PANZERBALLETT: Interview mit Jan Zehrfeld

09.12.2015 | 15:17

So kompliziert wie möglich - so nachvollziehbar wie nötig.

PANZERBALLETT klingt so, als würde eine Jazz-Combo MESHUGGAH covern. Oder MESHUGGAH Jazz-Standards spielen. Halt so, als würden Panzer Ballett tanzen. Nur mit dem kleinen, aber entscheidenden Unterschied, dass hier Bühne und Orchestergraben das Spektakel mit Sicherheit überstehen werden. Wie es mit den Hörmuscheln und Synapsen unbedarfter Hörer aussieht, steht gewiss auf einem anderen Blatt. Der Titel des neuen Albums, "Breaking Brain", ist folglich ein konsequenter Hinweis auf die nachhaltigen Folgen des Musikkonsums. Das Album ist vor kurzem über Gentle Art of Music erschienen und die Band konnte es Ende November auf dem "Generation Prog"-Festival in Nürnberg vorstellen. Einige Gründe für ein Gespräch mit Komponist und Mastermind Jan Zehrfeld.

Nils: Jan, sei doch so nett und stelle unseren Lesern das PANZERBALLETT vor. Wie kommt man als Jazzer zum Metal und umgekehrt?

Jan: Ich habe mit 16 wie so viele Teenager die E-Gitarre für mich entdeckt. Der Metal boomte gerade und Bands wie METALLICA, AC/DC, oder GUNS 'N' ROSES waren richtig groß. Seitdem - und bis heute - wollte ich immer laute und harte Musik machen. Das habe ich immer gebraucht. Den Jazz habe ich dann auch relativ früh entdeckt und festgestellt, dass er viele für mich interessante Facetten hat. Das ging dann so weit, dass ich auch Jazz studiert habe. Nach vielen Jahren des Musizierens im Metal und im Jazz, aber getrennt voneinander, kam ich zu dem Punkt, etwas Eigenes zu machen. Also etwas, das nur von mir kommt und wo ich all die Sachen umsetzen kann, die ich schon immer umsetzen wollte.
Bis dahin habe ich in beiden Richtungen immer etwas vermisst, wollte nie nur Metal oder nur Jazz spielen. PANZERBALLETT sollte also die Eier legende Wollmilchsau werden, bei der ich alles miteinander verbinden kann. Es war allerdings auch schwierig, Mitmusiker zu finden, denn viele Musiker vermissen in ihren Stilrichtungen nicht so viel. Und erst recht nicht etwas zwischen den beiden Extremen Metal und Jazz. Man muss schon sehr offen sein und als Musiker sehr gut spielen können, damit das klappt. Letztendlich hat es ja geklappt, sodass es PANZERBALLETT seit zwölf Jahren gibt. Es macht nach wie vor Spaß, wird immer besser. Alles wächst und gedeiht.

Ich finde die Kombination der beiden Kontraste Jazz und Metal total spannend. Auf der einen Seite die akademisierte Jazzszene mit Musikerpolizei, auf der anderen das eskapistische Rebellentum. Wie erlebt ihr die Akzeptanz in beiden Welten?

Wenn wir auf Jazzfestivals spielen, haben wir in der Regel ja nicht "unser" Publikum dort. Sondern ein Publikum, das wegen Jazzmusik da ist. Und das polarisiert dann natürlich. Das passiert uns überall, wo wir nicht unser Publikum haben. Ein Teil gibt schnell auf und verlässt den Saal, ein anderer Teil duldet es und hat anschließend etwas zu lästern. Und dann gibt es noch den Bruchteil, der total begeistert ist, bleibt und zum Fan wird. Die kommen dann zu unseren Konzerten und machen eine Bombenstimmung.
Mir gefällt es natürlich, wenn die Leute Anstoß an PANZERBALLETT finden. Letztlich mache ich die Musik ja, um anstößig zu sein, zu provozieren. Sowohl die Metaller als auch die Jazzer. Wobei man schon sagen kann, dass die Jazzer tendenziell offener sind. Denen sind wir manchmal nur zu laut. Das geschieht natürlich in der Metalszene nicht, da kommen wir meistens halt gar nicht erst hin. Bis auf das "Euroblast"-Festival haben wir auch keine derartigen Festivals auf unserem Konto.

Dann kann ich dir ja gerne das Kompliment ausstellen, dass ihr es schafft, zu provozieren. Das gelingt nämlich meiner Ansicht nach in der Metalszene viel zu selten. Gerade für ein Umfeld, das sich immer gegen den Trend gestellt hat, sind wir Metaller ganz schön konservativ geworden.

Ja danke. Die Leute können nur Anstoß daran finden, wenn in der Musik Elemente sind, die plakativ sind und die man nicht kennt. Bei uns ergibt sich die Anstößigkeit aus dem als kakophon angesehen Kontrast von Instrumentierung und Lautstärke.

Bei einigen Bands ist der Grat der Nachvollziehbarkeit schmal, bei PANZERBALLETT wird er endgültig überschritten. Gerade als Nicht-Musiker kommt man nicht mehr mit, oder?

Ja, absolut. Gerade die Nachvollziehbarkeit ist aber auch Teil des Statements. Es soll auch nicht sofort nachvollziehbar sein, es soll einen aus der Bahn werfen. Deswegen wird es auch immer Nischenmusik bleiben. Für mich persönlich versuche ich es an die Grenze des Nachvollziehbaren zu setzen, der Zuhörer muss erst einmal das musikalische Gehört dafür entwickeln. Es muss sozusagen eine Vorleistung erbracht werden. Wenn dies aber geschehen ist, dann ist die Bindung dafür umso stärker. Man kann es genießen, weil man es sich erarbeitet hat. Dadurch ist PANZERBALLETT konsequenterweise aber leider dem Mainstream-Tod geweiht und zum Nischendasein gedrängt.

Für Musiker gibt es bei "Breaking Brain" eine besondere Form der Nachvollziehbarkeit: nämlich die ausnotierten Instrumentalstimmen des Songs 'Typewriter II'. Ist das ein interessanter Gag oder habt ihr damit gerechnet, dass Hobbymusiker wie ich sich hinsetzen und versuchen, mitzuspielen?

Sowohl als auch, würde ich sagen. Es unterstreicht natürlich den Nerd-Faktor, der bei uns unweigerlich immer mitspielt. Im Gegensatz zu den tausend Knöpfen, die man bei einer Raumschiff-Filmkulisse sieht, haben die Noten in diesem Fall aber auch alle ein Funktion. Die stimmen nämlich alle 1:1, genau so haben wir das Stück aufgenommen. Andererseits spielt auch ein gewisses Augenzwinkern mit. Andere Bands haben Songtexte im Booklet - die gibt es bei uns nicht. Also haben wir uns dazu entschieden, die Noten dabei zu geben. Primär für das Fachpublikum, aber auch für jeden anderen, der meine Komposition verstehen möchte.

Von den Kompositionen auf "Breaking Brain" sticht wohl 'Shunyai' mit seinem Intro am meisten hervor. Auch für trainierte Ohren eine sehr herausfordernde Sache, an der ich zu knacken hatte. Was steckt hinter der Nummer?

Das hat folgenden Hintergrund: Der Kompositionsstil natürlich beruht auf meinen Haupteinflüssen, einer davon ist MESHUGGAH. MESHUGGAH wiederum wurde von indischen Rhythmen beeinflusst. Auf dem Gebiet also Pionieren und wohl auch der maßgebliche Grund für den Erfolg. Jedenfalls habe ich dieses Konzept für mich übernommen und über zwei Ecken bin ich an den indischen Percussionisten Trilok Gurtu gekommen, der in der Jazzszene sehr bekannt ist. 'Shunyai' ist ein Arrangement seines eigenen Stückes, auf dem er als Gastsolist zu hören ist. Einerseits mit diesem indischen Scat-Gesang, auch Konnakol genannt, und andererseits als Percussionist. Wir haben ihn dann einen Tag zu uns ins Studio eingeladen, was für mich persönlich auch eine große Ehre ist.

Bei 'Euroblast' erkennt man natürlich die Referenzen zum Festival und 'Typewriter' ist eine andere Herangehensweise an das ursprüngliche Stück von Leroy Anderson. Wie kommst du dann auf soetwas wie 'Mahna Mahna'? Ist das der Reiz des Bekloppten?

Das soll auch gar nicht ernst gemeint sein. Klar, wir haben das Stück genommen weil das Original jeder kennt und darüber lachen kann. Für mich wird es noch lustiger, wenn man es musikalisch mit einer ernsthaften Komplexität versieht, es aber diesen Doof-Charakter trotzdem noch behält. Quasi im Spannungsfeld zwischen ernsthafter Virtuosität und Augenzwinkern. Das ist bei dem Stück auf jeden Fall vorhanden. Diese Mischung gibt es bei PANZERBALLETT schon immer und 'Mahna Mahna' treibt es auf die Spitze.

Hast du vielleicht das Gefühl, dass das Konzept oder die Besetzung irgendwann ihren Reiz verliert?

Es kann durchaus sein, dass andere Instrumente auch andere Möglichkeiten bieten würden, aber unsere Besetzung hat sich für mich bewährt. Neue Instrumentalisten zu finden, würde sehr schwierig sein. Theoretisch ist das zwar alles denkbar, praktisch sehe ich aber keine Umsetzungsmöglichkeit, das "mal eben" ausprobieren. Mir geht es letztlich um musikalische Erfüllung und die finde ich im Komponieren von Stücken und im Aufführen dieser Stücke. Solange sich das mit der aktuellen Besetzung realisieren lässt, sehe ich keinen Grund zur Veränderung.

Ein schönes Schlusswort. Wir reden am Telefon noch etwas über die Unterschiede zwischen E- und U-Musik und freuen uns auf den PANZERBALLETT-Gig auf dem "Generation Prog"-Festival in Nürnberg, der im Übrigen ganz fantastisch war!

Redakteur:
Nils Macher

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