PAPA ROACH: Interview mit Tobin Esperance

19.01.2011 | 12:03

PAPA ROACH sind auch zehn Jahre nach ihrem Megahit 'Last Resort' noch eine ziemlich große und populäre Band. Das ist sicher etwas, was viele Kritiker zu Beginn ihrer Karriere nicht erwartet hatten und auch nicht besonders viele Bands, die mit PAPA ROACH groß geworden sind, von sich behaupten können. Vor dem Konzert mit DISTURBED trafen wir uns mit Bassist Tobin Esperance und sprachen mit ihm über neue Veröffentlichungsideen, die Zukunft der Musikindustrie und die Vergangenheit der Band.

Tobin zeigt sich als netter, eher schüchterner und nachdenklicher Gesprächspartner, der seine Worte mit Bedacht wählt und schon auf den ersten Eindruck völlig anders wirkt, als man vielleicht denkt. Bereits im September des letzten Jahres haben die Amis mit "Time For Annihilation" einen Mix aus neuen Songs und Live-Album veröffentlicht. Ein etwas ungewöhnlicher Weg. "Wir waren einfach so froh, endlich nicht mehr bei Geffen unter Vertrag zu stehen, dass wir das mit einer Veröffentlichung feiern wollten.", beginnt Tobin das Gespräch erfreulich offen. "Es hat dort einfach keinen Spaß mehr gemacht und man war einfach nur noch irgendeine Band. Unser Manager ist glücklicherweise auch der Chef von unserem neuen Label Elevenseven Music, so dass ein Wechsel natürlich naheliegend war. Jetzt sind die Wege wieder kurz, man kennt sich persönlich, es wollen nicht viel zu viele Leute mitreden. Das ist toll. Eigentlich sollte "Time For Annihilation" dann ein Live-Album werden, für das wir noch einen neuen Song aufnehmen wollten. Aber im Studio lief es dann so gut, dass es gleich fünf geworden sind. Also haben wir zu unserem 10-jährigen Jubiläum auf einem Majorlabel noch ein paar Live-Songs drauf gepackt und schon hatten die Fans etwas Wertiges in der Hand.", erklärt Tobin.

Dabei ist die Band jetzt durchaus auf den Geschmack gekommen, nur wenige Songs im Studio zu schreiben. "Ja, vielleicht machen wir das in Zukunft so, dass wir nur noch fünf richtig gute Songs aufnehmen und dafür regelmäßiger veröffentlichen und auf Tour gehen. Heutzutage haben die Leute doch eh häufig die Mentalität, nur einzelne Songs zu hören und den Rest mehr oder weniger zu ignorieren. Und dafür ist uns unsere Musik irgendwie zu schade. Davon abgesehen, muss man auch einfach sagen, dass es schwieriger ist zehn oder zwölf Songs auf dem gleichen Niveau zu schreiben als fünf oder sieben.", gibt Tobin zu. Doch nicht nur die Mentalität der Leute, sondern auch die neuen Möglichkeiten, die es dank Internet & Co. gibt, sieht Tobin als Anlass zum Umdenken. "Man muss nur sehen, wie schwerfällig die großen Label geworden sind. Es wird nicht mehr lange dauern bis sie alle untergehen. Heute kann man so vieles selbst machen, für das man noch vor zehn Jahren Spezialisten gebraucht hat. Diese ganzen Mittelsmänner werden wegfallen. Es wird mehr kleine Labels geben, die mit guten Vertrieben zusammen arbeiten oder Bands, die ganz auf die Unterstützung eines Labels verzichten und die Musik selbst an den Mann bringen. Es gibt ja nicht mehr so viele Bands, die so viele Platten verkaufen, dass sie das nicht selbst organisieren könnten.", beweist Tobin durchaus Geschäfts- und Realitätssinn.


Da ist eine Band (oder zumindest ein Mitglied davon) offensichtlich erwachsen geworden. "Als wir vor zehn Jahren über Nacht berühmt geworden sind, war das schon eine wilde Zeit.", erinnert sich Tobin zurück. "Wir waren alle gerade 20 und wussten gar nicht, was um uns geschah, jeder wollte unser Freund sein. Es ist gar nicht so leicht, damit umzugehen." Als das Gespräch in Richtung Drogenkonsum geht, weichen Tobins wache Augen, die vorher noch Kontakt gesucht haben, aus und er blickt nachdenklich in den Raum. Es ist offensichtlich, dass das Thema ihn belastet. "Ja, Drogen und Alkohol waren natürlich bei uns ein Thema und es ist unglaublich, wie viel Schaden man sich und anderen damit zufügen kann. Es kam dann irgendwann die Zeit, als ich feststellte, dass es so nicht mehr weitergeht. Man wird älter und trägt nicht mehr nur für sich Verantwortung (Tobin hat vor einer Weile geheiratet - PK), da muss man sich natürlich fragen, ob man sich das noch antun kann. Du kannst dir nicht vorstellen, wie schlecht man sich dann an manchen Tagen fühlt und man braucht jemanden, der einen dann untersützt. Ich kann von mir sagen, dass ich das Glück hatte, so jemanden zu haben.", gibt Tobin ernst zu Protokoll.

Dass da der Tod von Pete Steele und Paul Gray, die beide an den Folgen des Drogenkonsums gestorben sind, einen schwer trifft, ist nachvollziehbar. "Diese Nachrichten haben mich unendlich traurig gemacht. Gerade auch im Fall von Paul, der ja Frau und Kinder hinterlässt. Wir haben ja auch ein Mitglied der Band (gemeint ist der ehemalige Drummer Dave Buckner - PK) an den Drogen verloren, aber es war immerhin noch früh genug, damit er sein Leben wieder auf die Reihe bekommen kann." Auch wenn es derzeit gut aussieht, ist das Ergebnis wohl noch offen.


Die Zukunft von PAPA ROACH sieht Tobin absolut positiv. "Unserer Karriere ist nie geradlinig verlaufen, es gab immer Höhen und kleinere Tiefen. Wir waren zwar nie so richtig weg vom Fenster, aber die ersten beiden Alben haben sich unglaublich gut verkauft, das dritte dan etwas weniger, das vierte wieder besser und so weiter. Viele unserer Fans haben immer zu uns gehalten und sind mit uns gewachsen und haben sich mit uns verändert. Wir klingen heute nicht mehr wie anno 2000 und werden in zehn Jahren nicht mehr so klingen wie heute, aber man wird immer noch erkennen, dass da PAPA ROACH am Werk sind.", erzählt Tobin. Angst davor, dass der Sound der Band absolut überholt sein wird und man eine Komplettveränderung wie jüngst LINKIN PARK durchzieht, hat Tobin nicht. "Wir haben sowieso nie gleich geklungen und Nu Metal waren wir ja eigentlich auch nie. Ehrlich gesagt, mag ich Nu Metal nicht mal.", findet Tobin sein Lachen wieder. "Ich habe großen Respekt vor der Entscheidung, die LINKIN PARK getroffen haben, denn sie können sehr viel damit verlieren, aber sie sind die Künstler und nur sie bestimmen, was sie spielen und das ist gut so. Wir sind einfach nur eine gute Rockband, die auch live ihre Fans immer überzeugt hat und genau das wollen wir auch in Zukunft tun.", verspricht Tobin. Ein Versprechen, dass sie zumindest bei der folgenden Show einlösen, wo sie DISTURBED ziemlich alt aussehen lassen.

Redakteur:
Peter Kubaschk

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