PANDEMONIUM: Interview mit Paul
11.09.2011 | 14:49Mittlerweile zwanzig Jahre währt die Geschichte der polnischen Black-Metal-Band PANDEMONIUM, die mit ihrem kommenden Album "Misantrophy" antritt, um nunmehr auch außerhalb der eigenen Landesgrenzen Fans des Dunkelmetals zu begeistern. Sänger, Texter und Gitarrist Paul gewährt aus diesem Anlass Einblick in seine Erfahrungen als Black Metaller im katholischen Polen und erfreut auch nach langen Jahren eher im musikalischen Underground seines Heimatlandes mit beträchtlicher Begeisterung an der Sache. Seine Vorfreude auf die Eroberung der westeuropäischen Metal-Szene reißt mit und macht neugierig auf die in Kürze zu erwartende Scheibe.
Erika:
Euer neues Album "Misantrophy" steht kurz vor der Veröffentlichung. Ein guter Zeitpunkt, um auf die Geschichte eurer Band zurückzuschauen. Vor rund zwanzig Jahren habt ihr mit PANDEMONIUM in Polen begonnen, einem Land, das man nicht unbedingt sofort mit Black Metal in Verbindung bringt. Beschreibe einmal, wie es sich in dieser Zeit entwickelt hat, in eurem Land als Black-Metal-Band zu spielen.
Paul:
"Misanthropy" ist so gut wie fertig und wir können es kaum erwarten, das Album via Pagan Records an den Mann zu bringen. Bald ist es aber soweit! Tatsächlich, wir sind schon seit zwanzig Jahren dabei, und wahrscheinlich waren wir die ersten, die in Polen Black Metal gespielt haben und das mit Erfolg! VADER, BEHEMOTH, CHRIST AGONY - das sind die wenigen Glücklichen, die damals angefangen haben und ihr Ding bis heute durchziehen. Das alles ist wirklich harte Arbeit. Du musst es dir so vorstellen, dass wir und die genannten Bands (natürlich waren es viele mehr, aber diese sind bei euch bekannt) in einem katholischen Land extreme Musik mit dementsprechend harten Texten machen, was nicht immer einfach war. Heute ist es schon viel besser.
PANDEMONIUM, wie man auch in den letzten "Promo 2010"-Reviews aus Österreich oder Deutschland lesen kann, ist in den genannten Ländern nicht besonders bekannt, was ganz sicher "Misanthropy" ändern wird. Tatsächlich, als Band blieben wir immer im Schatten, was aber völlig gewollt und bewusst war. Neben dem Mainstream zu bleiben, hat uns mehr oder weniger einen Kultstatus in Polen gebracht. Warum? Da muss man schon die vielen Fans fragen, die die vielen Jahre mit uns sind.
Erika:
Wie haben die Leute denn Anfang der 90er Jahre auf eure Musik reagiert und wie hat sich das bis heute verändert?
Paul:
Die Reaktion war schon immer positiv. Damals, bis heute, haben wir unseren Stil kaum geändert. Die Musik ist düster, bedrohlich, unclean. Natürlich bedeutet es nicht, dass unsere Alben alle identisch waren, es geht mehr um die Atmosphäre und Erscheinung der Band und die Texte. Das alles begleitet uns in den ganzen Jahren. Die Band an sich, wir als Musiker haben uns natürlich weiterentwickelt, alles wurde homogener und komplexer. Das passiert aber mit jeder Band, die so lange existiert und so ein Entwicklungsprozess ist völlig normal.
Erika:
Polen ist ein sehr katholisches Land. Sind die Mitglieder von PANDEMONIUM einer religiösen Erziehung ausgesetzt gewesen? Und wie hat dies eure Kompositionen beeinflusst?
Paul:
Eigentlich hat das ganze gar keinen Einfluss, hehehe. Ich weiß, was Du meinst, ist aber doch nicht so tragisch. Wie ich schon gesagt habe - es war damals nicht einfach. Heute ist es besser, aber die Mentalität hat sich auch geändert. Um es so auszudrücken - wir wurden alle getauft usw., haben Familien und neben der Musik ein völlig normales Leben. Unsere religiöse Erziehung liegt schon lange hinter uns und ohne die könnte ich meine eigene Meinung nicht bilden. Über Sachen zu singen, ohne den Hintergrund zu kennen und zu verstehen, ist einfach, aber da verliert es an Glaubwürdigkeit und die Texte, die Musik, die ganze damit verbundene Show, hat dann kein Bedeutung. Wir und auch alle anderen Bands, nicht nur aus dem Black-Metal-Genre, wir alle machen Musik für bestimmte Gruppen von Fans, die diese Form von Performance verstehen und mögen.
Erika:
Ich habe einige Videos eurer Live-Gigs gesehen und finde, dass eure Show wirklich ziemlich düster und atmosphärisch herüberkommt. Das ist natürlich das, was Black-Metal-Fans erwarten. Der Titel eures neuen Albums suggeriert ja auch eine bestimmte thematische Richtung. Nichtsdestotrotz noch einmal die Frage: Habt ihr eine spezielle Botschaft, die ihr thematisch in den Mittelpunkt stellen wollt?
Paul:
Hehe, wenn Du meinst, dass es wirklich düster und atmosphärisch rüberkommt - dann haben wir unseren Ziel erreicht. Um es so auszudrücken - früher, vor zehn, fünfzehn Jahren war es irgendwie einfacher auf der Bühne zu stehen. Verstehe mich bitte nicht falsch. Es geht darum, dass damals hauptsächlich die Performance der Band zählte. Die Musik und das, was die Band auf der Bühne präsentierte. In den Jahren hat sich das ganze aber weiterentwickelt. Das Gesehene wurde so wichtig, wie das, was die Fans zum Hören bekamen und die Bühnengestaltung musste die Sache abrunden. Ich finde es echt gut, so kommt die Musik besser rüber, den Fans wird mehr geboten, alles wird umso unvergesslicher. Die ganzen Banner, die Kleidung, Flammen auf der Bühne machen die Shows von PANDEMONIUM noch düsterer. Es stimmt einfach alles und jeder, der solche Musik mag, aber auch die, die einfach auf düstere Bühnenshows stehen - sie alle kommen auf ihre Kosten.
Was "Misantrophy" betrifft – der Titel des Albums sagt alles. Es ist ein Konzept-Album, bei dem ich in den Texten verschiedene Aspekte der Abneigung gegen die Menschheit beschreiben wollte und mit eigenen Gedanken vermischt habe. Es ist ein sehr komplexes Werk, in dem ich die Worte von Schopenhauer und Heidegger auf meine Weise interpretiert habe.
Erika:
Welche Ideen oder Philosophien inspirieren euch als Musiker?
Paul:
Unsere Inspirationen finden wir vor allem in christlicher Philosophie und Mythologie. Es ist traurig, dass die Schöpfer der universellen Werte uns denken lassen, dass das ihre eigenen Ideen sind, die sie aber selbst auch nicht beachten. Weißt du, was ich meine? Man sollte das beobachten und wenn es nötig ist, reagieren - was wir auch tun. Abgesehen davon ist, wie alle wissen, die Bibel der beste Krimi aller Zeiten ist und verbunden mit den Werten, die sie repräsentieren soll, ist das schon Grund genug, um sich mit dem Thema zu befassen.
Erika:
Gibt es auch politische Theme, die Einfluss auf eure Texte haben, zum Beispiel Polens Entwicklung hin zu einem EU-Land?
Paul:
Zum Glück nicht! Die Politik lässt uns in Ruhe, wir als Künstler, die mehr oder weniger Einfluss auf unsere Fans haben, wir tun das gleiche ihr gegenüber. Wir sind keine Punk- oder Hardcore-Band, unsere Inspiration ist völlig anderer Natur, obwohl sich hier zu Lande langsam eine traurige Situation entwickelt, in der sich die Kirche immer öfter in die Politik einmischt. Wenn es dann wirklich schlimm sein wird, wer weiß? Vielleicht werden wir uns dann auch mal mit dem Thema Politik befassen müssen, ist aber eher unwahrscheinlich.
Erika:
Nochmal zu eurem Album: Beim Hören der aktuellen Promoscheibe war ich positiv überrascht, dass ihr eine gelungene Mischung aus asketischem Sound – also ohne bombastische Keyboard-Parts – und eingängigen Melodien geschaffen habt. Welche Charakteristika sind bei der Soundgestaltung aus deiner Sicht wichtig?
Paul:
"Promo 2010" ist der Vorgeschmack auf "Misantrophy". Der Sound auf dem Album wird gewaltiger, die Atmosphäre noch düsterer. Als ich die Soundproben bekommen habe, bin ich vom Sessel runtergefallen!
Erika, wie schon gesagt, genau dieser Sound macht PANDEMONIUM so einzigartig und darauf werden wir nie verzichten. Natürlich, kommen da ab und zu Keyboards oder diverse Instrumente zum Einsatz, aber wirklich minimal und nur, um ganz kleine Partien hervorzubringen. Es war, ist und wird alles trotzdem sehr rar, bewusst ohne schnick schnack. Das macht die Musik von PANDEMONIUM nicht zugänglicher, aber umso ehrlicher und das finden wir wirklich wichtig. Deswegen machen wir Musik.
Erika:
Hast du als Musiker Erfahrungen mit anderen Musikrichtungen wie Klassik, Jazz oder Folk? Welche Musikstile hört ihr in der Band privat?
Paul:
Musik, die ich für PANDEMONIUM komponiere sind schwere Arrangements und Sounds. Was wir hören, da wäre die Liste ganz schön lange: Klassik, Filmmusik, Pop, Rock, Ethno, Electro... Der Mensch kann sich nur dann vervollkommnen, wenn er alles probiert. Wahrscheinlich würden manche Musikrichtungen ohne andere gar nicht existieren. Soviel ich weiß, ist Rock aus einer Mischung von Blues und Country entstanden. Ich bin sicher, dass jeder Musiker nicht nur in seinem eigenen Genre "sitzen" soll. Das erweitert die Sichtweise und hilft auch abzuschalten.
Erika:
Wie bewertest du die europäische Metal-Szene? Gibt es deiner Auffassung nach atmosphärische Unterschiede zwischen Konzerten in Polen und Deutschland?
Paul:
Noch vor einigen Jahren konnte man nach den ersten zwanzig Sekunden beim Hören einer CD sagen, dass die Band "X" entweder aus Skandinavien, USA (Florida) oder Mittel-West Europa kommt. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Die europäische Metal-Szene ist meiner Meinung nach, die mächtigste und vielseitigste der Welt, was ja eigentlich normal ist, weil Metal ja hier seine Wurzeln hat. Die Auswahl an Bands ist gewaltig und da kommen jeden Tag noch viele dazu, die sich anfangs durchkämpfen müssen, was natürlich auch einen Einfluss auf die Qualität hat, die immer besser wird. Was die Unterschiede zwischen einem Gig in Polen und Germany ausmacht - werde ich dir wahrscheinlich nächstes Jahr sagen können, wenn die Promotion für "Misanthropy" in die Konzertphase geht. Wir können es kaum abwarten, in Deutschland und Österreich mit den neuen Songs und dem ganzen Bühnenequipment aufzutauchen, um die Bühne zu zerstören!!!!
Erika:
Wie sehen eure Zukunftsambitionen mit PANDEMONIUM aus?
Paul:
Seitdem Grzegorz Fijalkowski von Godz Ov War Productions als unser Manager mit am Board ist, blicken wir nur nach vorne. Momentan konzentrieren wir uns darauf, das "Misanthropy" Album bis Herbst 2011 auf den Markt zu bringen. Seit dem Moment, wird sowieso nichts mehr so sein, wie es ist. Für uns als Band, für unsere Fans, für die, die an uns zweifelten. Diese Platte wird alle umhauen, da bin ich mir sicher. Dieses Album ist anders als alles, was ihr bis jetzt kennt. Wird Euch zu Boden werfen, mental vergewaltigen, nie mehr loslassen.
Erika:
Danke für das Interview.
Paul:
Danke auch, Erika! Immer wieder gerne!
- Redakteur:
- Erika Becker