiertes Ziel von dem, wo man da hinwill. Bei ORDEN OGAN ist es wirklich Ausdruck der Persönlichkeit und dessen, was man grade irgendwie machen will. ANGUS MCSIX ist schon mehr mit einem Konzept verbunden, wo man dann auch darauf hinschreiben will.

Ich wollte zuerst schon schnippisch antworten: Das entscheidet der Tom (Thomas Winkler) für mich, ob ich den Song für ORDEN OGAN verwenden muss oder ob ich ihn bei ANGUS platzieren kann. Das hat es tatsächlich auch schon gegeben, eine der Nummern auf dem neuen Album, 'Prince Of Sorrow' ist zum Beispiel eine Nummer, die ich eigentlich für ANGUS geschrieben hatte und Tom dann sagte: "Nee, das ist zu ORDEN OGAN-mäßig, das funktioniert irgendwie nicht" und ja, damit hat er auch Recht gehabt! Aber ich schreibe die Alben ja nicht immer gleichzeitig, sondern abwechselnd und insofern kann man sich ja ganz gut auch darauf einstellen, was man jetzt gerade macht.

Ich weiß nicht, du wirst dich wahrscheinlich nicht mehr dran erinnern, aber wir sind uns tatsächlich schon mal von Angesicht zu Angesicht begegnet, und zwar auf dem Rock Hard Festival 2013 bei der Autogrammstunde.

Auweia.

Ich habe dich allerdings leicht von der Seite angemacht, weil ich dir gesagt habe, dass ich es eigentlich nicht gut finde, dass ihr fette Backing Vocals habt, aber nur dein Mikro auf der Bühne und keine für Nils und Tobias. Du hast mich etwas schräg angeguckt und hast sowas gesagt wie: "Ja, nun müssen wir mal drüber nachdenken, ob wir dort eventuell in Zukunft mal was ändern." Und 2016, beim nächsten Auftritt, kommt ihr auf die Bühne und da stehen drei Mikros und ich denk mir: "Ach guck! Sie haben auf mich gehört."

(lacht) Das warst aber nicht nur Du alleine (lacht) - Ja, das kam tatsächlich ein paar Mal! Die Kritik haben wir uns damals zu Herzen genommen.

Das ist auch ein immer wieder aufkommendes, kontroverses Thema: Einspieler auf Konzerten. Es ist klar, als kleine Band kannst Du nicht immer zwei Keyboarder und einen großen Chor mitschleppen...

... und Du kommst ja auch nicht mit zwei Keyboardern hin, also je nachdem, was für Musik du machst. Wobei diese Frage mit den Backings hin oder her... es gibt da ja auch extra dieses "No Playback Festival" und solche Geschichten, wo das ja explizit nicht stattfindet.

Ich weiß nicht, letztendlich ist es halt alles Kunst. Und unterm Strich soll der Künstler entscheiden, wie er meint, dass er seine Kunst am besten repräsentieren kann. Ich glaube auch, dass manche Leute, diese Puristen, entsetzt wären, wenn sie wüssten, wie das auch bei ihren großen Helden teilweise läuft. Und einfach mal so ganz polemisch die Frage in den Raum gestellt: Wenn du eine Band bist und zu deiner Show kommen 10.000 plus ein paar Leute - ja willst du das absagen und die Leute nach Hause schicken, weil der Sänger eine Erkältung hat?

Wenn der Sänger eine Erkältung hat, vielleicht - zumindestens, wenn er gar nicht mehr singen kann, aber es ist tatsächlich eine spannende Frage.

Ja, aber das ist genau das, was ich meine. Selbst wenn er gar nicht mehr singen kann, gibt es Mittel und Wege. Und ich glaube auch, dass diese Maßnahme sehr oft und sehr viel häufiger ergriffen wird, als man denkt. Und ich find das auch absolut legitim, also wenn du überlegst, was da irgendwie rein aus wirtschaftlicher Sicht dranhängt.

Klar wünscht man sich keine Vollplayback Show, aber wenn es keinem auffällt, ist es ja auch schon wieder egal. Weißt du, ich sehe das so oft, gerade als Musikproduzent, wenn ich vor der Bühne stehe. Dann leg ich den Kopf so ein bisschen schräg und sage: na, na na, wenn das mal echt ist... Und bei ganz vielen Sachen weiß ich, dass es nicht echt ist. Ich glaube, das wird einfach so viel öfter gemacht, als man denkt – aber ich weiß es nicht. Letztendlich ist es Show.

Also: wenn man mal ein ORDEN OGAN-Konzert betrachtet: Wenn du gerade die opulenteren Sachen nimmst und die irgendwie umsetzen wollen würdest, so dass alles von echten Menschen kommt, dann hätten wir, wohl ungefähr 100 Leute auf der Bühne. Das ist natürlich klar, dass das nicht funktioniert!

Und das hängt natürlich von der Mucke ab. Nimm eine Punkband, mit Drums, Bass, Gitarre oder eine Death Metal Band wie ASPHYX oder so, die hat auch Bass, zwei Gitarren, Drums und Grunzvocals. Das geht immer irgendwie. Und dann nimm mal RHAPSODY OF FIRE - die müsste dann theoretisch irgendwie immer mit Orchester spielen, ist ja Quatsch. Es hängt halt einfach von der Musik ab.

Final Day Orden Ogan and FriendsEinen Song habe ich noch, den ich mal ansprechen wollen würde und das ist 'December'. Der gehört zwar nicht zum aktuellen Album, aber ich habe in einem Interview zu zum Vorgängeralbum "Final Days" gelesen, dass es da einen Song gab, den ihr wieder runtergenommen habt, weil du gesagt hast, den konnten wir einfach zu der Zeit - zu Anfang der Corona-Pandemie- nicht bringen. Und dann war er als neuer Song auf der ORDEN OGAN & Friends Version des Albums. Der Text war wirklich vorher, vor CORONA, fertig?

Ja. Die "Final Days" ist ein Album mit dem Konzept über unterschiedlichste Szenarien, wie die Welt zugrundegehen könnte. Du hast 'In The Dawn Of the AI', da geht es um die künstliche Intelligenz, die Bewusstsein erlangt, wie in Terminator. Mittlerweile glaube ich aber, mit der rasanten Entwicklung jetzt gerade, nicht mehr, dass das das Problem sein wird, sondern einfach nur, dass Menschen das gegen Menschen benutzen werden - wie Menschen das halt immer tun. Dann gibt es 'Interstellar' über eine Alien Invasion, einen Kometeneinschlag in 'It Is Over' und einen nuklearen Konflikt mit 'Let The Fire Rain' und es ist noch mehr drauf. Das sind halt diese ganzen Sachen, die uns dazu eingefallen sind. Und eine davon war halt ein ultra-tödlicher Killervirus mit einer globalen Epidemie. Wenn man den 'December' Text richtig liest, dann liest man auch, dass es eigentlich darum geht, dass die Menschheit fast oder sogar komplett ausgerottet wird - das ist nicht ganz klar am Ende. Insofern ist es eindeutig nicht die Referenz auf Corona! Trotzdem gab es dann auch unter dem Musikvideo zig Kommentare, wo Leute geschrieben haben: "Wie konntet ihr denn damals schon von "Gain of Function" wissen?" Und auch da kann ich wieder nur sagen: Wenn man seine Hausaufgaben macht und irgendwie ein bisschen nachforscht und sich in Themen einliest und recherchiert, dann stolpert man halt auch über solche Konzepte.

Das heißt also: Der Text zu 'December' war definitiv vorher fertig und das ist auch nachweisbar. Aber es ist natürlich trotzdem gruselig, wie parallel viele Sachen dann halt wirklich gelaufen sind.

Was steht bei euch als nächstes an? Erstmal kommt ja der Release auf dem Rockharz Festival, was kommt danach?

Genau. Wir kommen gerade von der Tour mit FEUERSCHWANZ, waren vier Wochen unterwegs, das war richtig geil, hat richtig Bock gemacht. Dann spielen wir relativ viele Festivals im Sommer! In den nächsten zweieinhalb Monaten sind das 16 oder 17 Festivals, wir sind also sind auf jeden Fall gut beschäftigt. Der Album-Release ist dann am 05.07.2024, also genau zum Rock Harz Festival. Dann kommt Ende des Jahres noch ein europäischer Tour-Abschnitt mit FEUERSCHWANZ, der ist aber relativ kurz, das sind nur so etwa zwölf Shows.
Und sehr wahrscheinlich gehen wir dann Anfang nächsten Jahres als Headliner auf Tour - das ist aber noch nicht ganz klar.

Endspurt! Die letzten Interview-Minuten laufen! Kennst und vor allem: liest du Powermetal.de?

Ja klar, logisch kenne ich eure Seite! Aber mittlerweile lese ich nur noch sehr wenig, aber das hat nichts mit Powermetal.de zu tun, sondern ich folge einfach generell der Musikpresse nur noch sehr wenig. Aber trotzdem lese ich sehr viel, meist aktuelle Nachrichten - aber aus aller Welt. Also ich guck morgens meistens von Al Jazeera über die Moskau Times über CNN und so weiter, diese Chinesische Nachrichtenseite, deren Namen mir gerade nicht einfällt. Also einmal durch die ganze Welt, einmal zumindest die Headlines, mal eben gucken, was gerade los ist.

Und dann muss ich sagen, es ist tatsächlich die letzten paar Jahre wirklich so busy geworden. Ich bin zum Beispiel auch früher ein begeisterter Gamer gewesen, ich komme da einfach gar nicht mehr zu. Es ist echt nur noch sehr wenig Zeit für Freizeit und wenn da mal Freizeit ist, versuche ich die, wenn es irgendwie geht, mit der Familie zu verbringen.

Aber wenn irgendwo ein Rock Hard oder Metal Hammer oder sowas rumliegt, nehme ich den gerne in die Hand. Aber wenn ich den jetzt irgendwie extra kaufen würde, dann würde er nur rumliegen und würde nicht gelesen werden, weil ich einfach nicht dazu komme.

Eines meiner ersten Interviews für Powermetal.de war mit Mo von THORNBRIDGE. Und den habe ich dann noch darauf ansprechen müssen, dass in so gut wie jedem Review steht, dass sie klingen würden wie ORDEN OGAN. Und er sagte mir: Das liegt natürlich an der Produktion und auch ganz viel an den Chören und der Art, wie du die Chöre arrangierst.

(lacht) ... und in der Art, wie er die Songs schreibt!!!! (lacht)

Mo ist ja auch jemand, der Metal-Fan ist.

Ja, total! Mo macht das super, und ich finde jetzt nicht, dass die so mega nach ORDEN OGAN klingen. Bei denen tut es mir schon fast leid, weil ich das auch schon sehr oft gelesen habe, dass das irgendwo stand.

Man hört auch, dass du ein ein TORIAN-Album ("God Of Storms") produziert hast. Man hört das einfach raus, du hast da schon einen gewissen Signature Sound bei deinen Produktionen – aber der ist immer verdammt gut.

Danke. (schmunzelt) Und die TORIAN, die habe ich extra schon komplett anders "gedreht" als ich sonst etwas mischen würde, aber es klingt irgendwie trotzdem so nach mir, ja! Gut, dann ist das bei mir wohl wie bei Andy Sneap. (lacht)

Dann Danke und gute Fahrt (Seeb hat das Interview von der Rückbank eines fahrenden Autos geführt)

Ja, ich danke auch. Das war nett, machen wir gerne wieder.

Fotocredit: Nat Enemde

Redakteur:
Maik Englich

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